Protokoll der Sitzung vom 09.06.2022

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Herr Laatsch! Ich glaube, Ihr Auftritt spricht für sich. Insofern werde ich das nicht mehr kommentieren.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Antonin Brousek (AfD): Darauf stolz zu sein! Zuruf von der AfD: Ich bin doof und stolz darauf! – Zuruf von links: Bravo!]

Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Stettner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich tue mich ein klein wenig schwer, nach dem Duktus, den wir hier gerade gehört haben, zum Thema zu reden. Eigentlich ist die Eigentumsbildung in Berlin ein wirklich wichtiges Thema. Es wurde miserabel vorgetragen, aber das Thema ist wichtig. Ich versuche deshalb, mich fachlich auf das Thema zu konzentrieren und darzustellen, warum es ein wichtiges Thema für Berlin ist.

Wir haben in Berlin eine Eigentumsquote von rund 17 Prozent. Wir haben in Deutschland ungefähr eine Eigentumsquote von 42 Prozent. Nageln Sie mich bitte nicht auf die Stellen hinter dem Komma fest! Damit ist Deutschland im europäischen Vergleich an vorletzter Stelle. Ich glaube, die Schweiz hat noch weniger. So ungefähr stehen wir da. Wenn wir uns die Bundesländer angucken, dann haben wir in Bayern, Baden

Württemberg, Niedersachsen und Thüringen überall eine dreimal so hohe Eigentumsquote wie in Berlin. Wenn jetzt der Hinweis kommt: Das sind ja auch keine Städte –, dann gucken wir uns Bremen an: Es hat eine doppelt so hohe Eigentumsquote wie Berlin.

Wir stellen erst einmal fest: Es geht tatsächlich anders. Was wäre passiert, wenn wir eine doppelt so hohe Eigentumsquote gehabt hätten oder wenn wir eine Eigentumsquote wie im Bundesdurchschnitt gehabt hätten? Stellen wir uns das einmal vor. – Dann hätten diese Menschen tatsächlich keine Sorge vor Altersarmut, vor steigenden Mieten und vor irgendwelchen Kündigungen. Das ist einfach Fakt.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Generell ist die Schaffung von selbst genutztem Eigentum eine sozial gute Leistung für die Berlinerinnen und Berliner. Das steht aus Sicht der CDU-Fraktion vollkommen außer Frage. Wie kann man das tun? Hier ist auch die Diskussion angesprochen worden, die wir im Ausschuss geführt haben, die Senator Geisel zu der Refinanzierung des bezahlbaren Wohnraums geführt hat. Man könnte sich konkret darüber Gedanken machen, wie wir zu mehr Eigentum kommen. Die Vorstellung der CDUFraktion ist sehr einfach, 30 Prozent, wie es auch im Ausschuss diskutiert worden ist. Es war Jörg Franzen, der ist eben angesprochen worden, der als Sprecher aller landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, ganz klar gesagt hat: Wenn wir nicht einen Teil verkaufen und wenn wir nicht viel, viel mehr Geld bekommen aus dem Landeshaushalt, können wir eure Ziele nicht bauen, Punkt. Aus. Ende. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

Wenn wir also ein Ziel haben, bezahlbaren Wohnraum möglichst noch nach ökologisch-baulichen Anforderungen zu realisieren, dann müssen wir das refinanzieren. Nichts anderes hat der Senator auch gesagt. Deswegen ist es folgerichtig, einen Anteil an selbst genutztem Wohnraum zu Marktpreisen zu verkaufen. Das können wir uns mit 30 Prozent gut vorstellen. Das kann man – die Frage ist eben gekommen, wie das jemand bezahlen soll – bewerkstelligen. Es ist gar nicht so schwierig. Eigenkapitalersetzende Darlehen der IBB gibt es bereits. Die kann man dafür einsetzen, und schon kann es in der Breite der Bevölkerung genutzt werden. Dann nehmen wir noch das Baukindergeld des Bundes und ergänzen es ein klein wenig, wie es Bayern tut, Baukindergeld plus. Dann können auch Familien mit Kindern in Berlin im Eigentum leben, und wenn wir dann noch sagen, dass die Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Kauf im selbst genutzten Wohneigentum gestrichen wird, und wir dieses über 20 Jahre binden – das kann man im Grundbuch absichern –, dann erreichen wir eine sehr sozialverträgliche Schaffung von Wohnungseigentum und selbstgenutztem Wohnraum und refinanzieren sogar das, was die Frau Kollegin gerade eben gesagt hat, dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird.

[Beifall bei der CDU – Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist AfD-Politik!]

Das ist sinnvoll. Nicht sinnvoll, sehr geehrte AfDFraktion, ist, dieses wichtige Thema zu nehmen, zwei dürre Absätze aufzuschreiben und zu sagen: Hallo, Senat, mach mal irgendwie! –, und unten drunter in der Begründung irgendwelche geschwurbelten Verschwörungstheorien der EZB unterzubringen und Ihrer Gesamtdenke nahezubringen. Das ist nicht sinnvoll und wird dem Thema beim besten Willen nicht gerecht. Weil sich die CDU-Fraktion aus Prinzip nicht mit Geschwurbel abgibt, werden wir dem auch nicht zustimmen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Torsten Schneider (SPD): Das haben wir heute schon anders gesehen!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgt dann die Kollegin Schmidberger.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Opposition wirft einmal wieder mit Vorwürfen um sich und suggeriert, wir würden aus ideologischen Gründen Eigentumswohnungen ablehnen, die Leute arm machen, arm halten. Aber nehmen Sie bitte einmal zur Kenntnis, dass nicht wir als Koalition die Leute arm machen, sondern die diversen Geschäftsmodelle, Fonds, Briefkastenfirmen und andere, die fett Rendite machen. Die machen die Menschen arm in der Stadt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Kristian Ronneburg (LINKE)]

Ihr Vorschlag ist weder zeitgemäß noch innovativ und wird auch in die wohnungspolitische Sackgasse führen. Er kann auch nicht funktionieren. Die Antragsteller wollen, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen ihren Wohnungsbestand zugunsten der Mieterinnen privatisieren und die erzielten Gewinne in den Neubau fließen lassen. In dem Antrag wird behauptet, die Mieterinnen sollten sich damit ihre Altersvorsorge sichern. So weit das Konzept.

Wenn wir uns aber mit der Lebensrealität der Leute da draußen beschäftigen, ist doch die entscheidende Frage, zu welchem Preis die Wohnungen verkauft werden sollen. Der Preis müsste schon entsprechend hoch sein, sonst geht nämlich Ihr Konzept nicht auf, ausreichend Mittel auch für den Neubau zu bekommen. Wie viele Menschen würden ein solches Angebot annehmen können? Schauen wir einmal auf die Einkommensschwachen. Wie soll denn eine WBS-Empfängerin oder ein WBS-Empfänger – es sind übrigens 50 Prozent der Berlinerinnen und Berliner, die dazu berechtigt sind, weil sie so wenig verdienen – vom vermeintlichen Eigentumsglück durch die AfD profitieren ohne Eigenkapital? Kaum jemand hat mal eben 100 000 Euro auf dem Konto oder wird reich erben. Die Zinsentwicklung ist eindeutig: Die Zinsen steigen.

Schauen wir doch einmal nach Hamburg, das so viel gepriesene Land in Wohnungsfragen. Die Hamburger nehmen im Schnitt ein Darlehen von 500 000 Euro auf, wenn sie sich eine Eigentumswohnung kaufen. Da haben sich die Zinssätze allein in den letzten zwei Monaten auf 1,7 Prozent erhöht. Das macht immerhin eine monatliche Mehrbelastung von 200 Euro pro Monat aus allein für diese gestiegenen Zinsen. Für eine Familie ist das eine ganze Menge, und für viele ist es überhaupt nicht

(Dirk Stettner)

stemmbar angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten. Rentnerinnen und Rentner sind übrigens von Ihrem Konzept ohnehin ausgeschlossen, weil die keine Kredite mehr bekommen.

