Protokoll der Sitzung vom 09.06.2022

Tagesordnungspunkt 12

Zweites Gesetz zur Änderung des Landesbeamtenversorgungsgesetzes

Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 18. Mai 2022 Drucksache 19/0358

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion der CDU und der Fraktion Die Linke Drucksache 19/0293

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung des Gesetzesantrags. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel 1 und 2 des Gesetzesantrags und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich dazu nicht. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke und hier die Kollegin Klein. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bitte nicht gehen, es bleibt weiter spannend!

[Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Ronald Gläser (AfD)]

Das hier heute in zweiter Lesung vorliegende Gesetz verfolgt zwei Anliegen. Erstens: Mit dieser Gesetzesänderung wird die Hinzuverdienstgrenze für Beamtinnen und Beamte im Ruhestand, die seit mehr als 20 Jahren bei 325 Euro liegt, auf 525 Euro angehoben. Als der Betrag 1999 eingeführt wurde, entsprach er jenem Betrag, bis zu dem geringfügige Beschäftigungsverhältnisse entlohnt werden konnten. Das sind die sogenannten Minijobs. Seitdem wurde dieser Betrag für Bundesbeamtinnen und beamte mehrfach angehoben, in Berlin interessanterweise nicht. Auch die Hinzuverdienstgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt aktuell 6 300 Euro jährlich, also 525 Euro monatlich. Minijobs sind derzeit allerdings noch bei 450 Euro monatlich begrenzt, sollen aber ab dem 1. Oktober im Zuge der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro auf 520 Euro steigen.

Mit diesem Gesetz werden also die Berliner Ruhestandsbeamtinnen und -beamten hinsichtlich ihrer Hinzuverdienstmöglichkeiten den Rentnerinnen und Rentnern in der gesetzlichen Rentenversicherung und den Ru

hestandsbeamtinnen und -beamten des Bundes gleichgestellt.

Dieser Teil des Vier-Parteienantrags, gemeinsam mit der CDU-Fraktion, geht auf eine Anregung der CDU zurück, die einen Antrag zur Änderung der Hinzuverdienstgrenzen im Ruhestand eingebracht hatte. Der Antrag war in der Sache in Ordnung, griff aber zu kurz, da er ausschließlich auf einen Personenkreis fokussiert war, nämlich auf die Ruhestandsbeamtinnen und -beamte, die wegen Dienstunfähigkeit oder wegen Schwerbehinderung in den Ruhestand versetzt wurden.

Wenn ich die CDU aber richtig verstanden habe, war das von Ihnen gar nicht so tendiert. Die Hinzuverdienstgrenze findet schließlich auch in anderen Versorgungsregelungen Anwendung. Der jetzt vorliegende Antrag sorgt für eine solche Versorgungsgerechtigkeit für alle betroffenen Personengruppen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Kai Wegner (CDU), Holger Krestel (FDP) und Roman-Francesco Rogat (FDP)]

Sprich: Alle Berliner Ruhestandsbeamtinnen und -beamte können dann 525 Euro monatlich nebenbei hinzuverdienen, ohne dass ihnen etwas von der Pension abgezogen wird. Sie können natürlich auch mehr verdienen, dann wird ihnen aber auch etwas abgezogen.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir als Linke Kritik an dem System Minijobs haben. Minijobberinnen und -jobber werden zu einem gewissen Teil auch ausgenutzt. Der gewünschte Sprung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist leider meistens nicht der Fall, außerdem fehlen ihnen wertvolle Rentenpunkte, sodass Altersarmut droht. Das betrifft vor allem Frauen. Wir wollen hiermit die Erfahrung der pensionierten Beamtinnen und Beamten gewinnen, manche wollen noch weiter arbeiten oder temporär aushelfen. Ich stelle hiermit noch einmal klar: Die Linksfraktion hat nicht das Ziel, mit dieser Regelung die Pension aufzubessern, weil es zum Leben nicht reicht. Wir treten weiterhin dafür ein, dass Rentnerinnen und Rentner bzw. Pensionärinnen und Pensionäre gut von ihren Renten bzw. Versorgungsleistungen leben können.

