Protokoll der Sitzung vom 16.01.2020

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei SPD und GRÜNEN – Zuruf von rechts: Armutszeugnis!]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Kluckert das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Sie die Clubschließung nutzen, um die große Sozialismuskeule zu schwingen, das habe ich irgendwie erwartet, das war so klar.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die Griessmühle als Club in Neukölln ist, muss man sagen, einzigartig nicht nur für die Berliner Clubszene, sondern auch – und das sage ich mit Stolz als Neuköllner Abgeordneter – für unseren Bezirk Neukölln, denn die Griessmühle ist weit über den Bezirk Neukölln hinaus bekannt.

[Zuruf von den GRÜNEN]

Sie müssen schon lauter rufen, sonst höre ich Sie nicht! – Von daher ist ein Weggang dieser Institution für uns aus Neuköllner Sicht nicht wirklich vorstellbar. Daher unterstützen wir als FDP Bemühungen, die Griessmühle an diesem Standort zu erhalten.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Es ist schon vieles zur Clubverdrängung gesagt worden; ich will die Debatte jetzt kurz vor Ende auch nicht unnötig in die Länge ziehen. Aber zwei Aspekte möchte ich schon ansprechen, die mich bei der Debatte über die Griessmühle in den letzten Tagen etwas ärgern: Das betrifft zum einen das Verhalten der Grünen und besonders

das Verhalten des Kollegen Kössler in dieser Angelegenheit. – Herr Kössler, Sie laufen jedes Mal, wenn ein Club schließen muss, mit einem Gesicht durch die Stadt, als ob man Ihnen Ihre Vielfliegermeilen aberkannt hätte, und beklagen die große Verdrängung.

[Lachen bei der FDP und der CDU]

Was war denn bei der Griessmühle der eigentliche Sargnagel, warum die Kündigung ins Haus flatterte? – Das war doch, dass an diesem Standort die Baugenehmigung für Lofts und Büros erteilt wurde, nämlich von Ihrem grünen Kollegen, dem Stadtrat Jochen Biedermann, der diese Genehmigung mit seiner Verwaltung erteilt hat. Da stelle ich mir die Frage: Was haben Sie denn im Vorfeld dafür getan, um diesen Standort kulturell zu sichern? Wo waren denn da die Bemühungen? – Jetzt, wo quasi das Möhrchenfeld plattgetreten ist,

[Lachen bei der FDP und der CDU]

da ist auf einmal das Gejammer groß.

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kössler zulassen?

Herr Kollege! Ist Ihnen bewusst, dass Baurecht erteilt werden muss, wenn ein B-Plan bereits beschlossen ist – und das ist ja bei der Griessmühle der Fall? – Das ist eine Frage, die ein bisschen länger dauern kann. Aber ist Ihnen klar, dass das keine Frage des Ob ist, sondern nur eine kleine Frage des Wie? Sind Sie überhaupt im Baurecht so bewandert, oder wollten Sie hier nur den dicken Macker machen?

Also Herr Kössler, den dicken Macker macht die FDP hier nie.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Natürlich kann man auch im Baurecht solche Sachen verankern, wenn man es möchte. Natürlich können Sie da eine kulturelle Nutzung reinschreiben und das Baurecht in diesem Bereich anwenden, das ist doch wohl ganz klar!

[Beifall bei der FDP – Zuruf von den Grünen]

Das Zweite, was mich an der Diskussion ärgert, ist ein bisschen der Antrag von der CDU an sich: Der zeigt, dass Sie von Clubkultur eigentlich gar keine Ahnung haben. Sie stellen sich das so vor: Da ist ein Club, und den verlagern wir jetzt mal – hier fiel gerade der Begriff – wie

(Dr. Michail Nelken)

ein Wanderzirkus. – Die Griessmühle ist deshalb so besonders, weil das mehrere Aspekte hat: Das ist zum einen die Nähe zum S-Bahnring. Das ist aber auch, dass es dort keine Nachbarn gibt und man Lärm machen kann. Aber vor allem ist es dieses alte Industriegebäude mit seinem ganzen Drumherum, und da können Sie nicht einfach sagen: Der Senat soll jetzt mal irgendwie ein Grundstück in Marzahn zur Verfügung stellen, und dann ziehen die um und alle gehen mit!

So wird es hier nicht funktionieren. Deswegen ist dieser Antrag tatsächlich ein bisschen Effekthascherei. Das hat Clara West richtig gesagt: Sie machen den zweiten Schritt vor dem ersten. – Ich würde vorschlagen, wir kämpfen jetzt erst einmal dafür, dass die Griessmühle an diesem Standort erhalten bleibt, und konzentrieren uns darauf, und dann machen wir den zweiten Schritt, wenn das nicht gelingen sollte. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für die Grünen hat jetzt der Kollege Kössler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Bass nachts durch die Knochen bebt und irgendwann das Glück reinkickt – da kommen einem schon kreative Ideen, und dazu gehörte wahrscheinlich auch dieser Antrag. Aber wenn es dann hell wird, und man guckt es sich noch mal an, dann merkt man: So richtig umsetzbar ist das nicht; schon gar nicht kann man in einer Sofortabstimmung hier irgendwelche Vermögensgeschäfte machen.

