Protokoll der Sitzung vom 19.05.2022

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die CDU weist in ihrem Antrag darauf hin, dass bei den bisherigen Entlastungspaketen Rentner und Studenten noch nicht ausreichend unterstützt werden – ich sage es mal so. Allerdings muss man da auch sagen: Dass jetzt gerade Rentner in Schwierigkeiten geraten, hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass in 16 Jahren CDUKanzlerschaft die Altersarmut in Deutschland und Berlin massiv zugenommen hat.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Jian Omar (GRÜNE)]

Da spielen viel grundsätzlichere Fragen rein: die Höhe von Löhnen, insbesondere des Mindestlohns, das Rentenniveau, die Höhe der Grundsicherung. Gerade die Senioren mit kleineren Renten haben jetzt wenig zuzusetzen. Genauso wurde 16 Jahre lang eine sozial gerechte BAföG-Reform verschlafen, mit dem Ergebnis, dass wir heute eine Förderquote von nur noch 12 Prozent haben;

früher waren es 20 Prozent. Und wer kein BAföG bekommt, erhält jetzt auch keinen Heizkostenzuschlag.

[Zuruf]

Ein Drittel der Studenten in Deutschland lebt in Armut – unglaublich –, teilte am Montag der Paritätische Wohlfahrtsverband mit. Hier haben wir wirklich viel zu tun, weit über das Energiegeld hinaus. Da bin ich mal gespannt auf Ihre Unterstützung und Ihre Beiträge.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Ich will auch darauf hinweisen – der Kollege Stroedter hat es auch angesprochen –: Durch ein Ölembargo gegen Russland, das auch von Ihnen unterstützt wird, würden die Belastungen für alle Bürger absehbar noch mal größer,

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

gerade in Berlin, wo viele Ölheizungen nach wie vor in Betrieb sind, vor allem am Stadtrand. Ich denke da an die Einfamilienhäuser in Mariendorf und in Marienfelde, in meinem Bezirk,

[Zuruf von Melanie Kühnemann-Grunow (SPD)]

und da leben viele ältere Leute, die jetzt schon unter den massiv gestiegenen Heizölpreisen leiden. Jetzt hat die Embargodebatte durch den Besuch der US-Finanzministerin Yellen in Brüssel interessanterweise eine neue Wendung bekommen. Vielleicht ist das Embargo auch schon vom Tisch; es ist auch interessant, wie so etwas läuft. Aber die Unsicherheit bleibt. Deshalb müssen wir größer herangehen, in Berlin und auch mit unseren Forderungen an den Bund. Ich hatte es schon vor zwei Monaten gesagt: Wir brauchten eigentlich ein 100-MilliardenSondervermögen, nicht für Aufrüstung, sondern für die Energiewende und die Bekämpfung von Energiearmut.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Dazu gehört erstens – ganz wichtig –, dass es deutlich mehr Regionalisierungsmittel für einen guten und vor allem dauerhaft günstigen öffentlichen Nah- und Regionalverkehr gibt, als Entlastung für die Umwelt und auch für den Geldbeutel.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Da sind wir sicher alle sehr gespannt, was jetzt gerade im Bundesrat passiert. Über das 9-Euro-Ticket haben wir heute schon gesprochen.

Zweitens brauchen wir eine Energiepauschale, die nicht nur einmal ausgezahlt wird, sondern die die Menschen auch durch den Herbst und Winter hindurchträgt. Wir fordern für alle Haushalte – für alle – und zunächst für die Dauer von acht Monaten eine Unterstützung von 125 Euro monatlich plus 50 Euro für jede weitere Person im Haushalt.

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Drittens, und das ist wirklich überfällig: Wir brauchen endlich eine deutliche Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung, mindestens um 200 Euro.

Viertens: Wir brauchen natürlich eine Härtefallregelung für Leute, die von den bisherigen Hilfesystemen nicht erfasst werden. Daran wird in Berlin schon gearbeitet. Und wir haben die Einführung eines Fonds gegen Strom- und Gassperren in den Haushalt aufgenommen. Die CDU hat jetzt eine solche Forderung auch in einem Antrag eingebracht, in den Haushaltsberatungen im Wirtschaftsausschuss aber dagegen gestimmt. Da frage ich mich: Wie ernst sollen wir die Anträge der CDU nehmen, wenn Sie das schon selbst nicht tun?

