Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Sondervermögens Infrastruktur der Wachsenden Stadt

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0180

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Frau Dr. Brinker spricht für die Fraktion. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!

[Beifall bei der AfD]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen Monaten viele positive Meldungen vernommen, wenn es um das Thema Haushalt und öffentliche Finanzen in Berlin ging. Es wurde ein Jahresüberschuss von 1,25 Milliarden Euro im Jahr 2016 ausgewiesen. Und entsprechend sind nun Investitionen in Milliardenhöhe in den nächsten Jahren geplant. Das hört sich alles ganz wunderbar an, aber was steckt tatsächlich dahinter? Mal abgesehen davon, dass ein Großteil des Jahresüberschusses nicht durch eigenes vernunftgesteuertes Wirtschaften entstanden ist, sondern durch einmalige Sonder- und Rückzahlungen sowie das bisher einmalig niedrige Zinsniveau, wurden Gelder für Investitionen in den SIWA-Fonds transferiert, ohne dass ein Großteil dieser Investitionen tatsächlich stattgefunden hat.

Es stellt sich also die Frage, was denn mit diesen Investitionsgeldern passiert ist. Lag das Geld einfach irgendwo auf einem Konto und harrte der Dinge, die da kommen, wartete darauf, dass der Senat es endlich schafft, die versprochenen Investitionen auch in die Realität umzusetzen? – Nein. Statt dass der Senat darüber nachdenkt und Konzepte entwickelt, die vorhandenen Gelder tatsächlich zu investieren und damit auch etwas für die Bürger dieser Stadt zu tun, werden Gelder, die nicht investiert worden sind, kurzerhand wieder zurück in den Haushalt transferiert. Das Ganze nennt sich dann innere Darlehen. Der Senat schlägt damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Erstens wird den Berlinern suggeriert, dass unglaublich viel investiert wird, und zweitens wird den Berlinern suggeriert, dass Berlin keine weiteren Kassenkredite mehr aufnehmen müsse, da ja so ordentlich gewirtschaftet worden sei.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Aber Täuschungsmanöver! – Steffen Zillich (LINKE): Ein Quatsch!]

Was die Berliner jedoch nicht wissen, die inneren Darlehen müssen nach dem aktuellen Haushaltsgesetz in normale Kassenkredite umgewandelt werden, wenn die Gelder tatsächlich für SIWA-Investitionen gebraucht werden.

[Steffen Zillich (LINKE): Na und?]

Damit ist der Manipulation von Statistiken und der Umgehung der Schuldenbremse Tür und Tor geöffnet. Das klingt leider alles nach griechischen Verhältnissen.

[Steffen Zillich (LINKE): Quatsch!]

(Benedikt Lux)

Wenn behauptet wird, dass die inneren Darlehen viel günstiger seien als die Kreditaufnahme am Geldmarkt, da man ja keine Zinsen dafür zahlen müsse, sei daran erinnert, dass Berlin bei der jetzigen Zinssituation für Kassenkredite sogar Geld dazubekommt.

[Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Wenn der Senat und das Abgeordnetenhaus Investitionsgelder zur Verfügung stellen, dann sollten diese auch zweckbestimmt eingesetzt werden. Mit unserer vorliegenden Gesetzesänderung wollen wir diese Zweckbestimmung wieder einführen. Ein SIWANA ohne Zweckbindung läuft ansonsten Gefahr, zu einer Wundertüte für Ideologieprojekte von R2G zu werden.

[Beifall bei der AfD]

Das haben die Berliner, mit Verlaub, nicht verdient. Wir wollen die Zweckbindung der SIWA-Gelder für genau die Projekte, die bisher massiv brachlagen. Neben Schulen, Hochschulen, Kitas, Studentenunterkünften eben auch Straßen, Brücken,

[Paul Fresdorf (FDP): Frauenhäuser!]

Verwaltungsgebäude, Sicherheitsinfrastruktur, Kanalisation, öffentlicher Personennahverkehr usw. usf.

