Bevor der Kollege zu sprechen beginnt, möchte ich Sie noch einmal bitten: Sie haben Sitzplätze, die sind Ihnen zugewiesen, bitte nehmen Sie Ihre Sitzplätze ein oder verlagern Sie die Gespräche nach draußen, damit der Kollege sprechen kann! – Bitte schön, Sie haben das Wort, Herr Dregger!
Vielen Dank! Sehr geehrte Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren und verabschieden heute den zweiten Gesetzesentwurf der Koalition aus CDU und SPD zum Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz.
Die erste wichtige Gesetzesnovelle haben wir im Dezember 2023 beschlossen. Damals ging es darum, den Anwendungsbereich der Bodycam auf Wohnungen und Gewerberäume auszudehnen, die zulässige Dauer des Unterbindungsgewahrsams zu verlängern, seine Anwen
dung zu erleichtern und der Polizei den Einsatz des Tasers als neues Einsatzmittel zu gestatten. Damit haben wir die Mittel zur Durchsetzung von Sicherheit, Recht und Ordnung erweitert und zudem den Eigenschutz unserer Einsatzkräfte verbessert.
Angesichts der wachsenden Zahl von Angriffen auf unsere Einsatzkräfte und der steigenden Verrohung war das eine richtige und gute Entscheidung.
Nunmehr werden wir die nur befristet bis zum 1. April 2025 zur Verfügung stehenden gesetzlichen Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung und zur Standortbestimmung für Endgeräte entfristen. Es geht uns darum, dass die Polizei auch weiterhin mit Zustimmung eines Richters die klassische Telefonüberwachung zur Abwehr besonderer Gefahren einsetzen kann.
Derzeit ist die Telefonüberwachung gestattet zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand und die Sicherheit des Bundes, eines Landes, für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, ferner, wenn eine terroristische Gefahr droht.
Angesichts der Bedrohungslage mit erheblichen Gefahren durch Extremismus, Terrorismus, Angriffe auf lebenswichtige kritische Infrastruktur, aber auch durch organisiertes Verbrechen sollte der Erhalt dieses Mittels der Gefahrenabwehr außer Frage stehen. Die Regelung droht aufgrund der Befristung ihre Gültigkeit zu verlieren. Die Folge wäre, dass der Polizei dieses Mittel zukünftig nicht mehr zur Verfügung stände. Das halten wir für unverantwortlich. Daher bitten wir um Unterstützung für unseren Gesetzesantrag.
Ferner werden wir die bislang normierte gesetzliche Pflicht zur Evaluation der gesetzlichen Regelungen streichen. Es macht schlicht keinen Sinn, eine gesetzliche Regelung zu evaluieren, die wir in Kürze verändern und auf die verschlüsselte Kommunikation ausdehnen werden. Dies ist mit der bevorstehenden großen Novelle der Koalition von CDU und SPD zum Polizei- und Ordnungsrecht zu erwarten. Erst nach ihrer Einführung und Anwendung über einen nennenswerten Zeitraum ist es sinnvoll, eine Evaluation durchzuführen, und diese bedarf keiner gesetzlichen Anordnung.
Schließlich entfristen wir die ebenfalls befristeten Regelungen zur Standortermittlung von Endgeräten. Die derzeitige Regelung gestattet nur die Suche nach gefährdeten Personen, also insbesondere vermissten, suizidgefährdeten, hilflosen Personen. Für mich war nie zu verstehen, warum eine derartige Regelung befristet wird, denn sie ist ein Instrument, das ausschließlich Menschen in Not dient.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Gesetzesentwurf, denn seine Verabschiedung ist ein wichtiger Baustein zur Abwehr erheblicher Gefahren. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Franco das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dregger! Das war die gleiche Rede wie vor zwei Wochen. Etwas Neues hat sich nicht ergeben, aber wir können das hier gerne noch mal machen. Ich erinnere mich gerne an die lebhafte Debatte vom letztem Mal. Da wurde die heutige Gesetzesänderung vom Kollegen Matz noch als unspektakulär bezeichnet,
aber anscheinend ist sie mittlerweile spektakulär genug, dass die Koalition noch mal eine Rederunde anmeldet. Aber gut, schauen wir uns einfach mal an, was sich in den letzten zwei Wochen getan hat.
Lieber Herr Dregger! Lieber Herr Matz! Haben Sie denn eigentlich diese zwei Wochen genutzt, um zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen? Können Sie mir mittlerweile einen konkreten Sachverhalt nennen, in dem durch diese Befugnis eine terroristische Gefahr nachweislich verhindert werden konnte? Bei Herrn Dregger habe ich jetzt zumindest nichts davon gehört. Da bleibt es bei der Rechtfertigung durch eine abstrakte Bedrohungslage. Mit abstrakten Bedrohungslagen kann man natürlich alles begründen, am allerbesten natürlich Symbolpolitik.
Aber ich nutze die heutige Zeit gerne noch mal dazu, auf den Stellenwert wissenschaftlicher Erkenntnisse für diese Koalition hinzuweisen. Herr Dregger hat nämlich erst im Innenausschuss betont, dass er erst gar nicht auf die wissenschaftlichen Analysen warten will; die könne man ja irgendwann nachholen. Aber dass er die Möglichkeiten für die Polizei, Menschen in Berlin abzuhören, sogar ausweiten will, das weiß er heute schon, dafür braucht er nicht mal eine Evaluation.
Auf der anderen Seite haben wir Herrn Staatssekretär Hochgrebe, der zwar sagt, dass er evidenzbasiert handeln möchte, es aber nicht tut; sonst hätte die Innenverwaltung nämlich die gesetzliche Frist zur Evaluation nicht einfach verstreichen lassen. Das heißt übrigens ganz konkret: Diese Koalition hat sich nicht an das geltende Recht gehalten. Sie ändert es lieber in letzter Sekunde – so kurz vor knapp übrigens, dass nachher extra für dieses Gesetz noch eine Sondersitzung des Senats hier in diesem Hause
stattfinden muss. Eigentlich ist es ja ganz einfach: Wer Angst davor hat, die eigenen Gesetze wissenschaftlich evaluieren zu lassen, der handelt nicht evidenzbasiert, sondern schlicht und einfach ideologisch.
haben wir den Freundinnen und Freunden von Recht und Ordnung in diesem Hause einen einfachen Ausweg auf den Tisch gelegt: Stimmen Sie dem Änderungsantrag der Fraktionen von Grünen und Linken zu! Verlängern Sie die Befugnisse für die Polizei, aber verpflichten Sie den Senat zu einer Evaluation! Damit wäre das Gesetz geheilt, und das wäre doch spektakulär, nicht wahr, Herr Matz? – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bleibe jetzt bei meinem Urteil von vor zwei Wochen:
Ich finde das extrem unspektakulär. Und ich will das noch mal auf den Punkt bringen, warum das heute in jedem Fall so ist. Alle Abgeordneten, die jetzt hier im Raum sind, können wahlweise dem Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion zustimmen, und was Sie dafür bekommen, ist eine Entfristung der genannten Regelung bis zur großen ASOG-Novelle, und die Abgeordneten können auch dem Antrag von Linken und Grünen zustimmen;
der genannten Regelungen bis zur großen ASOGNovelle. Das heißt, in beiden Fällen passiert exakt das Gleiche. Deswegen brauchen wir uns auch gar nicht groß darüber zu unterhalten, ob in der Zwischenzeit, in den paar Wochen, noch eine Evaluation stattfinden könnte oder nicht. Wir haben bei der letzten Debatte schon darauf hingewiesen, dass man sowieso Evaluationen auch dann machen kann, wenn sie nicht zwingend schriftlich im Gesetz vorgeschrieben sind. Also alles kein Grund zu großer Aufregung! Die sparen wir uns noch für ein paar Wochen auf, und
dann können wir über eine richtige ASOG-Novelle miteinander sprechen und auch miteinander streiten. Da gibt es bestimmt auch Punkte, für die das dann lohnt. Hier und
heute machen wir, glaube ich, einfach nur das, und wie gesagt, egal mit welchem Antrag, was wir vor zwei Wochen hier schon besprochen haben: dass wir die Regelungen entfristen.
Mein innenpolitisches Auge ist im Moment, ehrlich gesagt, neben unserer eigenen ASOG-Novelle mehr darauf gerichtet, was gerade auf der Bundesebene passiert. Da gibt es Dinge, die ich mir vielleicht erhoffe, wenn eine Koalition auf der Bundesebene zustande kommt. Es gibt auch Dinge, die ich fürchte; das will ich ganz offen sagen. Da gibt es manche Dinge, die in den Papieren, die so herumschwirren, mit eckigen Klammern versehen sind, auf die ich keine besondere Lust habe. Aber das, was wir heute hier machen, eine schon geltende Regelung, die eine alte Koalition eingeführt hat, mit der Mehrheit einer neuen Koalition zu verlängern, das ist alles ganz und gar unspektakulär. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da wir hier den exakt gleichen Gesetzentwurf debattieren wie vor zwei Wochen, ist es nicht so leicht, sich nicht zu wiederholen. Ich versuche es mal. Klar ist: Sie haben die Evaluation zu diesen Befugnissen gestrichen und damit klargemacht, dass Sie an einer Debatte über den tatsächlichen Nutzen von TKÜ und Standortermittlung, so, wie wir es jetzt hatten, nicht interessiert sind. Das ist klar geworden. Unsere Kritik daran ist auch schon allen bekannt. Man kann aber auch feststellen: Ihr Umgang mit Evaluationen zu polizeilichen Instrumenten, die tatsächlich stattgefunden haben, ist auch, ich würde mal sagen, interessant. Die Evaluation der Bodycams hat ja stattgefunden, und sie hat ganz klar ergeben, dass die Kameras im Rettungsdienst eben nicht oder nur sehr bedingt geeignet sind,
um Übergriffe auf Rettungskräfte zu reduzieren. Sieh an! Die Innensenatorin hat dann im Ausschuss dagegen angeführt, dass sie auch mit Feuerwehrleuten gesprochen habe, und die hätten gesagt, dass sie die Bodycam ganz toll finden, und deshalb würde sie an dem Einsatz festhalten. – Das finde ich schon bemerkenswert, dass wir überhaupt ernsthaft darüber diskutieren müssen, ob man sich bei seinen Entscheidungen von wissenschaftlicher Evidenz leiten lässt oder von Anekdoten, die uns die Innensenatorin erzählt. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, liebe Koalition!
Herr Staatssekretär Hochgrebe hat es dann im Innenausschuss noch mal ganz gut zusammengefasst. Er hat gesagt: Ich glaube, wir haben unterschiedliche Auffassungen von Evidenz. – Da muss ich sagen: Ja, das hat er richtig erfasst. Es macht Sinn zu unterscheiden zwischen wissenschaftlicher Evidenz und sprangerscher Evidenz.