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Raed Saleh (SPD)]

Fünftens: Auch die Berliner Betriebe leiden jetzt unter der Energiepreisexplosion. Der Textilserviceunternehmer Greif berichtete im Wirtschaftsausschuss sehr eindrücklich davon, dass das an die Existenz geht. Diese Situation wird sich für viele Unternehmen noch verschärfen. Wir werden deshalb wieder Rettungsmaßnahmen für unsere Betriebe benötigen, vergleichbar mit den Coronahilfen. Wir brauchen einen Krisenbekämpfungsfonds, auch mit Krediten finanziert, zur Unterstützung von Betrieben, die jetzt unverschuldet in Not geraten.

Das alles müssen wir gemeinsam, Bund und Länder, anpacken, und das wird viel Geld kosten. Deshalb müssen wir auch an Folgendes denken: Wie in jeder Krise gibt es auch in dieser die Gewinner. Wo alles teurer wird, gibt es auch diejenigen, die die steigenden Preise einstreichen. Die Internationale Energieagentur erwartet für dieses Jahr, dass die Energiekonzerne in der EU ihre Profite um sage und schreibe zusätzliche 200 Milliarden Euro hochschrauben.

[Anne Helm (LINKE): Hört, hört!]

1,2 Milliarden Euro zusätzliche Gewinne machten allein die Ölkonzerne, allein im März, allein in Deutschland. Weil das so ist, sollten wir endlich auch darüber sprechen, wie die Krisengewinner an den Krisenkosten beteiligt werden können. Wir schlagen zur Finanzierung der Hilfen, die jetzt nötig sind, eine Steuer auf Extragewinne, zum Bespiel nach italienischem Vorbild, vor. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Derya Çağlar (SPD)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die CDUFraktion hat die Überweisung ihres Antrags an den Hauptausschuss beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie an

(Dr. Alexander King)

den Hauptausschuss. Gemäß § 68 Satz 2 unserer Geschäftsordnung lasse ich zuerst über den Überweisungsantrag der Koalitionsfraktionen abstimmen. Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU auf Drucksache 19/0350 – Energiepreispauschale auch für Studenten sowie Rentner und Ruheständler – an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Betriebe sowie an den Hauptausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die CDU- und die FDPFraktion. Wer enthält sich? – Das ist die AfD-Fraktion. Damit ist der Überweisungsantrag der Koalitionsfraktionen angenommen.

Die laufende Nummer 4.6, die Priorität der Fraktion Die Linke, wurde bereits unter Tagesordnungspunkt 4.3 behandelt.

Die Fraktionen haben sich soeben darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 16 jetzt vorzuziehen. Ich rufe auf

lfd. Nr. 16:

Regierungsstreit über U-7-Verlängerung zum BER beenden

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Mobilität vom 27. April 2022 Drucksache 19/0333

zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 19/0228

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU, und für die CDU-Fraktion hat der Kollege Förster das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich mir die Ausbaupläne des UBahnnetzes der Koalition angucke, fallen mir spontan drei Schlagworte ein: mutlos, ambitionslos, Stillstand.

[Beifall bei der CDU]

Das, was die Berlinerinnen und Berliner in dieser Wahlperiode zu befürchten haben, sind weitere verschenkte Jahre, in denen nichts in punkto U-Bahnausbau vorangeht. Das besiegelt der Minimalkonsens in Ihrem Koalitionsvertrag, das erleben wir wöchentlich, wenn Sie sich in Zeitungen streiten: Womit beginnen wir? Was wollen wir überhaupt bauen? Was ist wichtig, was hat Priorität?

Ihre wenig ambitionierte Politik, diese visionslose Mutlosigkeit wurde mit dem Haushalt zusätzlich in Zahlen gegossen. Nur 1,1 Millionen Euro sind für 2022 für die Prüfung von U-Bahnneubaustrecken vorgesehen. Für 2023 sind es 2 Millionen. Die CDU-Fraktion hat im Mobilitätsausschuss eine Erhöhung um 5,6 Millionen Euro für dieses Jahr und um 5,1 Millionen Euro für 2023 beantragt. Wir haben der Koalition mit unserem Vorschlag eine Möglichkeit geliefert, ein klares Signal für den Aus

bau der U-Bahnen, für ein starkes Netz der Zukunft zu setzen. Die Koalition hat diese Chance verstreichen lassen und gegen unseren Änderungsantrag gestimmt. Das ist so bedauerlich wie es aber auch erwartbar gewesen ist.

Herr Kollege! Der Kollege Schneider von der SPDFraktion fragt nach einer Zwischenfrage.

Nein danke! Weitere auch nicht! – Wir reden hier im Hause oft von der Mobilitätswende. Diese Mobilitätswende wird von der Koalition mantraartig vorgetragen und als Allheilmittel gegen volle Straßen und dicke Luft in unserer Stadt verkauft. Schaut man aber genau hin, dann konzentriert sich das alles fast ausschließlich auf den Radverkehr, auf den Fußverkehr und auf Busspuren. Hin und wieder eröffnen Sie noch eine Straßenbahn. Gleichzeitig erleben wir immer stärkere Anmeldezahlen für Kraftfahrzeuge. Nun will die Koalition den Raum auf der Straße neu verteilen. Ziel muss es dagegen sein, möglichst viele Leute von den Straßen zu holen. Das kann mit der U-Bahn gelingen, denn die U-Bahn ist das leistungsfähigste und pünktlichste Verkehrsmittel.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die großen Investitionen in die U-Bahn bleiben aber aus. Ich sage Ihnen daher heute ganz klar: Ohne Investitionen in die U-Bahn, ohne Anschlüsse neuer Stadtgebiete – und davon gibt es viele in Berlin – wird die Mobilitätswende nicht gelingen. Sie werden es nicht schaffen. Daher zögern Sie nicht und investieren Sie in das U-Bahnnetz! Das ist eines der Kernanliegen der CDU-Fraktion.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Wir schlagen Ihnen eine ganze Liste an Streckenverlängerungen und Lückenanschlüssen für ein kraftvolles Zukunftsnetz in Berlin vor. Den Fokus will ich heute aber auf die Linie legen, um die es in diesem Antrag geht, nämlich auf die U 7 und deren Verlängerung zum BER. Über diese Anbindung wird schon lange geredet, und aus heutiger Sicht ist es ein Geburtsfehler des Flughafens, dass man keinen Bahnsteig für die U-Bahn mitgeplant hat. Die CDU hat hier früh umgesteuert und sich Anfang der 2000er für eine Erschließung des Flughafens auch mit der U-Bahn eingesetzt. Das hat viele Vorteile: Wir erschließen den Flughafen stabiler, können planmäßige und außerplanmäßige Ausfälle von Flughafenanbindungen, Wartungen oder Störungen besser ausgleichen. Eine UBahn hilft Schönefeld beim Wachstum, denn wir sollten nicht nur schauen, was heute vor Ort los ist, sondern auch Bevölkerungs- und Wirtschaftsprognosen im Auge behalten. Mit den Planungen, zum Beispiel für 10 000 neue Wohnungen und für die Gewerbegebiete, die dort entstehen sollen, steht Schönefeld vor einem Verkehrskollaps. Ein Hilferuf nach Potsdam und Berlin hat Schönefelds

(Präsident Dennis Buchner)

Bürgermeister Christian Hentschel schon artikuliert. Bisher stößt er damit auf taube Ohren.

Schauen wir nach Rudow. Dort haben wir mit der Gartenstadt Rudow ein Neubaugebiet, das deutlich einfacher an die Innenstadt mit einer U-Bahn angeschlossen werden könnte. Dort sind Flächen für einen U-Bahnhof bereits freigehalten. Glauben Sie mir: Wenn die Menschen einfach in die U-Bahn einsteigen könnten, anstatt sich in Busse zwingen zu müssen, würden viele Autofahrten entfallen. Das wäre die gelebte Mobilitätswende, von der Sie immer sprechen. Wenn Sie es ernst meinen mit der Mobilitätswende, dann stimmen Sie diesem Antrag zu, dann sorgen Sie dafür, dass die U 7 zum BER verlängert wird!