Protokoll der Sitzung vom 21.03.2024

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 45. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, die Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreterinnen und Medienvertreter ganz herzlich.

Besonders darf ich heute Polizeidienstkräfte des Landeskriminalamtes bei uns im Berliner Abgeordnetenhaus begrüßen. – Herzlich willkommen und herzlichen Dank für Ihren Einsatz!

[Allgemeiner Beifall]

Dann darf ich dem Kollegen Dr. Klaus Lederer von der Fraktion Die Linke ganz herzlich zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren. – Alles Gute!

[Allgemeiner Beifall – Zurufe von der LINKEN]

Ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren darf ich auch der Präsidentin des Rechnungshofs, Frau Klingen. – Auch Ihnen herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

[Allgemeiner Beifall]

Dann komme ich zum Geschäftlichen: Am Montag ist unter anderem ein Antrag der AfD-Fraktion auf Durchführung einer Aktuellen Stunde zum Thema „Berlins Schulen wieder zu sicheren und effektiven Bildungseinrichtungen machen“ eingegangen. Die Fraktion der CDU, die Fraktion der SPD, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke haben ihre zuvor gestellten Anträge zurückgezogen und nunmehr die Durchführung einer Aktuellen Stunde zum Thema „Der Internationale Tag gegen Rassismus“ beantragt. Eine Verständigung über dieses Thema ist bislang nicht erfolgt.

Ich lasse daher abstimmen, und zwar über das Thema der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Wer wie die zuvor genannten vier Fraktionen eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Der Internationale Tag gegen Rassismus“ durchführen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Linksfraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der AfD-Fraktion – Enthaltungen? – und Enthaltung eines fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linksfraktion angenommen. Somit werde ich gleich das Thema für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Der Antrag der AfD-Fraktion auf Durchführung einer Aktuellen Stunde hat damit seine Erledigung gefunden.

Dann darf ich auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Dringlichkeitsliste verweisen. Die Fraktionen haben sich

darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 14 sowie 27 bis 30 in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Damit ist die dringliche Behandlung der Vorgänge so beschlossen. Unsere heutige Tagesordnung ist somit ebenfalls so beschlossen.

Auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen – und stelle fest, dass hierzu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit ebenfalls angenommen.

Dann darf ich Ihnen noch die Entschuldigungen des Senats mitteilen: Frau Senatorin Giffey befindet sich auf Dienstreise. Frau Senatorin Dr. Badenberg wird aufgrund einer Sitzung des Bundesrichterwahlausschusses zwischen 12.30 Uhr und 16 Uhr abwesend sein. Der Regierende Bürgermeister wird aufgrund eines Termins zur Vorbereitung einer Bundesratssitzung ab etwa 17.30 Uhr abwesend sein, und Herr Senator Chialo ist heute Morgen kurzfristig erkrankt.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Der Internationale Tag gegen Rassismus

(auf Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke)

hierzu:

Bekämpfung von Rassismus im Land Berlin stärken!

Antrag der Fraktion Die Linke auf Annahme einer Entschließung Drucksache 19/1543

Dieser Antrag liegt Ihnen als Tischvorlage vor.

Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. In der Runde der Fraktionen beginnt die Fraktion der CDU und hier der Kollege Stettner. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rassismus war für mich in meiner Jugend tatsächlich kein Thema. Dabei ist Rassismus

[Katina Schubert (LINKE): Wo haben Sie denn Ihre Jugend verbracht, Sie Idiot?]

schon immer eine unserer hässlichsten menschlichen Eigenarten und natürlich immer, auch früher, sehr präsent gewesen. Ich bin aufgewachsen mit Italienern, die als „Itaker“ und „Gastarbeiter“ bezeichnet wurden, aber Teil unserer Nachbarschaft gewesen sind.

[Unruhe bei der LINKEN]

Ich bin aufgewachsen mit Türken, die als „Muselmänner“ verunglimpft wurden und mit mir gemeinsam in der Fabrik gearbeitet haben; ich nur zeitweise, sie das ganze Leben. Andere haben mit Vietnamesen gelebt, gearbeitet und sie dennoch abfällig „Fidschis“ genannt.

