Michael Herbricht

Sitzungen

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Existenzberechtigung der Führungsakademie – von den damaligen Oppositionsparteien ursprünglich heftig bekämpft – wird heute von niemandem mehr ernsthaft bestritten. Absolventen der Führungsakademie zeichnen sich in der Regel durch Mobilität, Einsatzfreude und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Entwicklungen und Aufgaben aus. Dass dem so ist, zeigt die überdurchschnittliche Bereitschaft von Absolventen der Akademie, im Rahmen der Wiedervereinigung Verwaltungshilfe in Sachsen zu leisten. Erfreulich ist des Weiteren, dass der Anteil der Frauen in den letzten vier Jahren zwischen 44 und 50 % lag – ein bemerkenswertes Ergebnis, welches zudem ohne jede Quotenregelung erreicht wurde.
Der sich unter den Absolventen der Führungsakademie entwickelnde Korpsgeist führt zu einem informellen Geflecht von Beziehungen auf der Führungsebene über die Geschäftsbereiche der einzelnen Ministerien hinaus – ein Fakt, welcher der Administration des Landes nur nützen kann. Mit anderen Worten: Die Existenz der Führungsakademie ist eine gute Sache.
Ziel des Gesetzentwurfs der Landesregierung ist es, ein neues Konzept vorzulegen, welches sich am Bedarf orientiert und verstärkt die Möglichkeiten der neuen Technologien berücksichtigt. Eine Orientierung am Bedarf und die Einbeziehung neuer Technologien ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und bedarf keiner Gesetzesnovellierung.
Die Landesregierung drückt des Weiteren in ihrer Begründung aus, dass sie durch die Schaffung einer modernen und leistungsfähigen Verwaltung ihren internationalen Spitzenrang behaupten möchte. Dieses Ansinnen wird wohl von allen in diesem Hause geteilt, allerdings kommt man dann nicht umhin, über Lerninhalte zu reden.
Dozenten haben in der Vergangenheit kritisiert, dass ein konkretisiertes Anforderungsprofil fehlt, um Leistungsergebnisse überprüfbar zu machen. Absolventen der Führungsakademie unterschiedlicher Jahrgänge haben – dies
zeigen Umfragen – Unterschiedliches gelernt. Wünschenswert wäre ein gewisser Grundkanon dessen, was man bei einem Absolventen voraussetzen darf. Man kann nicht einerseits Querschnittkompetenzen für alle Teilnehmer einfordern und andererseits keine einheitlichen Ziele formulieren. Man benötigt eindeutige Anforderungsprofile, um daraus überprüfbare Lehrziele ableiten zu können.
Dieser Gesichtspunkt sollte bei einer Reform der Fortbildung, die auf einen umfassenden Bildungsauftrag abzielt, nicht aus den Augen verloren werden.
Die Landesregierung stellt fest, dass trotz steigenden Bildungsbedarfs die vom Innenministerium zentral zur Verfügung gestellten Mittel in den letzten Jahren ständig abgenommen haben. Nun sind Kosten lediglich eine Inputgröße, die nichts über die Qualität der Ergebnisse einer Bildungsmaßnahme aussagen. Es darf auch ruhig einmal festgestellt werden, dass die Führungsakademie bezüglich ihrer finanziellen Ausstattung einem Vergleich mit Einrichtungen in Bayern oder der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer durchaus standhalten kann.
Andererseits ist es richtig, dass die Landesregierung hier einer schleichenden finanziellen Mittelaushöhlung gegensteuern möchte und deshalb die Finanzierung der Fortbildung auf die Ressorts verteilt.
In der Drucksache wird des Weiteren ganz richtig angesprochen, dass das alte System die Nachfrage nach potenziellen Absolventen erst hervorgerufen hat, was im Prinzip auch wünschenswert war. Man wird darauf achten müssen, dass nun aufgrund allgemeiner Sparzwänge kein gegenteiliger Effekt eintritt und dass mit der Umwandlung der Rechtsform in eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts die weiter angestrebten Verbesserungen auch erreicht werden.
Die von Lothar Späth ins Leben gerufene Führungsakademie hatte damals und hat noch heute das Ziel einer Elitebildung der Führungskräfte. Wir Republikaner hatten bei dem Stichwort Elite noch nie Schluckbeschwerden und stimmen daher der Novellierung zu.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kein Gesetz ist so gut, als dass es nicht noch verbessert werden könnte. Was aber die SPD hier anstrebt, ist mehr als eine bloße Verbesserung. Sie will im Grunde ein anderes Gesetz, ein Gesetz, welches überdies Zweifel aufkommen lässt, ob es mit den Grundsätzen unserer Verfassung vereinbar ist. So fordert die SPD, dass in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, bei Einstellungen und Beförderungen jeweils mindestens die Hälfte der neuen Stellen mit Frauen zu besetzen sind. Diese quasi Quotenregelung schränkt sie dann mit dem Halbsatz ein: „soweit nicht im Einzelfall überwiegende Gesichtspunkte für den Mann sprechen“. Was bitte sind „überwiegende Gesichtspunkte“?
Das Frauenförderungsgesetz stellt sowohl in § 1 Satz 3 als auch in § 9 Abs. 1 Satz 1 fest, dass bei Erhöhung des Frauenanteils gemäß Artikel 33 Abs. 2 des Grundgesetzes der Vorrang von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu beachten ist. Mit Ihrer schwammigen Formulierung von den „überwiegenden Gesichtspunkten“ setzen Sie sich dem Verdacht aus, als wollten Sie den Ihnen sicherlich lästigen Artikel 33 des Grundgesetzes aushebeln.
Im Übrigen beleidigen Sie mit einer sachlich nicht gerechtfertigten Fürsorge auch unsere Frauen. Wir haben mehr weibliche Abiturienten mit besseren Abiturnoten und in der Folge mehr weibliche Studenten.
Dadurch bekommen wir letztlich auch mehr Frauen in Führungspositionen; das ist nur eine Frage der Zeit. Unsere Frauen beweisen jeden Tag, was sie können, oftmals mehr als ihre männlichen Kollegen. Sie haben das Recht, nach ihrer Leistung beurteilt zu werden, und brauchen nicht die Protektion linker Gleichstellungsfanatiker.
Die Zeiten, in denen Frauen mit lila Latzhosen in der Ecke standen und auf Hilfe warteten, sind längst vorbei. Bis zu Ihnen ist das aber offensichtlich noch nicht vorgedrungen.
Mit der von Ihnen vorgeschlagenen Freistellungsstaffelung wollen Sie, wie die Landesregierung richtig feststellt, eine Automatik einführen, welche dem unterschiedlichen Aufgabenspektrum und der daraus resultierenden zeitlichen Belastung der jeweiligen Frauenvertreterinnen nicht ge
recht wird. Diese Staffelung ist aber auch noch aus einem anderen Grund problematisch: Laut Frauenförderungsgesetz darf eine Frauenvertreterin wegen ihrer Tätigkeit nicht in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt werden. Wenn Sie mit Ihrer Regelung Frauen völlig oder zu drei Vierteln von ihrer Arbeit freistellen, schneiden Sie diese quasi von ihrer beruflichen Entwicklung ab.
Sie haben dies offensichtlich auch gemerkt und wollen daher, dass Frauenförderung als Befähigungsmerkmal für Leitungsfunktionen in die dienstliche Beurteilung aufgenommen wird, um damit die fehlende fachliche Kompetenz zu kompensieren. Dies ist für uns nicht akzeptabel. Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen müssen die entscheidenden Kriterien bleiben, und dies darf nicht durch Befähigung durch Frauenförderung ersetzt werden.
Des Weiteren fordern Sie, dass bei der Nichterfüllung von Zielvorgaben im Frauenförderplan konkrete Sanktionsmaßnahmen zu erfolgen hätten. Wir hätten gerne einmal gehört, was Sie darunter verstehen. Die Streichung von Sachmitteln, wie es der AKF schon einmal angedacht hat, oder vielleicht sogar Beförderungssperre, Strafversetzung des Abteilungsleiters
oder, wenn es sich um einen ganz besonders renitenten Chauvi-Haufen handeln sollte, vielleicht die Auflösung der gesamten Abteilung? Man sieht, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Für völlig abwegig halten wir Ihren Vorschlag, ab einer Auftragssumme von 100 000 DM die Vergabe öffentlicher Aufträge an Frauenfördermaßnahmen des Betriebs zu koppeln. Bei einer Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand muss das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen. Alles andere wäre eine Verschwendung von Steuergeldern. Im Übrigen kann es sich heute ein moderner Betrieb überhaupt nicht mehr leisten, sein Potenzial an hoch qualifizierten Frauen brachliegen zu lassen.
Fazit: Das Frauenförderungsgesetz ist noch recht neu. Wir sollten erst einmal die Ergebnisse abwarten, diese analysieren und mit Augenmaß handeln. Unsere Frauen haben einen Anspruch auf eine faire Beurteilung ihrer Leistung. Was sie aber nicht brauchen, ist eine überstürzte linke Klientelpolitik.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Brustkrebs ist in den westlichen Ländern, insbesondere in den nordeuropäischen, die häufigste Krebstodesursache von Frauen. Dieser Geißel der Frauen den Kampf anzusagen muss unser aller Bestreben sein. Im Übrigen ist Brustkrebs keine reine Frauenkrankheit; 1998 starben immerhin auch 211 Männer an dieser Krankheit. Was den Kampf gegen Brustkrebs so schwierig macht, ist die Tatsache, dass die Krankheit, ebenso wie viele andere Krebserkrankungen, noch weitgehend unerforscht ist.
Aus statistischen Erhebungen lassen sich jedoch bestimmte Risikofaktoren ableiten, welche die Gefahr einer Brustkrebserkrankung erhöhen. So steigt die Erkrankungswahrscheinlichkeit zwischen dem 30. und dem 80. Lebensjahr stetig an: von 1 : 2 160 im 30. auf 1 : 11 im 80. Lebensjahr. Frauen mit einer späten ersten oder gar keiner Geburt erkranken häufiger als der Durchschnitt. Krebserkrankungen in der Familie, fettreiche Ernährung, Alkohol und Östrogene stellen ein erhöhtes Risiko dar.
Um diese und andere Risikofaktoren einmal zu erfassen und auswerten zu können, bedarf es eines flächendeckend geführten, umfassenden Krebsregisters in Baden-Württemberg und darüber hinaus. Was selbst in der maroden DDR möglich war, sollte auch bei uns möglich sein.
Ja, aber sie haben es zumindest versucht, Frau Bender.
Ohne gründliche Diagnose gibt es keine sinnvolle Therapieplanung. Zu einer gründlichen Diagnose bedarf es aber auch einer gründlichen Ausbildung. Es ist kein Ruhmesblatt für unser Gesundheitswesen, wenn viele Frauen der Urteilskraft deutscher Radiologen so wenig Vertrauen entgegenbringen, dass sie ihre Röntgenaufnahmen zur vergleichenden Auswertung nach Holland schicken.
Auch entspricht das bundesdeutsche MammographieScreening bisher leider nicht den Qualitätsrichtlinien der Europäischen Union und wird von den Kassen nur dann bezahlt, wenn eine so genannte kurative Mammographie vorliegt.
Ob allerdings ein qualitativ hochwertiges Screeningprogramm – gesetzt den Fall, es wäre finanzierbar und man hätte dafür auch das notwendige ausgebildete Personal – die darin gesetzten Hoffnungen auf eine spürbare Reduzierung der Sterblichkeitsrate erfüllen würde, ist unter Experten strittig.