Die geplante Gesetzesänderung hat auch noch einen zweiten Teil: Aufgrund der Dynamik der Ukraine-Krise schlagen wir vor, dem hohen Bedarf an Personal für die schnelle Registrierung, Unterbringung und Unterstützung der Geflüchteten auch mit einer Teillösung durch dieses Gesetz zu entsprechen. Das bedeutet, dass Einkommen, das für eine solche Tätigkeit bezogen wird, dann nicht auf die Versorgungsbezüge angerechnet wird. Eine wortgleiche Regelung gab es bereits 2016 infolge des gestiegenen Zugangs von Geflüchteten aufgrund des Krieges in Syrien; die Regelung war allerdings am 1. Januar 2019 außer Kraft getreten. Auf die Erfahrung pensionierter Beamtin

nen zurückgreifen zu können, ist natürlich sehr hilfreich, und ich danke allen, die dabei unterstützen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Goiny jetzt das Wort.

[Oliver Friederici (CDU): Ein Glück!]

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich eingangs zunächst bei den Koalitionsfraktionen für die kollegiale Zusammenarbeit bedanken, die am Ende zu diesem gemeinsamen Antrag geführt hat. Die Kollegin Klein hat ja schon richtigerweise darauf hingewiesen, was die fachlichen Hintergründe und die Notwendigkeiten für diese gemeinsame Initiative gewesen sind; dem kann ich mich insoweit anschließen. Es ist, glaube ich, in mehreren Aspekten wichtig. Unter anderem hat es natürlich auch etwas mit Wertschätzung zu tun: Wertschätzung für das, was die Beschäftigten im öffentlichen Dienst leisten.

Es hat etwas damit zu tun, dass wir hier einen Erfahrungsschatz haben, gerade auch bei den älteren Beschäftigten im öffentlichen Dienst, den zu nutzen Sinn macht, da, wo es gewünscht wird. Auch das ist etwas, was wir gut finden: dass wir hier diese Möglichkeit eröffnen. Es ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass wir es mit mehr Flexibilität im öffentlichen Dienst schaffen können, nicht nur den Beruf attraktiver, sondern auch den öffentlichen Dienst insgesamt leistungsfähiger zu machen. Ich hoffe, dass das vielleicht nur ein erster Schritt ist zu mehr Flexibilität, die wir hier brauchen.

Wir haben jetzt auch im Rahmen der Haushaltsberatungen verschiedene Aspekte diskutiert, die da mit reinspielen. Ich will das nur mal stichpunktartig sagen, ohne dass man hier jetzt gleich ins Detail gehen muss. Wir diskutieren natürlich nicht nur die bedarfsweise und von der jeweiligen Motivation geleitete mögliche freiwillige Verlängerung von Beschäftigungszeiten. Wir diskutieren die Möglichkeit von Hinzuverdienstgrenzen; es geht aber für die aktiven Beschäftigten im öffentlichen Dienst natürlich auch um die Frage der Eingruppierung, es geht um die Frage von Stellenbewertungen, die nach unserem Dafürhalten flexibler gehalten werden müssen. Es geht um die Frage der Durchlässigkeit von Laufbahnen, es geht um die Frage von Höhergruppierungen, es geht um die Dauer von Stellenbesetzungsverfahren, und es geht am Ende auch darum, dass wir mit all diesen Maßnahmen den öffentlichen Dienst attraktiver machen.

