Protokoll der Sitzung vom 21.03.2024

[Beifall bei der AfD]

Die Wiederinbetriebnahme der am 15. April 2023 heruntergefahrenen Kernkraftblöcke würde die derzeitigen

(Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour)

Strompreise deutlich und zeitnah reduzieren und die latente Gefahr – die ist immer noch nicht weg – möglicher Blackouts und Brownouts abwenden. Mit der Bundesratsinitiative wollen wir den Wiedereinstieg auch rechtlich ermöglichen, indem schlichtweg die kommerzielle Nutzung der Kernkraft wieder zugelassen wird. Dazu bedarf es lediglich eines Satzes im Atomgesetz, und der steht in unserem Antrag.

Ich kann nur sagen: Verschließen Sie sich diesen Positionen nicht. Sie sagen immer, dass Sie uns inhaltlich stellen wollen. Das waren völlig sachlich vorgetragene Punkte, und jetzt bin ich einmal gespannt – Herrn Gräff sehe ich gar nicht, der hat hier das letzte Mal Affentheater gemacht, Herr Stroedter redet auch nicht –, was Sie heute zu diesen Themen zu sagen haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Häntsch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dann werde ich Ihre Neugier gleich mal befriedigen können, was wir dazu sagen werden. Die AfD ist mit ihren Anträgen und Initiativen immer wieder ein dauernder Quell von Freude und Überraschungen.

[Beifall bei der AfD – Heiterkeit von Niklas Schrader (LINKE)]

Dieses Mal haben sich die Allesretter der AfD der Revitalisierung der Kernkraft verschrieben. Nun betrachten wir uns die Situation einmal als Berliner Landesparlament und nehmen uns die Berliner Ausgangslage vor. In der Vorbereitung auf meine heutige Rede habe ich mich, um auch wirklich aktuell sein zu können, extra heute früh noch einmal vergewissert, über wie viele Kernkraftwerke zur Energiegewinnung Berlin in der Vergangenheit verfügte und wie viele Kernkraft heute früh noch am Netz waren. Wollen wir einmal zusammen raten? – Es sind null, ganz genau null. Insofern wundert mich bereits der Titel Ihres Antrages, in dem es um die Revitalisierung der Kernkraft geht. Nun ist es begriffslogisch nur dann möglich, etwas zu revitalisieren, was früher auch einmal vital gewesen ist. Da Berlin als ach so großer Flächenstaat über gar keine Kernkraftwerke verfügte, lässt sich hier in Berlin auch nichts revitalisieren und nichts wiederbeleben. Das bedeutet, dass damit wir als Bundesland Berlin als Revitalisierungsstandort, den Sie ja anstreben, schon mal raus aus dem Geschäft sind

Nun möchten Sie sich im Rahmen der Bundesratsinitiative bei anderen Bundesländern dafür einsetzen, dass dort Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen werden. Da werden sich die anderen Bundesländer bei Berlin aber

bedanken: sonst nichts mit Kernkraft zu tun zu haben, aber woanders fordern, dass Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen werden. Das nenne ich mal ein gelebtes Solidarprinzip.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Entscheidung zum Atomausstieg in der Bundesrepublik Deutschland ist ja nicht vom Himmel gefallen. Schon 2002 hatte Deutschland den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, indem die Laufzeiten der Kernkraftwerke begrenzt und der Neubau ausgeschlossen wurde. Am 6. Juni 2011 beschloss dann das Kabinett Merkel II den stufenweisen Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022, und am 30. Juni 2011 beschloss der Bundestag dann – in namentlicher Abstimmung, mit einer deutlichen Stimmenmehrheit von 513 von

600 Stimmen – das 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, das die Beendigung der Kernenergie und die Beschleunigung der Energiewende regelt.

