Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

Wir werden den Antrag der AfD in den Hauptausschuss zur Beratung überweisen. Ich vermute, dass es uns dort nicht gelingen wird – ich habe mir noch viel mehr Punkte aufgeschrieben, die kann ich jetzt nicht alle vortragen –, diesen Antrag zu verbessern, zu qualifizieren.

[Torsten Schneider (SPD): Das ist aber höflich!]

Dazu sind unsere Ansichten, die wir vom SIWANA haben, was das SIWANA ist, was das SIWANA kann, was das SIWANA soll, einfach zu unterschiedlich. Da kommen wir nicht zusammen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden wir daher den Antrag der AfD im Hauptausschuss ablehnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt Herr Abgeordneter Goiny das Wort! – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Richtig ist, dass auch wir die zu geringe Schuldentilgung in dem Gesamtkonstrukt SIWA/SIWANA kritisieren. Wir haben deswegen auch in der letzten Hauptausschusssitzung gegen diese nach unserer Auffassung zu hohe Mitteltransferierung votiert.

Was allerdings auch nicht stimmt, ist, dass hier Geld herumliegt, das für Projekte nicht abfließt. Das Problem, das wir insgesamt im Land Berlin haben, ist, dass Vergabe, Auftragsvergabe, Bürokratie und Mittelverwendung auch bei den Baufirmen nach unserem Dafürhalten nicht schnell genug gehen. Aber die Projekte, die wir im SIWA oder jetzt SIWANA adressiert haben – die Bestückung erfolgte ja größtenteils schon in der letzten Wahlperiode, sie ist jetzt noch mal um eine Reihe von Projekten ergänzt worden –, das sind Maßnahmen über ganz viele Bereiche der Stadt. Und die sind natürlich im Wesentlichen auch sinnvoll. Wo es nicht sinnvoll ist, beim Stadtwerk, haben wir das neulich deutlich gemacht. Hier ist aber auch in der Vergangenheit eine richtige Schwerpunktsetzung erfolgt, die Mittel fließen ab, und das passiert.

(Torsten Hofer)

Ich glaube einfach – da müssten Sie sich vielleicht noch mal die Mühe machen, das ein bisschen haushälterisch zu recherchieren –, dass Sie da einfach einem Missverständnis unterliegen.

[Daniel Wesener (GRÜNE): Ja!]

Wenn Sie glauben, innere Darlehen seien etwas ganz Schlimmes, dann haben Sie die Mechanik, wie Haushaltspolitik funktioniert, noch nicht ganz überblickt.

[Steffen Zillich (LINKE): Nein!]

Das muss ich an dieser Stelle leider mal sagen. Die Unterstellungen, mit denen Sie kommen, das darf ich jetzt auch mal als Oppositionsabgeordneter sagen, sind an der Stelle nicht richtig.

Die Überschüsse, die wir hier erzielt haben: Natürlich sind das niedrige Zinsen, aber wir haben auch eine wiedergewonnene Wirtschaftskraft in dieser Stadt, wir haben auch steigende Steuereinnahmen. Nun ist es natürlich so, dass der Erfolg immer viele Väter hat, insofern ist es richtig, dass wir uns zu einem neuen Umgang mit den Haushaltsüberschüssen bekannt haben. Das war viele Jahre und Jahrzehnte nicht möglich, was an wirtschaftlicher Schwäche und an einem zu hohen Personalbestand lag. Und richtig: Der öffentliche Dienst hat die letzten Jahrzehnte ein Sonderopfer gebracht, und wir haben zulasten der Infrastruktur gewirtschaftet. Das hat die letzte Regierung schon umgekehrt, und wir halten es für richtig, diesen Kurs fortzusetzen. Hätten wir das nicht gemacht, hätte der Schuldenstand Berlins im Jahre 2016 wahrscheinlich 120 oder 150 Milliarden Euro betragen, und wir hätten gar keinen finanziellen Handlungsspielraum gehabt. Deswegen ist es jetzt aber auch richtig, diese Überschüsse für die Infrastruktur zu verwenden. Das passiert auch mit ganz vielen Schulinvestitionen, Straßeninvestitionen, mit Investitionen in Hochschulen, Jugendeinrichtungen, in die innere Sicherheit und mehr, und deswegen halten wir diese Verteilung auch für richtig.