(Hendrikje Klein)

Wir haben in den Haushaltsberatungen wiederholt an verschiedenen Stellen darüber diskutiert, wie es gelingen kann, Fachkräfte zu gewinnen, Stellen zu besetzen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren, sich auch entsprechend selber fortzubilden und entsprechende weitere Angebote zu nutzen. In diesem Sinne ist das, was wir jetzt hier für diejenigen geschaffen haben, die schon im Ruhestand sind, ein sehr gutes Beispiel, wie man das machen kann. Ich finde es auch gut, dass das hier eine Aufgabe ist, der wir uns als Parlament insgesamt stellen, die sich nicht nur in dem parteipolitischen Streit zwischen Regierung und Opposition befindet, sondern tatsächlich auch geschaut wird, wie wir es gemeinsam machen können.

Wenn wir diese Gerechtigkeitsfrage für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und die Ruhestandsbeschäftigten jetzt auch noch bei der Hundesteuer berücksichtigt hätten – dabei sind die Pensionäre ja ausdrücklich nicht von der Koalition bedacht worden –, dann wäre das Bild an der Stelle noch formvollendeter, aber ich glaube, das war ein guter Beitrag und ein guter Ansatz, und in diesem Sinne empfehle ich allseits die Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN und der FDP]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Becker das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir ändern heute das Landesbeamtenversorgungsgesetz in zwei wichtigen Punkten. Erstens erhöhen wir die Hinzuverdienstgrenze für Versorgungsberechtigte im Land Berlin von 325 auf 525 Euro monatlich, also bis zur Minijobobergrenze. Das ist gut und richtig, weil die Berliner Verwaltung auf erfahrene Personen nicht verzichten kann. Letztlich geht es aber um mehr als um einen rein pekuniären Hinzuverdienst für Ruheständlerinnen und Ruheständler. Der bislang geltende Freibetrag wurde seit Juli 2011 nicht mehr angepasst, seit das Beamtenversorgungsrecht in das Berliner Landesrecht übergeleitet wurde.

Bei der Grenzhöhe des neuen Betrags orientieren wir uns an der rentenrechtlichen Grenze des Sechsten Sozialgesetzbuchs, die der Festlegung des Beamtenversorgungsgesetzes des Bundes entspricht. Bis zu dem genannten Hinzuverdienst von monatlich 525 Euro müssen Versorgungsberechtigte also keine Herabsetzung ihrer Versorgungsbezüge befürchten. Nebenbei bemerkt hat das Land Brandenburg hingegen diese Grenze nur auf monatlich 470 Euro festgelegt. Die Erhöhung der Hinzuverdienst

grenze ist ein Vorgriff auf das Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung, das wir ab Herbst im Parlament beraten werden. Der Entwurf befindet sich aktuell in der Verwaltungs- und Verbändebeteiligung. Wir haben als Koalition keine Bedenken, diesen notwendigen Schritt bereits heute zu gehen, im Gegenteil.

Zweitens ändern wir das Gesetz, indem wir eine befristete Ausnahme bis 2023 festlegen und bis dahin zusätzliches Verwendungseinkommen quasi wie einen steuerlichen Freibetrag behandeln, der also nicht weiter angerechnet wird. Damit honorieren wir berufliches Engagement von Pensionärinnen, die sich zweitweise für eine Tätigkeit im Bereich des Geflüchtetenmanagements entscheiden. Diese Ausnahme erfolgt aus gutem Grund: Die Folgen des Krieges in der Ukraine spüren wir in Berlin sehr deutlich, und die täglich in Berlin ankommenden Neuberlinerinnen und -berliner sind dringend auf Hilfe angewiesen, stellen aber – das ist bei der Menge ja ganz klar – staatliche und gesellschaftliche Ebenen vor besondere Herausforderungen. Rasches Handeln ist geboten und qualifiziertes Personal gefragt, das kurzfristig weder abgeordnet noch extern eingestellt werden kann.

