Protokoll der Sitzung vom 23.06.2022

[Anne Helm (LINKE): Sehr gut!]

und 160 Millionen Euro für die Unterbringung und Verpflegung von Asylbewerbern – viele davon sind nach wie vor illegal im Land. Kein Wunder, dass für die Berliner dann wenig Geld übrig ist. Dabei sind gerade die Menschen in Berlin von den explodierenden Preisen betroffen.

Besonders traurig macht uns die wachsende Zahl von Bedürftigen bei den Berliner Tafeln, Menschen, die von ihrem Einkommen oder ihrer Rente nicht mehr leben können und auf Lebensmittelspenden angewiesen sind. Laut der Chefin der Berliner Tafeln sind die Schlangen in diesem Jahr doppelt so lang. Seit Jahren weisen ehrenamtliche Helfer auf die Notlage hin und bitten um finanzielle Unterstützung. Aber der Senat bleibt hart. Das muss sich ändern. Wir wollen die Tafeln bei ihrer wichtigen Aufgabe mit 100 000 Euro unterstützen. Warum macht der Senat nichts?

Auch für das Wohnungsproblem hat die Regierung keine Lösung. Über eine halbe Million Euro im Jahr gibt der Berliner Senat für eine Anstalt aus, die sich „Wohnraumversorgung Berlin“ nennt. Aufgabe der Anstalt soll die Entwicklung der unternehmenspolitischen Leitlinien der landeseigenen Wohnungsunternehmen sein. Tatsächlich dient diese Anstalt aber weniger der Versorgung von Berlinern mit Wohnraum, nämlich gar nicht, sondern sie dient eher der Versorgung mit Vorstandsposten und entsprechenden Gehältern. Berlin braucht keine Versorgungsanstalten. Diese Ausgabe muss gestrichen werden.

[Beifall bei der AfD]

Eine kurze Bitte: Hinter den Stuhlreihen haben sich ein paar Gesprächsgrüppchen gebildet.

(Dr. Kristin Brinker)

[Paul Fresdorf (FDP): Therapiegruppen!]

Es wäre schön, wenn Sie die Gespräche draußen fortsetzen könnten.

Statt Wohnraum zu schaffen, gibt der Senat viel Geld für Kommissionen aus, die über die Wohnungsnot reden. Vor fast einem Jahr hat eine Mehrheit der Berliner für den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ gestimmt. Weil sich die Koalition nicht auf einen Umgang mit dem Ergebnis einigen konnte, hat man auch hier wieder eine Kommission eingesetzt. Diese sogenannte Expertenkommission wird in Berlin keinen Wohnraum schaffen. Sie kostet aber 300 000 Euro im Jahr. Berlin braucht so etwas nicht. Auch das können wir streichen.

[Tobias Schulze (LINKE): Das ist eine halbe Eigentumswohnung!]

Wir von der AfD wollen nicht über Wohnraumversorgung reden, sondern wir wollen Wohnraum schaffen. Deshalb nehmen wir Geld in die Hand, um Berliner beim Erwerb von Wohneigentum zu unterstützen. Wir haben dafür 40 Millionen Euro in unseren Haushalt eingestellt. Mit einem zinslosen Darlehen sollen junge Familien in die Lage versetzt werden, sich ihren Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Wir brauchen bezahlbare Wohnungen für Familien im Innenstadtbereich.

[Beifall bei der AfD]

Deshalb sollten auch nur noch diejenigen in öffentlich gefördertem Wohnraum wohnen, die auch tatsächlich hilfsbedürftig sind. Dabei will der Berliner Senat sogar illegalen Einwanderern einen WBS verschaffen. Warum, Herrgott noch mal, wenn Illegalität hier nicht gesetzeskonform ist?

Neben den steigenden Mieten werden die explodierenden Energiepreise für viele Menschen zum großen Problem. Viele fürchten sich schon jetzt vor der Stromkostenabrechnung, vor der Gasabrechnung und vor der Heizkostenabrechnung. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen: Schuld an den hohen Energiepreisen ist nicht Putin. Schuld ist die völlig weltfremde Energiewende. Dieser Senat macht da fröhlich mit. Damit die Bürger auch mitmachen, gibt der Senat viel Geld für klimapolitische Agitation und Propaganda aus,

[Beifall bei der AfD – Anne Helm (LINKE): Und Putin ist ein Schoßhündchen!?]

nämlich über 1 Million Euro für Veranstaltungen wie Klimazirkus, ein Festival für Klimakultur oder einen „Walk for the Future“. Doch wer rechnen kann, wird sich vom rot-grün-roten Klimazirkus nicht beeindrucken lassen. Berlin produziert über die Hälfte seines Stroms mit Gaskraftwerken. Für die Energieversorgung unserer Stadt spielen erneuerbare Energien nach wie vor eine marginale Rolle. Nicht einmal 3 Prozent des Energieverbrauchs

unserer Stadt wird mit erneuerbaren Energien gedeckt. Trotzdem hat sich der Senat vorgenommen, bis 2030 die letzten verbliebenen Kohlekraftwerke abzuschalten. In Ihrem Masterplan Solarcity haben Sie sogar das Ziel ausgegeben, bis 2035 ein Viertel der Stromerzeugung in Berlin mit Solarkraft zu erreichen. Das ist utopisch und extrem teuer, vor allem für die Verbraucher.

Angesichts der explodierenden Stromkosten müssen wir realistisch sein. Wir sollten uns genau ansehen, was unsere Nachbarn besser machen. In Frankreich etwa kostet Strom nur die Hälfte, weil Frankreich weiter auf Kernenergie setzt. Selbst Finanzminister Lindner ist jetzt umgeschwenkt und hat den Weiterbetrieb der deutschen Kernkraftwerke gefordert. Wir wollen deshalb an den Berliner Universitäten ein Zentrum für angewandte Energieforschung einrichten. Unser Ziel muss es sein, den Berliner Bürgern und Unternehmen preisgünstig Energie zur Verfügung zu stellen. Davon hätten alle hier in Berlin etwas.

[Beifall bei der AfD]

Das geplante Zentrum für angewandte Energieforschung soll und muss aus unserer Sicht Teil einer großen Forschungsoffensive für den Wissenschaftsstandort Berlin sein. 1 Milliarde Euro wollen wir in den nächsten fünf Jahren für Forschung und Entwicklung an den drei Universitäten ausgeben. Berlin soll und muss Europas Innovationshauptstadt werden. Das ist unsere Vision für die Zukunft unserer Stadt.

Berlin ist nicht arm. Es ist genug Geld da, um die dringendsten Probleme der Stadt zu lösen. Unser Problem sind nicht fehlende Ressourcen. Unser Problem sind Regierungen, die falsche Prioritäten setzen. Wir brauchen weniger Geld für einen rot-grün-roten Klimazirkus, dafür aber mehr Geld für Wissenschaft und Forschung. Wir brauchen weniger Geld für rot-grün-rote Expertenkommissionen und dafür mehr Geld für den Wohnungsbau. Und wir brauchen weniger Geld für eine rot-grün-rote Einwanderungspolitik und dafür mehr Geld für die Berliner. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Es folgt die Kollegin Helm für die Linksfraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, wieder aufzuwachen! Sie brauchen heute noch einiges an Sitzfleisch. Die Beratungen dieses Doppelhaushalts fanden in bewegten Zeiten statt, und der Zeit wegen schließe ich mich allen Danksagungen an, die hier schon an alle daran Beteiligten ausgesprochen worden sind.

(Präsident Dennis Buchner)

Drei große Krisen und deren Folgen prägen aktuell unseren Alltag, unser politisches Handeln und auch diesen Haushalt: Corona, Krieg und Klima. Wir treffen Vorsorge, um die Berlinerinnen und Berliner dabei zu unterstützen, die Folgen dieser Krisen zu bewältigen, insbesondere diejenigen, die es aus eigener Kraft kaum könnten. Zugleich gilt es, weiter an den Dingen zu arbeiten, die sich die Koalition schon 2016 vorgenommen hat: die wachsende Stadt sozial und ökologisch gestalten, Armut bekämpfen, Demokratie und Vielfalt stärken und fördern. Trotz einer historisch schwierigen Situation halten wir auch an unseren Zielen fest, allen in Berlin Lebenden Teilhabe und gleiche Lebensbedingungen zu bieten.

Dafür braucht es vor allem gute und leistungsfähige öffentliche Infrastrukturen, sowohl in der Verwaltung als auch in der Daseinsvorsorge. Die Coronapandemie hat dabei Defizite und Schwachstellen offengelegt. Sie hat aber auch gezeigt, je besser die öffentlichen Strukturen aufgestellt sind, desto resilienter ist unsere Gesellschaft und desto besser lassen sich Krisen bewältigen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Das heißt, dass sich die Berliner Wirtschaft schneller erholt hat und unsere Steuereinnahmen stärker angestiegen sind als erwartet, liegt nicht zuletzt daran, dass diese Koalition von Anfang an schnell und unbürokratisch geholfen und Existenzen gesichert hat – nicht nur im ersten Lockdown, sondern auch in den zwei Jahren danach. Dass Berlin besser durch die Krise gekommen ist, liegt auch daran, dass wir von Beginn an und mit eigenen Mitteln immer wieder auch diejenigen unterstützt haben, die lange Zeit in den Hilfsprogrammen des Bundes überhaupt nicht berücksichtigt worden sind, zum Beispiel Tausende Kulturschaffende, die Soloselbstständigen, die Clubkultur und viele andere mehr.

Diese Erfahrungen bilden sich auch im vorliegenden Haushalt ab. Wir sorgen auch weiterhin für Unterstützung, zum Beispiel mit dem Neustartprogramm für Unternehmen oder indem wir der Gastronomie erneut die Gebühren für Schankvorgärten erlassen oder mit dem gerade laufenden Kultursommer, der es den Berlinerinnen und Berlinern ermöglicht, völlig kostenlos in allen Bezirken unterschiedlichste Kultur zu erleben und sich dabei in ihre Stadt neu zu verlieben. Dieser Kultursommer hilft natürlich auch dem Tourismus und der Gastronomie. Ich kann allen, die gerade zuhören, nur empfehlen, dass Sie diese Gelegenheit nicht verpassen. Werfen Sie einen Blick in das Programm und suchen Sie sich etwas Spannendes aus, worauf Sie vielleicht sonst nicht gekommen wären. Es gibt eine ganze Menge in dieser Stadt zu entdecken.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wir verbinden unsere Unterstützung aber auch mit der Forderung, dass alle, die sie in Anspruch nehmen, für

gute Arbeit sorgen. Corona war besonders für die Menschen existenzbedrohend, die von prekärer Arbeit lebten, für die es keine oder nur ungenügende soziale Sicherungssysteme gab. Wir werden weiterhin alles in unserer Macht Stehende tun, um insbesondere diese Menschen zu entlasten und zu unterstützen. Wir brauchen aber ein Sozialsystem, in dem kein Mensch mehr Angst haben muss, in Armut abzurutschen. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie hier mehr tut.

Wie wichtig ein starker Sozialstaat wäre, erleben wir jetzt gerade. Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine droht nun eine Armutswelle auf uns zuzurollen, die es unbedingt zu brechen gilt. Wir in Berlin haben im Haushalt Vorsorge getroffen, um zumindest die größten Härten abzumildern. 380 Millionen Euro stehen zur Verfügung, um dafür zu sorgen, dass niemand aus seiner Wohnung fliegt, weil die Energiekosten nicht mehr bezahlt werden können. Mit diesem Geld werden wir zugleich dafür sorgen, dass die soziale und kulturelle Infrastruktur in unserer Stadt nicht in die Brüche geht. Schulen und Kitas, Stadtteilzentren, Kultureinrichtungen, ja, auch Behörden und die öffentliche Verwaltung werden wir gegen steigende Energiekosten absichern,

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

und zwar – das ist uns auch wichtig – ohne dass wir im Gegenzug wichtige Unterstützungsleistungen streichen und möglichst auch ohne dass die Wasserbetriebe, die BVG, Theater und viele andere Einrichtungen deswegen ihre Preise erhöhen müssen. Das ist auch eine Lehre aus der Coronazeit, in der wir schnell und unbürokratisch die Hilfslücken des Bundes geschlossen haben. Auch jetzt muss klar sein, dass wir vom Bund erwarten, dass er seine Verantwortung wahrnimmt und die besonders betroffenen Branchen und Privathaushalte massiv entlastet, vor allem, da nun offensichtlich die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen worden ist, was mit Einsetzung der Preisklausel noch einmal einen massiven Anstieg bei den Preisen für die Energie bedeuten würde. Hier muss gleichzeitig Verantwortung für die Entlastung übernommen werden.

Um die drohende Armutswelle zu brechen, werden wir unsere ohnehin bereits geplanten Maßnahmen gegen Armut weiter verstärken. Mit der Erhöhung des Landesmindestlohns auf 13 Euro sind wir dabei bereits den ersten wichtigen großen Schritt gegangen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Das Ganze kommt aber in einem großen Paket. Mit der Ausweitung der Beitragsfreiheit für den Hort bis zur 3. Klasse werden wir Familien auch weiter entlasten können, und insbesondere an dieser Stelle Alleinerziehende. Wir lassen uns auch nicht von unserem ambitionierten Ziel abbringen, die Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden. Dafür haben wir das Programm „Housing

First“ noch einmal zusätzlich mit 23 Millionen Euro verstärkt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Weil Sie da so neugierig nachgefragt haben, Herr Wegner: Wenn sich alle Beteiligten an die Vereinbarungen des am Montag unterschriebenen Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen halten, dann werden wir bald jedes Jahr fast doppelt so viele Wohnungen für das geschützte Marktsegment, also Wohnungen für Obdachlose, zur Verfügung haben. – Wenn sich alle daran halten. Wir werden das selbstverständlich begleiten. In der gemeinsamen Erklärung verpflichten sich die Beteiligten dazu, dass außerordentliche Kündigungen nur im Ausnahmefall erfolgen und nur, wenn die Sozialen Wohnhilfen zuvor informiert und alles unternommen wurde, um den Verlust der Wohnung abzuwenden. Gerade angesichts steigender Energiekosten verschafft uns das die Möglichkeit, rechtzeitig unterstützend einzugreifen. Ja, wir Linken fordern eigentlich, dass Zwangsräumungen grundsätzlich verboten werden, aber wenn das, was hier als Selbstverpflichtung verhandelt worden ist, auf Bundesebene verpflichtend geregelt würde, dann wären wir einen großen und entscheidenden Schritt weiter.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es dürfte inzwischen eine Binse sein, dass die Vermeidung von Wohnungslosigkeit nicht nur sozial geboten ist, sondern nebenbei auch kostengünstiger ist, als neuen Wohnraum zu schaffen und zu suchen.

Wir werden uns in Berlin mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, gegen die drohende Verarmung von breiten Bevölkerungsschichten stemmen, aber wir müssen auch ehrlich sein und sagen, dass unsere Instrumente und Spielräume auf Landesebene begrenzt sind. Wenn wir diese Krise bewältigen und den sozialen Zusammenhalt sichern wollen, dann muss von dieser Ampelregierung nicht nur mehr, sondern vor allem auch eine zielgenauere Unterstützung kommen.

Auch in dieser Krise gilt: Sie trifft nicht alle Menschen gleich. Wer sich einen Porsche Cayenne leisten kann, kann auch zähneknirschend die über 2 Euro für das Benzin bezahlen. Wer eine Eigentumswohnung für

0,5 Millionen Euro kaufen kann, bekommt die auch weiterhin auf über 20 Grad Celsius geheizt. Wer Feinkost im Obergeschoss des KaDeWe kauft, wird kaum merken, dass die Butter mittlerweile über 3 Euro kostet, während viele andere auf die Tafel angewiesen sind, um ihrer Familie etwas auf den Tisch stellen zu können. Auch Menschen, die mit einem Gehalt von, sagen wir, um die 2 000 Euro bisher ganz gut über die Runden gekommen sind, machen im Supermarkt den Einkaufswagen nicht mehr voll. Insbesondere Familien mit Kindern müssen inzwischen wegen der steigenden Preise auf vieles verzichten. Stellen Sie sich jetzt einmal vor, was das für

Geringverdienende oder für Menschen, die Transferleistungen beziehen, bedeutet. Beim Energiekostenzuschuss hat die Bundesregierung ausgerechnet Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende vergessen. Das ist völlig absurd!

[Heiko Melzer (CDU): Sie haben unsere Initiative dazu abgelehnt! – Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Um mal einen Einblick in die Realität von Hundertausenden Betroffenen zu bekommen, empfehle ich Ihnen den Hashtag #IchBinArmutsbetroffen in den sozialen Netzwerken, wo sich Betroffene Gehör verschaffen. Ich danke an dieser Stelle für das Engagement!