Protokoll der Sitzung vom 13.03.2025

[Anne Helm (LINKE): Das stimmt!]

Deswegen wollen und werden wir diesem Beispiel der damaligen Zeit nicht nacheifern. Es wird keinen Ausverkauf geben.

[Anne Helm (LINKE): Hört, hört!]

Sie haben natürlich recht: Berlin gibt mehr aus, als es einnimmt. Sonst hätten wir nicht die Aufgabe, vor der wir stehen. Es gibt mehr aus, als es sich leisten kann, und das schon viel zu lange. Wir könnten uns jetzt gegenseitig lange die Schuld dafür in die Schuhe schieben; dafür fehlt mir die Zeit.

Wir haben den Auftrag angenommen, diesen Haushalt nach der Explosion der Staatsausgaben in den letzten Jahren wieder in Ordnung zu bringen – aber nicht mit dem großen Knall, den Sie sich wünschen, den Sie ja geradezu herbeisehnen. Sie wollen die sozialen Härten. Sie wollen, dass wir soziale Leitplanken durchbrechen,

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Nein! – Robert Eschricht (AfD): Das haben Sie doch schon längst! Ihre Massenmigration ist genau das!]

damit gerade Sie mit Ihren Parolen noch weiteren Aufwind bekommen. Das wird aber nicht geschehen. Wir

(Bürgermeister Stefan Evers)

werden konsolidieren, aber wir werden auch weiter investieren, und wir werden konsolidieren innerhalb sozialer Leitplanken. Denn diesen Dreiklang braucht es.

[Beifall bei der CDU]

Das heißt nicht, dass der Weg zum strukturell ausgeglichenen Haushalt nicht ein schmerzhafter ist. Sie tun ja gerade so, als würden wir die eine Säule, Konsolidierung, außer Acht lassen. Mit Verlaub, wo leben Sie denn?

[Zuruf von Thorsten Weiß (AfD)]

Haben Sie im letzten Jahr durchgeschlafen? Haben Sie jede Debatte in diesem Haus verpasst? Wir diskutieren gefühlt über nichts anderes mehr als über Konsolidierungsentscheidungen! Wer behauptet, dass diese Koalition sich um Konsolidierung drückt, der ist für Realität nicht mehr empfänglich.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Turgut Altuğ (GRÜNE) – Zuruf von Dr. Kristin Brinker (AfD)]

Trotz aller Not und Notwendigkeit dieser Konsolidierung verlieren wir aber nicht aus dem Blick, was es auch braucht, und das sind Investitionen in den Erhalt und die Stärkung unserer Zukunftsfähigkeit. Das bedeutet Rücksichtnahme auf das, was ich soziale Leitplanken nenne. Auch wir haben Gewähr dafür zu tragen, dass der soziale Zusammenhalt in dieser Stadt auch schwierige Zeiten, Zeiten der Konsolidierung übersteht.

[Zuruf von Carsten Ubbelohde (AfD)]

Denn ansonsten fänden Generationen nach uns anderes als finanzielle Lasten vor – sie fänden ein zertrümmertes Gemeinwesen vor. Davon mögen Kräfte wie Sie profitieren, aber wir werden uns mit aller Kraft dagegen stemmen, und das aus gutem Grund.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Steffen Zillich (LINKE) – Thorsten Weiß (AfD): Wir profitieren von Ihrer schlechten Politik!]

Die Konsolidierungsentscheidungen, die wir miteinander zu treffen haben, sind hart, und es wird weitere geben müssen; auch das will niemand hier leugnen. Schauen Sie in die Gesichter der versammelten Senatsmitglieder, die alle für sich gerade dabei sind, die Frage zu beantworten, wie sie unter immer engeren fiskalischen Rahmenbedingungen ihre Haushalte gestalten sollen. Das macht keinen Spaß. Es macht aber genauso wenig Spaß, und es ist genauso wenig einfach, will ich denjenigen sagen, die so leidenschaftlich über die Abschaffung der Schuldenbremse und ihre Lockerung diskutieren,

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Schulden in der Dimension aufzunehmen, über die wir hier zwangsläufig diskutieren müssen.

