Schon heute haben über 1 Million Berliner die Berechtigung für einen Wohnberechtigungsschein. Bei der Wohnungsknappheit ist der doch vollkommen wertlos.
Der rot-grüne Senat behauptet heute allen Ernstes: „Berlin lässt niemanden zurück“. Das ist wirklich dreist, denn dieser Berliner Senat lässt vor allem die Berliner zurück,
weil dieser Senat die Energieversorgung aufs Spiel setzt, weil dieser Senat nichts gegen die Preissteigerung unternimmt, weil dieser Senat keine Wohnungen baut und immer noch mehr Menschen nach Berlin holt.
Sie machen Politik völlig an den Interessen der Menschen in diesem Land und in dieser Stadt vorbei. Heute sehen wir, dass diese Politik unser Land in eine beispiellose Krise geführt hat. Deutschland wird das Armenhaus von Europa,
schrieb schon der „Spiegel“ vor einigen Jahren. – Da brauchen Sie gar nicht zu lachen! – Eine aktuelle Studie der Credit Suisse zeigt das auch. Während die Deutschen über ein Durchschnittsvermögen von 16 000 Euro verfügen, kommen die Griechen auf über 40 000 Euro
und die Italiener sogar auf über 100 000 Euro. Fast die Hälfte der Deutschen kann wegen der niedrigen Löhne gar keine Rücklagen mehr bilden.
Wie sollen diese Menschen die Nachzahlung für Heizung und Strom stemmen? Das erzählen Sie mir mal! Die vielen Rentner, die ihren Lebensunterhalt mit einer Durchschnittsrente von 900 Euro bestreiten müssen –
was soll denn aus denen werden? Die haben doch nicht ihr Leben lang geschuftet, um jetzt im Winter zu frieren!
Mehr als ein „Netzwerk der Wärme“ haben Sie nicht anzubieten. Was soll das denn sein? – Wie suche ich am schnellsten meinen Kälteschutzraum?
Den Deutschen fehlt das Geld, um ihre Wohnungen im Winter zu heizen, und schuld ist die Politik, die auch noch unser Geld in alle Welt verschenkt. Wohnungsnot und Energiekrise sind dann die direkten Folgen, da muss sich kein Mensch wundern. Der kommende Kältewinter zeigt vor allem eins: Deutschland ist kein reiches Land mehr. Wir können nicht der ganzen Welt helfen. Berlin hat keinen Platz mehr, und Sie sollten endlich wieder Politik für die Berliner Bürger machen. – Vielen Dank!
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teilt ihre Redezeit auf zwei Abgeordnete auf. Es beginnt zunächst der Kollege Kurt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bürgermeisterin! Liebe Berlinerinnen, liebe Berliner! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Immer mehr Menschen in Berlin wissen nicht, wie sie über die Runden kommen sollen. Die Preise steigen und steigen und machen für viele ein halbwegs normales Leben unbezahlbar. Kundinnen und Kunden der GASAG müssen seit Mai 26 Prozent mehr bezahlen. Die Preise im Supermarkt explodieren und machen Butter, Tomaten und Gurken zu neuen Luxusprodukten für Besserverdienende. Und das dicke Ende kommt erst noch – mit den Nachzahlungen für Strom, Gas und die Nebenkosten für die eigene Wohnung.
Wenn es einen Begriff gibt, der all das zusammenfasst, was so viele Menschen gerade in Berlin fühlen, dann ist es „Existenzangst“ – Angst, nicht mehr über die Runden kommen zu können und demnächst bei der Tafel anstehen zu müssen, Angst, in die Armut abzurutschen, und
Angst, die eigene Wohnung nicht mehr halten zu können, wenn nach der Nachzahlung auch noch die Mieterhöhung reinflattert.
Diese Angst vor der Zukunft hat bereits jetzt ganz konkrete Folgen: Heizungen werden maximal heruntergedreht, beim Einkaufen wird nur noch das Nötigste gekauft, und der Gedanke an Weihnachten löst bei vielen Familien gerade keine Vorfreude, sondern noch mehr Sorgen angesichts der Preisexplosion aus.
Die Berlinerinnen und Berliner sind verunsichert, und sie schauen auf uns, auf ihre gewählten Abgeordneten und auf ihre Landesregierung, weil sie Antworten verlangen; Antworten, was wir konkret tun werden, um soziale Härten in Berlin abzufedern. Dieser Verantwortung stellen wir uns im Gegensatz zu anderen Fraktionen hier ausdrücklich. Deshalb sage ich ganz klar an dieser Stelle: Wir lassen niemanden in dieser Zeit allein. Berlin ist eine solidarische Stadt, und wir werden alles dafür tun, dass kein Mensch in Berlin zurückbleibt.
Berlin funktioniert nur gemeinsam, und deshalb handeln wir auch so als Koalition: gemeinsam. Mit dem Berliner Entlastungspaket werden wir einen Härtefallfonds auflegen und denjenigen, die ihre Energierechnung nicht zahlen können, unter die Arme greifen, um Strom- oder Gassperren zu verhindern, weil Energie kein Luxus für Gutverdiener ist, sondern lebensnotwendig für alle zum Wohnen. Mit dem 29-Euro-Ticket entlasten wir die Menschen finanziell, damit mehr Geld zum Leben bleibt. Das ist gut für das Klima, und auch das Sozialticket soll ab dem 1. Januar günstiger werden – das ist öko und soziale Politik, und dafür danke ich dem ganzen Senat.
Mit dem Kündigungsmoratorium für landeseigene Wohnungsbaugesellschaften sorgen wir dafür, dass die Mieterinnen und Mieter in den 350 000 Wohnungen landeseigener Wohnungsbaugesellschaften nachts ruhig schlafen können und keine Angst haben müssen, ihre Wohnung zu verlieren. Das ist alles gut für die Menschen in Berlin, weil es das Vertrauen in den Sozialstaat stärkt, weil es den Berlinerinnen und Berlinern konkret hilft und weil es eine ökosoziale Politik ist für mehr Klimaschutz und für mehr soziale Gerechtigkeit, die beides zusammendenkt und nicht gegeneinander ausspielt.
Die Auswirkungen der multiplen Krisen unserer Zeit – die Coronapandemie, die Wohnungsnot, die Folgen des Ukrainekriegs und die steigenden Preise, um nur einige zu nennen – treffen nicht alle Menschen in Berlin gleich. Sie treffen besonders diejenigen hart, die es ohnehin schon schwer hatten im Leben. Sie treffen die Tausenden Obdachlosen in Berlin, die jeden Tag auf der Straße ums Überleben kämpfen müssen. Für sie ist es nicht möglich,
den Gürtel angesichts von Inflation und Pandemie noch enger zu schnallen, denn da ist nichts mehr, was man noch enger schnallen kann. Für sie geht es diesen Winter nicht um Nachzahlungen, sondern um das pure Überleben. Schauen wir nicht weg, schauen wir hin! Tausende Menschen sind in Berlin obdachlos, und auch die Wohnungslosigkeit steigt rapide an. Frauen, Männer, Jugendliche – hinter jedem Schlafsack steckt ein eigenes Schicksal. Damit finden wir uns aber nicht ab, und deshalb müssen wir alles dafür tun, um Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 zu überwinden.
Mit dem Programm Housing First machen wir als Koalition vor, wie es geht: Seit 2018 konnten 95 Wohnungen an obdachlose Menschen vermittelt werden, und das bei diesem angespannten Wohnungsmarkt. Das ist ein Erfolg, und er wird weitergehen, aber das kann nur ein Baustein von vielen Bausteinen der Wohnungslosenhilfe sein. Housing First muss das Leitprinzip in der Wohnungslosenhilfe werden. Dafür müssen wir die Hilfen für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten weiterentwickeln, mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und schließlich alles daran setzen, dass es gar nicht erst zum Verlust der eigenen Wohnung kommt.
Denn ist eine Wohnung erst mal weg, ist sie weg. Deshalb brauchen wir ein Kündigungsmoratorium und ein Zwangsräumungsmoratorium auch für die privaten Wohnungsbaugesellschaften.
Ebenso brauchen wir ein Moratorium für Strom- und Gassperren, weil Energiesperren kalte Wohnungsräumungen sind. Wer wie die Energieversorger gerade jetzt Millionen- und Milliardengewinne macht, muss etwas an die Menschen zurückgeben.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Raed Saleh (SPD) und Max Landero Alvarado (SPD)]
Diese Krise trifft aber auch noch eine andere Personengruppe besonders, und das sind die von Armut Betroffenen. 19,6 Prozent aller Menschen in Berlin sind armutsgefährdet. Das sind die Alleinerziehenden, die doppelt so stark armutsgefährdet sind wie der Berliner Durchschnitt; das sind die Working Poor, die Pakete ausliefern, Gebäude putzen oder im Verkauf arbeiten; das sind besonders die armen Seniorinnen, deren Armutsgefährdung in Berlin in den letzten Jahren auf 17 Prozent explodiert ist; und es sind natürlich insbesondere die Kinder und Jugendlichen. Armut ist besonders weiblich in Berlin, Armut macht krank, und Armut macht einsam.
Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Es ist gut, dass der Senat an einer integrierten Armuts- und Sozialberichterstattung arbeitet und die Beratungs- und Schuldnerberatungsstellen weiterhin ausbauen will. Wir brauchen aber auch weitere Entlastungen, insbesondere für Menschen mit Berlin-Pass, um ihnen soziale und kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, damit der Besuch im Zoo für Familien nicht zum Luxus wird. Die Zeiten sind schwierig, der kommende Winter wird ein besonderer sein. Jetzt geht es um verantwortungsvolles, klares Regierungshandeln gegen Existenzangst, für Solidarität und soziale Sicherheit. Das bleibt unsere Richtschnur für ein soziales Berlin, das niemanden zurücklässt. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während die einen schon nicht mehr wussten, wie sie über den Monat kommen sollen, verzeichneten andere noch Rekordgewinne: Der Gutachterausschuss hat in seinem Bericht zum Berliner Immobilienmarkt für 2021 fast 24 Milliarden Euro als neuen Höchstwert für den Geldumsatz des Berliner Immobilien- und Grundstücksmarktes ermittelt – 24 Milliarden Euro für Verkäufe, Vermietungen und Neubau.
Noch nie ist so viel Geld für Immobilien über die Berliner Ladentheke gegangen, und die Mieterinnen sind die, die diesen Umsatz durch ihre Mieten größtenteils refinanzieren müssen.
Laut Statista sind die Mieten in Berlin auch 2022 weiter gestiegen. Die Angebotsmieten zwischen dem ersten und dritten Quartal dieses Jahres haben sich um über 6 Prozent weiter erhöht. Das Spekulationskarussell mit Immobilien und Boden hat sich also in Berlin trotz Krisen weitergedreht und zeigt, wie zentral der Bestandsschutz von Mieterinnen ist. Diese extreme Notlage muss jetzt zu wirkungsvollen Notmaßnahmen führen. Wir brauchen jetzt einen Mietenstopp für alle Berlinerinnen, denn die Mieterinnen sollen zumindest nicht weiter belastet werden.