Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute wichtiger denn je – ich glaube, das zeigt uns auch gerade die Geschichte – müssen wir deutlich und klar sagen: Betriebliche Mitbestimmung ist gelebte Demokratie im Arbeitsleben, ist Teil unserer demokratischen Grundordnung und unseres demokratischen Selbstverständnisses. Sie ist eine wichtige und international vorbildliche Errungenschaft. Demokratische Mitbestimmung endet keinesfalls an der Wahlurne; nein, sie durchdringt auch unser Arbeitsleben. Das ist ein hart erkämpfter Erfolg, auf den wir zu Recht stolz sind.
damals noch mit der FDP – ich glaube, heute nicht mehr denkbar. Darüber hinaus ist sie ein elementares Element für Gute Arbeit und damit auch für eine funktionierende soziale Marktwirtschaft.
Und nein – das möchte ich hier auch ganz deutlich betonen –, betriebliche Mitbestimmung behindert keinesfalls eine wirtschaftliche Entwicklung des Betriebs. Ganz im Gegenteil: In mehreren Studien zeigt sich, dass betriebliche Mitbestimmung nicht nur für die Verbesserung im Lohngefüge, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und damit auch der Arbeitszufriedenheit steht; nein, tatsächlich fördert betriebliche Mitbestimmung auch die Produktivität, und das wirklich in einem erheblichen Maße. Nach mehreren Untersuchungen, beispielsweise des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung, sind mitbestimmte Betriebe im Schnitt 18 Prozent produktiver. Nicht nur die Produktivität liegt höher, auch die langfristigen Investitionen, und zwar um rund 40 Prozent. Das bedeutet mehr Nachhaltigkeit und Resilienz für die Unternehmen – etwas, das heute, glaube ich, wichtiger ist denn je.
Letztlich – und das ist nicht überraschend, es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit – wirkt es sich, wenn man Mitarbeitende in den Arbeitsprozess stärker miteinbezieht, natürlich positiv für ein Unternehmen aus. Es sind schließlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihr Unternehmen tragen, die für ihr Unternehmen tagtäglich einstehen und deren Interesse es natürlich ist, dass es ihrem Unternehmen gut geht und es eine langfristige Perspektive hat. Es sind schließlich ihre Arbeitsplätze.
Und nein, und das will ich hier auch ganz deutlich betonen, betriebliche Mitbestimmung ist im Gesetz keinesfalls eine mögliche Option, es ist kein Nice to have, wie immer wieder gesagt wird: Man kann einen Betriebsrat gründen, es ist ja möglich, und es wäre ein Option. – Nein, es ist ein klar definierter Bestandteil eines Unternehmens. Hier möchte ich mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Gesetz zitieren, Betriebsverfassungsgesetz § 1, Errichtung von Betriebsräten, Satz 1, also wirklich der Start des Gesetzes:
„In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt.“
Ein Betriebsrat gehört in Unternehmen, er ist Bestandteil der Unternehmen. Und doch gibt es teilweise immer wieder erheblichen Widerstand in Chefetagen gegen betriebliche Mitbestimmung aufgrund von Ängsten vor Kontrollverlusten, Beschränkungen und natürlich des absoluten Selbstverständnisses: keiner ist besser als man selbst. – Es ist einfach der Versuch, andere abzuhalten.
Und so ist auch die Entwicklung betrieblicher Mitbestimmung rückläufig. Während 2017 circa 41 Prozent der Betriebe in Deutschland einen Betriebsrat hatten, sind es heute 3 bis 4 Prozent weniger. In Berlin sind es noch mal 5 Prozent weniger. In Start-ups schätzt man die Anzahl von Betriebsräten in Betrieben auf circa 5 Prozent – eine absolute Katastrophe!
Der Widerstand in Geschäftsführungen ist teilweise massiv, mit mehr oder minder verdeckten Drohungen, der Verbreitung von Ängsten und Unsicherheit, falschen Informationen über die Tätigkeit von Betriebsräten. Wenn das alles keine Wirkung erzielt, dann kommt der Vorschlag, doch eine alternative Mitarbeitervertretung zu gründen, nicht auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes mit einklagbaren Rechten, sondern als eine Form des Agreements ohne rechtliche Grundlage oder Absicherung, ohne einklagbare Rechte, als Wohlwollen durch den Arbeitgeber. Ich muss sagen, ich kenne diese Geschichten
nicht nur über Dritte aus deren Erzählungen; als ich selbst einen Betriebsrat mitgegründet habe, ist genau das passiert: Es wurden Unsicherheiten geschürt, Ängste, und es wurde versucht, eine alternative Mitarbeitervertretung zu etablieren; in dem Fall zum Glück aussichtslos. Wir konnten den Betriebsrat gründen.
