Protokoll der Sitzung vom 16.02.2017

Die Anhörung im Wirtschaftsausschuss in dieser Woche hat es gezeigt: Fast alle Anzuhörenden haben sich für die Veränderung des Betriebe-Gesetzes ausgesprochen und die Rahmenbedingungen umrissen. Es ist unmöglich, länger mit der Energiewende zu warten. Sie ist ökologisch notwendig und ökonomisch vernünftig, wenn wir langfristig die Versorgungssicherheit mit Energie in Berlin gewährleisten wollen. Wir wollen das.

An dieser Stelle mein ausdrückliches Lob an die Berliner Wasserbetriebe, die auch in der vergangenen Legislatur

periode dargestellt haben, dass ein Berliner Stadtwerk wirtschaftlich erfolgreich sein kann, wenn man den Aufgabenkatalog sinnvoll erweitert. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Wasserbetriebe diese neue Herausforderung meistern werden. Sie haben das in der Vergangenheit gezeigt. Ich will dabei deutlich sagen: Sie haben den Aufgabenkatalog massiv und bis an die Grenze des Möglichen – gegen den Widerstand der damaligen Senatorin für Wirtschaft der CDU – ausgeweitet und alle ihre rechtlichen Möglichkeiten genutzt, um ein Stadtwerk zu einem erfolgreichen Unternehmen der Energiewirtschaft zu entwickeln. Es ist und bleibt schade, dass dieses mit der CDU in der vergangenen Legislaturperiode nicht möglich war.

Mit der Erweiterung der Aufgaben der Berliner Stadtwerke werden allen Berlinerinnen und Berlinern Beratungsleistungen zugänglich gemacht. Mieterstromprojekte, Contracting- und Intractingkonzepte wollen wir fördern. Und wir wollen – das wurde schon angesprochen und ist ganz wichtig – Energiearmut vermeiden und bekämpfen.

Mit unserem neu aufgestellten landeseigenen Stadtwerk wird die Energiewende neuen Schwung bekommen. Wir machen den Umstieg von klimaschädlicher Kohleverstromung auf saubere, neue Energien für alle Berlinerinnen und Berlinern möglich.

Es ist uns auch ein wichtiges Anliegen, über den Beirat der Berliner Stadtwerke die Beteiligungsrechte zu stärken. Maximal die Hälfte der Sitze der Fraktionen dürfen von Abgeordneten besetzt werden. Die anderen Sitze müssen von Bürgerinnen und Bürgern aus der Zivilgesellschaft besetzt werden. Es gibt eine FDP-Schutzklausel – ich hatte das schon im Ausschuss gesagt –, wonach Sie mit einem Abgeordneten vertreten sein können.

Ich verspreche: Das Berliner Stadtwerk verbleibt dauerhaft und zu 100 Prozent in öffentlicher Hand. Das Berliner Stadtwerk wird ausschließlich Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien und hocheffizienter Kraft-WärmeKopplung produzieren und vertreiben. Mithilfe des Berliner Stadtwerks werden wir auch die energetische Modernisierung des öffentlichen Sektors umsetzen und Mieterstromprojekte ausdrücklich unterstützen.

Wir wollen Menschen, die von Armut und insbesondere Energiearmut bedroht sind, helfen. Das ist ein wichtiger Auftrag, den sich die Koalition gegeben hat. Eine fundierte Energieberatung wird die Betroffenen in die Lage versetzen, künftig Energieverschwendung zu erkennen und zu vermeiden und damit selbstverantwortlich sparsamer mit Energie umzugehen. Einkommensschwache Haushalte können beispielsweise bei der Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte unterstützt werden. Außerdem wollen wir die Zahl der Strom- und Gassperren senken. Am besten wäre es, wenn man sie ganz vermeiden könnte. Hierfür werden wir uns einsetzen und

energetische Quartierskonzepte entwickeln und vorantreiben.

Deshalb, liebe Kollegen von der CDU und der übrigen Opposition: Nehmen Sie den Volksentscheid ernst! Nehmen Sie die Menschen in Berlin ernst! Führen Sie hier keinen ideologischen Streit, sondern sorgen Sie dafür, dass sich das Parlament hinter dieses Stadtwerk stellt! Das Stadtwerk ist eine Chance für diese Stadt. Wir können mit dem Stadtwerk dem Ziel klimaneutrales Berlin 2050 deutlich näher kommen. Wir können erreichen, dass nicht Vattenfall in erster Linie die Profite umsetzt, sondern dass wir uns hier vor Ort die Chance geben, diese Mittel zu reinvestieren. Deshalb fordere ich Sie auf: Stimmen Sie alle für das vorliegende Gesetz zur Änderung des Berliner Betriebe-Gesetzes, damit alle Berlinerinnen und Berliner Kunden des Stadtwerks werden können! Geben Sie sich einen Ruck! Machen Sie das, was Sie bei den Wasserbetrieben gemacht haben! Das war eine Erfolgsgeschichte. Wir haben die Frisch- und Abwasserpreise gesenkt.

[Heiko Melzer (CDU): Um wieviel senken Sie die Strompreise?]

Das Stadtwerk ist eine Chance für Berlin. Auch der Kollege Melzer kann dann hoffentlich bald Kunde beim Stadtwerk werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Christian Buchholz das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste auf der Zuschauertribüne! Die Regierungsfraktionen stellen den Antrag zum Thema „Ein starkes Stadtwerk für den Klimaschutz“. Was ist überhaupt ein Stadtwerk? – Für alle, die nicht im Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe dabei waren: Ein klassisches Stadtwerk versorgt die Stadt mit Strom, Wasser, Gas und öffentlichem Personennahverkehr. Es betreibt Schwimmhallen, Freibäder und Parkhäuser. Es entsorgt das Abwasser und den Müll, wie das zum Beispiel bei der Stadtwerke Erfurt Gruppe der Fall ist. Des Weiteren können auch Wohnungen zu den Stadtwerken gehören, wie das bei der Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln der Fall ist, oder sogar Ferienobjekte an der Ostsee, wie das Inselparadies Karlshagen auf Usedom, das der Stadtwerke Erfurt Gruppe gehört. So schönes Tafelsilber hat Berlin nicht mehr.

Den Strom liefert die Vattenfall GmbH im Wettbewerb mit zahlreichen anderen Stromanbietern. Die Vattenfall GmbH besitzt dabei das Verteilnetz in Berlin und mehre

re Kraftwerke. Die Gasversorgung erfolgt durch die privatisierte GASAG, die zu ähnlich großen Teilen den Konzernen Engie, Vattenfall und E.ON gehört. Um den ÖPNV kümmert sich die BVG, um den Abfall die BSR. Bäder stellen und die Berliner Bäder-Betriebe zur Verfügung. In Richtung klassisches Stadtwerk gehen nur die Berliner Wasserbetriebe, die 1990 zu 49,9 Prozent teilprivatisiert und im September 2013 durch den Rückkauf der letzten Anteile von der Veolia rekommunalisiert wurden und jetzt als eine Anstalt öffentlichen Rechts firmieren.

Die Gründung der Berliner Stadtwerke GmbH geht auf einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses vom 24. Oktober 2013 zurück. An diesem Tag beauftragte das Landesparlament den Berliner Senat mit der Gründung eines integrierten Energiedienstleisters als rechtlich selbständige Tochtergesellschaft der Berliner Wasserbetriebe. Der Beschluss des Abgeordnetenhauses legte unter anderem fest, dass die Berliner Stadtwerke ausschließlich erneuerbare Energien produzieren und diese am Berliner Markt vertreiben sollen. Produktion und Vertrieb von Atom- und Kohlekraftwerken sind ausgeschlossen. Im Jahr 2014 gründeten die Berliner Wasserbetriebe die Tochtergesellschaft Berliner Stadtwerke GmbH. Diese ist zurzeit eine Abteilung der Berliner Wasserbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern. Diese bis zu zehn Mitarbeiter und der Geschäftsführer werden derzeit durch die Berliner Wasserbetriebe finanziert.

Der letzte Geschäftsbericht der Berliner Wasserbetriebe weist noch keine eigenständige wirtschaftliche Tätigkeit der Berliner Stadtwerke GmbH aus. Diese möchten die Regierungsfraktionen jetzt durch ihren Antrag auf Beschluss des Gesetzes zur Änderung des Berliner BetriebeGesetzes erreichen. Aber was wird dadurch wirklich erreicht? – Gemäß dem Wortlaut des Antrages wird ein Ökostromhändler geschaffen. Im Antrag heißt es wörtlich:

Durch die Gesetzesänderung wird auch der Handel mit Strom ermöglicht, so dass die Kundengewinnung nicht mehr durch die Eigenerzeugung begrenzt und allen Berlinerinnen und Berlinern der Strombezug bei dem Stadtwerk ermöglicht wird.

Es soll ein Ökostromhändler in einen bereits gesättigten Markt eintreten, und dazu ein Unternehmen, das noch keine nennenswerte eigene Erzeugungskapazität besitzt. Dieses allein schon ist eine Herkulesaufgabe. Es gibt in diesem Marktsegment mehrere unerfreuliche Präzedenzfälle. Ich erinnere an den Stromdiscounter Teldafax, der 2011 in die Insolvenz ging. Und auch Berlin war bereits betroffen: Der Berliner Stromhändler Flexstrom, der nach eigener Aussage Markenprodukte vertrieben hat, und zwar unter den Marken „ÖkoFlex“, „Löwenzahn Energie“ und „Optimalgrün“,

[Heiterkeit bei der AfD]

(Jörg Stroedter)

ging im April 2013 in die Insolvenz. Besser gewesen wäre die Schaffung einer Marke „Suboptimalgrün“, aber daran arbeiten Sie ja jetzt.

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD – Oh! von den GRÜNEN]

Zum Vergleich: Flexstrom hatte 550 000 Kunden, die Berliner Stadtwerke GmbH hat 2 500 Kunden mit Stand Februar 2017. Das sind schwierige Voraussetzungen für die Berliner Stadtwerke GmbH. Es müssen Kunden gewonnen werden, und der Vertrieb ist teuer, so teuer sogar, dass die Expertenrunde in der Anhörung im Ausschuss Wirtschaft, Energie und Betriebe für das Projekt Berliner Stadtwerke GmbH Kooperationen für die Kundengewinnung empfohlen hat.

Flexstrom hatte auf der Einkaufsseite sogar noch genügend Flexibilität, um folgenden Strommix anzubieten: erneuerbare Energien 42,3 Prozent, Kernenergie 17,6 Prozent, fossile Brennstoffe 40,1 Prozent. Trotz breiterer Einkaufsmöglichkeiten, als sie die Berliner Stadtwerke GmbH je bekommen soll, hat es der Anbieter Flexstrom nicht geschafft zu überleben. Die Berliner Stadtwerke GmbH wird es sicherlich schaffen, die Frage ist nur: Wie viel werden die Berliner dafür bluten müssen?

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Bravo!]

Die Berliner Stadtwerke GmbH soll eine Versorgung mit Elektrizität ausschließlich auf Basis erneuerbarer Energien darstellen. Das sind dramatisch erschwerte Bedingungen, weil der Einkaufsmarkt künstlich verkleinert und sehr teuer sein wird. Strom aus Wind und Sonne fließt unregelmäßig und muss durch Strom aus Kohle, Gas oder Wasserkraft abgesichert werden. Das ist teuer.

Zusätzlich wird dem Berliner Stadtwerk noch ein Zielkonflikt aufgebürdet. So heißt es im Antrag der Regierungsfraktionen:

Im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung ist auch dafür Sorge zu tragen, dass eine sozialverträgliche Teilhabe aller Berlinerinnen/Berliner an einer ökologischen Energieversorgung ermöglicht … wird.

Wenn wir eine sozialverträgliche Teilhabe so verstehen, dass es Sozialtarife geben soll, dann ist mit Marktpreisen in der unteren Mitte zu rechnen.

Zu diesen immensen Aufgaben gesellen sich auch noch Informations-, Aufklärungs- und Beratungsdienstleistungen. Folgerichtig kamen bei der Anhörung von fünf Experten im Ausschuss folgende Kommentare zustande – ich zitiere –:

Die Rendite wird gegen null gehen. … Es geht um Projekte, die nicht rentabel sind. … Schwierige Rahmenbedingungen. … Kundenvertrieb nicht wirtschaftlich. … Wind ist ein schwieriges Geschäft, die Renditen sind gering. … Es sprechen

wenig sachliche Gründe für dieses Modell. … Das Beispiel Hamburg zeigt, auch Stromnetze sind keine Lizenz zum Gelddrucken.

Ende der Zitate. – Diese kritischen Kommentare kamen nicht nur von einem einzigen Experten, sondern sie verteilten sich fast gleichmäßig auf alle fünf Experten, die wir angehört haben.

Aber es soll keiner sagen, wir würden nur hören, was wir hören wollen: Es fiel auch das Wort „Chancen“ – einmal, glaube ich –, aber genannt wurden die Chancen nicht.

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD]

Vielleicht kann ja jemand von den Grünen oder den Linken die Chancen etwas konkreter nennen.

Ungeklärt sind auch noch viele weitere Fragen. Es gibt noch kein Wirtschaftskonzept, kein Betriebskonzept, keinen Businessplan und keinen Investitionsplan. Es stehen 100 Millionen Euro bzw. 20 Millionen Euro für jedes Jahr in der laufenden Legislaturperiode zur Verfügung. Aber diese Summe ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Für den Verkauf des Verteilnetzes und der Kraftwerke reicht das bei Weitem nicht. Ist es von vornherein als Subvention geplant? Wo sind die Kosten für eine Modernisierung, Digitalisierung oder den Smart Meter Rollout berücksichtigt?

Wir von der Alternative für Deutschland sehen in dem gesamten Projekt langfristig hohe Kosten auf die Berliner zukommen – bei nicht erkennbarem Nutzen und auch nicht erkennbaren Chancen. Besser wäre es, die 100 Millionen Euro in die Schuldentilgung zu stecken.

[Beifall bei der AfD]

Das Projekt geht nicht von wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus, sondern ist von Ideologie getrieben, von der gleichen suboptimalen grünen Ideologie, die für die Verschandelung unserer schönen Landschaften mit 26 000 hässlichen Windrädern verantwortlich ist.

[Beifall bei der AfD – Daniel Buchholz (SPD): Kraftwerke wären schöner?]

Wir lassen uns nicht von Ideologie treiben. Wir als Alternative für Deutschland stehen für einen vernünftigen Energiemix und für tragfähige Konzepte. Es sei auch darauf hingewiesen, dass der Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung am 3. November 2013 deutlich gescheitert ist.

Jetzt noch eine kurz Erläuterung für Herrn Stroedter: Ihr geschätzter Kollege Herr Isenburg

[Zurufe von der SPD: Isenberg!]

Entschuldigung! Herr Isenberg – hat sein Mandat mit zehn Stimmen Abstand gewonnen. Das ist ein knappes Ergebnis. Für den Volksentscheid über die Rekommu

nalisierung der Berliner Energieversorgung fehlten 21 000 Stimmen. Das ist ein deutliches Ergebnis.

[Torsten Schneider (SPD): Aber in der gesamten Stadt, Herr Kollege! – Steffen Zillich (LINKE): Wie viele Wahlkreise gibt es in Berlin? – Thomas Isenberg (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Isenberg?