Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

Die Frage ist doch nicht ernst gemeint? Ich nehme an, dass das doch eine rhetorische Frage ist.

[Paul Fresdorf (FDP): Nein!]

Sie wissen, dass wir mit den 19 000 Baugenehmigungen im letzten Jahr mehr Wohnungen fertiggestellt haben als in den letzten 20 Jahren. Das ist ein Höchststand, den wir erreicht haben – 4,5 Wohnungen pro 10 000 Einwohner!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Und wir werden natürlich bei dem bisher vorliegenden Bauüberhang – also genehmigte Wohnungen, die noch nicht fertigstellt sind, 65 000 Wohnungen, die der Fertigstellung harren – darauf achten, dass die auch fertiggestellt werden. Wir werden mit den Stadtquartieren die Voraussetzung schaffen, dass Berlin auch weiterhin Zuzug erleben darf, weil Berlin eine tolle Stadt ist, die gerne Lebensraum ist, die Perspektiven bietet und die dementsprechend attraktiv ist, und sie soll auch attraktiv bleiben. Dementsprechend bereiten wir auch den Wohnungsbau

der Zukunft vor, dass Menschen hier ihren Lebensmittelpunkt und ihr Glück finden können, und das ist richtig so!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

In der Analyse sind wir uns doch gar nicht so uneins: Wir stellen doch alle gemeinsam fest, dass in unserer Stadt die Mieten steigen. Da ist doch gar keine Differenz. Interessant ist da nur, wenn man das auf den Mietendeckel schiebt. Ich glaube, der Mietendeckel ist eher Konsequenz und nicht Ursache einer Entwicklung in dieser Stadt.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Sebastian Czaja (FDP): Erklären Sie das doch mal!]

Wir setzen auch darauf, Mieterinnen und Mieter in den Gebieten dieser Stadt zu schützen.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Hören Sie erst mal zu, Herr Czaja! – Deswegen haben wir in dieser Legislatur die Milieuschutzgebiete verdoppelt und damit natürlich auch die Zahl der Menschen verdoppelt, die geschützt werden vor spekulativen Eingriffen, vor spekulativen Verkäufen.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und wir haben auch die Förderung für den Wohnungsbau Stück für Stück erweitert und werden alles dafür tun, dass das, was vom Haushaltsgesetzgeber dem Senat zur Verfügung gestellt wird, dass all dieses Geld auch in die Wohnraumförderung fließt, weil es da dringend erforderlich ist. Und wir haben das ZweckentfremdungsverbotsGesetz geschärft. Damit sind allein 14 000 Wohnungen wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt worden, die vorher aus spekulativen Gründen, aus Profitmaximierungsgründen oder als Ferienwohnungen dafür eben nicht zur Verfügung standen. 14 000 Wohnungen durch eine Maßnahme!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ja, und es ist auch erklärtes Ziel dieses Senates, das Wohnungsangebot im gemeinwohlorientierten Sektor zu stärken. Das gilt für landeseigene Gesellschaften wie auch für Genossenschaften. Wir wollen, dass der gemeinwohlorientierte Sektor ein starker Player in dieser Stadt bleibt, damit wir weiterhin Angebote vorhalten können für Menschen, die diese Angebote dringend brauchen. Das ist in aller Kürze die Zusammenfassung der Gesamtstrategie, die wir hier im Senat verfolgen.

Ja, wir haben eine große Herausforderung. Der BBU hat vorgestern gerade seinen Verbandstag gehalten – unter dem Motto: „Herausforderung: Zusammenhalt“.

[Stefan Evers (CDU): Sie machen das Gegenteil davon!]

(Senator Sebastian Scheel)

Zusammenhalt ist die entscheidende Frage, und ich glaube, Sie haben es selber genannt. Ich weiß nicht, ob Sie es wirklich so meinten.

[Sebastian Czaja (FDP): Dann ist der Mietendeckel doch sozial ungerecht?]

Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit.

[Sebastian Czaja (FDP): Absolut!]

Das ist vollkommen korrekt, und dementsprechend müssen wir uns damit auseinandersetzen, und wir müssen uns auch die Frage stellen: Wie gehen wir mit einer Situation um, dass wir ab 2006 bis 2018 eine Verdoppelung der Angebotsmieten verzeichnen. Eine Verdoppelung! Das hat auch nichts mehr mit dem befriedenden Instrument des Mietspiegels zu tun. Wenn denn die Mietspiegelmieten gelten würden und wenn die Mietpreisbremse funktionieren würde – wie Sie ja selber sagen, funktioniert sie nicht –, dann hätten wir auch kein Problem in dieser Stadt. Das Problem entsteht dadurch, dass die Angebotsmieten weit, weit weg sind von dem, was der Mietspiegel eigentlich vorsieht. Das ist das entscheidende Problem, dass sich die Vermieter an die eigenen Regeln ja selber nicht mehr halten, Herr Czaja.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Konsequenz ist, dass Menschen in dieser Stadt mit immer höheren Belastungen zu rechnen haben. Das bedeutet, die Einkommen entwickeln sich nicht so stark wie die Mieten, und in der Konsequenz reagiert darauf die Belastungsquote, das heißt, nicht mehr nur 20, nicht 30, sondern 40 oder 50 Prozent des Einkommens gehen für die Miete drauf. Mittlerweile ist es der höchste Anteil, den Einkommensbezieher aufbringen müssen – allein nur für die Miet- und Wohnkosten. Das ist eine Fehlentwicklung.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Sie führt auch dazu, dass gerade diejenigen, die wirkliche existenzielle Sorgen und Nöte haben, nämlich Menschen mit geringem Einkommen und Rentnerinnen und Rentner in dieser Stadt, die auch immer mehr werden, im betagten Alter, Menschen, die auch eine hohe Lebensleistung hinter sich haben, mittlerweile Angst vor Verdrängung in unserer Stadt haben, davor, dass sie ihren Lebensabend nicht mehr in Berlin verbringen können, in der sie ihre Kinder aufgezogen haben, in der sie hart gearbeitet haben, davor, dass sie ihren Lebensabend nicht mehr in ihrem Kiez verbringen können. Das ist eine Situation, die die Politik nicht kalt lassen kann. Da muss die Politik auch handeln, und der Senat hat gehandelt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Die Grundfrage war heute: Wirkt der Mietendeckel? – Natürlich wirkt er.

[Sebastian Czaja (FDP): Fragt sich nur, in welche Richtung!]

Er ist geltendes Recht. Wir haben eine öffentlichrechtliche Gesamtkonzeption vorgelegt, und sie wurde hier im Abgeordnetenhaus beschlossen, und zwar mit gutem Grund. Sie hat folgende Elemente: Erstens gibt es im Bestand keine Mieterhöhung mehr. Die Mieterinnen und Mieter müssen keine Angst mehr vor dem Brief haben, der vom Vermieter kommt, nicht vor der nächsten Mieterhöhung, die darin steckt.

[Stefan Evers (CDU): Sie müssen Angst vor der Nachzahlung haben!]

Zweitens: Es wurden Wiedervermietungsgrenzen festgelegt, das heißt, das Angebot an preiswertem Wohnraum in dieser Stadt muss stabil bleiben. Es geht ja nicht um das Angebot, das allgemein auf dem Markt ist, sondern darum, dass Menschen, die ein geringes Einkommen hatten, keine Angebote mehr gefunden haben. Diese Situation war auch schon vor dem Mietendeckel da. Keine Angebote mehr, null, nada!

[Sebastian Czaja (FDP): Ist immer noch so!]

Über Schattenmieten ist schon gerade etwas gesagt worden. Ich glaube, das Signal ist von der Wohnungswirtschaft nicht verstanden worden. Wenn es um sozialen Zusammenhalt geht, muss man auch wieder preiswerte Mieten in diesem Land, in dieser Stadt organisieren.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Deswegen ist es eine redliche und verantwortbare Forderung, sich gesetzeskonform daran zu halten und nicht noch Schattenmieten zu vereinbaren, die man an die Vermieterinnen und Vermieter richten darf. Wir haben also mit diesen Mietobergrenzen festgehalten, dass es ein Ende der Preisspirale gibt, wenn es um die Wiedervermietung geht.

Und wir haben gesagt: Eine Herausmodernisierung wird es mit uns nicht mehr geben. Modernisieren ja, energetische Modernisierung, notwendige Modernisierung,

Wohnwerterhöhung, wenn nötig, ja, aber kein Herausmodernisieren! Das ist die dritte entscheidende Säule, und ab Montag nächster Woche tritt dann die Absenkung in Kraft, das heißt, das Verbot von überhöhten Mieten in dieser Stadt. Das ist eine gute Botschaft für die Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Im Gegensatz zum bürgerlichen Recht, das Vertragsrecht ist, wo sich der Mieter an das Gericht wenden muss, eine Klage angestrengt wird und ein Richter ein Urteil fällen wird, handelt es sich hier um öffentliches Recht, das heißt, der Staat setzt dieses Recht durch. Es ist ein Verbot, und wenn wir davon Kenntnis erlangen, werden wir tätig. Und das ist, glaube ich, auch eine gute Botschaft an die Mieterinnen und Mieter.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

(Senator Sebastian Scheel)

Allein am ersten Tag, an dem der Mietendeckelrechner online geschaltet wurde, haben sich 60 000 Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt auf dieser Seite ihre entsprechende Miete ausrechnen lassen. 60 000! Wir gehen davon aus, dass ungefähr 340 000 Mieterinnen und Mieter betroffen sein werden, Wohnungen, die von solchen überhöhten Mieten betroffen sind. Das heißt, es ist eine echte, gestaltende Maßnahme, die eine Wirkung für jeden Mieter und jede Mieterin hat.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das ist ein gutes Signal der Politik, dass sie in der Lage ist, wirkliche Veränderungen im Leben von Menschen herbeizuführen, und dass sie in der Lage ist, auf Problemlagen und auf Herausforderungen konsequent zu reagieren. Dieser Senat und diese Regierung werden das auch weiterhin tun – im Sinne der Mieterinnen und Mieter. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

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lfd. Nr. 2: