Protokoll der Sitzung vom 04.06.2020

Die Aufklärungsquote ist nirgendwo so schlecht wie in Deutschland. Und was tun Sie? – Sie schwächen die Rechtsverfolgungsbehörden auch noch, anstatt sie zu stärken. Das ist Wahnsinn!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Zurufe von Katina Schubert (LINKE) und Karsten Woldeit (AfD)]

Ich habe Ihnen zu Beginn näherzubringen versucht, welche Zuneigung ich zu den Menschen in unserer Stadt verspüre, die aus über 180 Ländern stammen. Ich möchte bei Ihnen für die gleiche Empathie für diejenigen werben, die unserem Land tagtäglich treu dienen, die Sicherheit, Recht und Ordnung gewährleisten. Ich würde mir wünschen, dass Sie auch mal mit denen sprechen, dass Sie sehen, dass in der Dienstbekleidung der Polizeibeamten ein Mensch steckt,

[Anne Helm (LINKE): Das wissen wir!]

ein Mensch, der sicher nicht perfekt ist, so wie wir alle, die wir hier sitzen, nicht perfekt sind,

[Anne Helm (LINKE): Richtig!]

der aber in den allermeisten Fällen der Berufung folgt, für Gerechtigkeit und Sicherheit einzutreten. Wer das erkennt, kann bei klarem Verstand nicht auf die Idee kommen, diese Menschen unter einen pauschalen Diskriminierungsverdacht zu stellen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Zum Schluss: Eine Regierungskoalition sollte es sich zur Aufgabe machen, Probleme zu lösen. Sie, meine Damen und Herren von der rot-rot-grüne Koalition, lösen kein Problem, Sie erzeugen ein Problem.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Andreas Wild (fraktionslos): Genau!]

Leider muss man jetzt sagen: Sie sind das Problem. Berlin hat Besseres verdient. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!

[Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Dr. Kitschun das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach der teilweise sehr erregten Debatte der letzten Woche und auch Ihrer Rede, Herr Dregger, möchte ich meine Redezeit nutzen, um einiges zurechtzurücken – erstens: Diskriminierung ist Unrecht. Sie widerspricht dem im Grundgesetz festgelegten Gleichbehandlungsgrundsatz.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Zumindest darin sind wir uns hoffentlich alle einig.

Zweitens: Diskriminierung ist keine Randerscheinung, leider. Diskriminierungserfahrungen gehören für viel zu viele Menschen zum Alltag. Mehr als die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner hat schon Diskriminierungserfahrungen gemacht; das ist das Ergebnis der Repräsentativbefragung für den Berlin-Monitor aus dem letzten Jahr. Insofern betrifft das Thema Antidiskriminierung die Mehrheit der Menschen in dieser Stadt.

[Carsten Ubbelohde (AfD): Fangen Sie bei den Grünen mal an!]

Drittens: Alle Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die Verwaltung diskriminierungsfrei mit ihnen umgeht. Auch das, denke ich, könnte ein gemeinsames Ziel in diesem Hause sein.

Herr Dregger! Sie fragten nach Studien und Grundlagen. – Ich möchte keine Zwischenfragen! – Ich kann Ihnen an dieser Stelle empfehlen, die Studie „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland“, zu lesen,

[Burkard Dregger (CDU): Die kenne ich!]

die Ende 2017 im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von durchaus namhaften Forscherinnen und Forschern erstellt wurde und im durchaus namhaften Nomos Verlag erschienen ist. Dort findet sich ein großer Bereich zu der Frage, wie es mit der Diskriminierung bei Ämtern und Behörden aussieht; das erstreckt sich auf insgesamt mehr als 300 Seiten. In Deutschland, zu diesem Ergebnis kommen die Forscherinnen und Forscher, erleben mehr als ein Viertel der von Diskriminierung Betroffenen Diskriminierung auch bei Ämtern und Behörden. Die Diskriminierung durch Ämter, Behörden und staatliche Stellen wird von den Betroffenen als besonders drastisch wahrgenommen. Das ist nachvollziehbar, denn diese Diskriminierung geschieht quasi im Namen des Staates. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel einer diskriminierungsfreien Verwaltung zugleich auch ein Beitrag zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und unserer Demokratie.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Den gesetzgeberischen Handlungsbedarf eines Antidiskriminierungsgesetzes sehen nicht nur wir, den sehen auch die Verfasserinnen und Verfasser der bereits erwähnten Studie.

[Karsten Woldeit (AfD): Aber kein anderes Bundesland!]

Ich zitiere: In Bezug auf die Lebensbereiche besteht besonders im Bereich der Ämter und Behörden eine Lücke im Diskriminierungsschutz.

[Zuruf von der AfD: Welcher Parteifreund hat die Studie geschrieben?]

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen die Ausweitung des gesetzlichen Diskriminierungsschutzes auf den staatlichen Bereich, analog der bereits durch das Antidiskriminierungsgesetz des Bundes geschützten Felder und mit Entschädigungsansprüchen für die Betroffenen.

Viertens: Die Koalition weiß, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst tagtäglich unverzichtbare und wichtige Arbeit leisten. Das gilt gerade jetzt angesichts der Herausforderungen während der Pandemie. Deshalb an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Beschäftigten des Landes!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Weil wir das wissen, richtet sich dieses Gesetz natürlich nicht gegen die Beschäftigten der Verwaltung. Niemand wird unter Generalsverdacht gestellt. Das gilt explizit auch für die Polizistinnen und Polizisten, bei denen es richtigerweise aktuell Befürchtungen gibt.

[Zurufe von Karsten Woldeit (AfD) – Stefanie Fuchs (LINKE): Laut brüllen!]

Herr Kollege Woldeit!

Wir sind gerade beim Thema Diskriminierung. Es kann sein, dass ich nicht so eine laute Stimme habe wie Sie. Das gibt Ihnen aber nicht das Recht, hier dauernd lauter zu reden als ich.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich finde, das ist eine Unverschämtheit. Das ist überhaupt kein Umgang. Das war schon bei der ersten Lesung dieses Gesetzes der Fall. Ich lasse mir das von Ihnen nicht gefallen, und ich lasse mir von Ihnen nicht das Wort verbieten!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Bravo! von den GRÜNEN]

Ich sagte bereits: Wir nehmen die Befürchtungen der Polizistinnen und Polizisten ernst. Wir haben bei den Beratungen des Gesetzentwurfs bewusst darauf geachtet, dass die Polizei in ihrer alltäglichen Arbeit nicht eingeschränkt wird. Innensenator Geisel hat richtigerweise betont, dass die Berliner Polizei heute schon hochprofessionell arbeitet.

Fünftens: Ziel des Antidiskriminierungsgesetzes ist es, Diskriminierung im Verwaltungshandeln zu verhindern. Das kann natürlich nur im Einvernehmen mit den Beschäftigten und durch tätiges Handeln geschehen. Viele der von Betroffenen wahrgenommenen Diskriminierungen durch Ämter und Behörden sind wahrscheinlich – so hat es auch der DGB-Sachverständige im Rechtsausschuss ausgeführt – die Folge von Unwissenheit oder sie resultieren aus diskriminierenden Rechtsvorschriften. Deshalb brauchen wir natürlich gute und umfassende Fort- und Weiterbildungen. Die sieht das Gesetz auch vor. Und wir müssen Formulare und Rechtsvorschriften auf mögliche Diskriminierungen hin überprüfen. Wir unterstützen ausdrücklich – Herr Walter hat das schon gesagt – den Wunsch der Beschäftigten nach einer Rahmendienstvereinbarung zum Landesantidiskriminierungsgesetz.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Die Verunsicherung von Landesbeschäftigten nehmen wir ernst. Bei den Beratungen im Parlament haben wir uns auch intensiv mit den Regelungen zur Beweislasterleichterung in § 7 beschäftigt und den Senatsentwurf an dieser Stelle verändert. Die Beweistatregel, die wir heute beschließen, greift nicht schon bei der puren Äußerung eine Diskriminierungsvorwurfs, vielmehr muss ein behaupteter Vorwurf überwiegend wahrscheinlich sein, das heißt, es müssen tatsächliche Anhaltspunkte für eine Diskriminierung vorliegen. Ganz wichtig, Entschädigungsansprüche Betroffener richten sich gegen das Land Berlin und nicht gegen einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Siebtens: Das Landesantidiskriminierungsgesetz umfasst viel mehr als den Bereich der Polizei. Das ist mir wichtig, hier deutlich zu machen. Mit dem Gesetz schließen wir wichtige Schutzlücken, vor allem auch im Bereich der öffentlich-rechtlichen Bildung in der Schule. Schlechte Noten aufgrund von Diskriminierung oder der verwehrte Zugang zu Bildungseinrichtungen haben für die Betroffenen oft schwerwiegende und lang anhaltende Konsequenzen: schlechtere Schulabschlüsse, geringere Ausbildungs- und Berufschancen.

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Dazu kommt der Stress, den Diskriminierung bei den Betroffenen auslöst und der die Lernerfolge zusätzlich verringert. Um Diskriminierung in Schulen abzubauen, passiert in Berlin schon sehr viel. Seit April 2020 gibt es beispielswiese eine extra Mobbingbeauftragte der Senatsverwaltung für Bildung, die mit dem Diskriminierungsbeauftragten zusammenarbeitet.

[Franz Kerker (AfD): Welcher Genosse ist das?]

Mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz gehen wir jetzt einen weiteren wichtigen Schritt.

Zuletzt möchte ich noch kurz auf den breiten Katalog von Diskriminierungsmerkmalen eingehen. Dieser geht deutlich über das Bundesantidiskriminierungsgesetz hinaus, und das ist auch richtig. Besondern wichtig ist uns die Aufnahme des Merkmals „sozialer Status“, also zum Beispiel die Diskriminierung von Hartz-IV-Empfangenden oder Obdachlosen.

[Zuruf von Andreas Wild (fraktionslos)]

Damit rückt endlich eine Diskriminierungsebene der sozialen Ungleichheit stärker ins Blickfeld staatlichen Handelns.

[Beifall von Ines Schmidt (LINKE) und Sebastian Walter (GRÜNE)]