2015 haben wir das genauso gehandhabt, um Menschen zu bewegen, sich zu engagieren. Wir setzen auch dieses Mal auf unser versorgungsberechtigtes Landespersonal und unsere Pensionärinnen und Pensionäre. Sie sind verwaltungserfahren, kurzfristig einsetzbar und müssen nicht groß eingearbeitet werden. Ich halte es allein aus humanitärer Verpflichtung für gerechtfertigt, befristet zusätzliches Verwendungseinkommen nicht anzurechnen. Wir brauchen diese Fachkräfte. Sie sind motiviert und geeignet, die Berliner Dienststellen zu unterstützen, damit Geflüchtete und Asylbegehrende sicher versorgt und untergebracht werden. Es geht also auch um Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes, wie Kollege Goiny das eben bereits erwähnt hat. Die Ausnahmeregelung gilt vorübergehend und ist auf einen nicht vorhersehbaren Sachverhalt beschränkt, der unmittelbar eingetreten ist und der in der Folge einen dringenden Bedarf an mehr Personal mit sich bringt.

Der vorliegende Vier-Parteien-Antrag fußt auf einer Initiative der CDU, die wir in puncto Hinzuverdienstgrenze übernommen und um die ausgeführte Komponente erweitert haben. Im Hauptausschuss haben wir den Antrag bereits am 18. Mai 2022 einstimmig beschlossen, und ich bitte Sie: Stimmen Sie auch heute zu. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Heiko Melzer (CDU)]

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Brousek jetzt das Wort.

(Christian Goiny)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Werte Damen und Herren! Frau Klein hat ja am Anfang darum gebeten, dass keiner gehen solle, weil es noch spannend würde. Ich habe übrigens nicht den Eindruck. Frau Becker hat deutlich gezeigt, dass das eine rein technische Sache ist,

[Zuruf von Tom Schreiber (SPD)]

die eigentlich keine wirkliche politische Implikation hat, und diese politische Implikation will ich deswegen eigentlich nachholen.

Zunächst einmal ist offenbar keinem aufgefallen, dass der Antrag falsch begründet ist, weil dort nämlich steht, dass wegen Erreichens der Regelaltersgrenze dieser Hinzuverdienst angehoben wird. Im Gesetz steht aber „vor“. Es betrifft nämlich ausschließlich Leute, die vor 65 oder künftig 67 in Rente gehen

[Zuruf von Tom Schreiber (SPD)]

und für diese Übergangszeit eine zusätzliche Anrechnungsfreistellung bekommen. Das Gesetz nach § 14a ist also falsch begründet, und Sie haben es nicht verstanden. Ich habe übrigens, als es das erste Mal anstand, darauf hingewiesen. Darauf wurde mir von führenden SPDLeuten gesagt: Ist mir egal. Kommt sowieso durch. Ich lese doch nicht die Anträge!

[Lachen von Ronald Gläser (AfD)]

Ist doch interessant.

[Tom Schreiber (SPD): Das hat keiner verstanden!]

Das ist leider so technisch, aber ich habe verstanden, dass drei Leute vor mir nicht verstanden haben, worum es ging.

[Lachen und Beifall bei der AfD – Anne Helm (LINKE): Ja, ja! – Zuruf von Tom Schreiber (SPD)]

Zweitens: Es wurde hier von Respekt und Stärkung des öffentlichen Dienstes besprochen. Das hätte mal früher kommen sollen und nicht jetzt! Wenn der Bundesbetrag seit 1999 nicht angehoben wurde und wir jetzt von 325 auf 525 hochgehen, ist das reichlich spät. Und wenn Sie sich fragen, warum der Berliner öffentliche Dienst nicht effektiv ist, will ich es Ihnen verraten, weil ich 30 Jahre dort gearbeitet habe. Es gilt nämlich der Grundsatz: Pay peanuts, get monkeys! – Und wenn sich die Leute schlecht bezahlt vorkommen, dann arbeiten sie auch schlecht, und das machen sie ganz bewusst.

[Sibylle Meister (FDP): Ist aber schade! – Anne Helm (LINKE): Ach, das haben Sie in der öffentlichen Verwaltung gemacht, absichtlich schlecht gearbeitet? Das ist interessant!]