Protokoll der Sitzung vom 21.11.2024

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der AfD]

In der Luft, die wir alle täglich atmen, befinden sich leider zahlreiche Schadstoffe, gerade in der Stadt: Feinstaub, Ozon, Stickoxide, Ruß. Die Auswirkungen auf

unsere Gesundheit sind erschreckend. Sie schädigen Herz, Lunge, Immunsystem. Sie führen zu Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Problemen, Erschöpfung und psychischen Erkrankungen. Die Liste ist lang, und die Wissenschaft liefert immer mehr Belege für die schädlichen Folgen der Luftverschmutzung, also ein Grund zu handeln!

Nicht zu handeln, wäre übrigens auch zutiefst unsozial. Die Luftverschmutzung betrifft alle, doch ältere Menschen, Kinder, Schwangere und Menschen mit Vorerkrankungen sind besonders gefährdet. Menschen mit geringerem Einkommen sind oft gezwungen, in stärker belasteten Gebieten zu leben und atmen schlechtere Luft ein. Ein Blick in den Umweltgerechtigkeitsatlas der Umweltverwaltung reicht, um das zu erkennen. Deswegen gibt es auch eine Richtlinie der EU, die sagt, welche Grenzwerte höchstens erreicht werden dürfen und ab wann Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Menschen zu schützen. Diese Richtlinie wurde gerade novelliert. Die Grenzwerte wurden verschärft, nicht zum Spaß, sondern weil es notwendig ist.

Auch für Berlin heißt das, dass wir Maßnahmen nicht abwickeln, sondern zusätzliche ergreifen müssen. Aber was macht der schwarz-rote Senat? Er streicht erfolgreiche Maßnahmen aus dem Luftreinhalteplan und orientiert sich an veralteten Grenzwerten. Er schützt die Berlinerinnen und Berliner nicht – Pustekuchen! Denn wir wissen auch: lediglich die Grenzwerte einhalten reicht nicht. Diese Grenzwerte sind ein politischer Kompromiss, keine Gesundheitsgarantie. Das Ziel soll es sein, nicht nur die Grenzwerte einzuhalten. Das Ziel ist, die bestmögliche Luftqualität zu erreichen. Wir brauchen frische Luft zum Atmen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Saubere Luft ist essenziell für die Gesundheit von Mensch und Tier, für soziale Gerechtigkeit und eine lebenswerte Stadt. Der Senatsentwurf des Luftreinhalteplans wird diesen Ansprüchen leider nicht gerecht. Es ist ein eklatanter Rückschritt. Die gute Nachricht ist aber: Die Maßnahmen liegen auf der Hand, und auch die Umweltverbände unterstützen sie. Da ist einmal Verkehr als größter Emittent. Da ist klar, da müssen wir ran. Und deswegen fordern wir mehr statt weniger Tempo 30 auf Hauptstraßen. Wir fordern Kiezblocks, die Entwicklung hin zu einer Zero-Emission-Zone, die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung und die Elektrifizierung der Fahrzeugflotten. Da ist einiges zu tun. Weil Natur und Grünflächen helfen, die Luft rein zu halten, besonders in mehrfachbelasteten Gebieten, begrüßen wir den Baum Entscheid. – Vielen Dank für Ihr Engagement!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

(Carsten Schatz)

Wir brauchen für saubere Luft auch mehr Grün für Berlin. Fassaden und Dächer sollen begrünt werden, Oberflächen entsiegelt.

Ein weiterer Punkt: Silvester steht vor der Tür, gucken Sie sich mal die Feinstaubbelastungen in und nach der Silvesternacht an! Die sind für Menschen mit Asthma einfach nicht zu ertragen. Privates Feuerwerk zu Silvester erhöht die Schadstoffbelastung in der Luft enorm, auch deswegen muss es eingeschränkt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Was Berlin braucht und die Berlinerinnen und Berliner brauchen, sind ein ambitionierter, rechtskonformer Luftreinhalteplan und eine umfassende Strategie für die Luftreinhaltung in der Zukunft, die sich an den höchsten Standards orientieren. Das wäre ein wichtiger Schritt nach vorn. Die Maßnahmen – ich habe es gerade gesagt – liegen auf der Hand. Allein Europa vermeldet jährlich etwa 200 000 Fälle von Asthma im Kindesalter aufgrund verkehrsbedingter Luftverschmutzung. Das können Sie doch nicht wollen! Deswegen fordern wir Sie auf: Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, überarbeiten Sie den Luftreinhalteplan, und setzen Sie die Maßnahmen endlich um!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Dann folgt für die CDU-Fraktion der Kollege Freymark.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Schneider, vielen Dank! Im Grundsatz finde ich es immer gut, wenn man sich die Mühe macht, als Parlamentarier Dinge aufzuschreiben, die man gern verändern will, die man verbessern will. Ich glaube, das ist ja auch der richtige Ort, hier im Berliner Abgeordnetenhaus, Vorschläge einzubringen und gemeinsam zu diskutieren.

