Protokoll der Sitzung vom 13.03.2025

Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich?

Gerade nicht! – Weil das so ist, hoffe ich, dass das Thema Staatsreform die Kehrseite der Finanzierungsdebatte ist. Man muss gleichzeitig die Überlegung anstellen und die Frage beantworten: Was tun wir, um unsere Behörden von dem zu entlasten, was sie lähmt und was sie, ehrlicherweise, auch zu viel kostet – nicht nur unsere Kommunen, sondern alle um uns herum, deren Dienstleister wir sein wollen und sein sollen? – Das ist ein verdammt mühsames Geschäft. Das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung im Senat schildern. Wir sind beispielsweise mit der Sozialverwaltung dabei, uns um das Thema Entbürokratisierung im Zuwendungsbereich zu kümmern. Da geht auch vieles einfacher, schneller, mit weniger Belastung für die Behörden und für diejenigen, denen wir Zuwendungen zukommen lassen wollen. Das ist sehr kleinteilige Arbeit, aber es gehört auch zur Wahrheit, dass wir – das Land Berlin – nur den kleinsten Teil dazu leisten können. Die meiste Komplexität schafft immer noch das Bundesrecht; übrigens nicht einmal Europa. – Von Ihrer Europafeindlichkeit war ja gelegentlich die Rede. An der Stelle muss ich deutlich sagen: Europa ist nicht der Hauptteil des Problems.

[Thorsten Weiß (AfD): Die EU ist nicht Europa!]

Es ist unsere Eigenart in Deutschland, immer noch eins oder zwei oder drei draufzulegen, und drei heißt nicht nur 3 Euro draufzulegen, sondern drei heißt vor allem, noch drei Verwaltungsvorgänge draufzulegen, und das kann so nicht weitergehen, wenn wir immer weniger Geld und in Zukunft auch immer weniger Personal zur Verfügung haben werden, weil uns nicht nur eine Verknappung fiskalischer Ressourcen bevorsteht, sondern aufgrund des demografischen Wandels wir auch weniger Beschäftigte zur Verfügung haben werden als in den vergangenen Jahren.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Derya Çağlar (SPD) und Melanie Kühnemann-Grunow (SPD)]

Also lassen Sie uns dieses Thema entschlossen angehen. Vorschläge liegen auf dem Tisch. Ich bin dem Kollegen Thomas de Maizière, ich bin Peer Steinbrück und vor allem auch dem Bundespräsidenten sehr dankbar, dass sie dieses Thema nicht aus dem Blick verloren haben. Jenseits aller Wahlkampfdebatten, jenseits aller Parteiprogramme haben in den vergangenen Monaten intensiv und parteiübergreifend Gruppen daran gearbeitet, Vorschläge für eine solche Staatsreform zu erarbeiten. Sie sind den Verhandlungsteams jetzt auch bekannt, und ich hoffe, dass sich davon möglichst viele in den Verabredungen für die nächsten Jahre wiederfinden, denn wir haben keine Zeit mehr. Die Zeit zu handeln – und da komme ich zum Ausgangspunkt meiner Ausführung zurück – angesichts des enormen Drucks, unter dem wir stehen, ist jetzt. Wenn wir nicht wollen, dass Deutschland, wenn wir nicht

(Bürgermeister Stefan Evers)

wollen, dass wir alle miteinander irrelevant werden angesichts der rasanten Entwicklungen und Veränderungen um uns herum,

[Zuruf von Dr. Kristin Brinker (AfD)]

müssen wir das gleiche Tempo an Veränderung schaffen, wie es um uns herum geschieht, denn irrelevant wird, wer langsamer ist als die Welt um ihn herum. Das waren wir zu lange. Darum stehen wir dort, wo wir stehen.

Das wird Kraft erfordern. Diese Kraft hat die Sondierungsgruppe bewiesen, indem sie sagte: Wir wollen in nie dagewesener Dimension Mittel zur Verfügung stellen. Ich hoffe, diese Kraft beweisen auch diejenigen, die jetzt darüber zu befinden haben, mit welchen Mitteln wir die Weichen stellen, damit dieses Geld auch sinnvoll genutzt werden kann. Das ist kein Selbstläufer. Wenn aber beides zusammenkommt und wenn wir hoffentlich möglichst schnell eine Bundesregierung bekommen, die sich ihrer Verantwortung im Sinne des Wortes dafür bewusst ist, dass in den kommenden vier Jahren mehr als über Schienen, Brücken und Universitätsbauten entschieden wird, sondern über die Akzeptanz staatlicher Institutionen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten, dann können wir miteinander zuversichtlich sein. Dann geht es auch nicht um die Frage, was Berlin abbekommt, sondern wir werden automatisch Profiteure eines zurückgewonnenen Vertrauens sein. Dass es Vertrauen zurückzugewinnen gilt, zeigen die Wahlergebnisse. Ich kann nur hoffen, dass alle daraus das Richtige gelernt haben. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Steffen Zillich (LINKE): Was machen wir jetzt im Bundesrat?]