Umso wichtiger ist es jedoch, dass das Land Berlin hier seine Vorbildfunktion ausfüllt. Es geht um mehr als um ein politisches Zeichen, es geht um gelebte Demokratie, um den Schutz der Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Unternehmen. Der im Betriebsverfassungsgesetz verankerte Betriebsrat ist die legitime Interessenvertretung der Belegschaft und damit auch der Ansprechpartner der Geschäftsführung und nichts anderes.
Genau deshalb nehmen wir auch ein landeseigenes Unternehmen wie die Grün Berlin GmbH in die Pflicht, die nämlich keinen Betriebsrat hat. Das können wir nicht akzeptieren.
Zum Schluss möchte ich mich an dieser Stelle noch bei allen, die sich in Betriebsräten, in Jugendausbildungsvertretungen, in Personalräten und anderen legitimen Gremien engagieren, herzlich bedanken. Ich weiß, wie herausfordernd, wie anstrengend und teilweise zermürbend das ist; aber genau das ist gelebte Demokratie. Daher von dieser Seite herzlichen Dank!
Dann nutze ich kurz die Chance, noch einmal Gäste zu begrüßen, und zwar haben wir eine Gruppe von Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärtern, die sich im Rahmen ihrer Ausbildung an der Polizeiakademie hier im Haus eingefunden haben. – Schön, dass Sie da sind! Danke für Ihre Arbeit für die Stadt Berlin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleich vorab: An der Intention dieser Initiative ist vieles richtig, und es ist auch wirklich gut, mal den Blick darauf zu richten, wie und in welcher Form die Interessen der Beschäftigten bei den Berliner Landesunternehmen vertreten werden. Zwei Grundgedanken halte ich dabei für besonders
wichtig: Zum einen: Ja, Berlin muss Vorbild für Gute Arbeit sein. Gerade in einer Zeit, in der prekäre Beschäftigung um sich greift, in der sich die politische Rechte daran macht, soziale Standards zu schleifen, muss Berlin Standards setzen.
Alle Beschäftigten im Land Berlin haben das Recht auf gute Arbeitsbedingungen, auf geregelte Arbeitszeiten, auf Gleichberechtigung und Schutz von Diskriminierung, auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zum anderen – das haben Sie mit Recht gesagt –: Ein wesentliches Element, um Gute Arbeit zu erreichen und zu sichern, ist die betriebliche Mitbestimmung. Die Beschäftigten müssen mitreden und müssen mitentscheiden, wenn es um ihre Arbeitsbedingungen geht. Dafür brauchen sie eine starke Stimme, einen gewählten Betriebsrat, dem das Betriebsverfassungsgesetz die entscheidenden Rechte gibt, um gute Arbeitsbedingungen, faire Entlohnung und Gesundheitsschutz für jeden Beschäftigten im Unternehmen durchzusetzen. Nur so wird auch die soziale, ökologische und digitale Wende in den Unternehmen gelingen. Das gilt für Landesunternehmen genauso wie für Private.
Überall gilt: In Betrieben, in denen Mitbestimmung gelebt wird, finden Beschäftigte bessere Arbeitsbedingungen vor, und die Arbeit ist regelmäßig auch produktiver und innovativer. Trotzdem wissen wir – auch das haben Sie mit Recht angesprochen –, dass sich viele Arbeitgeberinnen mit Händen und Füßen wehren, wenn ihre Beschäftigen einen Betriebsrat gründen wollen. Kürzlich hat eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergeben, dass jede fünfte Neugründung eines Betriebsrats massiv behindert wird. Ja, die Behinderung kann strafrechtlich verfolgt werden, das schreiben Sie auch in Ihrer Begründung, das geschieht leider oft nicht. Der gesetzliche Schutz der betrieblichen Mitbestimmung ist immer noch viel zu schwach und eine konsequente Verfolgung findet leider immer noch nicht statt.
Aber auch unterhalb der Schwelle von Bedrohung und Einschüchterung haben einige Betriebe schon längst filigranere Methoden entdeckt. Sie installieren dann tatsächlich, teilweise mithilfe hochbezahlter Anwälte, solche selbstgeschaffenen Gremien, sogenannte Mitarbeitervertretungen. Die sehen zwar wie Betriebsräte aus, können aber nicht auf der Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes agieren und die Rechte der Beschäftigen geltend machen.
Es gab das prominente Beispiel des Hasso-PlattnerInstituts, darüber hat der Tagesspiegel berichtet, und es gibt eben auch die Grün Berlin GmbH, laut Eigenbeschreibung ein landeseigenes Unternehmen mit gemeinnütziger Ausrichtung. Die sogenannte Mitarbeitendenvertretung dort ist nun mehrfach Gegenstand parlamentarischer Anfragen gewesen, dankenswerterweise von dem
Kollegen Sven Meyer, auch von meiner Seite. Die Geschäftsführung dort erklärt unentwegt, dass die Bildung dieser Vertretung einvernehmlich und aus freien Stücken erfolgt sei. Die SenMVKU unter Frau Bonde, was ich besonders bemerkenswert finde, bewertet das auch noch ausdrücklich positiv. Tatsache ist aber, dass eine solche Interessensvertretung über keinerlei gesetzliche Rechte verfügt, wie sie ein Betriebsrat hat, um seinen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen und Unternehmensentscheidungen zu sichern.
Deshalb: Ja, diese Praxis wirft Fragen auf. Lassen Sie uns das kritisch hinterfragen, am besten nicht nur mit der Geschäftsführung, sondern auch mit den Beschäftigten dort, aber lassen Sie uns auch einmal allgemein einen Blick auf die Landesbetriebe werfen, wo es zum Teil überhaupt keine Betriebsräte gibt. Sie können ja mal Ihren Kollegen Herrn Schmitz-Grethlein fragen, ob es bei der Tempelhof Projekt GmbH inzwischen einen Betriebsrat gibt. Schauen wir doch einmal nach, also nicht nur bei der Grün Berlin GmbH tut die Gründung eines Betriebsrats not und ist übrigens auch immer noch möglich. Insofern lassen Sie uns da für mehr Mitbestimmung weiter vorangehen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag gibt uns heute die Möglichkeit, sehr umfassend – wir haben es schon in der Debatte erlebt – über die Frage der Mitbestimmung zu diskutieren, uns auszutauschen. Ich will festhalten, das wurde, glaube ich, auch bei den Vorrednern deutlich, dass die Mitbestimmung ein Erfolgsmodell ist. Sie ist ein Erfolgsmodell unserer sozialen Marktwirtschaft. Sie hat auch zu diesem sozialen Wohlstand geführt, den wir in der Bundesrepublik Deutschland über viele Jahrzehnte erlebt haben.
Ich habe dann noch einmal nachgeschaut. Natürlich ist Willy Brandt eine Persönlichkeit, die dort eine bedeutsame Rolle spielt, aber es war Konrad Adenauer, es war die Regierung der Union, die 1951 das MontanMitbestimmungsgesetz auf den Weg brachte und damit die Grundlagen dafür legte, dass auch Arbeitnehmerrechte eine besondere Bedeutung in der Wahrnehmung und vor allen Dingen auch in der Entscheidungsfindung spielen.
Ich als Christdemokrat, der fest davon überzeugt ist, dass wir eine starke Wirtschaft brauchen, plädiere auch immer dafür, dass wir starke Arbeitnehmervertretungen
Wenn es das Interesse gibt – und das sieht man immer bei erfolgreichen Unternehmen, die über viele Jahre erfolgreich sind –, gibt es natürlich einen vernünftigen Ausgleich zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen. Ich will es hier am Tisch auch einmal deutlich sagen: Meine Schwester ist Betriebsrätin, mein Schwager ist Betriebsrat, und ich bin stolz darauf, dass sie Arbeitnehmerinteressen in einem global agierenden erfolgreichen Unternehmen engagiert vertreten, aber auch dort gibt es Diskussionen, die dazu beitragen, mit klaren rechtlichen Rahmenbedingungen, die es notwendig machen, dass es einen Betriebsrat gibt, dass die Interessen vertreten werden und dass es bei kritischen Themen natürlich klare Rechte gibt, die zugewiesen sind. Deswegen dürfen wir es nicht zulassen, dass es alternative Betriebsräte gibt, die keine klaren Rechte haben.