Protokoll der Sitzung vom 16.01.2020

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Paul Fresdorf (FDP) – Weitere Zurufe von der FDP]

Für die AfD-Fraktion hat Herr Vallendar jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zutreffend ist, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 17. Oktober 2019 über drei Klagen der Gesamtfrauenvertreterin der Berliner Justiz entschieden und dabei die klageabweisenden Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin bestätigt hat. Das Landesgleichstellungsgesetz gelte nicht für Richterinnen, urteilte der Senat. Auch eine entsprechende Auslegung des LGG ergebe nicht mit der vom Bundesverfassungsgericht verlangten Deutlichkeit die Erweiterung der Zuständigkeit auf Richterinnen. Vielmehr beziehe sich das LGG vielfach auf das Personalvertretungsgesetz, das Richterinnen und Richter nicht erfasse. Klar ist, der Gesetzgeber könnte dies anders beurteilen und den Anwendungsbereich auf Richter erweitern. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit gibt es dafür aber nicht. Insofern sollten wir uns die Frage stellen, ob eine Änderung des LGG überhaupt erforderlich ist.

Zunächst bleibt einmal festzuhalten, dass bei den Neueinstellungen der Richterinnen und Richter in Berlin sich nicht das Bild abzeichnet, dass es ein Problem mit der Förderung von Frauen gibt. Im Gegenteil – der Kollege Schlüsselburg hat es schon richtig ausgeführt –: Im Richterwahlausschuss, dem ich auch selbst angehöre, werden mittlerweile mehr Frauen als Männer eingestellt. Das liegt nicht etwa am Geschlecht, sondern an der Leistung, Eignung und Befähigung der Bewerber. So soll es auch sein.

[Beifall bei der AfD – Anja Kofbinger (GRÜNE): Ach!]

Auch die Zahl der Bewerberinnen ist gestiegen. Die juristischen Studiengänge sind mittlerweile bei Weitem keine Männerdomäne mehr. In einer freien Gesellschaft, wo die Geschlechter nach eigenen Interessen über ihren beruflichen Werdegang entscheiden, ergibt sich zwischen den Geschlechtern automatisch eine unterschiedliche Verteilung in unterschiedlichen Berufsfeldern. Das ist ein natürlicher Prozess und ein echter Ausdruck von Freiheit. Echte Gleichberechtigung ist aus unserer Sicht dann erreicht, wenn das Geschlecht bei der Einstellung und Beförderung keine Rolle mehr spielt und wir keine Geschlechterbeauftragten mehr benötigen.

[Beifall bei der AfD]

Davon ist Berlin aber noch weit entfernt. Für Berlin ergibt sich eine Zahl von gut über 160 Frauenvertreterinnen. Das LGG ist ein bürokratisches Beteiligungsmonster. Man läuft immer mehr in Richtung Gleichstellung, die jedoch der Gleichberechtigung der Geschlechter zuwiderläuft. Aus diesem Grund sehen wir hier keinen Gesetzesänderungsbedarf. Es gibt auch innerhalb der weiblichen Richterschaft diesbezüglich unterschiedliche Auffassungen. Viele Richterinnen, welche sich mühsam den Weg durch die Spruchkörper gearbeitet haben, sehen den zunehmenden Einfluss von Frauenvertreterinnen auf Auswahlverfahren durchaus kritisch. Auch Quereinsteierinnen aus der Senatsverwaltung für Justiz, welche nie als Richterinnen gearbeitet haben, aber – im Gegensatz zu den Richterinnenkollegen – oft über utopische dienstliche Beurteilungen verfügen, führen zu Unmut innerhalb der Richterschaft. Ich persönlich befürworte in diesem Zusammenhang die Unabhängigkeit der Justiz in diesem Bereich.

Der Begriff Gesamtfrauenvertreterin ist darüber hinaus trügerisch, denn die Frauenvertreterin dient gerade nicht der Vertretung der Interessen von Beschäftigten in der Dienststelle, vielmehr ist sie nach der Konzeption des Gesetzes als Sachwalterin der Ziele des Gleichstellungsgesetzes zu verstehen. Sie ist der Dienststellenleitung zugeordnet und wirkt bei der internen Willensbildung der Dienststelle mit. Sie unterscheidet sich damit deutlich von den Personalvertretungen, welche ein Kontrastorgan zur Dienststelle sind. Ihr mehr Rechte einzuordnen als bisher, sehen wir daher nicht als erforderlich an.

Noch etwas an die Kollegin Jasper-Winter: Ich werfe dem Justizsenator ja vieles vor und schone ihn auch sehr selten, ihm aber den Vorwurf zu machen, vor Gericht zu ziehen und zu gewinnen, hat schon etwas Komödiantisches.

[Beifall bei der AfD]

Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Kofbinger das Wort. – Bitte schön!

