Protokoll der Sitzung vom 27.03.2025

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Damiano Valgolio (LINKE)]

Aktuell haben wir die Situation, dass in vielen Gremien und Bündnissen geredet wird, aber nichts passiert. Dass die Ausbildungskrise hier nicht richtig gelöst wird, führt nicht nur zu persönlicher Frustration und verpassten Chancen für junge Menschen, sondern verschärft langfristig den bereits gravierenden Fachkräftemangel in Berlin. Eigentlich ist das ein Zustand, der sofortiges Handeln seitens des Senats fordert. Wir Grünen stehen konsequent für die Ausbildungsplatzumlage, weil wir Gerechtigkeit und Solidarität ernst nehmen. Wir fordern den Senat eindringlich auf: Bringen Sie endlich diese wichtige Reform auf den Weg!

[Beifall von Oda Hassepaß (GRÜNE)]

Im Gegensatz zur AfD-Fraktion haben wir als Grünenfraktion viele sinnvolle Vorschläge gemacht: Mit dem

Azubiwerk wollen wir bezahlbaren Wohnraum und einen Paradigmenwechsel schaffen, indem Auszubildende im Land Berlin endlich auf eine Stufe mit Studierenden gestellt werden. Mit dem Azubiticket wollen wir die Attraktivität der Ausbildung noch weiter steigern. Frau Bonde, da sind Sie jetzt am Zug. Übernehmen Sie Verantwortung und stellen Sie das Mobilitätsangebot ab September wieder sicher!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Zum Schluss: Wir hören es aus verschiedensten Branchen, die ihren Fachkräftemangel nicht ohne ausländische Fach- und Arbeitskräfte lösen wollen und können: Die AfD und ihre Ideologie sind ein Standortrisiko für Deutschland. Sie hetzt immer wieder gegen Migration und damit genau gegen diese Menschen. Sie hetzt gegen Vielfalt und Offenheit und gefährdet damit unseren Wohlstand, unsere Zukunft. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ganz entschieden ab und bleiben weiterhin kämpferisch für eine solidarische Ausbildungslandschaft. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Für die SPD-Fraktion folgt der Abgeordnete Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD-Fraktion zeugt für mich von sehr viel Unkenntnis, was die Berliner Ausbildungslandschaft anbelangt. Ich will nur ganz kurz darauf eingehen: Wir haben bezirkliche Ausbildungsbündnisse beziehungsweise -netzwerke, wir haben auch bezirkliche Best-Practice-Auszeichnungen, wir haben diverse Programme, Unternehmen und Schülerinnen und Schüler zusammenzubekommen, wir haben diverse Förderprogramme, wovon vor allem kleine und mittlere Betriebe profitieren, die Verbundausbildung wird gefördert und vieles mehr. Von daher wirklich die Bitte an die AfD: Wenn Sie einen solchen Antrag stellen, informieren Sie sich bitte vorher, dann sparen wir hier viel Zeit.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD]

Ich nutze aber mal die Zeit und werde einiges über die Ausbildungsplatzumlage erzählen, was mir tatsächlich auch viel Freude bereitet.

[Beifall bei der LINKEN]

Über die Zahlen und Ähnliches bezüglich der Ausbildungssituation in Berlin haben wir vieles gehört. Es ist einiges besser geworden. Nichtdestotrotz muss man sagen: Was junge Menschen anbelangt, die keinen Ausbildungsplatz haben, die niedrige Quote an Ausbil

(Tonka Wojahn)

dungsplätzen haben, die niedrige Anzahl der Ausbildungsbetriebe und auch die hohe Anzahl an Bildungsabbrecherinnen und -abbrechern, in all diesen Punkten ist Berlin unterdurchschnittlich, ist auf den letzten Plätzen. Das dürfen wir und das können wir so nicht einfach weiter akzeptieren. Wir müssen etwas tun.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Die Unternehmen können die Stellen nicht besetzen! Nehmen Sie die Realität einmal zur Kenntnis!]

Die Situation hat Gründe. Die Herausforderungen in der Ausbildung sind immens, gerade in Berlin mit seiner Wirtschaftsstruktur. Das trifft die Unternehmen hier besonders hart. Woran liegt das? – Die Komplexität der Ausbildungsberufe wird immer größer, was eine immer stärkere Herausforderung sowohl für die Auszubildenden als auch für die Ausbildungsbetriebe bedeutet. Wie können Ausbildungsinhalte in einem Ausbildungsbetrieb komplett abgedeckt werden? Gehen Sie in die Ausbildungsbetriebe, das ist ein Riesenproblem. Ich komme noch darauf zu sprechen. Der technische Wandel wird immer schneller und entsprechend das Problem der Ausbildungsbetriebe, auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Das kostet immens an Geld. Der Bedarf an Verbundausbildung steigt und damit eben auch die entsprechenden Kosten. Beispielsweise hat mir MAN erzählt, dass sie ihre Azubis in ihrem Betrieb das erste Mal nach einem bis anderthalb Jahren sehen, vorher sind sie in der Verbundausbildung in anderen Betrieben. Nicht nur, dass das Geld kostet, sondern auch die Bindung zum Unternehmen wird immer mehr erschwert. Hinzu kommt der Fachkräftemangel und der Mangel an Ausbilderinnen und Ausbildern, auch das erschwert die Ausbildung für die Betriebe, und letztlich der demografische Wandel, der in seiner wirklichen Dimension erst noch vor uns steht. Das alles überfordert viele Ausbildungsbetriebe und all diese Herausforderungen können wir nur gemeinsam, und das heißt solidarisch, lösen.

Die entscheidende Frage ist daher, wie wir Ausbildungsbetriebe zukunftsfähig machen und wie sie die nötige Unterstützung bekommen. Es wäre verheerend, so wie es hier auch wieder gefordert wird, dass der Staat weiter eingreift und auch noch den finanziellen Part in der betrieblichen Ausbildung übernimmt. Nicht nur, dass wir als Staat überfordert sind – alle kennen hier die finanzielle Situation –, sondern es ist auch inhaltlich der falsche Weg. Die etablierte Aufgabenaufteilung, der Staat finanziert und ist für den schulischen Part in der Ausbildung zuständig, und die Wirtschaft übernimmt die betriebliche Ausbildung, ist die Aufteilung, die sich gezeigt hat, die erfolgreich ist und die wir auch stützen müssen. Das ist genau der richtige Weg, das ist der erfolgreiche Weg.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Jedoch muss aufgrund der Herausforderung die betriebliche Ausbildung als Gesamtaufgabe der Wirtschaft betrachtet werden. Es muss eine solidarische Aufgabe sein,

denn mit guter Ausbildung steht und fällt letztlich die gesamte Wirtschaft.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Kristin Brinker (AfD)]

Genauso wie die Ausbildungsbetriebe letztlich für die gesamte Wirtschaft ausbilden, muss auch die gesamte Wirtschaft an den Ausbildungskosten und letztlich damit an ihrer eigenen Zukunft beteiligt werden.

[Damiano Valgolio (LINKE): Richtig!]

Der immer wieder erhobene Vorwurf, dass es sich bei der Umlage um ein ideologisches Projekt handelt, ist hier völlig fehl am Platz und verdreht komplett die Realität. Die ideologischen Scheuklappen liegen nicht bei uns, sondern bei denen, die die Umlage aus prinzipiellen Gründen ablehnen und damit die Zukunft der dualen Ausbildung gefährden, denn wir brauchen dringend eine Stärkung der Ausbildungsbetriebe.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Hören Sie bitte zu! Gehen Sie zu den Betrieben in den Branchen, wo es eine Umlage gibt, ob im Bauhauptgewerbe, Landschaftsgartenbau, bei den Schornsteinfegern, Pflegern und so weiter und so fort. Überall dort wird die Umlage nicht zur akzeptiert, sie wird bevorzugt, es wird wirklich gesagt: Wir brauchen sie, wir benötigen sie, sie ist gut. – Ganz ehrlich, das sind keine Sozialisten.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Dr. Kristin Brinker (AfD): Nein!]

Die duale Ausbildung ist ein absolutes Erfolgsmodell, und weil wir sie als Erfolgsmodell erhalten wollen, weil wir sie zukunftsfähig machen wollen, müssen wir sie auch gemeinsam weiterentwickeln,

[Zuruf von Rolf Wiedenhaupt (AfD)]

und das heißt hier: auf breiten Schultern verteilen. Ich kann auch nur alle Beteiligten dazu aufrufen: Lasst uns gemeinsam die Zukunft der dualen Ausbildung gestalten und stärken, und zwar solidarisch und nachhaltig! Genau deshalb ist es wichtig, die Umlage nicht aus einer ideologischen Perspektive zu diskutieren, sondern sie als das zu sehen, was sie ist, und zwar als eine echte Chance,

[Zuruf von Jeannette Auricht (AfD)]

die duale Ausbildung und damit auch die Unternehmen, die gesamte Wirtschaft und letztlich auch ganz Berlin zu stärken und zukunftsfähig zu machen. Wenn wir sie einführen, das kann ich versichern, dann machen wir es gut und nachhaltig. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Damiano Valgolio (LINKE): Dann schauen wir mal!]

