Protokoll der Sitzung vom 10.07.2025

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat der Abgeordnete Valgolio das Wort. – Bitte schön!

[Torsten Schneider (SPD): Der lobt uns jetzt! – Katina Schubert (LINKE): Nur keinen Neid! – Torsten Schneider (SPD): Ich mag dich auch!]

Vielleicht werde ich einige von euch loben. – Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen Pätzold und Meyer! Zu sagen, wir kriegen es politisch nicht hin, für einen auskömmlichen Mindestlohn zu sorgen, und deswegen übertragen wir das der Mindestlohnkommission – die es, wie wir gesehen haben, auch nicht hinkriegt –, das finde ich schon ein bisschen schwach, gerade seitens der SPD. Aber dazu komme ich noch.

Ich will tatsächlich loben, da haben Sie recht. Es ist gut, dass zumindest angekündigt worden ist, dass der Landesmindestlohn angehoben wird. Das ist völlig richtig. Das ist vernünftig. Jemand, der arbeiten geht, muss von der Arbeit leben können, und er kann dann nicht noch hinterher zum Jobcenter laufen müssen und aufstocken. Das geht nicht.

[Beifall bei der LINKEN – Tommy Tabor (AfD): Senken Sie doch mal die Steuern!]

Wir haben auf Bundesebene zum ersten Mal seit 2015 die Situation, dass die Zahl der Aufstocker steigt. Das ist eine Folge der Ampelpolitik und der großen Koalition. Da müssen wir natürlich gegensteuern. Deswegen will ich ganz ausdrücklich an diesem Punkt ausnahmsweise die Koalition loben und vor allem auch Arbeitssenatorin Kiziltepe und ihr Team. Es ist vernünftig, das anzuheben.

Wenn alle so arbeiten würden, hätten wir, glaube ich, weniger Probleme in der Stadt. Ich frage mich zum Beispiel: Wenn der Landesmindestlohn angehoben wird, warum kriegt es die Wirtschaftssenatorin nicht hin, auch für eine Anhebung des Vergabemindestlohns zu sorgen?

[Beifall bei der LINKEN - Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Der hat einen noch viel größeren Anwendungsbereich. Aber auch dazu komme ich noch. Wie gesagt, ich will ja loben, auch insbesondere das Team der Senatorin.

Es ist auch vernünftig, die Zuschläge anzuheben. Das hat der Kollege Sven Meyer richtig erklärt. Das ist nicht nur eine Frage der individuellen Gerechtigkeit, sondern auch eine Frage des Lohngefüges im Betrieb. Das soll durch den Mindestlohn nicht eingeebnet werden, sondern insgesamt angehoben. Deswegen müssen die Zuschläge on top kommen. Das ist völlig richtig. Wir haben das schon im September 2023 beantragt. Damals hat die Koalition noch dagegen gestimmt. Jetzt stimmen Sie dafür. Das ist gut. Nur zwei Jahre Verzögerung ist wirklich nicht schlecht. Bei der Umlage verzögern Sie unseren Vorschlag. Wenn das 2028 wirklich kommt, sind das mehr als fünf Jahre. Insofern an diesem Punkt auch ein Lob. Zwei Jahre sind ganz gut.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Christoph Wapler (GRÜNE)]

Jetzt komme ich zu den Punkten, die ich am Gesetz nicht so gut finde. Insofern, lieber Kollege Dr. Pätzold, wenn wir da noch eine Änderung hinkriegen, kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir da zustimmen. Aber da muss noch etwas geändert werden. Erstens steht im Gesetz, der Landesmindestlohn soll so hoch sein, dass man mit 45 Beitragsjahren „höchstens“ eine Rente kriegt, die oberhalb der Armutsgrenze liegt. Da frage ich mich: Warum denn „höchstens“? Der ganze Sinn der Übung ist doch, dass man auch im Alter oberhalb der Armutsgrenze ist. Deswegen müsste dort eigentlich stehen, dass er „mindestens“ so hoch sein muss, dass man oberhalb der Armutsgrenze ist, nicht „höchstens“. Man kann natürlich darüber streiten, was die richtigen Schritte sind, um dahin zu kommen und wie lange das dauert. Das geht möglicherweise nicht von jetzt auf gleich. Aber wenn man reinschreibt „höchstens“, dann zeigt man schon, dass man vorhat, dauerhaft darunter zu bleiben. Das geht nicht.

[Beifall bei der LINKEN]

Man könnte andere Dinge reinschreiben, wenn man schon so gesetzgeberisch rangehen will, zum Beispiel, dass der Mindestlohn bei 60 Prozent des Medianlohns liegen muss, wie es der Kollege Wapler richtig beschrieben, wie es die EU-Mindestlohnrichtlinie vorschreibt. Man kann es an Tarifentwicklung koppeln. Aber zu sagen „höchstens Armutsgrenze“, das ist ein bisschen wenig.

Was man auch nicht machen kann – zweiter Punkt –, ist, dass man das, so wie Sie das machen wollen, an die

(Dr. Martin Pätzold)

Entscheidungen der Mindestlohnkommission auf Bundesebene koppelt. Denn die Mindestlohnkommission hat auf Bundesebene versagt. Und die Bundesregierung hat auf Bundesebene versagt. Was wir kriegen werden, ist vielleicht 2027 ein Mindestlohn von 14,60 Euro. Das ist nicht auskömmlich. Das ist kein Mindestlohn oberhalb der Armutsgrenze, und deswegen geht das nicht. Und deswegen kann man sich dieser Mindestlohnkommission nicht unterordnen in Berlin.

[Beifall bei der LINKEN]

Da sind natürlich manchmal politische Entscheidungen nötig. Ich verstehe es auch nicht, diese Bindung an die Mindestlohnkommission damit zu begründen, dass das irgendwas mit Tarifautonomie oder mit dem Einfluss der Gewerkschaften zu tun hat. Die Mindestlohnkommission hat nichts mit Tarifautonomie zu tun. Da kann nichts erstreikt werden; da kann nichts durchgesetzt werden. Das ist immer ein politischer Kompromiss. Wir sehen ja an den Ergebnissen, dass es eben nicht reicht. Und deswegen ist das nichts, woran wir uns orientieren können. Wir brauchen eine eigene Entscheidung, und deswegen ist das ein Teil des Gesetzes, bei dem wir nicht mitgehen können.

Und der allerletzte Punkt, der mich stört, das hatte ich vorhin schon angedeutet: Der Landesmindestlohn soll angehoben werden, aber nicht der Vergabemindestlohn. Das war bei Rot-Rot-Grün immer gekoppelt. Auch wenn wir da nicht immer so schnell waren, wie wir wollten, haben wir eine dauerhafte Erhöhung kontinuierlich linear hinbekommen. Das, was die Koalition jetzt angekündigt hat, ist im Grunde genommen eine Fortsetzung der linearen Erhöhung des Landesmindestlohns, die Rot-Rot-Grün auf den Weg gebracht hat, aber der Vergabemindestlohn scheint nicht mitzusteigen, obwohl der Vergabemindestlohn ja in der Realität einen viel größeren Anwendungsbereich in Berlin hat. Nicht nur, dass er nicht steigt –

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss!

die Koalition und der Regierende Bürgermeister haben sogar angekündigt, dass sie die Wertgrenzen im Vergabegesetz bis auf 100 000 Euro hochsetzen wollen. Das heißt, da würde dann überhaupt kein Mindestlohn mehr gelten und auch nicht die Tariftreueklausel. Das kann man nicht machen. Man kann nicht den Landesmindestlohn erhöhen und zum Vergabemindestlohn schweigen; insofern ein ausdrückliches Lob – haben Sie gut gemacht! – beim Landesmindestlohn, aber das kann nicht über die sonstigen Versäumnisse hinwegtäuschen.

Herr Abgeordneter, bitte beenden Sie Ihre Rede!

Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Und für die AfD-Fraktion hat die Abgeordnete Auricht das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So, der Berliner Landesmindestlohn soll dann also künftig automatisch steigen, gekoppelt an die Empfehlungen der Bundesmindestlohnkommission. Ziel des Vorhabens ist es, so heißt es jedenfalls im Antrag, Armut zu bekämpfen und faire Löhne zu garantieren. Ich weiß nicht, ob ein Mindestlohn Armut bekämpft, aber das werden wir ja in der Diskussion dann sicherlich noch hören.

Ja, ich muss der Ehrlichkeit halber zugeben: Wir als AfD haben während der Coronakrise auch einmal der Mindestlohnerhöhung zugestimmt. Das war aber der außergewöhnlichen Notlage, die Sie ja auch irgendwie verursacht haben, geschuldet, und wir wollten es den Menschen eben nicht vorenthalten. Es war eine Notlage. Aber das, was wir heute erleben, ist keine temporäre Reaktion, sondern ein struktureller Irrweg.

[Beifall bei der AfD]

Die ständige Erhöhung des Landesmindestlohns ersetzt keine wirtschaftspolitische Strategie. Sie ist ein Reflex der politischen Linken, getragen von der Illusion, man könne Wohlstand gesetzlich verordnen.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Richtig!]

Der neue Referenzmaßstab für die Anpassung, die Mindestlohnkommission, mag auf den ersten Blick nach einem Kompromiss zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften klingen, doch ganz ehrlich: Die Kommission ist doch nicht mehr neutral. Sie ist politisch geprägt. Ihre Entscheidungen folgen nicht mehr ausschließlich sachlichen Erwägungen, sondern zunehmend parteipolitischem Druck. Schon die letzte Entscheidung war umstritten und wurde gegen das Votum der Arbeitgeberseite getroffen.

Und eines möchte ich Ihnen auch sagen: Unsere Partei hat auf unserem Bundesparteitag beschlossen, dass der Mindestlohn temporär notwendig ist, weil Sie die marktwirtschaftlichen Prinzipien ausgehebelt haben, aber perspektivisch gehört der Mindestlohn oder die Lohnverhandlung wieder in die Hände der Tarifpartner, und der Staat muss sich da zurückziehen.

[Beifall bei der AfD]

(Damiano Valgolio)

Wir sollten auch so ehrlich sein: Der Landesmindestlohn gilt nur für begrenzte Gruppen. Es betrifft ja nicht alle Berliner; also die ALDI-Verkäuferin zum Beispiel hat ja gar nichts davon.

[Zuruf von Lars Düsterhöft (SPD)]

Nicht, dass ich es den staatlichen Bediensteten nicht gönne, aber es ist eben nur eine eingeschränkte Gruppe von Menschen, die hier profitieren.

[Zuruf von Lars Düsterhöft (SPD)]

Und Sie wollen ja diesen Vergabemindestlohn jetzt gar nicht mit ankoppeln, aber auch kleinere und mittelständische Unternehmen haben sich in der Vergangenheit schon aus der Ausschreibung zurückgezogen und haben sich gar nicht mehr an Ausschreibungen, sozusagen am Wettbewerb beteiligt. Also haben wieder nur die großen Konzerne profitiert, und der Mittelstand war wieder außen vor. Deshalb haben Sie ja jetzt wahrscheinlich das Vergaberecht da irgendwie so ein bisschen weggenommen.

Und wer profitiert denn noch? – Der Staat profitiert. Mit jedem Cent, den der Lohn steigt, steigen auch Lohnsteuer, Sozialabgaben und Umsatzsteuereinnahmen.

[Beifall bei der AfD]

Das bedeutet, höhere Mindestlöhne füllen nicht die Geldbeutel der Arbeitnehmer, weil die Inflation das sowieso schon aufgefressen hat, sie füllen vor allem die Staatskassen. Wenn Sie den Menschen wirklich helfen wollen, dann senken Sie doch endlich die Steuern und Abgaben! Dann bleibt auch von den jetzigen Löhnen mehr übrig, ganz ohne weitere Bürokratie und ohne Belastung der Betriebe.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Bravo!]

Einen Punkt möchte ich hier auch mal erwähnen: Berlin ist Empfängerland im Länderfinanzausgleich. Sie finanzieren diese Mindestlohnpolitik nicht durch eigene wirtschaftliche Stärke, sondern durch die Gelder anderer Bundesländer, die wirtschaftlich effizienter und produktiver arbeiten. Was Sie sich hier selber wieder als sozialpolitische Großtat verkaufen, beruht in Wahrheit auf den Leistungen der Bürger in Bayern und Baden-Württemberg.

[Beifall bei der AfD]

Diese dauerhafte Selbstbedienung ist unsolidarisch, wirtschaftspolitisch unverantwortlich und politisch auch anmaßend. Wir als AfD stehen für gute Löhne

[Lachen bei den GRÜNEN – Zuruf von Lars Düsterhöft (SPD)]

ja, nicht geschenkt, meine Lieben: Leistung, Leistung, Leistung! –,

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Jawohl!]