Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Wer eine solidarische Stadt will, der muss für gute Arbeit eintreten. Deshalb geht die Koalition hier mit gutem Beispiel voran. Ich freue mich, dass R2G in Berlin mit dem neuen Landesmindestlohn, mit dem neuen Vergabegesetz eine bundesweite Vorreiterrolle einnimmt. Es muss endlich Schluss sein mit Dumpinglöhnen. Man muss von Arbeit leben können. Unser Ziel ist keine Res

pektrente, unser Ziel sind Löhne und Gehälter, die verhindern, dass man nach 35 oder 40 Jahren Arbeit in die Altersarmut entlassen wird.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

12,50 Euro sind dafür das Minimum. Deshalb soll es auch überall dort mindestens gezahlt werden, wo wir darauf Einfluss haben.

Mit diesem Doppelhaushalt sichern wir auch, dass R2G ein Versprechen hält, dass die Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst am Ende dieser Legislaturperiode wieder den Durchschnitt der anderen Bundesländer erreichen. Aber vor allem hat R2G begonnen, endlich Personalentwicklungspolitik zu betreiben und auch zu finanzieren.

Meine Damen und Herren von der CDU! In der vergangenen Legislaturperiode, als Sie das zu verantworten hatten, ist da nichts, null Komma nichts, passiert. Da gab es nur folgenlose Bekenntnisse, wie jetzt auch wieder, zu Polizei und Feuerwehr im Kampf gegen das Böse. Personal dafür und für die öffentliche Verwaltung gab es aber nicht. Nichts. Es gab nur hohle Worte.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aber die wachsende Stadt, der Staat, die Umsetzung von Investitionen braucht gut ausgebildetes, motiviertes Personal. R2G schafft mit diesem Doppelhaushalt über 4 770 neue Stellen im Land und in den Bezirken. Diese Stellen auch zu besetzen, wird sicher eine riesige Herausforderung. Dafür muss ich Berlin als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Da gibt es zugegebenermaßen auch noch Luft nach oben. Aber ein zusätzlicher Baustein könnte da die neue Hauptstadtzulage sein, über deren genaue Ausgestaltung wir natürlich noch im Gesetzgebungsverfahren reden müssen.

Außerdem hat die Koalition mit dem Haushalt die Mittel bereitgestellt, damit die freien Träger endlich Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst nachvollziehen können. Wir wollen aber auch, dass das jetzt möglichst schnell umgesetzt wird. Denn die Menschen, die hier einen großen Teil der sozialen, bildungs- und kulturellen Arbeit in unserer Stadt leisten, haben es verdient, besser bezahlt zu werden. Deshalb ist es auch gut, dass wir jetzt die Honorare und die Zahl der Festanstellungen an den Musikschulen erhöhen. Auch das stärkt den sozialen Zusammenhalt in der Stadt.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Steigende Löhne und Gehälter bringen allerdings wenig, wenn sie von der nächsten Mieterhöhung aufgefressen werden. Als wir am Anfang von R2G erklärt haben, dass wir das Drehen der Mietspirale beenden wollen, wurde das noch von vielen mit einem müden Lächeln zur

Kenntnis genommen. Die einen haben an unserem ernsthaften Willen gezweifelt, die anderen an unseren Möglichkeiten. Aber es hat sich gezeigt, es gibt die Möglichkeiten, und wir werden sie nutzen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Meine Damen und Herren von der Opposition, da hilft auch keine Kampagne mit bezahlten Claqueuren und Fake-Accounts, der Mietendeckel kommt.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Sebastian Czaja (FDP): Können Sie diese Behauptung bitte belegen!]

Eine Wohnung ist für Menschen mehr als einfach nur vier Wände. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich das Bundesverfassungsgericht:

Eine Wohnung bildet den Lebensmittelpunkt der Einzelnen und ihrer Familien und soll nicht allein der Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse, sondern auch der Freiheitssicherung der Persönlichkeitsentfaltung dienen.

