Ein ganz wichtiger Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für mich: Die BSE-Krise macht uns bewusst, dass wir uns auf die natürlichen Lebensgrundlagen, auf die natürlichen Grundlagen für die Landwirtschaft und für die Nahrungsmittelherstellung besinnen müssen.
(Abg. Drexler SPD: Oha! – Abg. Maurer SPD: Gu- ten Morgen! – Lachen bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen)
Ich halte mich sehr zurück, aber ich wünschte mir, dass Sie in den Ländern, in denen Sie mitregieren, auch nur annähernd so weit wären, wie wir in Baden-Württemberg auf diesem Gebiet sind.
Wenn Sie in der Debatte damit ankommen – darauf freue ich mich –, dann werde ich Ihnen das mit Zahlen und Fakten belegen. Das möchte ich nur sagen.
Meine Damen und Herren, hier sitzen die Personen, die diese Politik vor Jahren und Jahrzehnten eingeleitet haben.
Die Landesregierung von Baden-Württemberg hat sich mit guten Gründen seit Jahrzehnten immer für die bodengebundene Landwirtschaft, für bäuerliche Familienbetriebe und gegen Agrarfabriken eingesetzt.
(Lebhafter Beifall bei der CDU – Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen)
Die durchschnittliche Betriebsgröße eines bäuerlichen Familienbetriebs liegt in Baden-Württemberg bei 23,1 Hektar. Im Bundesdurchschnitt sind es 40 Hektar, wobei der Bundesdurchschnitt von 40 Hektar täuscht; denn in vielen anderen Ländern beträgt die Betriebsgröße ein Mehrfaches des Bundesdurchschnitts oder der 23,1 Hektar von BadenWürttemberg.
Auch die Tierhaltung in unserem Land ist ähnlich klein strukturiert. Industrielle Massentierhaltung bei Rindern spielt in Baden-Württemberg kaum eine Rolle. Der Anteil der Betriebe mit über 100 Tieren liegt in Baden-Württemberg bei ganzen 0,8 %.
Die Futtergrundlage dieser Tiere ist selbst erzeugtes Futter wie Gras und Heu, Maissilage und Getreide. Wir haben die Natur nicht auf den Kopf gestellt!
Für unsere Agrarpolitik stand nicht die bloße Produktionsmaximierung im Vordergrund. Wir haben am Flächen- und Bodenbezug festgehalten. Auch in allen unseren Förderprogrammen haben wir an der Fläche und nicht an der Produktionsmenge angesetzt. Dadurch haben wir zur Bodengebundenheit landwirtschaftlicher Produktion und zur Mengenbegrenzung beigetragen.
Meine Damen und Herren, Fritz Brünner und Gerhard Weiser standen für diese Politik. Gerdi Staiblin hat sie erfolgreich weiterentwickelt.
Wir unterstützen diese Art der Landbewirtschaftung und unsere Rinderhalter mit vielfältigen Programmen. Ich nenne als Beispiel das damalige Bergbauernprogramm. Es ist in Baden-Württemberg vom Bauernverband und vom Landwirtschaftsministerium vor mehr als drei Jahrzehnten entwickelt worden. Erstmals in Europa gab es eine flächenbezogene Förderung, die nicht zu einer Mengensteigerung, zu einer Produktionssteigerung beigetragen hat. Aus diesem Bergbauernprogramm – zunächst für den Schwarzwald – ist das Programm zur Hilfe für Betriebe, die von der Natur benachteiligt sind – heute weit mehr als 50 % der Fläche in Baden-Württemberg –, entwickelt worden. Es handelt sich um eine ausschließlich flächenbezogene und damit produktionsbegrenzende Förderung unserer Landwirtschaft.
Ich nenne als weiteres Beispiel die Investitionsförderung, ich nenne das Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleichsprogramm, das MEKA. Das MEKA ist ein seit zehn Jahren europaweit beispielgebendes Agrarförderprogramm, das auf freiwilliger Basis eine Förderung ökologischer und extensiver Wirtschaftsweisen in der Landwirtschaft ermöglicht.
Genau nach diesem Modell versucht EU-Agrarkommisar Fischler jetzt die europäische Landwirtschaftspolitik auszurichten: flächenbezogene Förderung und bodengebundene Landwirtschaft und damit nicht Produktionssteigerung zu immer neuen Überschüssen.
(Zuruf des Abg. Buchter Bündnis 90/Die Grünen – Gegenruf des Abg. Kluck FDP/DVP: Genau so ist es, Herr Kollege!)
Meine Damen und Herren, auch ohne die aktuelle BSEKrise hat die Landesregierung eine Weiterentwicklung dieses MEKA ab dem Jahr 2000 eingeleitet und in den Maß
nahmen- und Entwicklungsplan des Landes die entsprechenden EU-Kofinanzierungsmittel eingestellt. Damit sind wir in der Lage, unser MEKA-Programm weiter aufzustocken, und wir erreichen in der Endstufe ein Fördervolumen von 290 Millionen DM pro Jahr. Hier können wir mit allem Stolz sagen, dass die Landesregierung seit Jahren eine sehr vorausschauende agrarpolitische Weichenstellung in Richtung auf ökologische und extensive Bewirtschaftung betrieben hat und deshalb keiner Nachhilfe durch andere Parteien bedarf.
Wenn uns diese Krise etwas lehrt, dann dies: dass wir mit unseren Vorbehalten gegen Agrarfabriken und unserem Eintreten für bäuerliche Familienbetriebe mit hohem Qualitätsbewusstsein absolut auf dem richtigen Weg waren und sind.
Meine Damen und Herren, Qualität hat ihren Preis. Wer Qualität, wer Sicherheit, wer Vielfalt bei Lebensmitteln will, wer gesunde Nahrungsmittel will, der muss bereit sein, dafür auch mehr zu bezahlen. Auch das spreche ich offen an.
Wie jede Krise bietet auch diese Chancen. Ich bin mir sicher, Herkunft und Qualität von Lebensmitteln werden in Zukunft eine immer größere Bedeutung erhalten. Unsere heimische Landwirtschaft mit ihren qualitativ hochwertigen Produkten hat hier im Grunde eine gute Ausgangsposition. Besonders gilt dies für die Produkte mit dem Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg, die bereits höchste Anforderungen erfüllen.
Nahrungsmittel aus der Nähe, Nahrungsmittel von Bauernhöfen, die man kennt, gesunde und geprüfte Nahrungsmittel aus Baden-Württemberg – gläserne Produktion –, sie haben auch den Vorteil geringer Transportentfernungen.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Wer hat denn 16 Jahre lang die Re- gierung gestellt?)
Es gibt von mir zahlreiche Initiativen aus den letzten Jahren – das will ich Ihnen nur sagen –, von mir ganz persönlich. Ich habe mich immer dagegen gewandt, dass Tiere mit größter Rücksichtslosigkeit und ohne jede innere Anteilnahme an dem Empfinden dieser Geschöpfe und ihren Schmerzen stunden- und tagelang ohne Nahrung und Wasser und auf engstem Raum zusammengepfercht transportiert werden.
Man kann nicht zusehen, wie sie eingeladen und ausgeladen werden. Hier geschieht nicht das Menschenmögliche zum Schutz der Tiere, sondern das Gegenteil.
(Abg. Deuschle REP: Und was machen Sie kon- kret dagegen? – Abg. Carla Bregenzer SPD: So ei- ne Scheinheiligkeit! – Abg. Drexler SPD: Die gan- zen Achtzigerjahre waren Sie an der Regierung!)
Gesunde Tiere und Nahrungsmittel aus dem Land, garantiert durch ein Herkunfts- und Qualitätszeichen und durch lückenlose Kontrolle, sind auch unter diesem Gesichtspunkt ein großer Vorteil und ein anzustrebendes Ziel. Eine klare Kennzeichnung und der Nachweis der Herkunft werden immer wichtiger.
Aufklärung vor Ort ist gefragt. Hier kommt der Verbraucherberatung und den vier Ernährungszentren, die wir zu Beginn dieser Legislaturperiode eingerichtet haben, eine zentrale Rolle zu. Wie jede Pionierarbeit wurden sie am Anfang belächelt und kritisiert. Schon heute will es niemand gewesen sein.
(Demonstrativer Beifall bei der SPD und Abgeord- neten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Mau- rer SPD: Ja, das ist wahr!)