[Zuruf von Christian Goiny (CDU)]

Wir sind uns aber in der Sache, sehr verehrter Herr Kollege Goiny, einig: Clubkultur definiert Berlin, und zwar nicht nur wirtschaftlich – das wurde ja gerade von Ihnen dargestellt –, sondern sie definiert Freiräume, sie definiert Kultur, die weit über die Clubkultur hinausgeht. Natürlich ist Clubkultur in Berlin jetzt schon irgendwie ein immaterielles Weltkulturerbe, und ich glaube, Dr. Motte hat mit seiner Kampagne bessere Chancen als die BVG.

Nun ist Rot-Rot-Grün bereits aktiv in dem Bereich: Wir planen eine Initiative zur Clubkultur, und wir haben mit dem Lärmschutzfonds schon richtig was geliefert. Er wurde gerade verlängert – wieder 1 Million Euro für Clubs. Fragen Sie mal nach im „Kater Blau“, im „Golden Gate“, im „Gretchen“, in der „Ipse“! Also ich freue mich schon auf das eine oder andere Wochenende, das dank Ramona Pop, dank dem Lärmschutzfonds möglich gemacht wurde. – Keine Zwischenfrage, bitte!

Das eigentliche Problem aber – Spekulation mit Grundstücken wie bei der Griessmühle, wo sich der Preis ver

zehnfacht hat, Verdrängung, Gentrifizierung – müssen wir angehen, und da ist es reinstes Monopoly, es ist Wildwest. Und warum? – Weil wir kein richtiges Gewerbemietrecht haben! – Und wer blockiert das? – Die CDU auf Bundesebene! Machen Sie da mal bitte eine Initiative!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Ich finde es auf gut Deutsch zum Kotzen – ich hoffe, das darf ich sagen –, dass wir immer wieder bei jeder Aktion zu den Investoren gehen und sagen müssen: Bitte, bitte! Kann der Club noch ein bisschen drinbleiben? – Ich denke, man sieht sich immer zweimal im Leben, und das wissen die meisten Investoren auch, aber eben nicht alle. Die österreichische S IMMO AG ist derzeit das Ziel unserer Appelle. Wir schreiben Briefe, wir haben über die österreichischen Grünen dort Kontakt gesucht – Frau Pop, Herr Biedermann, Herr Lederer. Ich will diesen Standort halten. Die Griessmühle ist ein einzigartiger Standort. Dort sind keine Nachbarn, die gestört sind, weil es zu laut ist. Lassen Sie uns da etwas versuchen! Helfen Sie alle mit, wirken Sie auf die S IMMO AG ein! Sie sagen: Mal die landeseigenen Liegenschaften checken! – Da sind wir doch längst dabei. Was denken Sie denn, was Ramona Pop macht, wenn Sie von einer Clubschließung hört? Die sucht als Erstes nach Lösungen. Ich habe gerade erst mit der BSR und mit den BWB telefoniert. Ich – als Klimaschützer – habe sogar Vattenfall angerufen!

[Lachen bei der der CDU, der AfD und der FDP – Oh! von der CDU, der AfD und der FDP]

Ich habe Vattenfall angerufen und gefragt: Haben Sie noch einen Ort? – Sie sehen: Wir kümmern uns bereits darum. Ich erwarte in diesem Land, dass alle mal schauen, was möglich ist. Auch in den von Ihnen regierten Bezirken muss mal geguckt werden – ja, vielleicht auch im ansonsten leerstehenden Rathauskeller im Roten Rathaus. Lassen Sie uns wirklich überall gucken! Bei den neuen Stadtquartieren haben wir es schon dank Kollegin Gennburg verankert, dass dort Cluborte mitgedacht werden. Wir müssen gucken, wir müssen aber auch wachsam sein, gerade wenn B-Pläne beschlossen werden. Das war in Neukölln schon zu spät. Da müssen wir wachsam und auch mutig sein. Das waren wir nicht immer, siehe Lichtenberg! Aber vor allem müssen wir auf Bundesebene endlich das Gewerbemietrecht verbessern. Da sind Sie gefragt, und da kommen wir auf Sie zurück. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Fraktion der CDU hat die sofortige Abstimmung über ihren Antrag beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen die Überweisung an den Ausschuss für Kulturelle An

(Florian Kluckert)

gelegenheiten und an den Hauptausschuss. Gemäß § 68 der Geschäftsordnung lasse ich zuerst über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer der Überweisung an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten und an den Hauptausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die FDP-Fraktion, die AfD-Fraktion und alle drei fraktionslosen Kolleginnen und Kollegen. Gegenstimmen? – Das ist die CDU-Fraktion. Ersteres war die Mehrheit. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Überweisung beschlossen, und eine Abstimmung über den Antrag erübrigt sich für heute.

Tagesordnungspunkt 32 steht auf der Konsensliste.

Meine Damen und Herren! Dies war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste Sitzung, die 53., findet am Donnerstag, dem 30. Januar 2020, um 10 Uhr statt. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Heimweg.

[Schluss der Sitzung: 19.42 Uhr]

(Präsident Ralf Wieland)

Anlage 1

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 15:

Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen vor weiterem Schaden bewahren: Hubertus Knabe wieder einsetzen und Aufklärung in unabhängige Hände legen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten vom 18. November 2019 Drucksache 18/2349