Herr Czaja, hören Sie einmal zu. Das war ein Zitat vom Bundesverfassungsgericht. Da können Sie viel lernen über die Verfassungsgerechtigkeit in unserem Land.

[Sebastian Czaja (FDP): Mach ich! – Danny Freymark (CDU): Sie wissen ja gar nicht, was er weiß!]

Ich will das hier noch einmal mit aller Deutlichkeit festhalten. Das Bundesverfassungsgericht sagt, die Wohnung ist keine x-beliebige Ware. Deshalb unterliegt das Eigentum an Wohnraum eben auch einer besonderen sozialen Verpflichtung. Weiter erklärt das Bundesverfassungsgericht – hören Sie genau zu, es ist ein bisschen komplizierter für Sie, dass ist nicht so schlecht:

Der Gesetzgeber kann sich

auf das gesellschaftspolitische Interesse an einer durchmischten Wohnbevölkerung in innerstädtischen Stadtvierteln berufen. Als langfristige Folge der Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus stark nachgefragten Stadtvierteln droht eine Aufteilung der Wohnbevölkerung auf einzelne Stadtteile nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Mit Blick auf diese, durch spätere Maßnahmen nur schwer zu beseitigenden Folgen einer Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus einzelnen Stadtvierteln kommt der … Verhinderung der Gentrifizierung als Gemeinwohlbelang ebenfalls Gewicht zu.

Sie regen sich bei diesem Thema immer wieder auf. Sie reden dann beim Mietendeckel über DDR, Mauerbau und Kommunismus. Ich zitiere das Bundesverfassungsgericht, rede über das Grundgesetz, und ich rede über die Lebensbedingungen der Menschen in Berlin.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von bei der AfD]

Der Auftrag des Grundgesetzes ist eindeutig. Politik hat die Aufgabe, dort regulierend einzugreifen, wo der Markt zu unsozialen Verwerfungen führt. Die Aufregung über solche Selbstverständlichkeiten sagt viel über die aufgeregten Apologeten des freien Marktes aus, aber wenig über die Verfassungslage.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Sebastian Czaja (FDP): Wie war das mit Wasser und Wein?]

Vergangene Woche warnten auf einer Anhörung der Opposition Vertreter der Immobilienbranche vor enormen Einnahmeverlusten. Mal kurz überlegen: Wer hätte denn diese Einnahmen bezahlt? Bedeuten diese Einnahmeverluste der Immobilienunternehmen nicht automatisch mehr Geld für die Mieterinnen und Mieter?

[Sebastian Czaja (FDP): Das sie zurücklegen sollen!]

Mit dem Mietendeckel wollen wir die Berlinerinnen und Berliner in den kommenden Jahren um geschätzt 2,5 Milliarden Euro entlasten – Geld, das die Menschen für andere Dinge ausgeben können.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Sebastian Czaja (FDP): Das stimmt ja nicht ganz!]

Handel, Gewerbe und Dienstleistungen werden davon profitieren, dass viele Berlinerinnen und Berliner mehr Geld in der Tasche haben und dass dieses Geld zum Beispiel nicht in den Pensionskassen von Zahnärzten in Schleswig-Holstein oder auf den Konten internationaler Investoren landet, sondern im Berliner Einzelhandel. Konjunkturpolitisch ist das ein riesiger Gewinn. Das sollten übrigens auch die Wirtschaftsfreunde endlich mal verstehen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Raed Saleh (SPD) – Sebastian Czaja (FDP): Ihre Senatorin rät doch, das Geld nicht auszugeben, weil das Gesetz unsicher ist!]

Ebenso unbegründet dürfte die Sorge sein, dass in der Baubranche Zehntausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Wir erreichen mit diesem Haushalt ein Investitionsvolumen von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, und ein nicht unerheblicher Anteil davon fließt in Bauprojekte. Außerdem haben wir Vorsorge getroffen, dass wir auch nach 2020/2021 weiterhin mindestens auf diesem Niveau investieren können.

[Sibylle Meister (FDP): Sie müssen es auch machen!]

Das ist auch angesichts des nach wie vor vorhandenen Sanierungsstaus bei den öffentlichen Infrastrukturen

dringend nötig. Die Hoffnung also, dass Berliner Handwerker und Bauleute in absehbarer Zeit mehr Termine frei haben, dürfte unbegründet sein.

[Sebastian Czaja (FDP): Ist sehr begründet! Schauen Sie sich das nur an!]

Grund und Boden sind in vielerlei Hinsicht die Basis für die Gestaltung der sozialen Stadtentwicklung. Das betrifft nicht nur Flächen für den Wohnungsbau, sondern genauso Grünflächen, Gewerbeflächen und Flächen für soziale Infrastruktur von Schulen bis zu Schwimmbädern, Krankenhäusern oder Kulturstandorten. Angesichts der natürlichen Begrenztheit der Ressource Boden hat diese gerade unter den Bedingungen einer wachsenden Stadt strategische Bedeutung. Das wissen wir nicht erst, seitdem HansJochen Vogel das Thema auch aus München heraus untersucht. Die grassierende Spekulation mit Grund und Boden muss bekämpft werden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Deshalb ist es auch richtig, dass wir in diesem Haushalt einen Bodenankaufsfonds in Höhe von 250 Millionen Euro einrichten.

Mit diesem Haushalt werden wir wieder erhebliche Mittel für den Um- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bereitstellen. Niemand mit klarem Verstand bestreitet noch, dass der Personenverkehr in der wachsenden Hauptstadtregion nicht mehr durch das Auto zu bewältigen ist, übrigens auch nicht durch das E-Auto. Deshalb hat der Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs für uns absolute Priorität. Wir setzen dabei neben der Taktverdichtung bei U-, S- und Regionalbahn vor allem auf den Ausbau des Straßenbahnnetzes.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Wir tun das vor allem aus einem Grund: Nicht nur, weil das im Vergleich zu den anderen Zügen preiswerter ist, sondern vor allem, weil es auch schneller geht.

[Frank-Christian Hansel (AfD): U-Bahn nach Tegel, zum BER!]

Zumindest könnte es das, wenn dieser Aufgabe endlich wirklich Priorität eingeräumt würde, und ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir mit dem momentanen Stand unzufrieden sind. Der wird aber auch nicht besser, wenn die wenigen Verkehrsplaner dann auch noch mit Machbarkeitsstudien für den U-Bahn-Ausbau beschäftigt werden. Ich habe nichts gegen die U-Bahn, Herr Dregger. Ich finde U-Bahn toll, und ich freue mich auch, dass wir nach zehn Jahren Bauzeit und nur einem Jahr Verspätung endlich zwei neue Kilometer mit drei neuen Stationen in Betrieb nehmen können.

[Burkard Dregger (CDU): Dann fangen Sie doch endlich an!]

Aber das ist die Kür. Damit können wir uns beschäftigen, wenn die Hausaufgaben erledigt sind. Ich sage das auch, weil es ja immer heißt: Wir müssen bauen, bauen, bauen!

[Cornelia Seibeld (CDU): Fangen Sie doch mal an! – Heiko Melzer (CDU): Machen Sie mal die Hausaufgaben!]

Und hier noch ein Entwicklungsgebiet, und da noch eine Bürgerstadt! – Wir können da ganz viele Planspiele veranstalten, aber wenn es nicht gelingt, diese Gebiete auch an das Nahverkehrsnetz anzuschließen, dann werden die Menschen dort nicht zu ihrer Arbeit und wieder zurückkommen oder nur mit dem Auto und dann täglich stundenlang im Stau stehen. Und das will ja nun keiner. Die Verkehrswende gelingt mit der Straßenbahn und mit dem Ausbau des Radwegenetzes, und dafür ist das Geld jetzt auch da.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Lachen bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Leipziger Straße!]

Wenn wir über eine solidarische Stadt sprechen, dann sprechen wir auch immer über eine weltoffene Stadt, eine Stadt, in der kein Platz ist für Antisemitismus, Rassismus, Homophobie und Rechtsextremismus.