Protokoll der Sitzung vom 22.05.2025

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Franco das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns erreicht eine schreckliche Nachricht aus Spandau, und dann tritt die AfD auf den Plan. Stand jetzt keine Informationen zum Tatablauf, keine Informationen zum Motiv, noch zur Nationalität, aber die AfD nutzt den Vorfall für ihre eigene rassistische Agenda, wie sie ein ums andere Mal Opfer von Straftaten für ihre Agenda instrumentalisiert. Ich finde das unanständig. Ich finde das unwürdig.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Sie fordern heute den Entzug der Staatsbürgerschaft für Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, oder, wie sie die Herren da rechts außen oftmals nennen, „Passdeutsche“. Eine Formulierung, die in ihrem Kern unmissverständlich ausdrückt, wo das Volksverständnis der AfD zu verorten ist, nämlich in einem so völkisch-ethnischen wie verfassungswidrigen Volksbegriff. Das, was Sie hier als Sicherheitsmaßnahme verkaufen, wird keine einzige Straftat verhindern. Sie machen dieses Land damit nicht sicherer, ganz im Gegenteil. Es ist ein weiterer Angriff auf das Grundgesetz und die Regeln, die sich dieses Land aus den Lehren der deutschen Geschichte gegeben hat.

[Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Herr Dregger hat es gesagt, die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden; nur wenn eine zweite Staatsangehörigkeit vorliegt, kommt das überhaupt in Betracht und nur unter sehr engen Voraussetzungen wie falsche oder gar gefälschte Angaben. Nicht in Betracht kommt es, wenn man als deutsche Staatsbürgerin oder Staatsbürger danach Straftaten begeht. Es bleibt – damit auch Sie es verstehen – dann eine deutsche Straftat, ein deutscher Täter.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (SPD)]

Und wer Straftaten begeht, muss sich dafür verantworten, vor dem Gericht, nach dem deutschen Strafgesetzbuch. Und das gilt für alle gleich. Und das Gute ist, im Strafge

setzbuch richtet sich die Strafe nach der Schwere der Tat und nicht danach, wie der Täter aussieht,

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

aus gutem Grund, aus der bitteren historischen Erfahrung, dass eben gerade die Staatsangehörigkeit im Nationalsozialismus aus politischen Gründen massenhaft entzogen wurde. Es wurde damals zum Mittel der Ausgrenzung und Entrechtung missbraucht. Und genau an diese Logik knüpfen Sie als AfD jetzt wieder an.

Worum geht es also Rechtsextremisten und Rassisten wirklich? – Es geht nicht um Sicherheit. Es geht um Spaltung, um die Vorstellung, dass Menschen mit Migrationsgeschichte Deutsche auf Widerruf seien. Wer nur einen Pass hat, ist geschützt, wer zwei hat, lebt unter dem ständigen Damoklesschwert der Ausbürgerung. Aber nein, meine Herren von Rechtsaußen, auch wenn man eine Straftat begeht, verliert man nicht die grundlegende Bindung an diesen Staat, nicht das staatsbürgerliche Dasein. Wer aber Kriminalität wie Sie nur dann sieht, wenn sie die falsche Hautfarbe oder Herkunft hat, dem geht es am Ende gar nicht darum, dass Straftäter zur Rechenschaft gezogen werden. Dem geht es darum, den Entzug der Staatsbürgerschaft als politisches Druckmittel zu nutzen, als Spielball ideologischer Abschreckungspolitik. Aber dabei ist doch gerade die Staatsbürgerschaft in einem Rechtsstaat Ausdruck von Gleichheit, Zugehörigkeit und Verantwortung.

Nur weil man eine Migrationsgeschichte hat, muss man sich die Staatsbürgerschaft nicht verdienen. Wenn man sie sich verdienen müsste, dann wären Sie die ersten, die sie abgeben müssten, denn last but not least: Die AfD ist und bleibt die Partei mit den meisten Straftätern in den eigenen Reihen, von Volksverhetzung bis zum Staatsstreich ist alles dabei.

[Zuruf von der AfD: Das ist das Allerletzte!]

Und wissen Sie was? – Ich würde Ihnen dafür nicht mal die Staatsbürgerschaft entziehen, aber was ich Ihnen damit definitiv entziehe, ist die Glaubwürdigkeit im demokratischen Diskurs. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Und für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Schlüsselburg das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute einen Antrag der AfDFraktion, der vordergründig vorgibt, die innere Sicherheit zu stärken, tatsächlich aber ein weiteres Kapitel im

(Burkard Dregger)

rechtsradikalen Drehbuch aufschlägt: spalten, stigmatisieren, entrechten.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Vasili Franco (GRÜNE) und Elif Eralp (LINKE)]

Unter dem Deckmantel der Sicherheit wird hier der Versuch unternommen, Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit unter Generalverdacht zu stellen. Der Antrag fordert nichts Geringeres als eine Zweiklassengesellschaft im Staatsangehörigkeitsrecht. Das ist mit unserem demokratischen und rechtsstaatlichen Selbstverständnis nicht vereinbar.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Vasili Franco (GRÜNE)]

Und was kommt als nächstes? – Über 80 Prozent der rechtskräftig verurteilten Straftäter sind Männer. Wollen Sie in Zukunft allen Männern die Staatsangehörigkeit entziehen, die straffällig geworden sind, und sie abschieben? – Das ist doch absurd, was Sie hier machen!

Der Antrag verweist auf Artikel 16 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Richtig ist: Der Entzug der Staatsangehörigkeit ist aktuell nur dann möglich, wenn der oder die Betroffene nicht staatenlos wird. Doch das ist eben nicht die einzige Hürde. Ein Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit muss nicht nur mit dem Grundgesetz vereinbar, sondern auch verhältnismäßig bestimmt und gerichtsfest ausgestaltet sein.

[Thorsten Weiß (AfD): Das steht doch im Antrag!]

Und die bereits bestehende Regelung etwa bei der Beteiligung an Kampfhandlungen für terroristische Organisationen ist gerade deswegen extrem eng gefasst und an hohe rechtliche Schwellen gebunden. Was die AfD hier fordert, ist eine gefährliche Aufweichung dieser Schranken. Plötzlich sollen diffuse Rechtsbegriffe wie „Gefährdung der inneren Sicherheit“ oder „Clanstrukturen“ ausreichen, um über die Zugehörigkeit zu unserem Staatsvolk zu entscheiden. Das ist juristisch vage, politisch willkürlich und verfassungsrechtlich brandgefährlich.

[Beifall von Derya Çağlar (SPD)]

Lassen Sie uns offen benennen, worum es der AfD wirklich geht: nicht um Sicherheit, sondern um Ausgrenzung. Wer den Eindruck erweckt, Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit seien per se ein Sicherheitsrisiko, gießt Wasser auf die Mühlen derjenigen, die deutsch nicht als ein rechtliches, sondern als ein ethnisches oder kulturelles Merkmal verstehen. Das widerspricht allen Prinzipien unseres modernen, inklusiven Staatsbürgerschaftsverständnisses.

[Beifall von Derya Çağlar (SPD), Vasili Franco (GRÜNE) und Elif Eralp (LINKE)]

Die deutsche Staatsangehörigkeit ist keine Gunst, die der Staat gönnerhaft gibt und jederzeit entziehen kann.

[Zuruf von Thorsten Weiß (AfD)]

Sie ist Ausdruck eines dauerhaft begründeten rechtlichen Bandes, das eben nicht an Herkunft, Religion oder Namen geknüpft ist.

[Beifall von Derya Çağlar (SPD)]

Eine gezielte Verschärfung nur für Doppelstaatler würde auch bedeuten: für gleiche Straftaten würden Menschen ungleich behandelt, abhängig davon, ob sie eine zweite Staatsangehörigkeit besitzen oder nicht. Das ist nicht nur rechtlich fragwürdig, das ist gesellschaftspolitisch brandgefährlich.

[Beifall von Derya Çağlar (SPD)]

Wir brauchen keine rechtlichen Parallelwelten, sondern Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Das Strafrecht, die Sicherheitsbehörden, sie alle haben Mittel und Wege, Straftäter zu überwachen, zu verurteilen, aber eben im Einklang mit Recht und Gesetz und der Menschenwürde.

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar?

Nein! – Wir wehren uns gegen Versuche, unsere Staatsangehörigkeit, unser Staatsangehörigkeitsrecht zur Waffe zu machen. Die Vorstellung, dass Menschen, die hier geboren, aufgewachsen, eingebürgert und längst Teil unserer Gesellschaft sind, bei einem Fehlverhalten einfach wieder auszubürgern, ist zutiefst reaktionär.

Dieser Antrag ist ein Frontalangriff auf das Gleichheitsprinzip, auf die Rechtssicherheit und auf das Vertrauen in unseren demokratischen Rechtsstaat. Er ist aber – und dafür sind wir Ihnen ein bisschen dankbar – ein weiterer Beleg dafür, wie die völkisch-nationalistische Ideologie der AfD ausgeprägt ist.

[Rolf Wiedenhaupt (AfD): Och!]

Sie wollen mit den Mitteln des Strafrechts in Wahrheit aus Ihrer rassistischen Sicht heraus Nichtdeutsche im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Volk entfernen. Dieser Antrag atmet den Geist ihrer identitären Volks- und Gesellschaftskonstruktion. Das steht aber in krassem Widerspruch zum Menschenwürdegehalt, zur Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Deswegen werden die 35 Abgeordneten der SPD-Fraktion dieses Hauses diesen Antrag ablehnen und ihn zur Materialsammlung für die Einleitung eines Verbotsverfahrens packen. Ich finde, dieses Verbotsverfahren muss sehr bald eingeleitet werden. Machen Sie nur so weiter, geben Sie uns noch mehr Gründe dafür! – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Eralp das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Jede Tat ist eine Tat zu viel. Aber, wie es eben schon gesagt wurde, was die AfD hier macht, ist die politische Instrumentalisierung für rassistische Hetze. Verschwiegen wird natürlich der jüngste Anstieg von 50 Prozent bei den rechtsextremen Taten. Warum wird das verschwiegen? – Weil das Ihre Freunde sind, die da ihr Unwesen treiben.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Deswegen möchte ich mich eigentlich gar nicht mehr mit AfD-Anträgen befassen müssen. Denn, wie wir schon in der Debatte eben festgestellt haben, hat nun endlich auch das Bundesverfassungsschutzamt erkannt, dass die AfD hochgefährlich und rechtsextrem ist und damit verfassungsfeindlich und verboten gehört. Daran ändern Sie übrigens auch nichts, wenn Sie jetzt neuerdings in Ihren Anträgen betonen, dass Sie neue verfassungsgemäße Ausführungsmöglichkeiten fordern. Wer soll denn darauf reinfallen? Das Beste ist, Sie würden einfach die Einschätzung ernst nehmen, die übrigens zivilgesellschaftliche und antifaschistische Organisationen und auch wir schon lange teilen, und Ihre Mandate abgeben, die Parlamente verlassen. Damit würden Sie der Demokratie einen großen Gefallen tun.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von der AfD: Lächerlich!]

Da aber jetzt nun mal dieser Antrag vorliegt, möchte ich dazu ein paar Sätze sagen. Wir werden es niemals hinnehmen, dass Menschen zu Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen zweiter Klasse gemacht werden. Nicht über Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft sollte das Damoklesschwert hängen, sondern über Ihnen sollte das Damoklesschwert des Parteiverbots hängen.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (SPD)]