Ihr Antrag bringt an der Stelle leider nichts substanziell Neues. Er unterliegt in einem ganz wesentlichen Punkt, den Sie adressieren, einem Missverständnis, wie Haushaltssystematik funktioniert. Wir glauben daher nicht, dass wir im Hauptausschuss zu einer Verständigung kommen und Ihren Antrag mittragen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Bevor ich jetzt dem Abgeordneten Herrn Zillich von der Fraktion Die Linke das Wort gebe, bitte ich noch einmal um ein bisschen mehr Ruhe in diesem Saal. Die Zwischengespräche sind sehr störend. Wir werden doch auch die letzten Rederunden noch mit der

entsprechenden Würde und Disziplin hinbekommen. Vielen Dank! – Herr Zillich, Sie haben jetzt das Wort!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon ein etwas merkwürdiges Verfahren: Wir reden zum dritten Mal hintereinander in einer Plenarsitzung über SIWANA. Wir haben es beim letzten Mal beschlossen, wir hatten zuvor Ausschussberatungen mit Änderungsanträgen,

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

und jetzt kommt die AfD und wirft sich mit ihrem etwas kruden Änderungsantrag noch mal richtig hinter den Zug. Das ist aber in Ordnung, denn es gibt uns die Möglichkeit, auch noch mal darüber zu reden, was die Grundentscheidung hinter SIWANA ist. Um es noch mal zu sagen: Ja, in der Tat geht es um die Frage, wie wir mit den Haushaltsüberschüssen des Landes Berlin umgehen, sowie natürlich um den Zielkonflikt bei der Frage: Steckt man, wenn man Überschüsse hat, diese in die Tilgung, wenn man gleichzeitig Schulden hat, oder investiert man damit? – Wir als Koalition haben uns sehr bewusst dafür entschieden, in die Infrastruktur zu investieren, denn natürlich ist das notwendig. Eins geht nicht: Man kann nicht einerseits richtigerweise beklagen, in welchem Zustand sich die Berliner Infrastruktur befindet, und fordern, dass da mehr investiert werden muss, und gleichzeitig beantragen, dass weniger Geld dafür zur Verfügung gestellt wird, weil man mehr in die Tilgung steckt. Nein, man muss sich schon entscheiden, und wir haben uns bewusst für Investitionen entschieden.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Und dann geht es um die inneren Darlehen, was als neuer Hort des Bösen ausgemacht wurde. Wir haben schon oft darüber geredet. Es ist schon eine Weile her, dass ich hier im Parlament meine Oma zitiert habe. Ich muss es an dieser Stelle noch einmal tun – das vertrauliche Du ist nur dem Zitat geschuldet. Meine Oma hat als alte Berlinerin in solchen Situationen gesagt: Du redst wie du‘s verstehst, und dit is nich doll!

[Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit]

Man muss es noch mal erklären. Was passiert, wenn man in einer Situation ist, einerseits Geld für Investitionen zurückzulegen, wenn man andererseits Schulden hat – wie handelt man dann klug? Handelt man klug, wenn man das Geld im Sparstrumpf anwachsen lässt und andererseits für teures Geld und teure Gebühren gleichzeitig Darlehen aufnimmt? – Man handelt dann nicht klug. Das relativiert sich sicherlich durch Zinssätze und Ähnliches, doch es ist sinnvoll, zunächst einmal das Geld aus dem Sparstrumpf zu nehmen, bevor man am Markt Zinsen aufnimmt. Dabei muss man nur zwei Sachen beachten, erstens, dass das Geld für den Zweck, für den man es

(Christian Goiny)

ansammelt, auch wirklich zur Verfügung steht. Das ist gesichert. Wir haben Erfahrungen mit inneren Darlehen. Die Situation gab es noch an keiner Stelle, dass es nicht funktioniert hat. Zweitens muss man klarstellen, dass das Borgen des Geldes beim Sparstrumpf natürlich auch eine Schuldenaufnahme darstellt. Auch das ist in der Darstellung gesichert. Das ist eine Debatte, die wir längst geführt haben. Mit dem inneren Darlehen räumen wir die Möglichkeit ein, ein sinnvolles Instrument anzuwenden. Dahinter irgendein Geheimnis zu vermuten, ist unangebracht.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Meister das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es macht wirklich Sinn, noch einmal zu diesem Antrag der AfD sprechen, und da bin ich durchaus ein Stück weit bei meinem Vorredner: Das hat schon ein bisschen was Krudes. Ich kann es ja noch verstehen, dass man die Zweckbindung wieder einführen möchte, damit wirklich klar festgelegt ist, welche Infrastrukturprojekte unterstützt werden sollen. Nun gibt es den neuen Hinweis auf die Sicherheitsinfrastruktur. Da darf man sich dann fragen, was das sein soll – Rauchmelder für alle oder was auch immer darunter zu verstehen ist? Dann kommt aber der entscheidende Hinweis: Wenn es um Kosten für Asylbewerber geht, brauchen wir auf einmal eine Zweidrittelmehrheit. Also ganz ehrlich: Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ich empfinde das als eine unglaublich diffamierende Aussage in diesem Antrag!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Natürlich kann man die Schuldentilgung erhöhen. Das haben wir auch angesprochen und gesagt, dass wir mehr Schulden getilgt hätten. Nicht 50 Prozent, das finde ich ein bisschen viel. Bei dem Investitionsbedarf, den wir in dieser Stadt haben, hätten wir uns eher bei 300 Millionen Euro gesehen. Ich bin auch an der Seite der Koalition bei der Frage der inneren Darlehen. Es ist sinnvoll, Geld, das ich nicht verwenden kann, nicht mit Krediten zu ersetzen, sondern dort zu verwenden, wo ich es brauche.