Jetzt haben Sie sich bei dem Redebeitrag dazu hinreißen lassen, zum Beispiel zu sagen, dass Sie den BaumEntscheid begrüßen. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist – Sie haben ja bis vor anderthalb Jahren hier auch die Regierungsverantwortung getragen –: Dieser BaumEntscheid ist kein Entscheid gegen CDU oder SPD, sondern der existiert ganz wesentlich deswegen, weil Sie das alles liegen gelassen haben, weil Sie das nicht gemacht haben. Wir haben hier heute auch harte, teilweise schwierige Diskussionen zum Haushalt erlebt. Wenn Sie den BaumEntscheid ernst nehmen, dann steht da drin, dass Sie pro Jahr 500 Millionen Euro generieren müssten, um Bäume zu pflanzen. Welche 500 Millionen Euro sind das bei Ihnen? Sie haben ja die Möglichkeit zur Zwischenbemerkung nach meinem Redebeitrag. Ich lade Sie dazu

aktiv ein. Sagen Sie uns doch bitte mal, wo die 500 Millionen Euro – Stand jetzt – herkommen sollen, was Sie gern einsparen würden in einer Stadt, die wir so von Ihnen übernommen haben, dass wir sie erst mal wieder in Ordnung bringen müssen und einen Haushalt sanieren mussten, was uns viele Wochen gekostet hat? Aber wir haben es gemacht, und wir haben es gern gemacht, aus Überzeugung.

Zu Ihrem eigentlichen Anliegen des Antrages: Ich habe das gelesen: Erster Punkt gegen das Auto, zweiter Punkt gegen das Auto, dritter Punkt gegen das Auto, vierter Punkt gegen das Auto.

[Vasili Franco (GRÜNE): Da haben Sie nicht zugehört!]

Ich habe gelesen und zugehört, Herr Kollege. – Ich stelle einfach fest: Sie haben eigentlich aus dem, was Ihnen widerfahren ist, nichts gelernt. Die Menschen wollen nicht auf diese Art und Weise bevormundet werden. Es ist schlichtweg falsch, das Gehör nicht bei denen zu haben, die davon betroffen wären. Kommen Sie einmal nach Hohenschönhausen oder Lichtenberg, MarzahnHellersdorf, Pankow oder Spandau! Da sehe ich Sie überall nicht so wahnsinnig aktiv.

[Vasili Franco (GRÜNE): Schlechte Luft? – Vollkommen okay!]

Sprechen Sie mal mit den Menschen, ob die von heute auf morgen ihr Auto stehen lassen können. Sie erwecken ja politisch nicht nur heute den Eindruck, dass wir immer in der gleichen Situation wären, nämlich der Verkehrssektor 90 Prozent des CO₂ ausstoßen würde. Die Wahrheit ist: Es geht um die Energieerzeugung und den Gebäudebereich. Beim Verkehrssektor haben wir die geringsten Möglichkeiten der Einsparung. Und da, wo wir diese Verantwortung wahrnehmen, versuchen wir, das mit Maß und Mitte und auch unter Berücksichtigung sozialer Bedürfnisse der Leute zu tun. Ihr Antrag grenzt die aus, die wir nicht ausgrenzen wollen. Das ist ein wichtiger Unterschied, ein ganz wichtiger Unterschied.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Herr Kollege! Möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schneider aus der Grünen-Fraktion zulassen?

Ja, natürlich, immer gerne!

Vielen Dank, Herr Präsident! ‒ Herr Freymark, vielen Dank für Ihre Gedanken. Ich habe mich gefragt, ob Sie gelesen hatten, worum es in dem Antrag geht. Es geht ja um Luftreinhaltung, nicht um CO2-Einsparungen.

[Beifall von Robert Eschricht (AfD)]

Sie wissen: Verkehr bedeutet, es bewegt sich etwas auf der Straße vorwärts. Das produziert zum Beispiel auch Reifenabrieb; das ist auch so ein Thema. CO2 ist also ein Punkt; es geht in dem Fall aber um Luftreinhaltung. Ist Ihnen das bewusst, und wissen Sie übrigens, dass mein Wahlkreis in Pankow liegt und ich durchaus häufiger mit Menschen vor Ort spreche? Dritte Frage ‒

Nein, eine dritte Frage gibt es nicht.

Darf ich nicht?

Nein, das Fragezeichen ist gemacht.

Schade! Dann melde ich mich noch mal. Danke!

[Beifall von Vasili Franco (GRÜNE)]

Bitte schön, Herr Kollege Freymark! Sie haben die Gelegenheit zur Antwort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Tatsächlich kenne ich ja die Geschäftsordnung auch ein bisschen. Man kann sich ja, glaube ich, ein zweites Mal melden. Das sei dann also in Aussicht gestellt. ‒ Vielen Dank für die Hinweise! Ich glaube, ich habe Ihren Antrag so intensiv gelesen, dass ich mir auch erlaubt habe, eine Interpretation vorzunehmen.

[Zurufe von den GRÜNEN: Ah!]

Und da ich die Arbeit der Grünenfraktion ja seit einigen Jahren wertschätzend begleiten darf, stelle ich einfach für mich ‒ und, ich glaube, auch im Namen der CDUFraktion ‒ fest, dass Sie des Öfteren über den PkwVerkehr versuchen, Reglementierungen vorzunehmen, die mindestens die Hälfte dieser Stadt ausgrenzen. Die bittere Erfahrung haben Sie ja auch im Hinblick auf Wahlresultate gemacht, und deswegen versuche ich eben, an dieser Stelle beim CO2 schon mal aufzuklären.

Beim Thema Luftreinhaltung und der Frage der Umweltgerechtigkeit haben wir natürlich massiv Vorsorge zu betreiben, de facto aber auch Nachsorge ‒ Nachsorge auch nach Ihrer Tätigkeit. Das Budget im Bereich Umwelt- und Klimaschutz hatte sich nicht annähernd so gut entwickelt wie andere Budgets. Sie haben eben nicht

Vorsorge geleistet mit Fassaden- oder Dachbegrünung, Sie haben nicht renaturiert, Sie haben sich nicht um die Kleinstgewässer gekümmert. Das heißt, wir müssen jetzt Stück für Stück ‒ mit unserer Art, Politik zu machen ‒ das aufräumen, was Sie nicht nur liegen lassen haben, sondern teilweise auch angerichtet haben. Wir machen das gerne, aber das ist eben der Unterschied.

[Zurufe von Ario Ebrahimpour Mirzaie (GRÜNE) und Vasili Franco (GRÜNE)]

Vielleicht ein letzter Gedanke zu Ihrem Antrag: Wir werden ihn ja sehr sicher im Fachausschuss diskutieren,

[Ario Ebrahimpour Mirzaie (GRÜNE): Klimaschutz wird doch weggekürzt!]

aber so sicher, wie wir ihn im Fachausschuss diskutieren werden, werden wir ihn auch ablehnen. ‒ Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU ‒ Ario Ebrahimpour Mirzaie (GRÜNE): Heuchelei!]

Dann hat für die Linksfraktion die Kollegin Gennburg das Wort!

[Ario Ebrahimpour Mirzaie (GRÜNE): Die Kürzungen im Klimaschutz haben Sie mitbekommen? ‒ Danny Freymark (CDU): Was habe ich? ‒ Vasili Franco (GRÜNE): Hat er nicht! ‒ Danny Freymark (CDU): Einmal auf den Knopf drücken!]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute zum Antrag der Grünen zum Thema Luftreinhalteplan, und wir begrüßen das erst mal sehr, dass die Grünen das Thema auf die politische Tagesordnung setzen, denn es ist eben nicht so, wie die CDU hier glauben macht, dass das alles irgendwie der Markt organisiert oder sich das Problem wegverdünnisiert. Es ist schon so, dass das wirklich bitter ist.

Ich selbst wohne in der Nähe einer sehr großen Straße, Herr Freymark, und es ist wirklich krass, dass Sie sich hier hinstellen und so tun, als sei es total egal, dass Ihre Senatorin jetzt das Tempolimit hochgesetzt hat und dass wir wieder weg sind von Tempo 30, obwohl es nachweislich einen Riesenunterschied macht, ob an den großen Straßen Tempo 30 oder Tempo 50 ist.

[Beifall von Elke Breitenbach (LINKE), Ario Ebrahimpour Mirzaie (GRÜNE) und Vasili Franco (GRÜNE)]