Nicht nur die Einnahmen und Ausgaben des Staates driften auseinander – von Bund, Ländern und Kommunen –, auch die Ungleichheit in der Vermögensverteilung zwischen den Superreichen und der breiten Bevölkerung wächst, denn Großerbschaften, Milliardenvermögen und leistungslose Kapitaleinkommen werden hierzulande kaum noch besteuert.
Da kann ich nur sagen: Die Mottenkiste haben Sie hier ausgepackt, Herr Goiny, nämlich die neoliberale Mottenkiste der Argumente, die jeder aktuellen Studienlage widerspricht. Wenn Sie über faire Abgabenlast reden, dann reden wir über faire Abgabenlasten für die Superreichen im Vergleich zu den Normalverdienenden!
Während die Superreichen – die Quandts, die Klattens und die Springers dieser Welt – allein von ihren Zinsen gut leben, brauchen immer mehr Menschen zwei Jobs, um über die Runden zu kommen. Während die Superreichen mit legalen Steuertricks und Privilegien immer weniger zur Finanzierung des Gemeinwohls beitragen, schultern die Normalverdienenden die steigenden Kosten für unsere Kitas, unsere Straßen, unsere Krankenhäuser.
Dieser Zustand ist Gift für den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt, und er ist Gift für unsere Demokratie.
Die Vermögensteuer ist auch eine Chancensteuer, denn nur wenn wir das ganze gesellschaftliche Vermögen, den sprichwörtlichen Kuchen, gerechter verteilen, sind auch Bildungs-, Aufstiegs- und Lebenschancen für unsere Kinder gerechter verteilt. Wie ungleich Lebenschancen in unserer Stadt verteilt sind, erlebe ich jeden Tag in meinem Wahlkreis in Nord-Neukölln, wenn ich mit Mieterinnen und Mietern, mit Kitas oder sozialen Einrichtungen spreche. Oft fehlt es dabei an einem: Geld.
Ihre Haushaltskürzungen, liebe SPD, spüren armutsgefährdete Familien als erste. Soziale Projekte laufen aus, Jugendarbeit wird reduziert, und Bildungsprojekte werden beendet. Gekürzt wird an den Lebenschancen von Kindern, die unsere Unterstützung am meisten brauchen. Ohne Verteilungsgerechtigkeit keine Chancengerechtigkeit! Hohe Vermögen müssen endlich wieder ihren gerechten Anteil zur Finanzierung unseres Gemeinwesens beitragen.
Gute Ideen für ein gerechteres Steuersystem liegen seit Jahren auf dem Tisch – aus der Wissenschaft, von Gewerkschaften, von Sozialverbänden und aus der Politik. Ernsthafte Schritte, um große Vermögen fair zu besteuern, sind immer wieder gescheitert – mal an der Union, mal an der SPD und eigentlich immer an der FDP. Im Gegensatz dazu haben die grüne Bundestagsfraktion und der rot-grün-rote Bremer Senat unabhängig voneinander konkrete Vorschläge für ein gerechtes Steuersystem vorgelegt. Sie fordern darin unter anderem auch, die Vermögensteuer wieder einzuführen, und sie treffen damit einen Nerv. Regelmäßig stimmt in Umfragen eine große Mehrheit für eine Vermögensteuer, auch unter CDU-Anhängerinnen und -Anhängern. Doch im Koalitionsvertrag der neuen Regierung sucht man die Vermögensteuer vergeblich. Stattdessen wollen Union und SPD lieber wieder das Bürgergeld kürzen.
Am morgigen Freitag soll der Bundesrat auch noch die Steuergeschenke der CDU für Konzerne und deren Akti
onärinnen und Aktionäre durchwinken. Was die CEOs freut, reißt dauerhaft neue Millionenlöcher in die Haushalte unserer Stadt und unserer Bezirke – als hieße der Bundesfinanzminister weiterhin Christian Lindner. Lieber Senat, das ist nicht im Interesse der Berlinerinnen und Berliner! Lehnen Sie morgen die milliardenschweren Entlastungen des reichsten Prozents der Bevölkerung im Bundesrat ab!