Die Laufzeit der letzten verbliebenen Reaktoren wurde zeitlich gestaffelt, wobei die letzten Kernkraftwerke dann Ende 2022 abgeschaltet werden sollten. Worin ich Ihnen vielleicht gerade so am Rande noch recht geben könnte, ist, dass es wohl eine gute Idee gewesen wäre, die noch vorhandenen Atomkraftwerke noch für eine begrenzte Zeit länger am Netz zu lassen und diese nicht mit aller Macht im April 2023 abzuschalten – und zwar so lange am Netz zu lassen, bis es gelungen wäre, die aktuelle Energiekrise zu lösen. Nichts anderes hat auch der Kollege Spahn im Bundestag gesagt und gemeint. So viel Weitsicht konnte oder wollte die Ampelregierung drüben im Bundestag allerdings – wie bei so vielen anderen Dingen – nicht aufbringen. Das ist allerdings schade.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Geradezu grotesk ist es, wenn Sie in Ihrem Antrag über die lange Abhängigkeit von Russland in der Energieversorgung lamentieren und das kritisieren. Wissen Sie, gerade Ihnen als einer Partei, die einem Kriegsverbrecher und Kriegshetzer wie Putin in vielen öffentlichen Äußerungen permanent nach dem Mund redet, geht es doch – auch nach dem brutalen und völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine und ihre Zivilbevölkerung, der jetzt seit zwei Jahren andauert – in Wahrheit nur darum, dass die Bundesrepublik endlich wieder russisches Erdöl und russisches Erdgas importiert, um die russischen Kriegskassen zu füllen.

[Ronald Gläser (AfD): So ein Quatsch!]

Ich sage Ihnen aber eins, und schreiben Sie sich das in Ihr Stammbuch: Solange an Öl und Gas aus Russland das Blut von getöteten Ukrainerinnen und Ukrainern klebt, wird es so etwas nicht wieder geben, und das ist auch gut so.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

(Frank-Christian Hansel)

Genau aus diesem Grund sind Sie kein ehrlicher Makler in der Frage der Energie- und Versorgungssicherheit der Bundesrepublik Deutschland. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für eine Zwischenintervention hat der Abgeordnete Hansel noch einmal das Wort.

In der Tat hatte ich von Ihnen mehr erwartet als vom Kollegen Gräff, aber das war jetzt auch nicht so wirklich viel. Ich meine, diese Russenscheiße können wir jetzt mal weglassen.

[Zurufe von der CDU und den GRÜNEN – Zuruf von Lars Düsterhöft (SPD)]

Lassen Sie dieses Narrativ, dem Sie hier immer folgen – AfD und Russland –, einfach mal weg und kümmern Sie sich um das Thema. Sie können natürlich gar nicht anders, als es wegzuwischen, weil Sie natürlich in einer richtig blöden Situation sind.

[Lachen von Stefan Häntsch (CDU) – Lars Düsterhöft (SPD): Nein! Sie sind in einer blöden Situation!]

Die CDU will ja die Atomkraft. Gucken Sie sich Frau Klöckner an, gucken Sie sich Herrn Spahn an,

[Zuruf von Werner Graf (GRÜNE)]

gucken Sie sich das Programm an, das sie vorhaben. Diese Energiewende und das, was da gemacht wird, auch mit der Ampel, funktioniert nicht. Die Kraftwerksgeschichte mit Gas läuft nicht. Das kostet 60 Milliarden Euro. Das könnte ab 2030 anfangen, dass man dann irgendwann mal auf grünen Wasserstoff kommt. Das wird alles nicht funktionieren. Sogar der Bundeskanzlerberater war jetzt in Paris und hat dem französischen Energieminister gesagt, wir würden uns der Taxonomie nicht entgegenstellen und uns auch nicht den Plänen zur Erweiterung der Kernenergie entgegenstellen, sogar Atomstrom dazu importieren, und sogar roten Wasserstoff – das nennt man nämlich roten Wasserstoff – importieren. Ohne das wird es nicht gehen.

Schauen Sie, es ist doch schon bedauerlich: Sie wollen ja mal wieder an die Macht – irgendwann einmal. Da werden Sie sich natürlich um dieses Land sorgen müssen, dass die Wirtschaft hier vorankommt. Das wird nicht ohne Kernenergie gehen. Ihre Leute wissen das; die Hälfte Ihrer Fraktion stimmt aber dem Kollegen – er schaut gerade in sein Handy –, meinem Freund Freymark – da bist du ja! –, zu.

[Anne Helm (LINKE): Dazu würde ich eine Erklärung abgeben! Würde ich so nicht stehen lassen!]

Er lehnt die Atomkraft ja völlig ab, sagt es auch immer. Sie müssen sich darüber also erst einmal in Ihrer eigenen Partei klar werden, und dann reden wir weiter. Und das Thema Russland können Sie einfach mal vergessen. Wir stehen hier für die Bürger unseres Landes. Wir wissen, wie wir unser Land weiterbringen – wirtschaftspolitisch, technologisch und in die Zukunft. Sie sind die Leute von gestern! – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Der Kollege Häntsch hätte nun die Gelegenheit, darauf zu antworten; er verzichtet aber. – Damit hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nun der Kollege Dr. Taschner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im April letzten Jahres wurde mit dem Abschalten der letzten deutschen AKWs das Ende der deutschen Atomkraftära ein für alle Mal besiegelt. Stattdessen bauen wir eine klimafreundliche und risikoarme Energieversorgung aus Wind und Sonne auf. Von diesem einzig vernünftigen und sinnvollen Weg werden wir uns auch von der in Energiefragen rückwärtsgewandten AfD nicht abbringen lassen.

Dieser Weg macht uns nämlich nicht nur unabhängiger, sondern er ist auch wirtschaftlich vernünftig. Denn entgegen der von der AfD weit verbreiteten Erzählung ist Kernkraft weder günstig noch risikoarm. Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie. Die vielen Zwischenfälle weltweit, aber insbesondere die schrecklichen Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima und deren furchtbare Folgen für Mensch und Natur, haben uns das mehr als deutlich gezeigt.

Aber auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine führt uns deutlich vor Augen, welche Gefahr von AKWs ausgeht. Kein Atomkraftwerk weltweit ist auf kriegerische oder terroristische Angriffe vollständig vorbereitet und ausreichend geschützt. Auch deswegen hat der Atomausstieg unser Land sicherer gemacht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Niklas Schrader (LINKE)]

Hartnäckig hält sich auch immer noch der Mythos, Atomkraft sei besonders günstig. Das Gegenteil ist der Fall: Atomkraft verursacht hohe Kosten – vom Bau über den Betrieb bis hin zum Rückbau und zur Endlagerung des Atommülls, also über die gesamte Lebensdauer hinweg. Zudem sind die Kosten einer Kilowattstunde aus Atomstrom bis zu viermal höher als die Kosten einer Kilowattstunde aus erneuerbaren Energien. Diese Schere geht immer weiter auseinander: Während die Kosten für

(Stefan Häntsch)

erneuerbare Energien sinken, steigen die Kosten für den Bau von Atomkraftwerken ins Unermessliche.

Schauen Sie sich doch einmal die Kosten und die Zeitverzögerungen der letzten AKW-Projekte in Europa an: In Flamanville gibt es elf Jahre Verzögerung und viermal so hohe Kosten. Nicht anders sieht es beim finnischen Meiler Olkiluoto aus, und auch, wenn wir nach Großbritannien schauen, wo mit Hinkley Point C ein neuer Atomkraftreaktor gebaut wird, zeichnet sich dasselbe ab. Und wer zahlt zum Schluss die hohen Kosten? – Die Verbraucherinnen und Verbraucher, nämlich über hohe Atomstromkosten.

Wer die Zukunft vielleicht in sogenannten Mini-AKWs sah, wurde ebenfalls erst kürzlich von der Realität eingeholt. Ein Vorzeigeprojekt in den USA wurde erst kürzlich gestoppt. Grund dafür: Die Baukosten sind einfach zu hoch, und – welch Überraschung! – Solar- und Windenergie sind deutlich günstiger und schneller zu haben.

Aber auch mit dem fortschreitenden Klimawandel werden Atomkraftwerke zunehmend schwieriger zu betreiben, da sie für die Kühlung immens viel Wasser brauchen. 2022 musste Frankreich aufgrund von Wassermangel Umweltauflagen massiv außer Kraft setzen, beziehungsweise wurden einige Reaktoren sogar gedrosselt. Für eine nachhaltige Energiepolitik brauchen wir eben keine Atomkraft, sondern günstige und vor allem klimakrisensichere Erzeugung von Strom. Die gute Nachricht ist: Mit Wind- und Solarenergie gibt es bereits eine Lösung, und die werden wir in Zukunft massiv ausbauen. Keiner braucht Atomkraft!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Sebahat Atli (SPD) und Lars Düsterhöft (SPD)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Wolff das Wort.

Da muss man erst einmal durchatmen, wenn man das alles hört.

[Beifall von Orkan Özdemir (SPD)]