Protocol of the Session on August 19, 2021

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Ich rufe auf

lfd. Nr. 6.5:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 20

Gesetz zur Änderung des Gesetzes zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen (Grünanlagengesetz – GrünanlG)

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/3971

Erste Lesung

(Andreas Otto)

Ich eröffnete die erste Lesung des Gesetzesantrags. In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Abgeordneter Buchholz, Sie haben das Wort!

So ist es, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, die Maske noch einen Moment aufzulassen, nicht, damit Sie mich schlechter verstehen, sondern damit Sie den Anlass verstehen, warum wir als Koalition heute dieses sehr kleine, feine Änderungsgesetz zum Berliner Grünanlagengesetz einbringen. Wie Sie alle wissen, waren die Einschränkungen durch Corona in den letzten anderthalb Jahren für viele, die gerne ausgehen, die gerne tanzen gehen, die öffentliche Veranstaltungen besuchen wollen, immens. Heute sehen wir in den Bezirken, dass junge Leute, wenn sie nirgendwo tanzen gehen können, oftmals in Parks oder auf Flächen gehen, wo solche Zusammenkünfte gerade nicht stattfinden sollten, weil sie Unannehmlichkeiten und Dinge nach sich ziehen, die wir in der „Abendschau“ und anderswo sehen und hören können.

Wir haben uns überlegt, dass wir mit einer ganz kleinen Änderung, mit der Einfügung von letztlich wenigen Worten im Berliner Grünanlagengesetz die Bezirke ermuntern und ihnen Gelegenheit geben wollen, den Menschen andere Möglichkeiten zu eröffnen. Wir werden in das Berliner Grünanlagengesetz neben der bisherigen Verpflichtung für die Bezirksämter, dass sie Flächen zum Beispiel zum Ballspielen ausweisen sollen, zum Radfahren, zum Reiten etc., die Regelung einfügen, dass, wo es geeignet und angemessen ist, wo es mit den Belangen des Gesundheits- und Umweltschutzes und denen der Anwohnenden passt, künftig auch Flächen für nichtkommerzielle Kunst- und Kulturveranstaltungen auch mit Livemusik ausgewiesen werden können.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das ist nett! Ja, es ist schon nach 20 Uhr, und es passt vielleicht ganz gut – entweder „Tagesschau“ gucken oder fertigmachen, um tanzen zu gehen. Das ist ungefähr die Zeit, wo man darüber nachdenken kann. Es ist für Berlin zwar noch ein bisschen früh, aber für die, die lange Haare haben und alles ondulieren müssen – da braucht man halt noch ein bisschen.

Den Bezirksämtern wollen wir also eine Alternative bieten und sagen: Mit dem kleinen Einschub habt ihr die Möglichkeit, geeignete Flächen auszuweisen, wo zum Beispiel Kunst- und Kulturveranstaltungen – nichtkommerzielle, wohlbemerkt, das steht im Gesetz! – stattfinden können. Ein Bezirksamt kann also zum Beispiel eine aufgelassene Straße, eine ehemalige Straße also, wo heute noch ein altes Pflaster liegt – die explizit also gar keine Grünanlage ist, auch wenn der Bereich mit dem Hinweis auf das Grünanlagengesetz so benannt ist –, auch für

andere Veranstaltungen nutzen, zum Beispiel für eine Livemusikdarbietung. Das Bezirksamt kann sagen, diese Fläche ist dafür geeignet. Es kann festlegen, an welchen Tagen diese Nutzung erlaubt oder nicht erlaubt ist. Es liegt voll und ganz in der Verfügung des Bezirksamts, zu sagen: Zu diesen Uhrzeiten und mit diesen Nebenbedingungen wird das erlaubt. – Gebote und Verbote dürfen laut Gesetz ausdrücklich ausgesprochen werden. Da merken Sie: Wir wollen, das haben wir in die Gesetzesbegründung geschrieben, die Möglichkeit eröffnen, dass das Bezirksamt solche Flächen als Ganzes ausweist und sagen kann: Da passt es zur Anwohnerschaft, da passt es zu dem, was drum herum ist, zur Stadtgestaltung und welche Bedingungen es sonst noch gibt. Gibt es dort zu schützendes Grün? – Dann natürlich nicht. Gibt es andere Randbedingungen, sodass wir das ermöglichen?

Wir erhoffen uns dadurch zwei Dinge – zum einen, dass diejenigen, die das in der Praxis durchführen wollen, nicht hundert Anträge schreiben müssen, sondern dass das Bezirksamt das prophylaktisch durchprüft und feststellt, welche Flächen geeignet oder nicht geeignet sind. Dadurch wird Arbeitsaufwand in den Bezirksämtern wegfallen; Kapazitäten für andere Dinge werden entstehen. Das Ordnungsamt muss dann auch nicht mehr raus. Zum anderen entstehen mehr Möglichkeiten, nichtkommerzielle Kunst- und Kulturveranstaltungen auch mit Livemusik mal in Parks stattfinden zu lassen, auf Grauflächen, die als Grünanlage zählen, eigentlich aber gar keine sind. Unter der Überschrift „Grauflächen zu Tanzflächen“ können wir sagen: Eine ganz kleine Änderung im Gesetz kann ganz große Wirkung entfalten. Wir hoffen, dass es dafür eine breite Mehrheit im Abgeordnetenhaus gibt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion folgt jetzt Herr Kollege Freymark. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von meiner Seite große Offenheit für die Initiative.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Es ist offensichtlich, dass hier möglicherweise ein zusätzlicher Regelungsbedarf besteht. Das Thema Aufenthaltsqualität in der Stadt ist eins, das auch die CDU-Fraktion parlamentarisch schon auf den Weg gebracht hat, und zwar unter dem großartigen Titel „Aufenthaltsqualität stärken I, II und III“ – für diejenigen, die Interesse haben, das nachzulesen.

(Präsident Ralf Wieland)

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Zugleich will ich deutlich machen: Die Bezirke leiden darunter, dass sie sehr viele Aufgaben zu bewältigen haben. Da gibt es die Idee des Pilotprojekts seitens der BSR, die Parkreinigung stärker zu koordinieren und zu übernehmen. Aktueller Stand: Das betrifft 78 oder 79 Parks und Spielflächen etc. von 2 700.

[Daniel Buchholz (SPD): Hat die SPD gemacht, Herr Kollege!]

Wenn wir die Bezirke also in die Situation bringen, so etwas nicht nur regeln zu dürfen, sondern regeln zu müssen, müssen wir sie auch in die Lage versetzen, das zu können. Deswegen sollten wir im Umweltausschuss die Gelegenheit nutzen, noch ein, zwei Experten zu Wort kommen zu lassen und auch die Bezirke ggf. anzuhören. Dann aber stehe ich dem sehr offen gegenüber. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Anne Helm (LINKE) und Katrin Seidel (LINKE)]

Für die Fraktion Die Linke folgt jetzt Frau Kollegin Kittler.

Das freut mich, dass wir uns zum Ende des Tages doch noch in einigen Punkten einig werden! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Berlin ist Kulturhauptstadt Deutschlands mit großer nationaler und internationaler Anziehungskraft. Das war so vor der Pandemie und wird auch nach der Pandemie hoffentlich wieder so sein. Dafür müssen wir etwas tun. Wir können uns nicht erst nach der Pandemie darum kümmern, das war uns und natürlich auch dem Senat klar, und so wurden im vorigen Jahr nicht nur in Deutschland einmalige Landessoforthilfeprogramme aufgelegt – auch Pariser Kulturschaffende beneiden uns übrigens darum –, vielmehr wurde auch nach Wegen gesucht, unter welchen Bedingungen Kultur trotz Corona stattfinden kann.

Neben digitalen Möglichkeiten bot sich nur an, Kultur draußen stattfinden zu lassen. Das Programm Draussenstadt, das uns immerhin 7 Millionen Euro wert war – mit einer nochmaligen Aufstockung in diesem Jahr –, wurde geboren. Damit hat auch der vorliegende Antrag zu tun. Pandemiebedingten Einschränkungen drinnen wurden Möglichkeiten draußen entgegengestellt. In diesem Jahr sind nach dem Call for Action für Stadtkultur im Freien 550 Projektanträge gestellt worden; Jurys haben mittlerweile entschieden. In Anbetracht der großen Anzahl eingegangener Anträge und des großen Bedarfs an Kultur im Freien konnte die Senatsverwaltung für Kultur und Europa Anfang August zusätzliche Mittel sicherstellen. Somit

konnten insgesamt 118 Projekte zur Förderung empfohlen werden.

Der Senat hat dafür zentrale Orte ausgewiesen und alle Bezirke aufgefordert, dies auch zu tun. Dem sind die Bezirke nicht alle gefolgt – aus unterschiedlichen Gründen, möglicherweise auch deswegen, weil diese Nutzung im Grünanlagengesetz nicht vorgesehen ist. Unser Ziel ist es, mit dem Antrag jedem Bezirk einerseits die Möglichkeit zu geben, Grünanlagen auch für Kulturveranstaltungen auszuweisen und bürokratische Antragsverfahren à la A38 stark zu vereinfachen – Asterix-Kenner wissen, was ich meine.

[Joschka Langenbrinck (SPD): Insider!]

Andererseits sind die Bezirke jetzt auch verpflichtet dazu, haben aber das Recht, die Nutzung zeitlich und örtlich zu begrenzen und Auflagen zu erteilen; darauf wurde von meinem Kollegen schon hingewiesen. Ich würde sagen, beschließen wir diesen Antrag, machen wir es, damit wir auch für die Kultur in der Zukunft Vorsorge treffen können! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Woldeit das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Die Priorität der SPD: Die Linke ist sich einig, die CDU ist sich einig – ich glaube, wenn sich alle einig sind, dann bedarf es vielleicht noch mal einer Stimme, die ein bisschen Kritik äußert, weil ich diesen Antrag zweimal lesen musste –

[Joschka Langenbrinck (SPD): Er überfordert Sie!]

nicht um ihn zu verstehen, er ist relativ simpel zu verstehen, sondern ich wollte nur begreifen, ob das wirklich so gemeint ist, wie das da drinsteht. Ich versuche, das mal relativ einfach zu übersetzen.

[Daniel Buchholz (SPD): Ja, ich bitte Sie!]

Aktueller Stand gemäß des Grünanlagengesetzes: Nichtkommerzielle Kulturveranstaltungen, Konzerte, Livemusik und Ähnliches sind nach dem Grünanlagengesetz verboten – Punkt.

[Daniel Buchholz (SPD): Explizit erlaubt!]

Sie sind verboten. Es stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, je nach Größe des Verstoßes eventuell sogar eine Straftat. Die CDU war mal so eine Rechtsstaatspartei, sie sieht das heute vielleicht anders.

[Burkard Dregger (CDU): Was?]

Sie haben die Rede vom Kollegen Freymark gehört, er findet das ganz toll, was die SPD hier vorträgt. Wir haben diverse Eindämmungsverordnungen, wir haben diverse

(Danny Freymark)

Maßnahmen, die natürlich junge Menschen betreffen. Was passiert dann? – Sie schreiben es sogar in ihren Antrag: „Hierdurch existiert ein Wildwuchs an illegalen … Kulturveranstaltungen“, das ist der Stand heute. Das heißt, Ihre Politik, Ihre Eindämmungsverordnung bringt junge Menschen dazu, Wildwuchs in Parkanlagen mit illegalen Konzerten und Ähnlichem, mit Vermüllung und allem, was dazu gehört, umzusetzen, und das ist in der Tat illegal.

[Beifall bei der AfD – Daniel Buchholz (SPD): Ich verstehe Sie nicht!]

Jetzt kommt die SPD auf die Idee: Also das ist wirklich blöd, Illegalität wollen wir nicht, wir ändern einfach das Grünanlagengesetz und machen aus der Illegalität Legalität. – Herr Buchholz, Sie sagten genau wie Frau Kittler, aber sie hat es noch berichtigt, Sie wollen den Bezirken ermöglichen, Flächen auszuweisen.

[Daniel Buchholz (SPD): Ja!]