Die Vermögensteuer ist eine Chancensteuer, deshalb gehört sie seit jeher zu einer grünen und gerechten Finanzpolitik. Die Einnahmen aus der Vermögensteuer stehen allein den Bundesländern zu, und wir alle hier sollten ein großes Interesse an ihrer Wiedereinführung haben. Ich bedaure, dass die CDU und selbst die SPD in den Ausschussberatungen gegen eine Vermögensteuer gestimmt haben. Hier und heute haben Sie eine Chance, diesen Fehler zu korrigieren. Tax the Rich! Die grüne Fraktion wird deshalb für diesen Antrag stimmen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! – Kollege Schulze! Ich muss Ihnen sagen, wir haben nicht gegen eine Vermögensteuer gestimmt, sondern wir haben im Ausschuss gegen den konkret vorliegenden Antrag gestimmt. Das ist ein Unterschied. Den würde ich Ihnen gern erläutern: Wir werden dem Antrag auch heute nicht zustimmen, weil wir glauben, dass Ihr Begehr, liebe Linksfraktion, auf Bundesratsinitiative relativ brotlos und Schaufensterpolitik ist. Das hilft niemandem konkret, und eigentlich wissen Sie das auch ganz genau.
Ich würde meine Redezeit deshalb ganz gern nutzen, Ihnen mal die Positionen der SPD-Fraktion in Berlin darzustellen.
Herr Goiny! Ich sehe ihn gerade nicht. – Herr Goiny, wunderbar! Wir werden uns hier in der Positionierung wahrscheinlich etwas unterscheiden, denn wir haben auch auf unserer Fraktionsklausur im Januar noch einmal Folgendes bekräftigt. Erstens: Wir setzen uns als SPD-Fraktion in Berlin für eine progressive Vermögensteuer für die Reichsten in der Gesellschaft maßvoll ab 10 Millionen Euro Vermögen – also in einem Bereich,
Zweitens: Wir wollen klären lassen, ob durch das jahrzehntelange Unterlassen des Bundes bei der Einführung einer verfassungskonformen Vermögensteuer dem Land Berlin möglicherweise inzwischen die Gesetzgebungskompetenz zugewachsen ist. Das ist tatsächlich Punkt 2 Ihres Antrags, und das ist auch unsere Positionierung. Wir würden dann im Erfolgsfall genau das tun, was Sie fordern, nämlich eine Vermögensteuer einführen.
Als Volkswirt holt mich das Thema durchaus so intensiv ab, dass ich Ihnen ein paar Zahlen vielleicht nicht ersparen kann. Einige davon hatte Kollege Zillich ja auch schon vorgetragen. Im Jahr 2024 lebten in Deutschland rund 3 900 sogenannte superreiche Menschen, also mit mehr Finanzvermögen als 100 Millionen Dollar, umgerechnet 87 Millionen Euro. Damit sind wir weltweit das Land mit den drittmeisten Superreichen. Diese kleine Gruppe besitzt allein inzwischen 26 Prozent des gesamten Finanzvermögens in Deutschland. Das sind also etwa 20 Billionen Euro, eine Zahl mit 12 Nullen, oder man könnte auch sagen 20 000-mal 1 Milliarde Euro, Tendenz steigend. Eine letzte Zahl: Die reichsten 10 Prozent der Haushalte besitzen etwa 60 Prozent des Gesamtvermögens, während die unteren 50 Prozent fast gar nichts haben, teilweise sogar verschuldet sind. In der Analyse will ich den Punkt klarmachen: Das ist aus meiner Sicht ein Skandal, den wir als demokratisches Gemeinwesen nicht hinnehmen dürfen. Das stimmt, da gebe ich Ihnen recht.
Die Schieflage dieser Vermögensverteilung ist ja auch kein Naturgesetz, sondern natürlich Ergebnis politischer Entscheidungen. Unsere Verantwortung als Politik ist es, die Frage zu stellen und sie auch zu beantworten, wie wir alle miteinander als eine Gesellschaft zusammenleben wollen, mithin also auch ohne Parallelgesellschaften der oberen Zehntausend. Dann ist es natürlich eine Selbstverständlichkeit, dass sich alle, gerade angesichts der Krisenlasten der vergangenen Jahre, entsprechend ihrer Kraft am Gemeinwesen beteiligen müssen. Das ist doch selbstverständlich. Dann kommt noch ein Faktor dazu: Wer Vermögen hat, kann nahezu leistungslos darauf vertrauen, dass es wächst und weiter wachsen wird. Wer dagegen nichts hat, schaut in die Röhre, hat praktisch keine Chance, an der langfristigen wirtschaftlichen Dynamik teilzuhaben.
Ich würde mir wünschen, auch in der ökonomischen Diskussion, dass diese simple Erkenntnis mal nicht nur bei den progressiven, sondern bei allen Ökonomen in diesem Land ankäme. Das hat auch eine gesamtgesellschaftliche, gesamtvolkswirtschaftliche Relevanz, über die wir reden müssen. Thomas Piketty, hochdekorierter Volkswirt, hat in seinem Standardwerk „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ verkürzt gesagt das Ganze auf die Formel gebracht: r > g. Was meint er damit? – Wenn die Kapitalrendite – das meint r – größer ist als das realwirtschaftliche Wachstum, dann führt unregulierter Kapitalismus unweigerlich zu einer Vermögenskonzentration in den Händen einiger weniger. Das ist nicht meine Idee oder die von Karl Marx. Das ist der Stand der Wissenschaft. Wenn das aber der Befund ist, dann ist es auch keine Sozialromantik, diese Konzentration von Vermögen zu kritisieren und zu beheben. Noch ein Satz dazu: Aus Studien wissen wir ziemlich genau, dass Gesellschaften mit größerer Gleichheit bei Einkommen und Vermögen tendenziell produktiver, sicherer übrigens auch, liebe CDU, glücklicher sind.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der LINKEN: Und gesünder!]
Deshalb sollten wir davon wegkommen, in den ökonomischen und sozialpolitischen Debatten immer dieses eingeübte Muster zu haben, auf der Skala der Vermögensverteilung nach unten zu schauen, auch auf der Skala der Einkommensverteilung nach unten zu schauen. Wir sollten den Blick dahin richten, wo das Geld im Überfluss vorhanden ist.
Dann würde ich gern noch mit einem Mythos aufräumen, weil das auch immer als Gegenargument kommt. Eine seriös gestaltete Vermögensteuer, wie die SPD sie will, wird niemals Oma ihr klein Häuschen betreffen – niemals. Das ist eine Frage von Steuertechnik. Das wird immer gerne als ordoliberale Polemik gegen uns vorgebracht, geht aber völlig fehl.
Ich fasse zusammen: Die SPD ist klar positioniert, wenn es um eine Vermögensteuer geht. Gerade deshalb ist es uns ein bisschen zu wenig, liebe Linke, ein so wichtiges Thema lieblos auf eine Reise in den Bundesrat zu schicken, die dann mutmaßlich erfolglos bleiben wird. Wir schlagen deshalb – –
Lassen Sie mich doch den konstruktiven Punkt einmal machen. – Wir schlagen deshalb unter anderem vor, beim Bund auch für eine Öffnungsklausel einzutreten, weil das ein pragmatischer, gangbarer Weg wäre.
Was wir brauchen, ist eine gesellschaftliche Willensbildung über eine vernünftige, gemeinwohlorientierte Wirtschaftspolitik. Die Position der SPD-Fraktion kennen Sie jetzt, die habe ich Ihnen gerade vorgetragen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Vielen Dank!