Protokoll der Sitzung vom 13.03.2025

Das könnte jetzt beendet werden. Wir haben Megabedarfe bei Klimaschutz, bei Verkehrswegen, bei Schulen, sozialer Infrastruktur, beim Umbau der Energieversorgung. Der Regierende Bürgermeister sagt dazu, Zitat:

„Ohne Investitionen bröckeln nicht nur unsere Straßen, Schienen und Schulen, ohne Investitionen bröckelt die Zukunft unseres Landes.“

Recht hat er. Investitionen in die Energiewende, in den klimagerechten Umbau der Infrastruktur, der Gebäude und des Verkehrs, aber auch der Wirtschaft sind ohne Kreditaufnahmen nicht zu finanzieren. Und zudem: Wer hier auf öffentliche Investitionen verzichtet, sorgt dafür, dass es die Bevölkerung über die Preise bezahlt. Wenn wir den klimagerechten Umbau der Energieversorgung, des Gebäudebestandes und des öffentlichen Verkehrs nicht mit öffentlichen Investitionen unterstützen, dann zahlt es die Bevölkerung eben über Energiekosten, über Mieten, über Fahrpreise.

[Thorsten Weiß (AfD): Oder gar nicht, wenn man darauf verzichtet!]

Das würde zu riesigen Belastungen und zu immensen Ungerechtigkeiten führen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ja, die Reform der Schuldenbremse ist auch und vor allem eine soziale Frage, und sie ist der Schlüssel zu einer klimagerechten Politik. Verzichten wir auf ihre grundlegende Reform, könnte dem Eindruck vieler, der klimagerechte Umbau der Gesellschaft sei vor allem ihr privates Risiko, nichts entgegengesetzt werden. Das müssen wir aber, denn diese Verunsicherung ist ein wichtiger Grund für Rechtsruck und demokratiegefährdende Tendenzen in unserer Gesellschaft.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Da können und müssen wir jetzt handeln. Vor diesem Hintergrund reicht das, was im Bundestag vorliegt, bei weitem nicht aus. Die Ausnahme für Verteidigungsausgaben, ja nicht für die Ukrainehilfen, löst das Infrastrukturproblem nicht. Das Sondervermögen ändert am Prinzip nichts und springt deswegen zu kurz, zumal für die Länder. Wenn Sie hier im Übrigen nachverhandeln wollen, dann frage ich doch mal – werte Koalition, werter Regierender Bürgermeister –, in welchem Verfahren denn, im Bundesrat? Wird es dort Einwände geben? Wird es dort eine Beschlussfassung geben? Wird es dort einen Anruf eines Vermittlungsausschusses geben? Wollen Sie da etwas ändern? Wie wollen Sie das machen? Darüber werden Sie hier jetzt mal Rechenschaft ablegen müssen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Bei der Länderregelung scheinen wir jetzt etwas klarer zu sehen. Es scheint so zu sein, dass die Länder nicht direkt

draufzahlen müssen. Das wird dann sicher durch sozial ungerechte Steuergeschenke später im Koalitionsvertrag passieren. Was jetzt hier vorliegt, reicht nicht aus. Wir brauchen eine substanzielle Reform der Schuldenbremse. Aber da ist Dynamik drin. Dass Friedrich Merz jetzt das Gegenteil von dem macht, was bisher sein Reden und Handeln bestimmt hat, zeigt doch vor allem: Er ist in Bewegung. Warum soll denn diese Bewegung zu Ende sein? Soll sie zu Ende sein, nur weil sich zwei Parteien geeinigt haben, die noch nicht einmal die erforderliche Mehrheit besitzen? Nein, damit können wir uns nicht zufrieden geben. Die Frage ist: Geben wir uns damit zufrieden? Denn mit dem jetzigen Vorschlag – sorry to say: Das gilt auch einschließlich der Änderungsanträge der Grünen – und dem bisherigen Verfahren rückt eine substanzielle Reform in weite Ferne. Nichts anderes ist doch realistisch. Kommt das jetzt durch, wird es in dieser Wahlperiode beziehungsweise in der nächsten des Bundestages keine weitere Reform geben. Da ist die Frage: Was ist da die Rolle der SPD? Da müssen Sie sich schon fragen lassen: Wollen Sie die Schuldenbremse nur so weit reformieren, dass sie erhalten bleiben kann? Soll das die Rolle sein, die Lordsiegelbewahrerin der Schuldenbremse, liebe SPD? Ist Ihnen das so wichtig, dass Sie dafür das fragwürdige Verfahren im alten Bundestag in Kauf nehmen?

[Zuruf von Derya Çağlar (SPD)]

Die Eilbedürftigkeit ist doch kein Argument. Natürlich kann man sich jetzt sofort auch über eine Reform im neuen Bundestag verständigen. Aber wir sind ja zum Glück, was die Diskussion in Berlin betrifft, weiter. Alle demokratischen Parteien hier im Haus sehen Reformbedarf weit über das hinaus, was jetzt im Verfahren ist. Wenn ich den Regierenden Bürgermeister richtig verstanden habe, könnten wir uns unter den demokratischen Fraktionen recht schnell auf die Goldene Regel einigen, also darauf, dass die Neuverschuldung grundsätzlich auf die Höhe der Investitionen beschränkt wird.

[Anne Helm (LINKE): Das wäre gut!]

Aber wenn das so ist, haben wir hier die politische Verantwortung, das auch wirksam werden zu lassen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Bahar Haghanipour (GRÜNE) und André Schulze (GRÜNE)]

Geraune reicht jetzt nicht mehr aus. Das gilt natürlich für alle hier im Haus, für die SPD, für die Grünen und vor allem aber für diejenigen, die die Interessen der Berlinerinnen und Berliner im Bundesrat vertreten, also vor allem für Sie, Herr Regierender Bürgermeister. Solange die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag in dieser Frage festgenagelt erschienen, war es ärgerlich, wenn der Positionierung nichts Ernsthaftes folgte. Aber jetzt, wo es tatsächlich Bewegung gibt, eine offene Situation, jetzt muss gehandelt werden. Wird dies unterlassen, ist es nicht mehr nur ärgerlich, es ist mit Blick auf die Interessen der Berlinerinnen und Berliner verantwortungslos.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Bahar Haghanipour (GRÜNE), André Schulze (GRÜNE) und Julian Schwarze (GRÜNE)]

Es ist auch verantwortungslos gemessen an Ihrer eigenen inhaltlichen Positionierung. Merz ist in Bewegung. Die FDP ist raus.

[Beifall von Robert Eschricht (AfD)]

Im Bundesrat kommt es auf jede Stimme an bei der Frage, ob die Reform abgebrochen wird oder weitergeht. Es kommt auch auf Berlin an, sehr dezidiert.

Wir haben dazu einen Antrag eingereicht, wo Sie sich hätten positionieren können. Sie werden diese Chance heute verstreichen lassen, über unseren Antrag abzustimmen. Aber das kann Sie und darf Sie nicht daran hindern, sich zu positionieren. Positionieren Sie sich und handeln Sie. Handeln Sie im Sinne einer substanziellen Reform der Schuldenbremse, oder, Herr Regierender Bürgermeister, Sie zelebrieren weiter Ihre innerparteiliche Einflusslosigkeit, und das kann ja niemand wollen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für den Senat spricht jetzt der Senator für Finanzen. – Bitte sehr, Herr Senator Evers.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Stück weit kommt mir zu kurz in der Debatte, die wir hier bisher erlebt haben, dass dem Grunde nach über Staatsverschuldung immer nur als letztes Mittel gesprochen werden sollte und gesprochen werden darf. Es ist niemals das erste Mittel, denn es ist niemals ein leichter Weg, niemals eine leichte Entscheidung, die damit verbunden wird, denn es geht um Zukunftslasten.

Aber: Es gibt Augenblicke in der Geschichte, in denen sich Zeit, in denen sich Entscheidungsbedarf verdichtet. Es gibt Zeiten, in denen sich binnen weniger Jahre, binnen weniger Monate, manchmal binnen Wochen oder Tagen Entwicklungen, Ereignisse, Entscheidungen Bahn brechen wie sonst in Jahrzehnten. Ich glaube, wir teilen alle miteinander den Eindruck, dass wir in genau solchen Zeiten leben und miteinander politische Verantwortung tragen.

Olaf Scholz hat in seiner berühmt gewordenen Rede nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Deutschen Bundestag von einer Zeitenwende gesprochen. Das war lediglich auf dieses Ereignis bezogen. Und wenn wir uns

(Steffen Zillich)

ein Bild davon verschaffen, was sich seitdem schon wieder um uns herum ereignet hat, dann muss man, glaube ich, weitergehen. Ich persönlich erlaube mir, an der Stelle von einem Epochenbruch zu sprechen, in dem wir leben.

Die Nachkriegszeit hat in vielerlei Hinsicht geendet, und das findet seinen Ausdruck auch in Wahlergebnissen. Das Ergebnis der Bundestagswahl, das steht uns deutlich vor Augen, und es dokumentiert diesen Epochenbruch. Über 20 Prozent der Sitze im Deutschen Bundestag entfallen auf eine teils rechtsextremistische Partei. Wer außer einer Handvoll Neonazis hätte das vor zehn Jahren für möglich gehalten?

[Alexander Bertram (AfD): Die CDU!]

Der rasante Vertrauensverlust in unsere Demokratie, in demokratische Institutionen, in den Staat an sich,

[Zuruf von Elif Eralp (LINKE)]

er wurde am 23. Februar für uns alle eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht. Deswegen konnte man am Wahlabend auch vor allem in nachdenkliche Gesichter schauen. Das war nicht Jubelstimmung allüberall ob eines aus meiner Sicht durchaus gebotenen Regierungswechsels. Aber – das mag von Partei zu Partei unterschiedlich empfunden worden sein – Nachdenklichkeit war es vor allem über dieses Wahlergebnis.

Die Gründe dafür sind vielfältig.

[Zuruf von Elif Eralp (LINKE)]

Die Welt um uns herum ist längst nicht mehr die, in der wir uns über die Nachkriegsjahre und -jahrzehnte so bequem eingerichtet haben. Geopolitische Verwerfungen, Spannungen haben an Dynamik gewonnen, und ich glaube, die zunehmende Abwendung der USA von Europa bringen das eindrucksvoll zum Ausdruck. Die Gleichzeitigkeit von immer größeren Krisen bedroht den Wohlstand der traditionellen Industrienationen und setzt übrigens weltweit, nicht nur bei uns, Demokratien unter Druck.

Einige hier im Saal waren im vergangenen Monat dabei, als im Berliner Dom der Staatsakt für den verstorbenen Bundespräsidenten Horst Köhler stattfand. Er war ein guter Bundespräsident, ein guter Mensch vor allem, aber auch ein brillanter Kopf und Ökonom, der historische Weichenstellungen der deutschen und europäischen Geschichte miterlebt und auch mitgeprägt hat, die Wirtschafts- und Währungsunion, die deutsche Wiedervereinigung. All das trägt durchaus auch seine Handschrift.

Deswegen muss man ernst nehmen, was bei diesem Staatsakt Theo Waigel zitierte aus seinem letzten persönlichen Gespräch mit seinem Freund Horst Köhler, das wenige Wochen zuvor stattgefunden hatte. Die Analyse, die Mahnung Horst Köhlers zu unserer Zeit war: Wir stehen in der größten Krise der Nachkriegsgeschichte, und wir sind nicht darauf vorbereitet.

Die Veränderungen, die Verwerfungen in der Welt um uns herum, die setzen die Rahmenbedingungen, unter denen wir auch in Berlin Politik gestalten.

[Thorsten Weiß (AfD): Wer hat sie verursacht?]

Auch wir stehen unter Druck, mit dem wir umgehen müssen, ökonomischem Druck, ökologischem Druck, fiskalischem Druck, demografischem Druck, bürokratischem Druck – suchen Sie es sich nach Belieben aus.

Ich will nicht verschweigen, dass viel von diesem Druck durchaus hausgemacht ist, dass alle Regierungen und regierenden Parteien der vergangenen Jahre und Jahrzehnte ihren Anteil daran haben. Umso größer ist aber auch die gemeinsame Verantwortung, jetzt die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Meine Damen und Herren aus der eher rechten Ecke! Sie behaupten heute, der Senat verkaufe diese Zukunft.

[Zuruf von der AfD: Ja!]

So ist die Aktuelle Stunde überschrieben. Mit Verlaub, da hängen Sie ein paar Jahrzehnte hinterher. Ja, es gab einen Ausverkauf Berlins; der ist aber eher Anfang der Zweitausenderjahre zu verorten.

[Beifall von Dr. Turgut Altuğ (GRÜNE)]

Das war ein anderer Finanzsenator, eine andere Koalition – auch damals ging es um die Konsolidierung eines notleidenden Haushalts –, doch unter den Folgen leidet Berlin bis heute.

[Anne Helm (LINKE): Das stimmt!]