Protokoll der Sitzung vom 09.06.2022

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Weiß das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Senatorin Busse! Herr Schneider, vielen Dank, dass Sie den „Bildungsmoloch“ nicht zurückgenommen haben, wir werden darauf in Zukunft noch häufiger eingehen.

Zunächst einmal gilt festzuhalten: Frau Busse, Sie sind eine Expertin vom Fach, mit langjähriger Erfahrung. Als Sie zur Bildungssenatorin ernannt wurden, hegten viele Berliner die Hoffnung auf eine Trendwende in der Bildungspolitik. Man muss leider ernüchternd feststellen,

dass bereits ein halbes Jahr später diese Menschen enttäuscht wurden. Denn die Hoffnungsträgerin ist leider auch nur eine weitere Sachverwalterin des Desasters. In Ihrer Zeit als Schulleiterin und Vorsitzende des IBS hatten Sie eigene Ideen und eine kritische Meinung. Jetzt hätten Sie die Möglichkeit, Dinge beim Namen zu nennen und zu ändern, aber Sie sind gar nicht erst als Tiger gesprungen, Sie sind leider gleich als Bettvorleger gelandet.

[Beifall bei der AfD]

Die fundamentale Aufgabe von Bildungspolitik, sachlich und personell gut ausgestattete Schulen bereitzustellen, wurde über Jahre sträflich vernachlässigt. Das Bildungsressort liegt seit über einem Vierteljahrhundert bei der SPD. Die Missbilligung der Senatorin ist letztlich eine Missbilligung der sozialdemokratischen Bildungspolitik, die uns in diese Katastrophe des Schulkollaps gebracht hat, Herr Schneider.

[Beifall bei der AfD]

In Berlin fehlen akut über 1 000 Lehrer, die Antwort der Senatorin ist, die knappen personellen Ressourcen sollen gerecht verteilt werden. Das löst das grundsätzliche Problem des Lehrermangels nicht, und wie der Lehrermangel jetzt aufgefangen werden soll, konnten Sie bis heute nicht beantworten. An diesem sind auch nicht die Kinder aus der Ukraine schuld, denn die ukrainische Generalkonsulin hatte sich gegen eine Beschulung im deutschen Schulsystem ausgesprochen, dem sind Sie nicht gefolgt. Die anfängliche Schonfrist, die jedem politischen Verantwortungsträger zusteht, ist abgelaufen, es ist Zeit für eine erste Bilanz. Es zeigt sich, dass der Senatorin offensichtlich der Wille und die Fähigkeit fehlt, in der Bildungspolitik die notwendige Umsteuerung vorzunehmen. Selbstkritisch sagte die Senatorin über sich, sie müsse noch viel lernen. Lernen ist bekanntlich ein lebenslanger Prozess, aber die Bürger dieser Stadt erwarten eine Senatorin, die die Grundlagen Ihres Handwerks versteht und auch eigene Positionen durchsetzen kann. Es reicht eben nicht aus, pressewirksam Schulen und Kitas zu besuchen und den Grüßaugust des Senats zu spielen. Ihnen scheint der Wille zur Übernahme von Verantwortung zu fehlen. Das ist in einer solch verantwortungsvollen Position nicht akzeptabel, schon gar nicht bei den heutigen Problemlagen. Die Berliner Bildungspolitik gleicht einem Katastrophenfilm, und die Senatorin meint, darin nur die Rolle einer Statistin einnehmen zu müssen.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Dabei hat uns die Astrid Sabine Busse vor ihrer Zeit als Senatorin durchaus Respekt abverlangt, die die rot-rotgrüne Novelle des Schulgesetzes zu Recht als praxisferne Gesetzesänderung kritisiert hat.

[Steffen Zillich (LINKE): Das mit dem Respekt ist eine Behauptung, die Sie nicht belegen können!]

In einem offenen Brief haben Sie eine Anlaufstelle „Konfrontative Religionsbekundung“ gefordert. In Interviews

(Torsten Schneider)

haben Sie Klartext zur fehlgeschlagenen Einwanderungspolitik gesprochen. Gut so! –, sagen wir.

[Beifall bei der AfD]

Die konstruierten Rassismusvorwürfe, mit denen Sie konfrontiert werden, sind eindeutig nicht Bestandteil unserer Zustimmung zu der beantragten Missbilligung. All diese Missstände, die Sie beim Namen genannt haben, könnten Sie doch heute als Senatorin bekämpfen, stattdessen rudern Sie ständig zurück und weichen dem Druck aus den eigenen Reihen aus. Diese Inkonsequenz und die mangelnde Durchsetzungskraft sind das eigentlich Enttäuschende. Das ist mein zentraler Vorwurf an Sie.

[Beifall bei der AfD]

Ein geflügeltes Wort sagt, neue Besen kehren gut. – Das war die Erwartung der Berliner und auch die Hoffnung unserer Seite, aber im Falle der Senatorin Busse werden die Probleme weiter unter den Teppich gekehrt. Zumindest diese schlechte Tradition sozialdemokratischer Bildungspolitik haben Sie im Schnellverfahren gelernt. Ich möchte daher an Sie den Appell richten: Knüpfen Sie wieder an die guten Ansätze aus Ihrer Zeit in der Schulpraxis an, zeigen Sie Handlungs- und Durchsetzungswillen und lassen Sie sich vor allem nicht von Ihren illoyalen Parteifreunden und der Regierenden Bürgermeisterin, welche sich eigentlich wie ein Schild vor Sie stellen müsste, weiter ungeschützt im Regen stehen, sondern packen Sie die Bildungsprobleme dieser Stadt, die Sie früher so mutig benannt haben, jetzt als Verantwortliche Senatorin endlich an! – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für Bündnis 90/Die Grünen gibt es keine Anmeldung, und für die Fraktion der FDP hat nun der Kollege Fresdorf das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich aus dem Brockhaus. Die Älteren von Ihnen werden das noch kennen, ein bekanntes Nachschlagewerk, das es vor Wikipedia schon gab.

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Da findet man unter „Populismus“:

Populismus, der – Opportunistische Politik, die durch Aufgreifen von Unzufriedenheit und akutem Konflikt die Mehrheit zu gewinnen sucht.

Zitat Ende. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit nichts anderem haben wir es bei diesem Antrag zu tun, der uns hier vorliegt.

[Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von Tobias Schulze (LINKE) und Stefan Evers (CDU)]

Es ist ja eines der Werkzeuge, das unsere geschätzten CDU-Kollegen gern nutzen, wenn es um so harte Themen geht. Da gibt es Rücktritt, Sonderbeauftragten, Missbilligungsantrag.

[Lachen von Sebastian Czaja (FDP) – Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Das ist der Farbenkasten, der dort oft genutzt wird. Jetzt hat es den Missbilligungsantrag getroffen, und ich glaube es nicht nur, ich weiß es: Sie springen damit ein Stück zu weit. Ich glaube, Sie tun da Frau Busse tatsächlich Unrecht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Schieflage im Berliner Bildungssystem hat auf gar keinen Fall Frau Busse zu verantworten.

[Torsten Schneider (SPD): Sondern 40 Jahre SPD! – Heiterkeit bei der SPD]

Am 25. Januar 1996, also vor 26 Jahren – ich werde mich da wiederholen, denn „repetitio mater studiorum est – die Wiederholung ist die Mutter des Lernens“ –, wurde in der Berliner Bildungspolitik eine Zeitenwende eingeläutet.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Von einer gut funktionierenden Bildungspolitik in dieser Stadt, die auch durch einen hervorragenden Senator Rasch gezeichnet wurde, ist das daraus geworden, was es nun ist. Sie haben es geschafft, in 26 Jahren, also seit dem 25. Januar 1996, die Bildungspolitik in dieser Stadt komplett gegen die Wand zu fahren. Sie haben mit Frau Stahmer, Herrn Böger, Herrn Zöllner und Frau Scheeres das Fundament dessen gelegt, was Frau Busse nun geerbt hat.

[Zuruf von der CDU: Wer war schlimmer?]

Sie ist darum nicht zu beneiden. Das muss man ganz ehrlich sagen. Jeder, der diesen Posten nach der Wahl bekommen sollte, war mit dem Erbe geschlagen, das Sie aufgestellt haben. Sie haben es mit einem Sammelsurium an Reförmchen, Reformen, Operationen am offenen Herzen des Systems Schule geschafft, die Schulen komplett gegen die Wand zu fahren. Sie haben 2005 JüL eingeführt, das die Stadt chaotisiert und zu Unsicherheit geführt hat und zur Abkehr von der öffentlichen Schule hin zu vielen Schulen in freier Trägerschaft. Sie haben 2006 an den Gymnasien den MSA eingeführt, den Sie jetzt zum Glück Stück für Stück zurückfahren. Sie haben 2008 mit dem Pilotprojekt Gemeinschaftsschule angefangen, womit Sie wieder einen großen Teil der Stadtgesellschaft von den Schulen gescheucht haben. Ihre Schulstrukturreform – Abschaffung der Haupt- und Realschule, hin zur ISS – war ein weiterer Sargnagel.

[Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Und dann kam noch das große Thema Inklusion.

(Thorsten Weiß)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Bung?

Ich würde gern ausführen, Frau Präsidentin. – Das ist ein wichtiges Thema, das Sie aber auch wieder falsch angefasst haben. Hier haben Sie den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht. Anstatt dass Sie die Rahmenbedingungen in den Schulen für inklusiven Unterricht geschaffen haben, haben Sie ihn einfach nur umgesetzt. Ihnen fehlten das Fachpersonal und die Rahmenbedingungen, und somit ist auch das krachend gescheitert. Dann kam noch die schöne Diskussion G 8/G 9. Damit war das Chaos komplett.

Und nun kommt Frau Busse: Eine Praktikerin, eine Frau, die aus eigenem Erleben weiß, wie Schule funktioniert, und die sich jahrelang auch mit ihrem Senat nicht leicht getan hat. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter in dieser Stadt immer wieder mit der Verwaltung gerungen haben und Frau Busse da ja auch in Verantwortung war. Nun kommt sie und probiert, in diese Rolle hineinzukommen. Ich glaube, die Zeit muss man ihr geben, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU. Sie wird auch noch ein bisschen Zeit brauchen, das ganze System Politik und Verwaltung zu durchdringen. Ich bin mir aber sicher, dass die Fehler, die auf dem Tisch liegen, wie der Lehrermangel und auch das Thema Unterbringung der Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine, nicht allein bei Frau Busse liegen. Ich glaube, da muss man auch ein bisschen in das Haus gucken, liebe Frau Busse, wer Sie da so unterstützt und was man da vielleicht noch austauschen könnte. Das ist nicht allein Ihre Verantwortung.

Ich glaube, dass dieses sehr scharfe Schwert einer Missbilligung einfach viel zu früh von Ihnen gezogen wurde. Wir werden uns bei diesem Antrag enthalten, nicht weil wir ihn gut finden, sondern weil wir der Meinung sind, dass eine Regierungskoalition eine Missbilligung mit ihrer eigenen Mehrheit abschmettern sollte. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Fraktion der CDU hat die sofortige Abstimmung über ihren Antrag beantragt. Wer dem Antrag auf Drucksache 19/0378 zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion und die AfDFraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – und Enthaltung der FDP-Fraktion ist der Antrag damit abgelehnt.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 12