Wir führen schnellstmöglich flächendeckende BSE-Tests ein. Die Kosten dafür belaufen sich auf ca. 44 Millionen DM. Wir brauchen dieses Geld für zusätzliches Personal, für die Ausweitung der Untersuchungskapazitäten, für Testmaterialien und für die notwendigen Kontrollen.
In kurzer Zeit werden wir 60 000 bis 80 000 BSE-Tests durchführen können. In der Endphase werden es 300 000 pro Jahr sein. Wir gehen davon aus, dass an allen Rindern über 30 Monaten, die in den nächsten Wochen in BadenWürttemberg geschlachtet werden, die erforderlichen Tests durchgeführt werden. Auch jüngere Tiere werden wir untersuchen, sobald geeignete und verlässliche Tests zur Verfügung stehen.
Wir haben in den vergangenen Jahren das Tierärztliche Untersuchungsamt Aulendorf zu einem schlagkräftigen Diagnostikzentrum ausgebaut. Wir werden es zu einen BSE-Kompetenzzentrum für das ganze Land weiterentwickeln.
Aulendorf alleine kann aber die Tests quantitativ nicht bewältigen. Deshalb haben wir unverzüglich begonnen, in den vier Chemischen und Veterinäruntersuchungsämtern BSE-Labors einzurichten. Sie werden noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Zusätzlich haben wir bereits private Labors mit den Untersuchungen beauftragt.
Aus persönlicher Anschauung kann ich Ihnen sagen, dass es sich bei den BSE-Tests um sehr aufwendige und sehr komplexe Untersuchungsverfahren handelt. Sie erfordern größte Sorgfalt bei Probeentnahme und Untersuchung. Ich möchte deshalb an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese verantwortungsvolle Aufgabe ausführen, meinen Respekt und meinen ausdrücklichen Dank sagen.
Meine Damen und Herren, wir werden alle Kosten für diese BSE-Tests vorläufig übernehmen. Der zuständige EUKommissar hat vor den Medien erklärt, die EU werde sich an den Kosten für die Tests beteiligen. Vom Bund gibt es bis zur Stunde noch keine solche Erklärung.
Es ist aber doch ein Ding der Unmöglichkeit, dass letztlich die europäische Ebene zahlt, dass die Landesebene zahlt, dass die Kreise zahlen, dass aber der Bund bis zur Stunde noch keine Mark beisteuert. Ein Ding der Unmöglichkeit!
(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Keitel CDU – Lebhafte Zurufe von der SPD und der CDU – Abg. Maurer SPD: Jetzt sind wir doch wieder im Wahlkampf! –Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Es weih- nachtet sehr! – Gegenruf des Abg. Weiser CDU: Finden Sie das lächerlich?)
Meine Damen und Herren, man wird Fakten ja wohl noch aussprechen dürfen, vor allem dann, wenn man eben gerade nicht feilscht, sondern sagt: Wir finanzieren alles Notwendige vor, weil kein Bürger Verständnis dafür hätte, wenn notwendige Maßnahmen jetzt nur deshalb unterblieben, weil man sich noch nicht auf eine Finanzierung verständigt hat.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Entfer- nungspauschale für Rinder!)
Meine Damen und Herren, nach allem, was wir bisher wissen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verfütterung von infektiösem Tiermehl ursächlich für die BSE-Übertragung. Deshalb müssen wir diesen Übertragungsweg unterbrechen.
Wir begrüßen, dass sich nach der Bundesregierung nunmehr auch die EU-Agrarminister vergangene Woche darauf geeinigt haben, dass europaweit ab dem 1. Januar 2001 das Tiermehl aus den Futtertrögen aller Tiere verbannt wird. Allerdings ist diese Maßnahme auf ein halbes Jahr befristet und deshalb nach unserer festen Überzeugung nicht zureichend.
Ich hätte mir gewünscht, dass die deutsche Regierung, die sich nach entsprechenden Beschlüssen in unseren nationalen Parlamenten für ein unbefristetes Verbot der Tiermehlverfütterung eingesetzt hat, dies auf der Ebene des EU-Ministerrats in Brüssel oder am vergangenen Wochenende in Nizza durchgesetzt hätte. Das ist leider nicht gelungen.
Die deutsche und die europäische Regelung des Tiermehlverfütterungsverbots fallen aber auch inhaltlich auseinander. Wir brauchen hier dringend eine Harmonisierung.
Selbstverständlich stellt uns die Umsetzung des Verbots in Baden-Württemberg vor große Herausforderungen. Unsere drei Tierkörperbeseitigungsanstalten produzieren derzeit jährlich etwa 30 000 Tonnen Tiermehl und 16 000 Tonnen Tierfett. Diese Mengen müssen künftig ordnungsgemäß entsorgt werden. Dankbar bin ich dafür, dass es den Tierkörperbeseitigungsanstalten gelungen ist, hierfür kurzfristig Verbrennungskapazitäten zu sichern, sodass eine reibungslose Entsorgung gewährleistet ist.
Die Landkreise und Stadtkreise, die in unserem Land Träger der Tierkörperbeseitigungsanstalten sind und die diese Aufgabe – das muss ich ausdrücklich sagen – in den letzten 20 Jahren hervorragend wahrgenommen haben,
rechnen mit Einnahmeausfällen und Mehrkosten von rund 28 Millionen DM, weil sie das Tiermehl nicht mehr ver
kaufen können, sondern es beseitigen müssen. Dieser Betrag kann bei einem Anstieg der zu entsorgenden Mengen noch steigen.