[Tobias Schulze (LINKE): Stimmt! Man braucht noch eine Vermögensteuer zur Gegenfinanzierung!]

Wir tun es. Wir tun es, weil wir es müssen. Wir tun es nicht, weil wir es wollen. Wir wissen, dass wir ein Ziel erreichen müssen, und das ist der strukturell ausgeglichene Haushalt. Wir wissen, dass jede Entscheidung für Neuverschuldung, für zusätzliche Verschuldung natürlich zulasten künftiger Generationen und ihres Entscheidungsspielraums geht. Deswegen müssen wir bei jeder Entscheidung, ob Konsolidierung, ob Schuldenaufnahme nicht nur die Frage beantworten, in welcher Welt wir heute leben wollen oder am nächsten Tag; wir müssen die Frage beantworten, welche Welt wir eigentlich Kindern und Enkeln hinterlassen wollen.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Genau!]

Das heißt eben oft genug abzuwägen zwischen verschiedenen Arten von Zukunftslast. Ist es besser, eine Schule nicht zu bauen oder sie auf Kredit zu bauen?

[Tobias Schulze (LINKE): Das ist doch keine Frage!]

Das eine wie das andere, der Verzicht auf den Schulbau wie die Kreditfinanzierung eines Schulbaus, bedeutet, dass künftige Generationen eine Last übergeholfen bekommen. In dieser Abwägung entscheide ich mich aber sehr klar für den Schulbau.

Wenn Sie jetzt sagen, dass das Land Berlin Spielräume der Finanzverfassung nicht nutzen soll, die uns in die Lage versetzen, in dieser Situation, in der wir seit dem Überfall Ihres Freundes Putin auf die Ukraine stehen, die zusätzlichen Lasten, die Berlins Haushalt nun wirklich unter Spannung setzen und die in den letzten Jahren nicht auf Kredit finanziert wurden, sondern es sind Rücklagen des Landes Berlin – das ist das, was das Land Berlin geleistet hat, das gerät aber ans Ende seiner Möglichkeiten –, dass sie ernsthaft möchten, dass wir eher den Schulbau streichen

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Nein, das habe ich nicht gesagt!]

als die Unterbringung und Integration von Geflüchteten für einen gewissen Zeitraum auch kreditfinanziert zu tragen, das finde ich bemerkenswert. Das habe ich bis jetzt aus Ihren Beiträgen zur Konsolidierungsdebatte noch nicht gehört.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Beifall von Tobias Schulze (LINKE) – Thorsten Weiß (AfD): 900 Milliarden! Es geht um 900 Milliarden!]

Man kann in diesen Tagen aber auch nicht über verantwortliche Haushaltspolitik, über die Schuldentragfähigkeit öffentlicher Haushalte sprechen, ohne die Bundespolitik, die ja ebenfalls sehr dynamisch ist, in den Blick zu nehmen. Denn auch hier erleben wir gerade eine Zäsur, einen historischen Augenblick von kaum zu unterschätzender Tragweite. Alles von dem, was seit Beginn der Sondierungen von CDU und SPD so breit diskutiert wird,

(Bürgermeister Stefan Evers)

betrifft ganz unmittelbar auch Berlin, und natürlich nicht nur Berlin.

Allein das Sondierungsergebnis, das Papier, die Entscheidung, sich auf den Weg zu machen anhand von drei Komponenten – das ist die Verschuldungsmöglichkeit für Verteidigungsausgaben, das ist die Auflage eines Sondervermögens für Infrastruktur, und das ist eine strukturelle Verschuldungskomponente für die Länder – in ihrer jeweils beschriebenen Dimension, haben bereits zu Reaktionen geführt, was übrigens zeigt, dass man niemals leichtfertig mit dem Thema Verschuldung umgehen kann. Der Markt hat bereits mit 50 Basispunkten reagiert. Was heißt das konkret in der langen Sicht? – Allein die Veröffentlichung dieses Papiers hat für das Land Berlin die Folge, dass wir über die Jahre hinweg bei 67 Milliarden Euro Verschuldung, die wir aktuell haben, round about 340 Millionen Euro pro Jahr an zusätzlicher Zinslast werden tragen müssen – nicht irgendwann, sondern es wird stufenweise jetzt über die nächsten Jahre aufwachsen. Schon das Papier hat zu dieser Marktreaktion geführt.

Schon das Papier hat übrigens auch dazu geführt, dass viele sich die Frage stellen: Woher kommt denn eigentlich die Kapazität? Treiben wir hier nicht Preise? Verschärft sich nicht die Inflation? Insofern ist es durchaus richtig, dass intensiv darüber diskutiert wird, parallel heute ja auch im Deutschen Bundestag und an anderer Stelle zwischen SPD, CDU und den Grünen, wie man das System so ausrichtet, dass diese negativen Effekte möglichst vermieden werden, dass Geld schnell ziel- und zweckgerichtet dort ankommt, wofür es gedacht ist, nämlich zusätzliche Verteidigungsausgaben, zusätzliche Investitionen in Infrastruktur verschiedener Art, ob durch den Bund oder die Länder oder Kommunen getragen und eine Entlastung – so verstehe ich nämlich das Angebot des Bundes –, eine Flexibilisierung der Möglichkeiten der Länder, durch die Aufnahme von Krediten ihre eigenen politischen Schwerpunkte setzen zu können, gerade uns in die Lage zu versetzen, den Konsolidierungspfad auch weiter so auszugestalten, dass er in sozialen Leitplanken erfolgen kann. Dann darf aber das Preisschild an all diesen Verabredungen für Länder und Kommunen nicht größer sein als die vermeintliche Verheißung. Da gibt es noch einiges sehr ernsthaft mit den Beteiligten auf Bundesebene zu diskutieren.

Nun will ich weniger den Blick auf die Verteidigungsausgaben richten, aber ich will sehr wohl beim Sondervermögen dazu mahnen, dass man die Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt, als man Programme mit allzu umfangreichen überbordenden Vorschriften beladen hat, die dazu führten, dass wir jahrelangen Verzug beim Abruf von Mitteln hatten. Darum geht es gerade nicht, wenn wir einen wirtschaftlichen Impuls setzen wollen und wenn wir dieses Land wieder fit für die Zukunft machen wollen.

Gerade wir in den Ländern und Kommunen wissen sehr gut aus unserer Erfahrung im Umgang mit Bundesmitteln, wie es gelegentlich nicht laufen sollte. An diesen Erfahrungen sollte man sich auch jetzt orientieren. Denn Entbürokratisierung heißt auch, wenn man sich auf einen solchen Weg begibt, auf den Aufbau neuer Bürokratie möglichst zu verzichten.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Sebahat Atli (SPD) und Dr. Matthias Kollatz (SPD)]

Gleichzeitig werden wir alles daran setzen müssen, unseren Anteil dazu zu leisten, dass in welcher Weise auch immer zur Verfügung gestellte Mittel auch aktiviert und genutzt werden können, dass sie auf die Straße kommen, dass wir nicht diejenigen sind, die den Verzug organisieren. Da gibt es durchaus auch einiges zu leisten, wenn wir uns mal mit der Dauer von gewissen Planungs- und Genehmigungsverfahren in Berlin beschäftigen; da hat jeder seine Baustelle vor Augen. Natürlich müssen wir uns fragen: Sind wir in der richtigen Mentalität unterwegs? Gibt es, nachdem wir mit dem Schneller-Bauen-Gesetz ja sehr wesentliche Weichenstellungen vorgenommen haben, noch Potenziale in anderen Bereichen, die uns einfacher, die uns schneller, die uns besser machen, damit wir das Geld sinn- und zweckgerichtet und schnell so nutzen, wie es uns allen, unserem Gemeinwesen, wie es auch der deutschen Volkswirtschaft dringend gut täte?

Bei der Verschuldungskomponente, die den Ländern so freundlich angeboten wird, sollten wir nicht vergessen, warum die Länder es schon einmal ausgeschlagen haben, auf dieses freundliche Angebot einzugehen: Das war die Sorge, dass sich der Bund aus Kofinanzierungen, aus Länderförderung, aus Kommunalförderung zurückzieht, wenn er den Ländern im gleichen Atemzug eine solche Verschuldungskomponente einräumt. Die Logik ist ja nachvollziehbar: Warum soll sich der Bund verschulden, wenn die Länder es selbst tun können?

