Um mal einen Einblick in die Realität von Hundertausenden Betroffenen zu bekommen, empfehle ich Ihnen den Hashtag #IchBinArmutsbetroffen in den sozialen Netzwerken, wo sich Betroffene Gehör verschaffen. Ich danke an dieser Stelle für das Engagement!
Die Krokodilstränen von Herrn Wegner an dieser Stelle machen mich, ehrlich gesagt, ein bisschen wütend, wenn Sie sich über Kinderarmut und über die steigenden Mieten beklagen – Sie, die den Mietendeckel weggeklagt und jede soziale Initiative auf Bundesebene in den letzten Jahren blockiert haben.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von Heiko Melzer (CDU) und Marc Vallendar (AfD)]
Und ich hoffe, es gibt langsam auch ein Umdenken. Statt eines Tankrabatts, der wirklich nichts bewirkt und nur in die Kassen der großen Mineralölkonzerne fließt, brauchen wir eine Übergewinnsteuer, mit der diese Extraprofite abgeschöpft werden können. Bremen, Thüringen und Berlin haben die Initiative ergriffen. Es wird Zeit.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]
Und statt eines 100-Milliarden-Programms für Aufrüstung brauchen wir ein 100-Milliarden-Sondervermögen für Energiesicherheit, Energiesouveränität und ökologische Transformation, um schnellstmöglich von Importen fossiler Energieträger aus Russland oder aus Katar unabhängig zu werden.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]
Die massive Aufrüstung in der Verfassung festzuschreiben und gleichzeitig an der Schuldenbremse festzuhalten, was quasi notwendige Investitionen verbietet, das ist völliger Wahnsinn. Und es ist richtig, dass Berlin diesen Irrweg nicht mitträgt.
Statt einer läppischen Einmalzahlung brauchen wir Erhöhungen der ALG-II-Sätze auf mindestens 600 Euro. Statt eines 9-Euro-Tickets für drei Monate brauchen wir
dauerhaft niedrigere Fahrpreise im ÖPNV. Wir brauchen mehr Busse, mehr Züge, mehr Bahnstrecken. Der Bedarf ist da. Das konnten wir ja nun eindrücklich sehen. Aber die meisten Menschen können sich die überhöhten Bahnpreise schlichtweg nicht leisten. Manche sagen ja, Putin führe nicht nur einen Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen die liberale Gesellschaft des Westens, die er mit allen Mitteln zu destabilisieren versucht. Ja, wenn das so ist, dann ist es doch umso wichtiger, den sozialen Frieden in diesem Land zu sichern. Niemand in diesem Land soll Angst haben müssen, im Winter zu frieren. Niemand soll sich darum Sorgen machen müssen, die Wohnung zu verlieren. Es gibt genug Reichtum in diesem Land, aber er muss anders verteilt werden.
Solidarität mit der Ukraine heißt zwingend auch eine solidarische Verteilung der Lasten, die mit diesem Anspruch verbunden sind.
Diskussionen, die jetzt über eine Rente mit 70 oder eine 42-Stunden-Woche geführt werden, führen zu einer massiven Enteignung der ohnehin am härtesten Betroffenen. Eine solche flächendeckende Verteilung von unten nach oben verbietet sich. Im Gegenteil, wir streiten weiter für Arbeitszeitverkürzungen, die angesichts steigender Produktivität und steigender gesundheitlicher Belastungen die einzig vernünftige Antwort sind.
Wenn der Finanzminister jetzt breite Bevölkerungsteile auf Zeiten der Knappheit und ihren sozialen Abstieg einschwört, dann grenzt das an Arbeitsverweigerung. Holen Sie sich das Geld von denen, die mit den Kriegsfolgen auch noch Profite machen, Herr Lindner! Denn im Gegensatz zur Aufrüstung ist der Sozialstaat einer der unveränderlichen Grundpfeiler unseres Grundgesetzes und muss in dieser Situation erhalten werden.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]
Aber es stimmt natürlich: So hart, wie es viele Menschen bei uns gerade trifft, die Menschen in der Ukraine trifft es natürlich als Allererstes und am allerhärtesten. Sie verlieren Angehörige, ihr Heim, Gliedmaßen. Sie werden aus ihrem normalen Leben herausgerissen. Zehntausende dieser Menschen sind seit Ende Februar in Berlin angekommen und geblieben. Die ersten Wochen waren eine riesige Herausforderung, die ohne die Solidarität der Berlinerinnen und Berliner kaum zu bewältigen gewesen wäre. Ihnen allen will auch ich an dieser Stelle noch einmal herzlich Danke sagen!
Aber anders als 2015 unter CDU-Sozialsenator Czaja hat auch die Berliner Verwaltung dieses Mal ihre Bewährungsprobe bestanden. Sie haben sehr oft, Herr Wegner, das Wort Demut in Ihrer Rede verwendet. Daran möchte ich an dieser Stelle mal erinnern.
Niemand musste in den Parks vor dem LAGeSo schlafen. Alle bekamen zumindest ein Bett und eine Erstversorgung. Es mussten keine Sporthallen beschlagnahmt werden. Auch dafür möchte ich der Verwaltung und allen Beteiligten an dieser Stelle herzlich danken!
Ich bin froh, dass die Menschen mit dem Inkraftsetzen der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie vergleichsweise unkompliziert einen Aufenthaltsstatus und damit auch ein Recht auf Arbeit erhalten haben. Das zeigt, was geht, wenn es nur gewollt ist. Jetzt ist Zeit, dass auch Geflüchtete aus anderen Krisenregionen so unkompliziert bei uns aufgenommen werden.
Nun, nach mehr als drei Monaten, müssen wir uns eingestehen, dass dieser Krieg nicht so schnell vorbei sein wird. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass viele der Menschen länger bei uns bleiben werden. Deshalb brauchen wir jetzt Wohnraum für sie. Wir brauchen Kita- und Schulplätze. Wir brauchen Möglichkeiten, unsere Sprache zu erlernen, und vieles mehr.
Und wir brauchen mehr Unterstützung für die Menschen, die selbst unterstützen. Kurz: Es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns.
Die finanziellen Voraussetzungen dafür haben wir mit 650 Millionen Euro im Jahr geschaffen. Es ist mir besonders wichtig, dass diese Vorsorge im gesamten Haushalt getragen wird, dass also dadurch keine Konkurrenz mit anderen sozialen Leistungen entsteht, auch wenn die AfD hier wieder versucht hat, die Armen gegen die Ärmsten aufzuhetzen.
Das entspricht nicht der Wahrheit. Und dafür möchte ich an dieser Stelle auch meinen Koalitionspartnerinnen und Koalitionspartnern Danke sagen!
Wie ich schon eingangs sagte, je besser unsere öffentliche Infrastruktur aufgestellt ist, desto besser können wir Krisen bewältigen, und desto besser können wir allen Menschen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewähr
leisten. Deshalb setzen wir mit diesem Haushalt unseren 2017 eingeschlagenen Weg fort und investieren in genau diese Strukturen.
Wir setzen die Schulbauoffensive fort und haben nochmals die Mittel für den Kitaausbau erhöht. Wir bauen aber nicht nur neue Gebäude, wir stärken auch die Lehrkräfteausbildung ab 2023 mit 17 Millionen Euro mehr im Jahr, denn am Ende kann man nur dann genügend Lehrkräfte verbeamten, wenn man sie vorher auch fertig ausgebildet hat.
Besonders am Herzen lag uns auch die Erhöhung der Investitionsmittel für die Berliner Krankenhäuser. Das ist auch deshalb wichtig, damit unsere Krankenhäuser in der Lage sind, endlich den hart erstrittenen Entlastungstarifvertrag für die Pflegekräfte ohne Wenn und Aber umsetzen zu können, denn es ist nicht nur im Interesse der Tausenden Pflegerinnen und Pfleger, die in der Coronapandemie so viel über ihre Kräfte hinaus geleistet haben. Das sollte im Interesse von uns allen sein, die wir potenzielle Patientinnen und Patienten oder Angehörige von solchen sind.
Ein anderer Punkt, der uns als Linke besonders am Herzen liegt, ist der Bodenankaufsfonds, den wir mit 10 Millionen Euro pro Jahr ausstatten. Allein dass es diesen Fonds gibt, zeigt, was sich in dieser Stadt unter dieser Koalition gedreht hat. Wir haben den Ausverkauf von Grund und Boden nicht nur gestoppt, nein, wir holen uns ihn auch Stück für Stück zurück, und zwar nicht nur, um darauf Wohnungen zu bauen – selbstverständlich auch das –, aber wir sichern auch Flächen für das Stadtgrün und die notwendigen Infrastrukturen, so wie wir auch Kulturräume sichern und neue schaffen, damit diese nicht immer weiter aus der Stadt verdrängt werden, denn auch sie gehören zu den Schätzen und der Infrastruktur dieser Stadt.
Ein großer Teil der Investitionen geht in den weiteren ökologischen Umbau. Es gilt, endlich die Verpflichtung in die Tat umzusetzen und unser Potenzial bei der Erzeugung von Solarenergie auch nutzbar zu machen. Ebenso stellen wir mehr Mittel für den Ausbau der Elektromobilität bereit, allen voran den Ausbau der Straßenbahn, denn die ist nicht nur von den Kosten, sondern auch von der Ökobilanz das günstigste E-Mobilitätssystem der Welt. Deshalb bleibt für uns der zügige Ausbau der Straßenbahn das Pflichtprogramm.
[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Ronald Gläser (AfD)]
Die Bezirke unterstützen wir bei der Sicherung der Grünflächen. Sie sind teilweise sehr stark übernutzt und erheblichem Stress durch den Klimawandel ausgesetzt. Ihnen
wird aber in Zukunft eine umso größere Rolle für das Stadtklima und auch als soziale Räume zukommen.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal zusammenfassen: Dieser Haushalt ist in sehr unsicheren Zeiten entstanden. Sicherlich erfüllt er nicht jeden Wunsch, aber er schafft Vorsorge für das Notwendige, damit wir in den kommenden Jahren, aber auch in den kommenden Generationen nicht von Krisen überwältigt werden und damit alle in Berlin frei von Existenzangst und Diskriminierung die Chancen dieser Stadt für sich persönlich nutzen können. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Regierende Bürgermeisterin! Das war durchaus ein denkwürdiges Wochenende, insbesondere weil viele Themen, für die Sie im Wahlkampf angetreten sind, für die Sie gestritten haben, die Sie den Berlinerinnen und Berlinern in Aussicht gestellt haben, für die Sie mit Überzeugung angetreten sind, durch Ihre eigene Partei abgeräumt wurden. Wir als Freie Demokraten haben das ein Stück weit als Demütigung empfunden,
nicht aus Häme – ich sage das hier in aller Deutlichkeit –, sondern weil wir der Auffassung sind, dass diese Stadt, egal wer sie regiert, auch eine Regierende Bürgermeisterin oder einen Regierenden Bürgermeister braucht, der in der Lage ist, die Dinge durchzusetzen, umzusetzen, und vor allem die Unterstützung der eigenen Partei hat, weil es sonst zum Schaden der Stadt wird. Das ist das, was uns daran, was an diesem Wochenende passiert ist, massiv ärgert.