(Sebastian Schlüsselburg)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was ich jetzt über den Justizsenator erfahren musste, erschüttert mich sehr. Ich habe den immer für einen ziemlich korrekten Typen gehalten, aber gut, dass die Frau Jasper-Winter uns jetzt einmal aufgeklärt hat, was Sie für einer sind. – Nein, natürlich nicht! Er ist nicht nur nett und verträglich und – by the way – ein hervorragender Jurist, sondern er ist auch einer, der Frauenförderung wirklich ernst nimmt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Danke schön! Das kann man auch mal beklatschen. – Frau Jasper Winter, wenn Sie mal schauen – das tun Sie natürlich nicht –, wie viele Menschen bei ihm wöchentlich, monatlich eingestellt werden, dann werden Sie feststellen, dass das fast immer 50 Prozent Frauen sind, und manchmal sind es auch mehr.

Aber lassen Sie uns beim Thema bleiben. Es geht darum, dass ununterbrochen zwei Sachen durcheinandergeworfen werden. Wer ist denn jetzt schuld an der Misere? Jetzt könnte man sagen: Gehen wir doch mal an den Ursprung des Verfahrens zurück. Auch das lohnt sich manchmal. Frau Vogel wird jetzt wahrscheinlich vom Stuhl kippen, weil die erste Klage schon so alt ist, dass es dabei noch um einen Senator Heilmann ging, der der CDU angehörte und immer noch angehört. Der wurde beklagt, und zwar aus einem sehr guten Grund, denn es fehlte etwas im Landesgleichstellungsgesetz. Die Kollegin und der Kollege haben ja schon ausgeführt. Das ist richtig. Die Gesamtfrauenvertreterin hatte sozusagen keine Arbeitsgrundlage.

Deshalb haben wir uns als Koalitionsfraktionen zusammengetan, schreiben uns jetzt immer Briefe hin und her und werden uns in Kürze dazu verständigen, was wir jetzt wo ändern wollen. Der Kollege Schlüsselburg hat ja bereits gesagt, da muss noch ein bisschen was passieren. Da müssen wir noch den § 18a reinnehmen, weil er sonst die Gesamtfrauenvertreterin gar nicht mitnimmt. Da sind wir bei den örtlichen Frauenvertreterinnen, und da ist der klagenden Person überhaupt nicht geholfen, weil sie schon wieder außen vor ist. Aber das machen wir. Wir werden über die Anträge sowieso noch in zwei Ausschüssen reden. Da können wir das alles wunderbar anbringen. Ich glaube auch nicht, dass wir eine Anhörung dazu brauchen, denn eins ist ja klar geworden: Alle wollen mehr oder minder das gleiche.

Ich möchte hier noch mal eine Lanze für den Justizsenator brechen. Diese ganze unglückselige Situation ist natürlich durch die langwierige Klagerei entstanden. Das Urteil in zweiter Instanz OVG liegt seit dem 17. Oktober vor, und das muss natürlich beachtet werden. In diesem OVG-Urteil steht drin, dass es kein Recht der Gesamtfrauenvertreterin gibt, an bestimmten Auswahlprozessen etc. teilzunehmen. Deswegen ist von gutgläubig auf bösgläubig gewechselt worden, wenn man das mal zu um

gangssprachlich formulieren will. Dafür kann aber dieser unglaublich fiese Senator nichts, sondern das ist einfach so. Wenn man ein Urteil erwirkt, muss man auch mit den Folgen leben. Sie wissen wie das ist: Auch wenn man sich ganz sicher ist, dass man recht hat, kann ein Urteil trotzdem anders ausfallen. Das ist sehr bedauerlich, aber ich glaube, dass wir diesen Umstand sehr schnell beheben können. Alle Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen haben dem zugestimmt. Der Justizsenator badet lediglich das aus, was vor fünf Jahren angerührt wurde.

Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage zu lassen.

Im Wesentlichen ist natürlich die Frau gefragt, in deren Geltungsbereich das LGG fällt, und das ist Senatorin Kalayci. Von der habe ich auch gehört, dass sie eine Lösung anstrebt.

Ich versuche es noch einmal: Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Dr. Jasper-Winter?

Natürlich!

Dann unterbrechen wir jetzt Ihre Redezeit.

Liebe Frau Kollegin Kofbinger! Stimmen Sie mir zu, dass der Justizsenator die Debatte angeheizt hat, indem seine Abteilungsleiterin im November angewiesen hat, dass die Gesamtfrauenvertreterin nicht mehr bei den Sitzungen teilnehmen dürfe, obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig war? Meinen Sie nicht auch, dass man zumindest diese Zuspitzung hätte vermeiden können?

Da kann ich Ihnen durchaus zustimmen. Damit hätte man sicherlich warten können, bis das Urteil rechtskräftig ist. Ich stecke in diesem Verwaltungsablauf allerdings nicht drin. Ich bin auch nicht mit den genauen Abläufen, wann was als Schriftsatz vorlag, vertraut, aber Sie haben recht, diese Zuspitzung hätte man vermeiden können. Aber am Gesamtproblem ändert das überhaupt nichts. Ob die Gesamtfrauenvertreterin jetzt noch vier Wochen länger dabei bleiben darf oder nicht, ist glaube ich nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass Sie sich immer nicht ent

scheiden können, wer hier zuständig ist, aber böse sind alle. Ich würde aber sagen, wir schauen mal in Richtung von Senatorin Kalayci. Sie ist zuständig, aber böse ist sie auch nicht. Sie ist eine Gutmeinende und Wohlwollende, die eine Lösung anstrebt. Mit ihr könnten wir uns vielleicht einigen und vermeiden, dass vielleicht noch Frau Lompscher oder Frau Pop involviert werden. Das wollen wir ja alle nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Gesetzesantrag wird die Überweisung federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung sowie mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht; dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 7:

Zweites Gesetz zur Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2378

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung der Gesetzesvorlage. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. – Herr Dr. Nelken! Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade hatten wir die erste Lesung des Gesetzes zum Mietendeckel, und dazu passend jetzt die erste Lesung zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Wohnungsaufsichtsgesetzes. Der Kollege Laatsch sagte vorhin in seiner Rede, dass hier das nächste Unheil auf die Vermieter und Eigentümer zukommt. – Hier gibt es einen wesentlichen Zusammenhang, der allerdings ein anderer ist als der, den Herr Laatsch herbeifantasierte. Es geht vielmehr darum, dass es in der Wohnungspolitik nicht ein Instrument gibt, um den Wohnungsmarkt in den Griff zu bekommen, sondern es ist immer ein ganzer Strauß von Instrumenten, die man in der Wohnungspolitik einsetzen muss: Das ist die Neubauförderung, die Modernisierungsförderung, die Genossenschaftsförderung, das ist auch die Mietpreisregulierung und auch das ZweckentfremdungsverbotGesetz – und nun, eng damit verbunden, eine weitere Novelle des Wohnungsaufsichtsgesetzes.

Bei der Gesetzesänderung geht es um die Stärkung der Handlungsfähigkeit der bezirklichen Ordnungsbehörden beim Vorgehen gegen Leerstand und Verwahrlosung von

Wohngebäuden. Das gehört nun einmal zur Situation in dieser Stadt. Es ist doch ein Anachronismus, dass in der Zeit des angespannten Wohnungsmarkts überall in der Stadt Wohngebäude teilweise oder gänzlich leer stehen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Ja, es ist ein Anachronismus. Ob man den beklatschen muss, weiß ich nicht.

[Iris Spranger (SPD): Nein, aber es ist wichtig!]

Denn das geschieht nicht nur in problematischen oder unwirtlichen Stadtlagen, sondern auch in sehr guten und stark nachgefragten Wohngebieten haben wir mitunter verfallene Häuser. Ich denke, hier wird völlig klar, dass die Eigenverantwortung der Eigentümer und der freie Markt eben nicht alles regeln. Solche skandalösen Zustände gehören abgeschafft. Deswegen wird das Wohnungsaufsichtsgesetz geschärft. Ich denke, ein wichtiger Punkt ist die Durchsetzungsfähigkeit von Instands- und Herstellungsanordnung. Der nächste wichtige Punkt ist, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchrechts ausgeschlossen wird. Und dann kommt die Regelung mit den Treuhändern, auf die alle schon gewartet haben, dass dann, wenn es überhaupt nicht funktioniert, wenn man einen Eigentümer nicht dazu bewegen kann, sein Wohnhaus nutzungsfähig zu machen und zu vermieten, man einen Treuhänder einsetzen kann und die möglichen Folgen wirtschaftlich absichert.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Es ist ein weitgehender Eingriff in die Eigentumsrechte; das ist völlig richtig. Demgegenüber ist die Mietpreisregulierung noch ganz harmlos. Ich erwarte jetzt einen Wettlauf zwischen Herrn Gräff von der CDU und Herrn Laatsch von der AfD, wer hier als Erster wieder eine Normenkontrollklage ankündigt, weil der Kommunismus vor der Tür steht. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Iris Spranger (SPD)]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Gräff das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident, vielen Dank! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, ehrlich gesagt, bei dem Gesetzesentwurf nicht sofort, dass der Kommunismus ausbricht. Das würde ich bei anderen Aufsätzen aus Ihrem Hause eher glauben; aber das sei dahingestellt.

(Anja Kofbinger)

Ich denke, dass wir bei Gebäuden und Wohnungen, die in einem sehr schlechten Zustand sind, in Berlin in der Tat ein Problem haben. Jetzt mögen Sie das benutzen, um das Bild, das Sie – ich spreche nicht die SPD an, sondern meine Herrn Dr. Nelken – vom raffgierigen Vermieter haben, der in ganz schmutzigen, dunklen Löchern möglicherweise seine Mieterinnen und Mieter sozusagen verscharrt. Ich glaube jedenfalls nicht, dass wir das Berliner Problem von Zuzug auf der einen Seite und Nachfrage nach preiswerten, bezahlbaren Mietwohnungen in Berlin auf der anderen Seite lösen werden. Da liegt ein signifikanter Unterschied. Ich glaube, auch hier schrauben Sie ein Problem hoch, das wir seriös lösen müssen, gar keine Frage. Aber wir werden die fehlenden Neubauaktivitäten dieses Senats damit lösen können.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]