Mit Verlaub, wollen wir am Ende in eine solche Situation kommen? Ich will jetzt nicht ausrechnen, inwieweit wir schon heute von Bundesmitteln profitieren, die an den Kitas, an den Schulen, in vielerlei Zusammenhängen, in Zusammenhang mit Städtebauförderung, an den Universitäten dafür sorgen, dass wir in Berlin die Exzellenz haben, auf die wir miteinander auch stolz sind. Das ist auch eine Leistung des Bundes. Wenn ich aber das berechne und daneben die Forderungen diverser Wahlprogramme lege – nehmen wir allein die von SPD, CDU und CSU – und die Zeilen nacheinander bepreise, dann wird die Arbeitsgruppe, die sich jetzt in den Koalitionsverhandlungen mit Haushalt und Finanzen beschäftigt, feststellen, dass 0,35 Prozent womöglich weniger sein können, als das, was hier an zusätzlichen Lasten, an Mindereinnahmen, an Kostensteigerungen auf die Kommunen und Länder zukommt. Das geht nicht.

(Bürgermeister Stefan Evers)

Ich will Ihnen auch darstellen, warum das nicht geht. Das hat gar nicht so viel damit zu tun, dass ich jetzt undankbar für die Mittel sein will, die der Bund bisher auf anderen Wegen bereitgestellt hat. Ich will aber sagen, dass selbst mit diesen Mitteln die Haushaltslage gerade in den bundesdeutschen großen Städten eine dramatische ist und dass die strukturelle Verschuldungskomponente aus meiner Sicht deswegen Sinn ergeben und Flexibilisierung schaffen kann, weil sie uns ermöglicht, Konsolidierung so auszugestalten, dass sie planvoll und ohne unzumutbare soziale Härten erfolgt. Dafür kann es sinnvoll sein. Es geht aber nicht, dass jetzt einfach umgetopft wird – in einer Situation, in der Kommunen schon heute mit dem Rücken zur Wand stehen.

Der Deutsche Städtetag hat gerade eine Umfrage gemacht, bei der sich ergab, dass rund 95 Prozent der 100 großen Städte – dazu gehört auch Berlin – sich in einer dramatischen Haushaltslage befinden. Strukturell ausgeglichene Haushalte bekamen noch 20 Prozent im vergangen Jahr hin, in diesem Jahr 6 Prozent. Ich sage Ihnen vorher: Es wird in den nächsten Jahren keine positive Zahl mehr geben, wenn sich nichts ändert.

[Harald Laatsch (AfD): Deswegen nehmen wir Schulden auf!]

Darum muss es gehen. Es muss darum gehen, in dieser Situation die Chance zu nutzen, jenseits von Verschuldungsmöglichkeiten die Frage aufzuwerfen: Was verursacht denn eigentlich diese kommunalen Haushaltsprobleme? – Auch Berlins Haushaltsprobleme sind im Wesentlichen die einer Kommune. Es ist immer leicht gesagt, dass der Staat ein Ausgabenproblem hat. Ja, wir haben eine Ausgabenproblem, wir haben aber auch ein Aufgabenproblem, wir haben auch ein Auflagenproblem,

[Zuruf von der AfD]

und darum muss man sich jetzt genauso kümmern wie um zusätzliche Finanzierungsspielräume. Sonst wird jedes Sondervermögen zum Strohfeuer, sonst wird jede Strukturkomponente, die uns eingeräumt wird, zu einem Umtopfen von Bundesmitteln zulasten von Ländern und Kommunen. Das hilft uns überhaupt nicht weiter. Wir müssen die Kommunen strukturell in die Lage versetzen, die Kernaufgaben staatlicher Daseinsvorsorge auch in den unmittelbar nächsten Jahren, um die es geht, noch zu leisten, denn es geht in den Kommunen um nicht weniger als um die Zukunft unserer Demokratie. Das liegt Ihnen am wenigsten am Herzen – uns schon!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der AfD: Oh! – Ja! Na klar! ]

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich?