Protokoll der Sitzung vom 21.11.2024

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN]

Am Dienstag wurde das Lagebild zu den geschlechtsspezifischen Straftaten gegen Frauen präsentiert. Die Fakten sprechen für sich: Fast jeden Tag wird ein Femizid in unserem Land verzeichnet, alle drei Minuten erfährt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt, und mehr als 140 werden täglich Opfer von Sexualstraftaten – eine ernüchternde Realität. Leider gibt es nicht die eine Maßnahme, um Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu stoppen. Wir müssen die Opfer schützen, gleichzeitig entschiedener gegen die Täter vorgehen, Präventionsarbeit leisten und unbedingt die Perspektive der Betroffenen miteinbeziehen. Deshalb ist es absolut richtig, den Opfern, wie in diesen beiden Anträgen gefordert, eine Stimme zu geben.

Uns als Koalition ist es wichtig, nicht nur zuzuhören, sondern die Erfahrungen und Perspektiven der Betroffenen systematisch in die Umsetzung des Landesaktionsplans zur Umsetzung der Istanbul-Konvention einzubeziehen. Wir wollen Doppelstrukturen vermeiden und vorhandene Netzwerke und Expertisen nutzen. Ein kontinuierlicher Dialog zwischen Verwaltung, Fachkräften und Betroffenen wird dabei entscheidend sein. Und: Wir müssen das Bild vom klassischen, hilflosen Opfer, das wir alle im Kopf haben, ändern. Viele Frauen sind nicht nur passiv oder machtlos, sie sind Expertinnen in eigener Sache. Ihre Expertise wird das bestehende Hilfesystem stärken.

Der Antrag der Opposition fordert allerdings eher einen Betroffenenbeirat, der eine Kontrollinstanz sein soll, die

(Anne Helm)

primär auf die Begleitung und Bewertung bestehender Maßnahmen fokussiert ist. Wir setzen auf ein aktives Begleitgremium, das nicht nur bewertet, Berichte sammelt oder Stellungnahmen veröffentlicht, sondern auf eines, das den direkten Einfluss der Betroffenen gewährleistet. Ihre Expertise kann nicht nur das bestehende Hilfesystem stärken, sondern es wird sie auch selbst stärken. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN]

Für die AfD-Fraktion hat die Kollegin Auricht das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist die traurige Realität: Gewalt an Frauen und Mädchen nimmt zu. Wir haben die schrecklichen Zahlen alle gehört oder gelesen. Die Zahlen zeigen: Wir haben nicht nur ein Problem, wir haben eine humanitäre und gesellschaftliche Krise, die entschlossenes Handeln endlich einfordert. Betroffene Frauen brauchen jetzt klare Antworten und entschlossenes Handeln, und natürlich brauchen sie eine Stimme. Sie müssen natürlich als Betroffene miteinbezogen werden als Experten; das ist doch selbstverständlich.

Ich kann den Antrag der Grünen und der Linken auch in anderer Weise noch nachvollziehen. Ich frage mich auch manchmal, was der Senat unternimmt. Wir haben ja nun schon viel von dem Landesaktionsplan gehört, aber es würde mich natürlich auch interessieren, inwieweit die Umsetzung da fortgeschritten ist. Von daher verstehe ich den Antrag natürlich auch.

Aber, liebe Linke, liebe Grüne, der Antrag fordert die Einrichtung eines Betroffenenbeirats, und zwar mit zehn Personen, die verschiedene Formen geschlechtsspezifischer Gewalt erlebt haben, aus unterschiedlichen Generationen, Milieus und mit unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen. – Warum wieder diese Fixierung auf die Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen statt auf Menschen, die wirklich aus ihren Erfahrungen als Betroffene etwas beitragen können?

[Beifall bei der AfD]

Dieser Ansatz erweckt den Eindruck, dass es wieder mehr um politische Symbolik geht als um echte Problemlösungen. Wir brauchen doch keine Opferauswahl nach Quoten. Wenn Sie wirklich was bewirken wollen, dann konzentrieren Sie sich doch endlich mal darauf, die Forderungen und Maßnahmen konzentriert und effektiv umzusetzen, damit wir die Frauen und Mädchen wirklich endlich besser schützen können. Alles andere führt doch nur dazu, dass wertvolle Ressourcen in der Bürokratie versanden.

Darüber hinaus haben wir bereits eine Vielzahl von Beiräten, Arbeitsgemeinschaften und Runden Tischen, und trotzdem bleiben die Fortschritte aus. Das muss Ihnen doch auch mal zu denken geben. Übrigens, der letzte mir bekannte, dokumentierte frauenpolitische Beirat tagte im Jahr 2019. Ich frage mich manchmal, welche Funktion diese Gremien überhaupt haben. Welche Rolle spielt eigentlich dieses Parlament? Es sollte doch unsere Aufgabe sein, den Senat zu kontrollieren, Ergebnisse zu prüfen und sicherzustellen, dass Maßnahmen wie diese 134 Schritte des Landesplans tatsächlich umgesetzt werden. Dieser Beirat entbindet uns doch wohl nicht von der Verantwortung.

Wir brauchen keine weiteren ideologischen Konstrukte, sondern endlich klare, praktische Schritte, eine effektive Strafverfolgung, Präventionsarbeit, die in die Schulen, die Familien und die Gesellschaft hineinwirken. Wir brauchen eine gute und veritable Datenlage. Wir brauchen eine verbesserte Vernetzung aller Akteure, ausreichend Ressourcen für Frauenhäuser und Beratungsstellen, und wir müssen natürlich auch konsequent ausländische Straftäter abschieben.

[Beifall bei der AfD]

Ein weiteres Gremium, das aufwendig besetzt wird, kann uns doch nicht wirklich weiterhelfen. Das ist so ähnlich wie die Forderung der Grünen nach dem U-Bahn-Wagen nur für Frauen. Das ist vielleicht gut gemeint, aber völlig am Ziel vorbei.

Zum Änderungsantrag der Koalition, der nicht so viele Änderungen beinhaltet: Sie nennen das Gremium halt ein bisschen anders, nicht Betroffenenbeirat, sondern Begleitgremium. Sie wollen es nicht als Kontrollgremium, sondern als Expertenrat. Und sie wollen natürlich auch die Betroffenen mit einbeziehen, aber der Senat hat doch die Möglichkeit, Betroffenenperspektiven eigenständig einzubeziehen, wenn er klare Strukturen und Prozesse schaffen würde. Stattdessen setzen Sie jetzt alle zusammen wieder auf ein formelles Gremium, das zwar symbolisch gut wirkt, aber offenlässt, wie viel Wille und Verantwortung von wem wahrgenommen wird. Vielleicht überzeugen mich noch die Beratungen im Ausschuss. Ich werde mal sehen.

Ich denke, Frauen und Mädchen, die von Gewalt betroffen sind, verdienen keine Symbolpolitik. Sie verdienen Schutz, Sicherheit und Unterstützung. Da sind wir uns hoffentlich alle in diesem Haus einig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags und des Änderungsantrags an den Ausschuss für Integration, Frauen und

(Mirjam Golm)

Gleichstellung, Vielfalt und Antidiskriminierung. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 50 war die Priorität der Fraktion Die Linke unter der Nummer 3.3. Die Tagessordnungspunkte 50 A und B wurden in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 14 behandelt.

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Die nächste Plenarsitzung findet am Donnerstag, dem 5. Dezember 2024, um 10 Uhr statt. Die Sitzung ist geschlossen.

[Schluss der Sitzung: 18.43 Uhr]

(Vizepräsident Dennis Buchner)

Anlage 1

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 16:

Veräußerungsverbot von Berliner Liegenschaften aufrechterhalten – Verkauf des Stölpchenwegs 41 aussetzen

Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 4. September 2024 Drucksache 19/1879

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 19/1801

vertagt

Lfd. Nr. 17:

Bundesweiter Abschiebestopp für Êzîd*innen und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen und humanitären Gründen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 23. September 2024 Drucksache 19/1915

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 19/1486

vertagt

Lfd. Nr. 18:

Regierungszugriff auf die politische Bildung verhindern! – Unabhängigkeit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung erhalten!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 10. Oktober 2024 Drucksache 19/1971

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 19/1905

vertagt

Lfd. Nr. 19:

Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt

Beschlussempfehlung des Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien vom 16. Oktober 2024 Drucksache 19/1982

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 19/1413

vertagt

Lfd. Nr. 20: