Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern fehlt in der baden-württembergischen Gemeinde- und Landkreisordnung eine Verpflichtung zur Einrichtung der Stelle einer hauptamtlichen Frauenbeauftragten. Es gibt bundesweit 1 732 kommunale Gleichstellungsstellen; in Baden-Württemberg gibt es gerade mal 46 hauptamtlich besetzte Stellen in den Städten, Gemeinden und Landkreisen. Nur 17 davon sind Vollzeitstellen, 29 sind Teilzeitstellen. Damit ist Baden-Württemberg bei der kommunalen Frauenförderung bundesweit Schlusslicht.

(Abg. Haas CDU: Das stimmt ja nicht! Bei den Stellen sind wir Schlusslicht, aber nicht bei der Förderung!)

Aus diesen Fakten kann man nur einen Schluss ziehen: In wichtigen Feldern fehlt dem 1995 verabschiedeten Landesgleichberechtigungsgesetz der notwendige Biss.

(Abg. Wieser CDU: Das hat doch die SPD ge- macht!)

Festgefahrene Strukturen in der Verwaltung und auf Machterhalt zielende männliche Seilschaften

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen – Oh-Ru- fe von der CDU)

lassen sich offenkundig nicht so leicht aufbrechen. Nach fünf Jahren ist es wirklich überfällig, dass die CDU ihre frauenpolitische Borniertheit endlich aufgibt.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Also, Frau Hauß- mann!)

An vollmundigen Ankündigungen und Willensbekundungen zur Novellierung des Gesetzes hat es wie überall sonst bei Ihnen nie gefehlt. Angesprochen auf die anhand von Fakten belegbare wenig durchschlagende Wirkung des Gesetzes, haben auch CDU-Frauenpolitikerinnen immer wieder Novellierungsbedarf eingeräumt. Stellvertretend für alle CDU-Politikerinnen nenne ich die Staatssekretärin Frau Lichy, die dies schon im August 1998 erklärte. Ich zitiere dazu wörtlich aus einem Zeitungsbeitrag:

Sollte das Gleichstellungsgesetz trotz aller Aktivitäten und Appelle in absehbarer Zeit noch immer nicht ausreichend greifen, kann sich Johanna Lichy auch eine Nachbesserung vorstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Brecht- ken SPD: Jetzt muss sie es bloß noch machen!)

So kann man im „Reutlinger Generalanzeiger“ vom 26. August 1998 lesen.

(Abg. Haas CDU: Sie machen einen entscheiden- den Fehler: Frauenförderung hängt nicht von der Zahl der Stellen ab!)

Meine Damen und Herren von der CDU, die Fakten liegen längst auf dem Tisch. Ich habe eingangs die Zahlen genannt. Dem Gesetz fehlt der notwendige Biss. Das zeigen diese Zahlen, und das sagen die Frauenvertreterinnen, die mit dem Gesetz Tag für Tag unter schwierigen und oft unzureichenden Bedingungen arbeiten müssen. CDU und FDP/DVP müssen sich schon fragen lassen, wie sie ihre sture Neinsagerhaltung weiter rechtfertigen wollen.

Ich erinnere CDU und FDP/DVP auch daran, dass sich der Landesfrauenrat Baden-Württemberg, in dem auch die Frauenorganisationen von CDU und FDP/DVP vertreten sind, massiv für eine Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes ausgesprochen hat. Heute besteht die Chance, nun endlich Taten folgen zu lassen. Wenn CDU und FDP/DVP heute unseren Vorstoß ablehnen, dann wird auch für sie schon bald der Satz zutreffen: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Meine Damen und Herren, ich will noch die Punkte nennen, die wir unbedingt geändert haben wollen, bei denen wir Novellierungsbedarf sehen.

Zum einen müssen die Rechte der Frauenvertreterinnen gestärkt werden. Dann muss das Gesetz auch im kommunalen Bereich uneingeschränkt gelten. Die verpflichtende Einrichtung von kommunalen Frauenbeauftragten ist in der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung vorzusehen. In Gemeinden mit mehr als 20 000 Einwohnern und Einwohnerinnen und in Landkreisen ist diese Stelle – das ist ganz wichtig – hauptamtlich zu besetzen.