Vielen Dank, Herr Senator! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden, und wir kommen zur Behandlung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/2290, „Abstimmung zur Schuldenbremse: Keine Verfassungsänderung ohne substanzielle Reform“. Die Fraktion Die Linke hat eine sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen eine Überweisung des Antrags an den Hauptausschuss.

Gemäß § 68 der Geschäftsordnung lasse ich zuerst über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer also den Antrag an den Hauptausschuss überweisen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die CDUFraktion, die SPD-Fraktion, die AfD-Fraktion und ein fraktionsloser Abgeordneter. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Damit ist die Überweisung beschlossen und eine Abstimmung über den Antrag erfolgt heute nicht.

[Steffen Zillich (LINKE): Das ist alles nach Plan!]

Dann darf ich, bevor wir zu Tagesordnungspunkt 2 kommen, auf der Osttribüne ganz herzlich Dienstkräfte der Polizeiakademie bei uns im Abgeordnetenhaus begrüßen

[Allgemeiner Beifall]

und auf der Westtribüne eine weitere Gruppe des Landeskriminalamtes. – Herzlich willkommen bei uns im Berliner Abgeordnetenhaus!

[Allgemeiner Beifall]

Dann komme ich zu

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen; sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein. Ansonsten werde ich die Fragen zurückweisen.

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in einer Runde nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht mindestens eine Zusatzfrage dem anfragenden Mitglied zu, eine weitere Zusatzfrage kann von einem weiteren Mitglied des Hauses gestellt werden.

Es beginnt für die CDU-Fraktion der Kollege Bocian – bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Gegen die Bescheide des Probeunterrichts sind mehrere Eilanträge vor dem Bundesverwaltungsgericht eingegangen, die von diesem abgewiesen wurden. Ich frage den Senat: Wie beurteilt die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie die Beschlüsse des Berliner Verwaltungsgerichts?

Frau Senatorin Günther-Wünsch – bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Vielen Dank für die Frage! Ich maße mir nicht an, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu bewerten oder zu beurteilen, aber ich sage ganz klar: Durch das Urteil sehen wir uns, sehe ich mich, in unserem Vorhaben

(Bürgermeister Stefan Evers)

bestärkt. Zum einen wird ganz klar bestätigt, dass es keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Übergangsregelung zur Eignungsfeststellung für das Schuljahr 2025/2026 gibt. Des Weiteren hat das Gericht bestätigt, dass das Land Berlin mit der Neuregelung des Übergangsverfahrens seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat und das elterliche Wahlrecht nicht unverhältnismäßig eingeschränkt ist. Das Recht der Eltern auf eine freie Wahl der Schulen ist eben nicht grenzenlos.

Wir nehmen auch positiv zur Kenntnis, dass das Gericht an dem Verfahren zur Aufgabenerstellung keinerlei Anstoß genommen hat. Ich möchte auch an der Stelle noch einmal ganz klar deutlich machen, wie das Ganze abgelaufen ist: Gesteuert und begleitet wurde dieses Verfahren zur Aufgabenerstellung durch verschiedene Schulaufsichten. Die eigentlichen Aufgaben wurden durch eine Expertengruppe aus zwölf Leuten erstellt, wobei fünf eine Lehrbefähigung für die Primarstufe und fünf eine Lehrbefähigung für die Sekundarstufe haben. Des Weiteren kamen Kolleginnen und Kollegen aus der Schulpsychologie und aus der Sonderpädagogik dazu und haben gemeinsam an der Aufgabenstellung gearbeitet.

Die Aufgaben für die Fächer Deutsch und Mathematik wurden so entwickelt, dass sie nicht nur die Kompetenzen für die Jahrgangsstufe 6 in der entsprechenden Niveaustufe D enthalten, sondern ebenso Aufgaben aus der Jahrgangsstufe 5 und der Niveaustufe C, sodass von überzogenen Anforderungen – erlauben Sie mir die Anmerkung – keinerlei Rede sein kann. Dass bei dem Probeunterricht mindestens 75 Prozent der Ergebnisse erreicht werden mussten, sah das Berliner Verwaltungsgericht als zulässig an. Besonders hervorheben möchte ich aber eine Passage aus dem Urteil – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: Im Übrigen ist der schulische Werdegang in der Konsequenz der jetzt getroffenen Entscheidung mit der Empfehlung für eine ISS damit nicht abschließend festgelegt. Vor allem ist der Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife nicht dauerhaft ausgeschlossen.

Genauso ist es. Viele Wege führen in Berlin zum Abschluss, und in seiner Vielfalt und in seiner Durchlässigkeit ist Berlin als Bundesland einzigartig. Es ist auch die Stärke unseres Berliner Schulsystems, dass wir genau das ausweisen können. Mit dem neuen Übergangsverfahren stärken wir genau diese Vielfalt der Schulformen mit ihren jeweiligen Förderinstrumenten. Deshalb bin ich schon ein wenig verwundert, dass insbesondere die Verfechter der Integrierten Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen mir in den letzten Tagen und Wochen einen Zugang zum Gymnasium als unnötig erschwert vorwerfen. Gerne mache ich an dieser Stelle auch noch einmal etwas Grundsätzliches deutlich: Insgesamt haben von allen Sechstklässlern in diesem Jahrgang, die jetzt den Übergang zur 7. Klasse suchen, 54 Prozent eine gymnasiale Empfehlung erhalten – 54 Prozent. Das ist mehr als die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler.

Für diese Schülerinnen und Schüler, die nicht zu diesen 54 Prozent gehören, gibt es eine zweite zusätzliche Möglichkeit, nämlich den Probeunterricht. Anders als in der Debatte in der Öffentlichkeit in den letzten Tagen und Wochen dargestellt, ist der Probeunterricht nicht die einzige Möglichkeit, sondern eine zusätzliche Möglichkeit. Für Schülerinnen und Schüler, denen es im zweiten Halbjahr der 5. Klasse und im ersten Halbjahr der 6. Klasse nicht möglich war, ihre Eignung für das Gymnasium nachzuweisen, ist es eine zusätzliche Möglichkeit. Aber 54 Prozent aller Schülerinnen und Schüler im sechsten Jahrgang im Land Berlin haben ihre Eignung für das Gymnasium nachweisen können. Anders also, als in der Debatte dargestellt, ist der Probeunterricht nicht der einzige Weg, sondern ein zusätzlicher Weg. Das hilft dann auch vielleicht bei der Einordnung der Bestehensquote von 2,62 Prozent des Probeunterrichts. Erlauben Sie mir den Hinweis: Das macht dann auch paternalistische Hinweise auf Hausaufgaben seitens der Senatorin überflüssig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Melanie Kühnemann-Grunow (SPD)]

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Die erste Nachfrage geht an den Kollegen Bocian. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Welche Schlüsse zieht die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie aus dem erstmaligen Durchgang des Probeunterrichts für die kommenden Schuljahre?

Frau Senatorin, bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Zunächst einmal bin ich, sind wir, sehr zufrieden mit dem Verlauf des Probeunterrichts, wie er in diesem Jahr stattgefunden hat. Selbstverständlich haben wir aber auch den Anspruch, immer besser zu werden. Deswegen sage ich es ganz deutlich, wie ich es im Bildungsausschuss gesagt habe: Wir werden den Probeunterricht mit allen Beteiligten auswerten.

[Anne Helm (LINKE): Das ist entlarvend!]

Es wird im Nachgang eine Evaluation und ein Treffen mit allen Akteuren geben, sowohl aus der Bildungsverwaltung, aber insbesondere auch mit den Kolleginnen und Kollegen, mit den Standortschulen und den Schulaufsichten. Ein Schwerpunkt soll dabei auf den organisatorischen Ablauf und dessen Planung gelegt werden. Das war

(Senatorin Katharina Günther-Wünsch)

dieses Jahr – immer, wenn etwas das erste Mal passiert – sicherlich herausfordernd. Es hat viele Kräfte erfordert, da kann man Gelingensbedingungen daraus ableiten, man kann aber auch identifizieren, was es braucht, um das Ganze vielleicht noch reibungsloser organisieren zu können.

Grundsätzlich – einige von ihnen waren ja auch vor Ort; ich habe mehrere Standorte am Tag des Probeunterrichts besucht – kann ich nur sagen, dass alles reibungslos gelaufen ist, dass es hochprofessionell war, wie es an den zwölf Standortschulen organisiert war. Ich freue mich aber auch sehr darauf, in die Auswertung mit den Beteiligten einzusteigen. Zudem werden wir selbstverständlich auch die einzelnen Aufgabenschwerpunkte noch einmal auswerten. Woran haben sich die meisten Kinder schwergetan? Was wurde aber auch gut bewältigt? Diese Details werden uns aber erst in einigen Monaten vorliegen, und diese werden wir selbstverständlich auch mit in diese Evaluation hineinnehmen.

Letztlich stärken mich die Beschlüsse des Berliner Verwaltungsgerichtes darin, dass die Expertengruppe, die ich Ihnen gerade beschrieben habe, die mit der Erstellung der Aufgaben betraut war, die richtigen Schwerpunkte gesetzt hat und ein angemessenes Leistungsniveau identifiziert hat. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Die zweite Nachfrage geht an die Kollegin Burkert-Eulitz. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Die juristischen Auseinandersetzungen sind noch nicht zu Ende. Da ist noch ein bisschen an Spiel. Es gab auch viel Kritik von Fachebenen, Eltern und so weiter, auch die Feststellung, dass es auf einmal einen inflationären Notendurchschnitt von 2,2 in dieser Stadt gibt. Deswegen frage ich Sie: Was unterscheidet denn die Kompetenzen eines Kindes mit einer 2,2 von 2,3, das Gymnasium erfolgreich bewältigen zu können? Das habe ich bisher noch nicht verstanden.

[Zuruf von der AfD]

Frau Senatorin, bitte schön!