Zu diesem Zweck haben wir kürzlich im Hauptausschuss eine Aufstellung des gesamten Erhaltungs- und Erweiterungsbedarfs der öffentlichen Finanzwirtschaft Berlins veranlasst. Es kann doch nicht sein, dass in der Hauptstadt des Exportweltmeisters Deutschland Fenster von Polizeigebäuden fest vernagelt werden, damit sie beim Öffnen nicht jemanden erschlagen, da sie sprichwörtlich aus dem Rahmen fallen,

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD – Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

oder dass Schulgebäude so marode sind, dass sogar die Zimmerdecke in einem Klassenraum herunterfällt. Ja, wo leben wir denn? Was hat denn der Senat in den vergangenen 20 Jahren getan? Warum wurde unter einer seit mehr als 20 Jahren von der SPD geführten Bauverwaltung kein vernünftiges Instandhaltungs- und Sanierungsprogramm organisiert? Wir befinden uns inzwischen auf dem besten Weg in eine DDR 2.0.

[Lachen von Georg Kössler (GRÜNE)]

Gerade hier in Berlin dürfte den meisten doch noch bekannt sein, in welchem Zustand die öffentlichen Gebäude und Betriebe im Ostteil der Stadt nach dem Fall der Mauer waren. Es kann nicht sein, dass Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und öffentlich Bedienstete in Amtsstuben und Räumen arbeiten müssen, die seit Jahrzehnten keinen Farbeimer oder Handwerker mehr gesehen haben. Diese erheblichen Versäumnisse der letzten Jahre müssen und können endlich behoben werden, wenn die geplanten SIWA-Gelder auch tatsächlich investiert werden.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Nicht zu vergessen ist die nach wie vor viel zu geringe Schuldentilgung.

[Steffen Zillich (LINKE): Genau!]

Wann, wenn nicht jetzt sollen die Schulden in einem angemessenen Rahmen getilgt werden? – Herr Zillich, genau!

[Steffen Zillich (LINKE): Alles zusammen!]

Wir haben derzeit Haushaltüberschuss und einmalig niedrige Zinsen am Kapitalmarkt, also beste Voraussetzungen für die Nettoschuldentilgung.

[Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Stadtwerke!]

Lassen Sie uns mit dem vorliegenden Gesetzänderungsantrag tatsächliche Nachhaltigkeit herstellen, indem wir das SIWANA-Gesetz vernünftig an die Realität anpassen und damit den Bedürfnissen der Berliner auch Rechnung tragen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Abgeordnete Herr Hofer. – Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das SIWANA-Gesetz, das gerade von Frau Brinker so stark kritisiert wurde, ist eine Erfolgsgeschichte. Ich will Ihnen mal erzählen, was letzte Woche im Hauptausschuss passiert ist. Da haben wir das neue SIWANA-Gesetz erstmals angewendet, und wir konnten aus den Überschüssen des Haushaltsjahres 2016 1,16 Milliarden Euro dem Sondervermögen SIWANA zuführen. Damit werden wir u. a. zwei Sicherheitspakete auflegen, für die wir 45 Millionen Euro in die Hand nehmen. Damit statten wir die Polizei, die Feuerwehr und die BVG besser aus. Wir werden u. a. auch am Gerichtsstandort Moabit zwei Sicherheitssäle aufbauen, die wir dringend benötigen. Weitere 40 Millionen Euro werden wir in die Hand nehmen, um der Berliner Polizei – –

Entschuldigung! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Nein! Das lasse ich nicht zu; generell keine Zwischenfragen! – Wir bauen also drei Einsatztrainingszentren für die Berliner Polizei, dafür nehmen wir diese 40 Millionen Euro in die Hand. Das ist aber noch nicht alles. Wir wollen Impulse in die wachsende Stadt setzen, deshalb