(Zuruf des Abg. König REP)

Die Freistellung der Frauenvertreterinnen muss durch eine verbindliche gesetzliche Regelung in Form einer Freistellungsstaffel geregelt werden. Die Zielvorgaben zur Erhöhung des Frauenanteils müssen konkretisiert werden. Die SPD spricht sich dafür aus, dass in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, jeweils mindestens die Hälfte der neu zu besetzenden Stellen zur Besetzung mit Frauen vorzusehen ist. Die Sanktionsmöglichkeiten bei Nichterfüllung des Frauenförderplans müssen verschärft werden.

Es ist höchste Zeit, heute über eine dringend notwendige Novellierung des Landesgleichberechtigungsgesetzes abzustimmen.

(Zuruf)

Ich rede deshalb so schnell, damit ich in der zweiten Runde noch Redezeit habe,

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Man muss mitdenken können!)

weil ich schon jetzt weiß, was von Ihnen kommt.

Noch ist es für die Regierungsfraktionen möglich, ihre sture Neinsagerhaltung aufzugeben und noch in dieser Legislaturperiode eine Novellierung auf den Weg zu bringen. Verharren CDU und FDP/DVP aber in ihrer Neinsagerhaltung, muss diese Fehlentscheidung nach dem 25. März 2001, Herr Dr. Glück, vom neuen Landtag

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Langsamer!)

und von der neuen Landesregierung korrigiert werden. Es ist Zeit, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu verwirklichen – auch in Baden-Württemberg.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Auch in den Grund- schulen!)

Ich appelliere an Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Das Wort erhält Frau Abg. Blank.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Obwohl ich mich nicht zu Wort gemeldet habe, hat mich der Herr Präsident aufgerufen.

(Abg. Wieser CDU: Weil Sie eine Frau sind!)

Das finde ich sehr schön. Das ist Frauenförderung auch in der Politik. Wunderbar!

(Glocke des Präsidenten – Abg. Maurer SPD: Ru- fen Sie in Zukunft bitte Herrn Abg. Haas auf!)

Frau Blank, die Schriftführerin, die der CDU angehört, hat mir Sie als Rednerin benannt. Ich nehme doch an, dass sie dies in Abstimmung mit Ihnen getan hat.

Jetzt habe ich Sie, Herr Präsident, doch gerade gelobt. Das war ein großes Lob.

(Abg. Wieser CDU: Der Herr Präsident stellt sich so eine Frau vor!)

Greifen Sie mich doch nicht an.

(Abg. Maurer SPD: Nicht, dass Herr Haas spricht!)

Ich bin leider nicht die frauenpolitische Sprecherin meiner Fraktion, Frau Haußmann. Aber ich darf sprechen – –

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wer ist das denn bei Ihnen? – Abg. Nagel SPD: Normalerweise macht das der Wieser!)

Bei uns ist es so, dass derjenige spricht, der gerade Zeit und Lust hat und sich mit dem Thema befasst hat.

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Maurer SPD: Es kann ja Herr Teufel sprechen!)

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Das ist der Auftrag unserer Verfassung, den wir alle hier kennen. Gleichberechtigung bedeutet aber nicht nur gleiche Rechte, sondern auch gleiche Teilhabe bei Chancen im Beruf, in der Gesellschaft und in der Politik. Ich denke, Frau Haußmann und Frau Bender, da sind wir uns alle einig.

Am 1. Januar 1996 ist das Landesgleichberechtigungsgesetz in Kraft getreten – Sie haben es richtig gesagt: mit un

seren Stimmen. Ich gebe den Ball zurück: auch mit Ihren Stimmen. Deswegen kann dieses Landesgleichberechtigungsgesetz ja nicht ganz so schlecht gewesen sein, wenn wir es gemeinsam verabschiedet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Ursula Haußmann SPD: Meine Kollegin Wonnay hat er- zählt, was das für ein Kampf war! Sie wissen, wie es bei einer Koalitionsvereinbarung zugeht!)

Etwa 1 000 Frauenvertreterinnen und etwa 1 000 Stellvertreterinnen sowie 5 000 Ansprechpartnerinnen haben in den Landesbehörden seither ihre Tätigkeit aufgenommen. Frauenförderpläne wurden in allen Dienststellen erstellt. Die Schlichtungsstelle für Freistellungen von Frauenvertreterinnen hat ihre Arbeit aufgenommen.

Mit dem Landesgleichberechtigungsgesetz haben wir zwei wichtige Instrumente in die Hand bekommen: zum einen die Bestellung von Frauenvertreterinnen in allen Behörden des Landes und zum anderen die Einführung von Frauenförderplänen.