Zum Abschluss der Runde für die Linksfraktion der Kollege Valgolio.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch in diesem Ausbildungsjahr sitzen in Berlin wieder mehrere Tausend Jugendliche unversorgt und ohne Ausbildungsplatz auf der Straße, obwohl sie ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind.

[Jeannette Auricht (AfD): Stimmt nicht!]

Das ist ein Zustand, den wir nicht akzeptieren können, und deswegen brauchen wir so schnell wie möglich die Ausbildungsplatzumlage, um zusätzliche Ausbildungsplätze für diese jungen Menschen zu schaffen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sebastian Walter (GRÜNE)]

Der rot-grün-rote Senat hat schon 2022 ein fertiges Konzept für die Umlage vorgelegt. Das hätte man nur in Gesetzesform gießen müssen. Es ist ein Armutszeugnis, dass SPD und CDU bis heute nicht geliefert haben und die Umlage immer noch nicht da ist.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Bahar Haghanipour (Grüne) und Sebastian Walter (GRÜNE)]

Die Zahlen sind eindeutig, man kann sie auch nicht hin- und herjonglieren oder umdeuten: Im letzten Ausbildungsjahr waren 3 700 junge Menschen unversorgt. Im jetzt laufenden Jahr haben wir noch nicht alle aktuellen Zahlen, aber es sind wieder mehrere Tausend junge Menschen, die keinen Ausbildungsplatz haben und denen noch nicht einmal eine freie Stelle angeboten werden kann, weil es eben zu wenige freie Stellen gibt.

Dass die Ausbildungsplatzumlage zusätzliche Ausbildungsplätze schafft und dabei hilft, das kann eigentlich niemand, der halbwegs geradeaus denken kann, infrage stellen.

[Zuruf von Jeannette Auricht (AfD)]

Wenn wir uns mal das Bauhauptgewerbe anschauen, wo die Umlage 1975 zum ersten Mal eingeführt worden ist: Dort ist die Ausbildungsquote innerhalb von drei Jahren, innerhalb eines Ausbildungszyklus, von 1,5 Prozent auf fast 5 Prozent 1979 gestiegen. Sie hat sich also fast verdreifacht. Da kann doch wirklich niemand ernsthaft sagen, dass die Ausbildungsplatzumlage nicht hilft, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen.

[Beifall bei der LINKEN]

Es ist auch völlig logisch, dass so neue Ausbildungsplätze entstehen, denn was macht die Umlage? – Sie entlastet ganz massiv die Betriebe, die ausbilden, und natürlich – das hat auch Sven Meyer dargestellt – ist es für ein Unternehmen eine ganz erhebliche finanzielle Belastung

auszubilden. Wir reden über hohe fünfstellige Beträge für die gesamte Ausbildung für einen Auszubildenden. Da ist es doch klar, dass es schwer ist, das zu schultern, gerade für ein kleineres Unternehmen. Es ist auch logisch, dass diese Unternehmen in dem Moment, wenn sie davon entlastet werden, weil man das solidarisch auf alle Unternehmen umlegt, mehr Ausbildungsplätze schaffen können. Das ist doch so was von klar; das muss man hier doch eigentlich gar nicht erklären.

[Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der AfD]

Deswegen ist es schlicht Unsinn zu sagen, dass die Ausbildungsplatzumlage Unternehmen belastet. Das ist Quatsch, denn wenn man auf die Unternehmen und die Betriebe schaut, die ihre Pflicht erfüllen und ausbilden, dann ist die Ausbildungsplatzumlage natürlich eine massive Entlastung der Unternehmen. Wenn wir darüber reden, wie wir Ausbildung stärken wollen, wie wir zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen wollen, dann müssen wir doch die Perspektive der Unternehmen einnehmen, die ausbilden, und nicht die Perspektive der schwarzen Schafe, die nicht ausbilden. Deshalb brauchen wir so schnell wie möglich die Ausbildungsplatzumlage. – Vielen Dank!