Protokoll der Sitzung vom 01.10.2020

[Zuruf von der AfD: Angsthase!]

Man hofft in der Antragsbegründung darauf, mit der InnoTrans die Berliner Wirtschaft zu revitalisieren, und auf einen Neustart des Messewesens. Man wünscht sich wieder die ganze Welt zu Gast in Berlin. – Ja, das wünschen wir uns alle. Das Problem liegt allerdings darin, dass Wunsch und Wirklichkeit sich angesichts steigender Fallzahlen und immer noch fehlendem Impfstoff derzeit nicht in Deckung bringen lassen.

Die wirtschaftlichen Vorzüge, die das Messewesen für Berlin hat, ist der IBB-Studie zu entnehmen, die Sie hier zur Begründung heranziehen. Nur kommt darin die Pandemiesituation natürlich noch nicht vor. Sie ist aber nun mal Realität und verschwindet auch nicht, wenn Sie auf Material aus der Zeit davor zurückgreifen.

Tatsächlich geht es der AfD aber nicht um die InnoTrans als Messe und Wirtschaftsfaktor, wie sie es in der Antragsbegründung vorschiebt. Die InnoTrans muss herhalten, weil sie in eben jenen Messehallen stattfinden soll, in denen sich nun das Coronakrankenhaus befindet.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Blödsinn, Mann!]

Es ist ja schon fast drollig, wie die AfD formuliert:

Auf der Messe derzeit aufgebaute Coronabehandlungskapazitäten können auch an anderer Stelle aufgebaut bzw. umgesetzt werden.

[Gunnar Lindemann (AfD): Richtig!]

(Frank-Christian Hansel)

Also ob es sich um ein Ausstellungsstück handelt, dass man leicht mal umsetzen kann,

[Gunnar Lindemann (AfD): Bisher war es ein Ausstellungsstück!]

eine Art Mahnmal an eine überwundene Pandemie, das einer weiteren wirtschaftlichen Prosperität im Wege steht!

[Marc Vallendar (AfD): Bisher ist doch keiner drin! – Gunnar Lindemann (AfD): Kein einziger! Steuerverschwendung!]

Doch welchen vernünftigen Grund könnte es geben, dass Berlin noch einmal Geld in die Hand nimmt, um Platz für eine Messe zu schaffen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen die von Ihnen angeführten Besucherzahlen gar nicht generieren kann? – Bezeichnend an dem Antrag ist vor allem die Realitätsverweigerung, die aus fast jeder Zeile spricht – als ob es die Pandemie nicht gäbe, sondern lediglich die Maßnahmen der Bundesregierung und des Senats.

Ich weiß, dass es zahlreiche Verschwörungstheoretiker gibt, die der absurden Vorstellung nachhängen, die Pandemie diene nur als vorgeschobenes Argument für die Einschränkung von Freiheitsrechten oder mittelständischer Wirtschaft im Interesse von Pharmakonzernen, Bill Gates und sonstiger böser Mächte.

[Gunnar Lindemann (AfD): Genau das ist es! – Marc Vallendar (AfD): Teilweise stimmt das! Sie machen doch nur Panik!]

Solche abstrusen Theorien können für uns im Berliner Abgeordnetenhaus keineswegs Richtschnur des politischen Handelns sein.

Der Antrag, das Coronakrankenhaus abzubauen, lässt vielmehr die Beunruhigung der AfD-Fraktion durch die Realität erkennen. Das Coronakrankenhaus soll als Symbol für eine verdrängte Furcht beseitigt werden.

[Georg Pazderski (AfD): Wo habt ihr den denn ausgegraben?]

An seine Stelle soll die Planung der Messe, das heißt die Planung der Zukunft, rücken. Die Zukunft an sich ist ja unbekannt und damit beunruhigend, und die Planung einer Veranstaltung mag als eine Art Ausweichhandlung subjektiv beruhigen, weil es scheint, als hätte man die Zukunft im Griff.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Aber man muss auch – –

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte wieder um etwas mehr Ruhe.

Danke, Herr Präsident! – Aber man muss auch reagieren können auf Gegenwärtiges, das nun die ursprüngliche Planung beeinflusst – leider beeinflusst, ob es einem gefällt oder nicht. Falls die InnoTrans 2020 nicht stattfinden kann, dann sicherlich nicht wegen der fehlenden Messehallen,

[Gunnar Lindemann (AfD): Doch!]

sondern wegen der Pandemie. Das sei im Übrigen auch der FDP gesagt, die mit ihrem Änderungsantrag nichts substanziell am Ursprungsantrag ändert. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Torsten Schneider (SPD): Bravo! – Georg Pazderski (AfD): Jetzt wieder ab in die Kiste!]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Gräff das Wort.

[Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal als Eingangsbemerkung: Herr Hansel! Wenn Sie sagen, dass der Flughafen fertig wird, wenn die InnoTrans beginnt, bin ich schon wieder ganz hellhörig und skeptisch, ob der BER wirklich eröffnet. Da habe ich große Sorgenfalten auf der Stirn.

[Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

Aber ernsthaft: Ich glaube, dass die Messe Berlin insgesamt vor riesigen Herausforderungen steht. Der Vorstandsvorsitzende hat es neulich noch einmal deutlich gemacht. Wir haben auch im Wirtschaftsausschuss das Thema gestreift. Da ist Corona – da teile ich gänzlich, sowieso ganz grundsätzlich nicht, aber auch in dieser Frage nicht die Auffassung der AfD – nicht schuld, sondern natürlich ist Corona da Brandbeschleuniger auch für die Digitalisierung beim Thema Messe. Selbstverständlich ist die Frage: Wie viele Menschen, wie viele Fachbesucherinnen und Fachbesucher, aber auch, wie viele Besucherinnen und Besucher kommen zu Verbrauchermessen nach Berlin, lassen hier ihr Geld, übernachten hier, konsumieren hier, kaufen hier ein? Das ist eine für Berlin existenziell wichtige Frage.

[Beifall von Roman Simon (CDU)]

Da gab es einige, die in den letzten Jahren auch gesagt haben, das sei zu viel, das sei nicht so wichtig, wir könnten auch ohne, und ich glaube, jeder sieht jetzt, dass es viele Gewerbetreibende, viele Unternehmen sehr schwer haben. Deswegen sind die zwei ganz wichtigen Fragen im Moment: Wie entwickeln wir die Messe Berlin weiter, mit welchen Formaten? Wie etablieren wir uns weiter

(Frank Jahnke)

international? Da bin ich auf die Antwort der Koalitionsfraktionen gespannt. Wie viel Geld sind wir bereit, der Messe Berlin auf diesen Weg mitzugeben?

[Torsten Schneider (SPD): Mehr als ihr!]

Aber wenn ich mir Ihren Antrag anschaue, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Schon in der ersten Zeile könnte man insofern einen Haken hinter machen, weil die InnoTrans Berlin, und auch das hat die Geschäftsführung der Messe Berlin deutlich gemacht, stattfinden wird, auch wenn es dort eine Halle gibt, die im Moment anders genutzt wird.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Nein wird sie nicht!]

Ich sage das hier ganz offen. Das ist meine ganz persönliche Auffassung. In der Tat wäre möglicherweise dieses Geld bei Vivantes und den anderen Kliniken mit einem öffentlichen Versorgungsauftrag in Berlin besser angebracht gewesen, vielleicht auch medizinisch besser angebracht gewesen, aber das ist nicht der Diskussionspunkt.

Deswegen glaube ich, die InnoTrans wird stattfinden. Wir sollten uns über die Zukunft der Messe und was wir ihr mit auf den Weg geben unterhalten. Das ist eine wichtige Frage. Im Moment gibt es jedenfalls ohne Zweifel kein Problem, auch im nächsten Jahr in den verbleibenden Messehallen Messen unter den Rahmenbedingungen, die wir haben, durchzuführen. Aber lassen Sie uns über diese wichtige Fragen: Wie werden sich Messen und Kongresse in Berlin entwickeln? Was macht eigentlich das Land Berlin mit dem ICC? – diskutieren – da ist jahrelang in dieser Legislaturperiode alles verschlafen worden, was man verschlafen kann – und nicht über die Scheinfrage, ob eine Messe stattfinden kann oder nicht, sondern da haben wir die eindeutige Aussage: Die InnoTrans findet statt. Das ist wichtig. Ich habe selber bei mir in MarzahnHellersdorf mit der Knorr-Bremse einen wichtigen Player, der auf diese Messe setzt. Sie muss stattfinden, und sie wird stattfinden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke folgt dann Herr Abgeordneter Gindra.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gerne den Optimismus von Herrn Gräff teilen. Meines Wissens läuft der Betrieb dieser Sonderklinik zum 31. Dezember 2020 aus. Das Problem ist nur, dass die Vorbereitung der InnoTrans im Prinzip vorher geklärt sein muss. Ich persönlich bin da auch eher optimistisch, dass das funktionieren könnte, weil im Grunde bei der Einrichtung der Sonderklinik davon ausgegangen wurde, dass man einen großen Puffer aufbauen muss unter dem Eindruck der Bilder, die man aus Italien, Spanien oder Frankreich zum Teil hatte, dass aber tatsächlich unser Infektionsgesche

hen so war, selbst mit drohenden Neuansteckungen, dass in einem begrenzten Rahmen die akuten Krankheitsfälle, die in den Krankenhäusern aufgeschlagen sind, beherrschbar blieben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig, genau!]

Gestern, Angabe von gestern: 31 Intensivpatienten, eine Auslastung von 2,4 Prozent der Intensivbetten.

[Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Das wird mit Sicherheit ansteigen, wenn es so weitergeht mit den Infektionszahlen. Allerdings haben wir da einen erheblichen Puffer. Im April war es zum Glück auch nicht völlig in die Höhe geschossen. Insofern, finde ich, herrscht eine ziemlich große Einmütigkeit, dass wir alle darum ringen, dass diese Messe stattfinden kann. Die großen Themen, die um die Messe geklärt werden müssten, sollten wir heute vielleicht nicht mehr anpacken. Das sollten wir vielleicht im Wirtschaftsausschuss aufgreifen. Die beiden Anträge gehen auch in den Wirtschaftsausschuss. Dort können wir das ganze Thema der InnoTrans und der Messe dann weiter besprechen. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die FDP-Fraktion hat dann Frau Meister das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!