Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Daraufhin habe ich versucht, mich bei der Frauenbeauftragten des Arbeitsamts zu beschweren. Wie erwartet, sagte sie, dass sie für mich nicht zuständig sei, denn sie sei ja schließlich nur für Frauen zuständig, die wegen ihrer Zeit als Alleinerziehende nur benachteiligt seien.

Ja, haben denn allein erziehende Männer andere Probleme als allein erziehende Frauen? Das wäre mir völlig neu.

(Abg. Rech CDU: Jawohl, das kann ich bestätigen! – Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Sofort, Herr Präsident.

Die Gleichstellungsbeauftragten sollten sich zum Beispiel auch für mehr Teilzeitbeschäftigungsangebote für Männer einsetzen. Die Einbeziehung von Männern in die Regelungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss konkretisiert und erweitert werden. Wir Liberalen unterstützen das Ziel, Frauen zu wirklicher Beteiligung auch in den Führungsstrukturen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu verhelfen. Dieses Ziel ist aber nur durch ein gesellschaftspolitisches Konzept, das den Realitäten Rechnung trägt, zu erreichen. Insoweit muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Die

SPD hat der Gleichstellungspolitik mit der heutigen Debatte keinen wirklichen Dienst erwiesen.

Ich danke Ihnen für das Zuhören.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Herbricht.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kein Gesetz ist so gut, als dass es nicht noch verbessert werden könnte. Was aber die SPD hier anstrebt, ist mehr als eine bloße Verbesserung. Sie will im Grunde ein anderes Gesetz, ein Gesetz, welches überdies Zweifel aufkommen lässt, ob es mit den Grundsätzen unserer Verfassung vereinbar ist. So fordert die SPD, dass in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, bei Einstellungen und Beförderungen jeweils mindestens die Hälfte der neuen Stellen mit Frauen zu besetzen sind. Diese quasi Quotenregelung schränkt sie dann mit dem Halbsatz ein: „soweit nicht im Einzelfall überwiegende Gesichtspunkte für den Mann sprechen“. Was bitte sind „überwiegende Gesichtspunkte“?

(Abg. Mühlbeyer CDU: Der Mann hat den Antrag gelesen!)

Das Frauenförderungsgesetz stellt sowohl in § 1 Satz 3 als auch in § 9 Abs. 1 Satz 1 fest, dass bei Erhöhung des Frauenanteils gemäß Artikel 33 Abs. 2 des Grundgesetzes der Vorrang von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu beachten ist. Mit Ihrer schwammigen Formulierung von den „überwiegenden Gesichtspunkten“ setzen Sie sich dem Verdacht aus, als wollten Sie den Ihnen sicherlich lästigen Artikel 33 des Grundgesetzes aushebeln.

Im Übrigen beleidigen Sie mit einer sachlich nicht gerechtfertigten Fürsorge auch unsere Frauen. Wir haben mehr weibliche Abiturienten mit besseren Abiturnoten und in der Folge mehr weibliche Studenten.

(Abg. Rech CDU: Ja, alles richtig!)

Dadurch bekommen wir letztlich auch mehr Frauen in Führungspositionen; das ist nur eine Frage der Zeit. Unsere Frauen beweisen jeden Tag, was sie können, oftmals mehr als ihre männlichen Kollegen. Sie haben das Recht, nach ihrer Leistung beurteilt zu werden, und brauchen nicht die Protektion linker Gleichstellungsfanatiker.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. König REP: Bravo!)

Die Zeiten, in denen Frauen mit lila Latzhosen in der Ecke standen und auf Hilfe warteten, sind längst vorbei. Bis zu Ihnen ist das aber offensichtlich noch nicht vorgedrungen.

(Abg. Mühlbeyer CDU: Lila Latzhosen!)

Mit der von Ihnen vorgeschlagenen Freistellungsstaffelung wollen Sie, wie die Landesregierung richtig feststellt, eine Automatik einführen, welche dem unterschiedlichen Aufgabenspektrum und der daraus resultierenden zeitlichen Belastung der jeweiligen Frauenvertreterinnen nicht ge

recht wird. Diese Staffelung ist aber auch noch aus einem anderen Grund problematisch: Laut Frauenförderungsgesetz darf eine Frauenvertreterin wegen ihrer Tätigkeit nicht in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt werden. Wenn Sie mit Ihrer Regelung Frauen völlig oder zu drei Vierteln von ihrer Arbeit freistellen, schneiden Sie diese quasi von ihrer beruflichen Entwicklung ab.

(Zuruf des Abg. König REP)

Sie haben dies offensichtlich auch gemerkt und wollen daher, dass Frauenförderung als Befähigungsmerkmal für Leitungsfunktionen in die dienstliche Beurteilung aufgenommen wird, um damit die fehlende fachliche Kompetenz zu kompensieren. Dies ist für uns nicht akzeptabel. Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen müssen die entscheidenden Kriterien bleiben, und dies darf nicht durch Befähigung durch Frauenförderung ersetzt werden.

Des Weiteren fordern Sie, dass bei der Nichterfüllung von Zielvorgaben im Frauenförderplan konkrete Sanktionsmaßnahmen zu erfolgen hätten. Wir hätten gerne einmal gehört, was Sie darunter verstehen. Die Streichung von Sachmitteln, wie es der AKF schon einmal angedacht hat, oder vielleicht sogar Beförderungssperre, Strafversetzung des Abteilungsleiters

(Abg. König REP: Zuchthaus! – Heiterkeit)

oder, wenn es sich um einen ganz besonders renitenten Chauvi-Haufen handeln sollte, vielleicht die Auflösung der gesamten Abteilung? Man sieht, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Für völlig abwegig halten wir Ihren Vorschlag, ab einer Auftragssumme von 100 000 DM die Vergabe öffentlicher Aufträge an Frauenfördermaßnahmen des Betriebs zu koppeln. Bei einer Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand muss das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen. Alles andere wäre eine Verschwendung von Steuergeldern. Im Übrigen kann es sich heute ein moderner Betrieb überhaupt nicht mehr leisten, sein Potenzial an hoch qualifizierten Frauen brachliegen zu lassen.

Fazit: Das Frauenförderungsgesetz ist noch recht neu. Wir sollten erst einmal die Ergebnisse abwarten, diese analysieren und mit Augenmaß handeln. Unsere Frauen haben einen Anspruch auf eine faire Beurteilung ihrer Leistung. Was sie aber nicht brauchen, ist eine überstürzte linke Klientelpolitik.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Dr. Schlie- rer REP: Bravo! Sehr kompetent!)

Das Wort erhält für eine sehr kurze Restredezeit Frau Abg. Haußmann.

(Abg. Dr. Glück FDP/DVP: Nicht so schnell, Frau Haußmann!)

Liebe Frau Schweikert, ich habe noch genau 21 Sekunden – schade, nur 21 Sekunden – und möchte Ihnen sagen, wie tief enttäuscht ich vom Verhalten der FDP/DVP bin. Zur Zeit der großen Koalition konnte es Ihnen frauenpolitisch nicht weit genug gehen,

aber da hatten Sie noch einen anständigen frauenpolitischen Sprecher – das war der jetzige Wirtschaftsminister Dr. Döring. Jetzt sind Sie stolz darauf, mit der Landesregierung die frauenpolitische rote Laterne im Bundesländervergleich hinter sich herzutragen. Das kann es doch nicht sein! Ich bin von dieser Haltung zutiefst enttäuscht. Das kann ich Ihnen sagen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Herbricht REP: Ich werde es mit Fassung tragen! – Abg. Dr. Schlierer REP: Ich bin tief betroffen! – Abg. Haas CDU: Be- troffenheitsrituale wie in vielen anderen Fällen auch!)

Das Wort erhält Frau Staatssekretärin Lichy.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wusste nicht, dass heute Jahrestag der Lesung ist. Es ist knapp fünf Jahre her, dass das Landesgleichberechtigungsgesetz in Kraft getreten ist.

(Zuruf der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Am 1. Januar 2001 sind es fünf Jahre; ich widerspreche Ihnen ja gar nicht.

Ich glaube, wir können feststellen, dass dieses Gesetz, das mit den Stimmen von CDU und SPD in Kraft getreten ist, ein Meilenstein war, um die Gleichstellung von Frauen und Männern voranzubringen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Na ja! Und warum hat sich nichts an den Zahlen geändert, Frau Li- chy? – Gegenruf der Abg. Ingrid Blank CDU)

Sie sagen: „Na ja!“ Jetzt möchte ich Ihnen einmal etwas sagen: Dieses Gesetz stärkt die Gleichstellung von Frauen in über 5 000 Dienststellen mit rund 300 000 Beschäftigten. Es ist doch ganz klar, dass bei einem Gesetz mit einer solchen Tragweite – das habe ich Ihnen schon einmal gesagt – Anlaufschwierigkeiten auftreten.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Das ist doch eigentlich klar.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Dazu möchte ich noch etwas sagen. Sie können mich beim Wort nehmen. Weil das absehbar war, habe ich von Anfang an mit zahlreichen Initiativen, mit praktischen Handhabungen, mit praktischen Verbesserungsvorschlägen die Umsetzung dieses Gesetzes unterstützt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Warum hat sich dann an den Zahlen nichts geändert, Frau Lichy?)

Ich darf Ihnen ein Beispiel nennen: Nachdem wir die ersten Evaluierungen hatten, haben wir mit den Handreichungen zur praktischen Umsetzung des Gesetzes wesentliche Punkte im Verfahren gesichert und auch gangbare Wege aufgezeigt. Die Rückmeldungen der Frauenvertreterinnen sind positiv. Sie sagen: „Ja, hiermit haben wir Handreichungen, nach denen wir verfahren können.“

Wir haben zwischenzeitlich auch andere Probleme, die bei der Umsetzung aufgetreten sind, gelöst. Es wurde schon erwähnt: Die Staatlichen Schulämter werden demnächst Frauenvertreterinnen bestellen, weil sich gezeigt hat, dass die Regelung mit den Ansprechpartnerinnen, die das Gesetz vorgeschrieben hat, nicht optimal war.

Wir brauchen natürlich bei allen Regelungen eine gewisse Umsetzungsphase. Erst danach kann das Gesetz seine beabsichtigte Wirkung entfalten. Dies ist doch ein abstraktes Gesetz gewesen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wir wollten das konkreter haben! Sie wissen es! Das haben Sie uns aber verweigert!)

Das ist genau so wie mit der Verankerung der Gleichstellung im Grundgesetz. Die tatsächliche Chancengleichheit muss natürlich erst durch praktikable Regelungen umgesetzt und in der Praxis wirksam werden. Dem müssen wir eine faire Chance geben.