Überhaupt, die Kaufpreise in Berlin, das stand heute auch noch einmal in der Presse – die sollten Sie lesen –, haben sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Übrigens gibt es das gleiche Bild in allen anderen Großstädten. Wir sind hier in Berlin bei mindestens 3 330 Euro pro Quadratmeter angekommen. Deutschland ist das zweitteuerste Land bei Eigentumserwerb. Nur noch Großbritannien hat höhere Preise.

Übrigens hätte die CDU von 2011 bis 2016 auch durchaus die Möglichkeit gehabt, dieses innovative Konzept einmal durchzusetzen. Die Bundesbank warnt schon länger vor Überbewertung bei Wohnimmobilien. Die BaFin, der oberste Finanzwächter in Deutschland, mahnt bereits die Banken an, nicht mehr riskante Darlehen zu vergeben. Wir brauchen also nicht mehr, sondern weniger Immobilienspekulation in Berlin.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Dass die Wohnungsprivatisierung, wie die Antragsteller behaupten, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten: „in gelasseneren Regionen zum Beispiel im Süden Europas“ funktioniert, ist eigentlich seit der Finanzkrise 2008, aber spätestens seit Corona widerlegt. Mal abgesehen davon, dass ich die Bezeichnung „entspanntere Länder“ sehr herablassend und unpassend finde in Ihrem Antrag – denn vielen Menschen geht es da nicht gut –, haben in Spanien und Griechenland einige Millionen Menschen ihr Eigenheim verloren, weil sie die Kredite nicht mehr bedienen konnten, weil das Finanz- und Wirtschaftssystem zum Einsturz kam. Dann wird Eigentum nämlich auch zur Armutsfalle. Das wollen wir hier für Berlin nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Auch beim Thema Neubau zeigt sich die Realitätsferne der Antragsteller. Es wird der Fakt verkannt, dass es praktische Grenzen beim Neubau gibt. Es gibt immer weniger bzw. fast nur noch überteuerte Baustoffe. Es gibt zu wenig Personal, und die Lieferketten sind gestört. Wer soll denn mit welchem Material all die Hunderttausend Neubauwohnungen bauen, wenn wir die über 300 000 landeseigenen Wohnungen verkauft haben? Woher nehmen wir eigentlich all die Grundstücke?

Der Krieg und die Neubaukrise verdeutlichen noch einmal, wie wertvoll der preisgünstige Bestand von über 300 000 Wohnungen ist. Diese Wohnungen gehören allen Berlinerinnen und Berlinern und sind ein wichtiger mietpreisdämpfender Faktor für die ganze Stadt. Wir brauchen mehr kommunale und genossenschaftliche Wohnungen nach Wiener Vorbild, denn wir wollen eine soziale Stadt, in der Arm und Reich auch noch im gleichen

Haus leben können. Das gilt übrigens auch für den gesamten privaten Bestand. Der darf sich nicht weiter verteuern. Wir müssen den Abriss von Wohnraum endlich generell verbieten.

Klar ist, ohne Regulierung der Mieten und einen Renditedeckel wird es nicht gehen. Ja, die Berliner Verfassung beinhaltet den Punkt, dass auch die Bildung von Wohneigentum gefördert wird. Davor steht aber in der Verfassung das Recht der Menschen dieser Stadt auf angemessenen Wohnraum. Das wird hier von manchen immer gern vergessen.

Noch etwas: Die Förderung von Wohneigentum bedeutet weder den Ausverkauf der Stadtgüter noch die Privatisierung von landeseigenen Wohnungen. Überhaupt, es sind schon andere Städte mit diesem Konzept gescheitert, nämlich Großbritannien beziehungsweise London. Da hat Margaret Thatcher bis 1990 1,5 Millionen Sozialwohnungen privatisiert und sehr viele Wohnungen dabei auch an die Mieter verkauft. Die meisten dieser Wohnungen sind aber heute zum reinen Anlageobjekt verkommen. Es ist daher ein Irrweg, Ihren Weg zu gehen.