[Zuruf von Katalin Gennburg (LINKE)]

Auch damals wussten natürlich die Menschen schon, dass sie mit diesen Worten ausgrenzen und diskriminieren, ein schlimmer Fehler, aus dem wir erfreulicherweise alle gelernt haben. Heute haben wir viele Menschen aus anderen Ländern, aus anderen Kulturen in unserer Gesellschaft, in unserer Stadt, und wir wissen, dass wir solche rassistischen Formulierungen nie wieder verwenden dürfen.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der LINKEN]

Wir dürfen Menschen nicht ausgrenzen. Wir dürfen Menschen nicht zu Fremden machen, denn vor Fremden haben Menschen Angst. Fremde sind nicht Teil der eigenen Gruppe. Fremde werden diskriminiert. Wir Deutsche wissen genau, was immer wieder passieren kann. Wir kennen aus unserer Geschichte schrecklichsten Rassismus. In der dunkelsten und brutalsten Zeit der deutschen Geschichte sind 6 Millionen Juden, aber auch Sinti und Roma und behinderte Menschen grausam ermordet worden, ermordet von Nazis in Deutschland, und fast alle haben auf die eine oder andere Art dabei mitgemacht. Obwohl es Deutsche waren, Nachbarn, Freunde, wurden sie zu Fremden gemacht.

Heute ist es nicht anders, aber zu unserem großen Glück nicht mehr in Deutschland. Wir haben sehr viel gelernt aus unserer Geschichte. Damit ist noch lange nicht alles gut, aber sehr viel besser als vor 80 Jahren. Doch blicken wir in die Welt: Ganz anders in China, wo die muslimische Minderheit der Uiguren in Zwangslagern eingesperrt, misshandelt und gefoltert wird. Ganz anders in Myanmar, wo die Rohingya willkürlich abgeschlachtet werden. Ganz anders auch im Sudan, wo Muslime die christliche Minderheit verfolgen. Es gibt viel zu viele aktuelle, sehr grausame Beispiele von Rassismus in der Welt. Denn das alles ist und war Rassismus und ist auf schreckliche Art und Weise auch Teil unserer menschlichen Natur.

„Was dir verhasst ist, das tue dem Nächsten nicht an“, steht im Talmud. Toleranz ist eine Stärke und keine Schwäche, sagt der Prophet Mohammed. „Liebe deinen

Nächsten wie dich selbst“, sagt das Christentum. Rassismus ist nicht aus Religion geboren, sondern immer nur das, was Menschen mit Religion tun.

„Menschen, die Freiheit, Demokratie und Menschenrechte lieben, fragen nicht danach, ob jemand schwarz ist oder weiß.“

Das sagte Joachim Gauck vor einigen Jahren. Ich bin mir recht sicher, dass dieses Hohe Haus Joachim Gauck in dieser Aussage überwiegend zustimmen wird. Ich bin mir auch sehr sicher, dass fast alle sagen werden, dass wir Rassismus bekämpfen müssen, wo immer wir ihn finden. Aber schon die Vereinigung von fremd und gewohnt wird bei dem einen oder anderen ein Störgefühl auslösen. Sind diese anderen Kulturen auch für mich selber wertvoll? Möchte ich die eigentlich alle unter uns haben? Was machen wir mit denen, die dazukommen? Sollte die oder der nicht schnell wieder weg? Das ist eine sehr aktuelle Diskussion, denn Rassismus hat viel mit Ängsten zu tun, mit dem Gefühl, ohnmächtig zu sein und dann zu versuchen, in der Gemeinschaft stark sein zu können, dafür andere auszugrenzen, sie schlechter zu machen, um sich dadurch überlegen zu fühlen.

In der Vorbereitung auf die heutige Rederunde habe ich aktuelle Fälle recherchiert. Ich habe mir die Zahlen der rassistischen Taten in Berlin angeschaut und untersucht und für mich geprüft, ob wir ein strukturelles, institutionelles Problem mit Rassismus in Berlin haben. Sind Rassismus und Diskriminierung in unseren staatlichen Strukturen eingeflochten, und betreibt das Land Berlin aus seiner Konfiguration mit seinen Mitarbeitern heraus einen strukturellen, institutionellen Rassismus? – Meine Erkenntnis ist – ich bin mir ganz sicher, das wird nicht der gesamte Teil des Hohen Hauses so sehen –: Nein, wir haben keinen strukturellen, institutionellen Rassismus in Berlin.