(Dr. Kristin Brinker)

beschleunigen wir den Kitaausbau mit Mitteln in Höhe von 75 Millionen Euro – 3 000 neue Kindergartenplätze werden dadurch entstehen. Einschließlich des Nachtragsetats stehen mit dem neuen SIWANA 200 Millionen Euro frisches Geld für Schulneubau und -sanierung zur Verfügung. Im Übrigen sehen wir auch Maßnahmen für den Radverkehr, den Klimaschutz, elektronische Aktenführung, WLAN in Gesundheitseinrichtungen, energetische Sanierung usw. vor. Das habe ich jetzt alles gesagt, und jetzt will ich etwas zum Antrag der AfD sagen.

Der Antrag der AfD kommt reichlich spät. Wir haben das SIWANA gerade erst zu Beginn dieses Jahres geändert, und da hat es mich gewundert, dass Sie keinen Änderungsantrag eingebracht haben. Die Kollegen von der CDU haben einen Änderungsantrag eingebracht. Sie haben es nicht geschafft. Jetzt kriegen wir diesen Gesetzesentwurf.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Damit kommen Sie ziemlich aus dem Mustopf. Eine Sache ist mir da ganz besonders stark aufgestoßen: Sie möchten dort eine Regelung einführen, wonach wir für Abstimmungen über Flüchtlinge und Flüchtlingskosten im Hauptausschuss eine Zweidrittelmehrheit benötigen. Das ist eine stigmatisierende Rechtsnorm, die Sie da einführen wollen. Diese diskriminierende Norm tragen wir nicht mit.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Außerdem wollen Sie eine Zweidrittelmehrheit für Entnahmen aus dem Nachhaltigkeitsfonds einführen. Dazu hatte ich in der letzten Plenardebatte zum SIWANA schon das Nötige gesagt, das gilt auch hier.

Dann möchten Sie den Nachhaltigkeitsfonds, den wir bisher auf ein Prozent des Landeshaushaltes begrenzt haben, um vier Prozentpunkte auf 5 Prozent aufstocken. Das halten wir gegenwärtig nicht für nötig. Wir halten die Zahl auch für zu groß. Sie sind wie ich Mitglied im Ausschuss Haushaltskontrolle, wo wir den Landesrechnungshof – – Nein, sind Sie nicht? – Schade! Der ist schön! – Da lesen wir sehr aufmerksam den Bericht des Landesrechnungshofs. Dieser hat uns im Jahresbericht 2016 aufgeschrieben, dass wir unbedingt diese Rücklage in Höhe von 1 Prozent des Landeshaushaltes bilden sollen. Das haben wir jetzt komplett gemacht; 290 Millionen Euro sind da drin. Das muss gegenwärtig ausreichen. Auf lange Sicht wird man vielleicht noch mal darüber reden, da noch mal heranzugehen, gegenwärtig ist es nicht notwendig, denn eine Absicherung gegen alle Eventualitäten kann es nicht geben.

An der neuen Verteilregel halten wir natürlich fest, die werden wir nicht ändern. Rot-Rot-Grün ist gewählt worden, die Investitionen zu erhöhen und den Sanierungsstau zu beenden. Die gesamte Berliner Wirtschaft steht hinter diesem Kurs.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Außerdem tilgen wir natürlich auch Schulden. Wir haben letzte Woche im Hauptausschuss 101 Millionen Euro Schulden getilgt – nicht nur die 80 Millionen Euro, von denen Sie gesprochen haben, sondern noch 21 Millionen Euro mehr. Auch das ist ein Zeichen für seriöse Haushaltspolitik.

[Zuruf von Roman Simon (CDU) – Frank-Christian Hansel (AfD): AfD wirkt!]

Wir werden den Antrag der AfD in den Hauptausschuss zur Beratung überweisen. Ich vermute, dass es uns dort nicht gelingen wird – ich habe mir noch viel mehr Punkte aufgeschrieben, die kann ich jetzt nicht alle vortragen –, diesen Antrag zu verbessern, zu qualifizieren.