Entweder wissen Sie es nicht besser oder wollen eigentlich die Armen dieser Stadt noch ärmer, Berlin noch mehr zum Monopolyspielfeld machen und das Tafelsilber weiter verscherbeln, nach dem Motto: Dann sollen die Leute doch eine Wohnung kaufen, wenn sie sich die Miete nicht mehr leisten können! – Das ist nicht nur wenig innovativ, sondern vor allem gefährlich für die Berlinerinnen und Berliner, denn das wäre wohnungspolitischer Darwinismus. So etwas haben wir zumindest in Berlin schon hinter uns gelassen. Das werden wir als Koalition auch in der Zukunft verhindern. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die FDP-Fraktion folgt dann die Kollegin Meister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da hat die AfD ein paar Sätze aus der letzten Legislaturperiode zusammengeschrieben. Beim zweiten Absatz ist Ihnen übrigens der Hauptsatz verloren gegangen, so schnell haben Sie ganz offensichtlich abgeschrieben.

[Zurufe von der AfD]

Unabhängig davon ist es ein wichtiges und spannendes Thema, das muss man durchaus mal sagen.

Und natürlich hat Herr Franzen nicht ganz unrecht, wenn er sagt, wir wollen in Tegel mit Holz entwickeln, weil wir ökologisch nachhaltig bauen wollen.

[Harald Laatsch (AfD): Von wem hat er das?]

(Katrin Schmidberger)

Holz ist im Moment sehr teuer geworden. Irgendwo muss das Geld herkommen. Natürlich kann man in solchen Objekten über eine – in Anführungszeichen – Mischkalkulation nachdenken, wenn man auch Wohnungen im bezahlbaren Bereich aus Holz und somit ökologisch entstanden zur Verfügung stellen möchte.

Wir haben, und das haben wir Ihnen schon mehrfach vorgestellt, auch noch mal darüber nachgedacht, ob es nicht auch eine Lösung gibt, Eigentum herzustellen, das nicht unbezahlbar ist, und haben Ihnen dafür ein Mietkaufmodell vorgelegt, wo man natürlich deutlich günstiger bauen müsste. Das ist selbstverständlich, sonst kann es am Ende des Tages nicht funktionieren.

[Beifall bei der FDP]

Eine reine Privatisierung der klassischen Bestände der Wohnungsbauunternehmen ist natürlich nicht so einfach, wie es vielfach klingt. Da machen wir uns mal alle nichts vor, denn in dem Moment, wo Sie anfangen würden, Großsiedlungen zu privatisieren, haben Sie immer das Problem, dass Sie angefressene WEGs haben. Dann haben Sie da drei Eigentümer, gegenüber steht eine große Wohnungsbaugesellschaft – will auch keiner haben. Nichtsdestotrotz ist die Idee, wo die Objekte kleiner sind und das auch Sinn machen würde, nicht ganz von der Hand zu weisen. Übrigens war es nicht ganz falsch, auch beim GSW-Verkauf diese Privatisierung damals mit anzubieten, die ja grundsätzlich nicht ganz falsch war. Man vergisst immer, dass die GSW damals mit großen Schulden belastet war.

[Beifall bei der FDP]

Dort, wo sich das rechnet und möglich ist, weil es vom Bestand her Sinn macht, ist es für die Mieter wirklich eine faire Alternative, weil sie ihre Wohnung, ihren Kiez und ihre Nachbarn kennen und damit geschützt sind. Deswegen brauchen sie ein deutlich erhöhtes Eigenkapitalersatzdarlehen, um die Möglichkeit des Erwerbs sicherzustellen. Genauso haben wir es gestern im Hauptausschuss auch beantragt. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Zum Abschluss für die Linksfraktion der Kollege Schenker!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD kramt mal wieder einen ganz alten Hut hervor. Das ist wirklich alles andere als innovativ.

[Jeannette Auricht (AfD): Es muss ja nicht alles innovativ sein!]