[Beifall bei der CDU, der SPD und der AfD – Zuruf von den GRÜNEN: Doch!]

Ebenso wird ein Teil dieses Hauses es ablehnen, wenn ich sage, dass wir in Deutschland trotz aller positiven Entwicklungen der letzten 80 Jahre, trotz der guten Aufarbeitung unserer extremistischen, rassistischen Vergangenheit immer noch ein sehr großes Problem und eine sehr große Aufgabe mit der Bekämpfung von Rassismus haben. Was dazwischen liegt, ist die bürgerliche Mitte.

[Katalin Gennburg (LINKE): Das sagt der Richtige! – Anne Helm (LINKE): Vornamenabfrage!]

Das sind diejenigen, die akzeptieren, dass wir als Land, als Vaterland schreckliche Dinge in unserer Geschichte getan haben. Das sind diejenigen, die wissen, dass Diskriminierung und Rassismus immer in uns schlummern und deshalb das Verbindende, das Gemeinsame und nicht das Trennende suchen. Das ist die bürgerliche, demokratische Mitte. Und nur diese Mitte trägt unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung.

[Beifall bei der CDU]

Wir dürfen Rassismus nicht nur ablehnen, wir müssen ihn aktiv bekämpfen. Wir müssen aktiv gegen ihn vorgehen, und dafür müssen wir ihn sehen und benennen. Wer einem Menschen keine Wohnung gibt, weil er andere Hautfarbe hat, ist rassistisch. Einem Menschen eine Arbeitsstelle nicht zu geben, weil er einen anderen Glauben hat, ist rassistisch. Wir haben hier in Berlin die Verantwortung, die notwendigen Diskussionen zu führen, miteinander die notwendigen Entscheidungen zu treffen, damit diese Rassismen stetig weniger werden. Wir dürfen Rassisten keinen Raum geben, weder hier noch in ganz Berlin. Ein vermeintlicher Pro-Palästinenser-Kongress, der in keiner Art und Weise ein Pro-Palästinenser- und damit ein Pro-Menschen-Kongress ist, dem es nicht darum geht, den sterbenden Menschen im Gazastreifen zu helfen, sondern dem es nur darum geht, Rassismus in die andere Richtung zu betreiben, Judenhass und Israelhass zu proklamieren, ein solcher Kongress wäre eine Schande für Berlin.

[Beifall bei der CDU, der SPD und der AfD]

Vielleicht können wir ihn nicht verbieten, weil er keiner Genehmigung bedarf, aber wir müssen alles uns Mögliche tun, damit eine solche Judenhasserveranstaltung nicht stattfindet, denn Berlin steht nicht für Hetze und Spaltung.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Im Gegenteil: Wir brauchen ein breites Bündnis für Toleranz, für Demokratie, und dafür haben wir in diesem Hohen Haus entschieden, eine Enquete-Kommission für gesellschaftlichen Zusammenhalt einzurichten. Es geht darum, uns zusammenzuhalten, egal ob wir hier aufgewachsen sind oder ob wir hinzugekommen sind. Es geht darum, Diskriminierung und Rassismen zu bekämpfen, Gemeinsamkeiten zu schaffen und diese zu stärken. Dafür müssen wir miteinander darum ringen, was der beste Weg zum besten Zusammensein ist. Dafür haben wir die beste Formel im Parlament gefunden. Sowohl der Fraktionsvorsitzende der SPD, Raed Saleh, als auch ich werden Mitglied dieser Kommission sein. Ich glaube, ich kann sagen: Wir laden gemeinsam alle anderen Fraktionsvorsitzenden ein, auch dort mitzutun. Es ist wichtig,

[Beifall bei der CDU und der SPD]

denn Menschenrechte sind universell. Es ist egal, wo man herkommt. Es ist egal, welche Hautfarbe man hat. Es ist egal, welchen Glauben man hat. Menschenrechte sind nicht diskutabel. Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen! Lassen Sie uns um die gute Sache ringen und dafür sorgen, dass Rassismus in unserer Gesellschaft keine Chance hat! – Danke schön!