Wenn der Bundesfinanzminister – so geschehen in der letzten Woche – sich auf den Standpunkt stellt, Tiermehl sei Abfall und Abfallentsorgung sei Ländersache, dann macht er es sich zu einfach. Das können und werden wir nicht akzeptieren. Die Europäische Union und der Bund müssen mithelfen und sich an den Kosten beteiligen.
Auch als Land werden wir uns beteiligen müssen, weil wir die Stadt- und Landkreise nicht auf den gesamten Kosten sitzen lassen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die BSE-Krise hat dramatische Auswirkungen auf unsere heimische Landwirtschaft. Am Rindfleischmarkt gibt es bereits drastische Preis- und Absatzeinbrüche. Es wird erwartet, dass die Zahl der Rinderschlachtungen in Baden-Württemberg im nächsten halben Jahr um 40 % – das wären 140 000 Tiere – zurückgeht.
Die Rinderhaltung ist in unserem Land mit der bedeutendste Zweig in der Landwirtschaft. Die Verkaufserlöse der baden-württembergischen Landwirtschaft bei der Milch betragen rund 1,4 Milliarden DM im Jahr; beim Rindfleisch sind es 600 bis 700 Millionen DM. Insgesamt macht dies rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Verkaufserlöse aus. Man kann sich also vorstellen, was passiert, wenn hier Einbrüche der genannten Quantität zu verzeichnen sind.
Das alles trifft einen Berufsstand, nämlich die Landwirtschaft, der schon bisher große Einkommensrückstände hat und der durch die Beschlüsse des EU-Rates von Berlin am 25. März 1999 und durch nachfolgende Beschlüsse der Bundesregierung große Einnahmeausfälle hat, die sich allein für die baden-württembergische Landwirtschaft auf 400 Millionen DM im Jahr belaufen. Alles, was jetzt im Zusammenhang mit BSE an Ausfällen entsteht, kommt noch hinzu.
Viele unserer Betriebe kommen durch alle Folgen der Ausweitung von BSE, durch die notwendigen Anordnungen von EU, Bund und Land sowie durch den Rückgang des Verbrauchs von Rindfleisch in eine Notlage. Wir können unsere Bauern nicht hängen lassen. Das gilt für Brüssel, für Berlin und für das Land.
Wir fordern die Europäische Union und den Bund deshalb auf, alle verfügbaren Marktinterventionen umgehend in Gang zu setzen,
ein nationales Hilfsprogramm zur Erhaltung der Liquidität und zur Abwendung der Existenzgefährdung landwirtschaftlicher Betriebe zu schaffen. Im Jahr 2001 wird für die baden-württembergischen Rinderhalter ein Finanzbedarf von – so wird es heute abgeschätzt – etwa 50 Millionen DM bestehen.
Auch unsere Schlachtbetriebe und Vermarktungseinrichtungen, die mir Tag für Tag Briefe schreiben, brauchen dringend Liquiditätsbeihilfen.
Meine Damen und Herren, Bund, Länder und Gemeinden müssen die notwendigen Maßnahmen konsequent und gemeinsam angehen. Unser Landwirtschaftsministerium hat dafür über die gesamten zu erwartenden Kostenbelastungen einen detaillierten Zwölfpunktekatalog erarbeitet und in die Bund-Länder-Gespräche der letzten Tage eingebracht.
Gemeinsam Verantwortung zu tragen heißt aber auch, die Kostenlast dieser Aufgabe gemeinsam zu schultern. Mit Besorgnis entnehme ich dem Beschluss des Europäischen Rates von Nizza, dass alle Maßnahmen zur Verbesserung der Lage auf dem Rindfleischmarkt – jetzt kommt ein wörtliches Zitat – „unter strikter Einhaltung der finanziellen Vorausschau“ zu erfolgen hätten. Das war in Nizza auch die Position der Bundesregierung. Meine Damen und Herren, ich frage: Wie sollen wir solche Notmaßnahmen im Rahmen der verabschiedeten Haushalte finanzieren? Das ist doch in Baden-Württemberg genauso wenig möglich wie beim Bund oder bei der Europäischen Union.
Wie hätten denn die Notmaßnahmen nach dem Orkan Lothar aus dem Landwirtschafts- und Forsthaushalt des Landes finanziert werden können?
Es ist doch klar, dass dann, wenn ein Notstand ausbricht, auch Sonderfinanzierungen auf jeder Ebene notwendig sind.
Wenn alle notwendigen Maßnahmen der europäischen Ebene, zu denen sich die Kommission bereits bekennt, aus den vorhandenen Mitteln des EU-Agrarhaushalts finanziert werden müssen, dann zahlen das die Gleichen – nämlich die Bauern –, die die Entschädigung bekommen sollen. Das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit.
Ein ganz wichtiger Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für mich: Die BSE-Krise macht uns bewusst, dass wir uns auf die natürlichen Lebensgrundlagen, auf die natürlichen Grundlagen für die Landwirtschaft und für die Nahrungsmittelherstellung besinnen müssen.