Man kann auch über diesen Nachhaltigkeitsfonds noch einmal nachdenken, auch wenn ich das im Haushalt zunehmend intransparent finde. Den Nachhaltigkeitsfonds aber auf 5 Prozent zu erhöhen und das – wenn man den Antrag der AfD komplett liest, also samt Begründung – mit dem Hinweis darauf, was sich weltwirtschaftlich ereignen wird, bedient, das muss ich gestehen, in meinen Augen Verschwörungstheorien und ein Bild von Europa,

das nicht das unsere ist. Das möchte ich an dieser Stelle gesagt haben. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Abgeordnete Frau Schillhaneck das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Und vor allem vielen Dank, liebe Frau Kollegin Meister! Sie haben mir gerade wirklich aus der Seele gesprochen.

[Paul Fresdorf (FDP): Um Gottes willen!]

In der Tat, wenn man diese Begründung liest, hat das mehr mit verschwörungstheoretischen Darlegungen über die Europäische Union, die Eurozone und noch so einiges andere zu tun. Herr Kollege Goiny hat Ihnen dargelegt, in welcher Hinsicht Sie offensichtlich dem einen oder anderen Fehlschluss über ganz normale Haushaltsmechanismen und finanzpolitische Mechanismen erliegen, die Sie insbesondere in Ihrer Begründung darlegen.

Ich bin auch ganz bei dem Kollegen Zillich, wenn er sagt: Klar kann man über die Frage, wie viel Geld in die Tilgung, wie viel in die Investitionen gehen soll, wie groß der Nachhaltigkeitsfonds sein soll, sachlich miteinander diskutieren. – Worüber man mit Ihnen aber wahrscheinlich nicht sachlich diskutieren kann – zumindest lässt Ihr Antrag überhaupt nicht erkennen, dass Sie Interesse daran haben, sachlich zu diskutieren –, das sind die zugrundeliegenden volkswirtschaftlichen und finanzmarktwirtschaftlichen Mechanismen. Das, was Sie da aufschreiben, ist in der Tat ein klassischer Fall von: Wenn die Analyse schon falsch ist, dann können Sie allerhöchstens zufällig beim richtigen Ergebnis enden.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist wie bei Karl Marx!]

Und genau deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Ich finde es zwar immer wieder sehr schön, dass wir in dieser Legislaturperiode dazu kommen, sehr ausgiebig und häufig über Finanz- und Haushaltspolitik zu reden. Ich glaube, das gab es noch in keiner Legislaturperiode, jenseits von Dingen wie dem Bankenskandal. Ich finde es auch wichtig, über Haushalts- und Finanzpolitik zu reden und nicht so zu tun, als wäre das ein Thema, das einen Kreis von Eingeweihten beschäftigt. Damit tut man sich keinen Gefallen. Das muss in aller Offenheit und Transparenz ausgehandelt und diskutiert werden, und das muss so erklärt werden, dass alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes auch verstehen, was mit ihrem Geld passiert. Das ist super wichtig.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ja!]

(Steffen Zillich)

Aber das teilen wir doch alle hier. Sie aber mit Ihren komischen Verschwörungstheorien: griechische Zustände! Gestern haben Sie versucht, mir zu erklären, dass die Niedrigzinspolitik der EZB schuld an der Inflation sei. Was Sie eigentlich meinten, war, dass billiges Baugeld die Immobilienblase anfeuert.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Damit haben Sie recht. Aber das mit der Inflation, das ist ein ganz anderer Begriff.

[Thorsten Weiß (AfD): Das sagt die Pädagogin!]

In der Tat, sagt die Pädagogin, die auch Sozialwissenschaftlerin ist. Sozialwissenschaft hat übrigens einen gemeinschaftlichen Ursprung mit der Volkswirtschaft, und das ist die Staatswissenschaft, meine Herren, und darauf läuft das alles hinaus. Das ist die Grundlage von allem, und das wollen Sie nicht verstehen. Da kommen Sie und ergehen sich irgendwie darin, dass ich ja nur – in Ihrem Wertesystem offensichtlich „nur“ – Pädagogin bin.

[Zuruf von Thorsten Weiß (AfD)]