Eine Auswertung von vier schwedischen Mammographiestudien bei einem Beobachtungszeitraum von zehn Jahren, bezogen auf 100 000 Frauen im Alter von 40 bis 74 Jahren, ergab eine Brustkrebssterblichkeit von 360 Frauen bei keiner Mammographie und von 290 Frauen, die eine Mammographie durchführen ließen. Dank Mammographie starben also 70 Frauen weniger. Bezogen auf 100 000 Frauen sind das bei einer absoluten Risikoreduzierung 0,07 %. Da dies wenig berauschend klingt, wird in wissenschaftlichen Ver
öffentlichungen von der relativen Risikoreduzierung ausgegangen. Da erhält man dann bei 70 Frauen eine Reduzierung der Sterblichkeit um 19 %, ein Prozentsatz, der selbstverständlich wesentlich beeindruckender ist. Es gibt auch Untersuchungen, bei denen ein relativer Prozentsatz von 30 % vorliegt; aber auch diese sind umstritten.
Ein weiteres Problem ist die Effizienz der Mammographie als Screeningmethode. Bei einer Untersuchung von rund 26 000 Frauen im Alter von 30 bis über 70 Jahren war bei 1 850 Frauen der Befund positiv. Wirklich Brustkrebs hatten allerdings nur 179. Verbarg sich bei älteren Frauen hinter jeder sechsten positiv gewerteten Mammographie tatsächlich Brustkrebs, so traf dies bei jüngeren Frauen nur auf jede 20. zu. Die schlechte Testeffizienz bei Frauen unter 40 liegt am unterschiedlichen Brustaufbau. Die Brust junger Frauen enthält mehr Drüsengewebe und weniger Fettgewebe, welches die Mammographie erschwert. Im Übrigen ist für junge Frauen die Strahlenbelastung nicht völlig ohne Risiko. Auch ist festzuhalten, dass eine positive Mammographie, die ja weitere diagnostische Untersuchungen und Eingriffe nach sich zieht, für die Betroffenen äußerst belastend ist, und zwar auch dann, wenn letztlich kein Brustkrebs vorliegt.
Des Weiteren gibt es Frauen, bei denen der Brustkrebs durch die Früherkennungsuntersuchung zwar früh diagnostiziert und behandelt wird, aber es nicht gleichzeitig gelingt, ihre Lebenserwartung zu verlängern. Für diese Frauen bedeutet die frühe Diagnose eine Verlängerung der Lebensspanne mit Brustkrebs, das heißt eine erhebliche Minderung ihrer Lebensqualität.
Es gilt also hier der Grundsatz: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Auf der einen Seite stehen nach der von mir herangezogenen Untersuchung – nachzulesen im „arznei-telegramm“ 10/1999 – 70 gerettete Frauen; auf der anderen Seite steht eine nicht unerhebliche Anzahl von Frauen, die durch eine Früherkennungsuntersuchung unnötig in Angst und Pein versetzt wurden, oder Frauen, deren positiver Befund nur zu einer frühen Reduzierung ihrer Lebensqualität führte, ohne dass ihr eine Verlängerung der Lebenszeit gegenübergestanden hätte. Auch sind die psychischen und sozialen Auswirkungen von Mammographie-Früherkennungsuntersuchungen noch unzureichend untersucht. An dem Spruch „Angst vor Krebs ist der sicherste Weg, Krebs zu bekommen“ ist sicherlich etwas Wahres.
Alles in allem erachten wir nach dem jetzigen Erkenntnisstand eine Mammographie als Früherkennungsmethode für Frauen ab 40 Jahren für sinnvoll. Allerdings sollten auch die Erkenntnisse der jetzt anlaufenden Pilotprojekte in eine endgültige Entscheidungsfindung mit einfließen.
In der Diskussion um eine bessere Früherkennung bei Brustkrebs dürfen wir die Augen nicht davor verschließen...
... – ich weiß, Herr Präsident, ich komme zum Schluss –, dass Krebs mit hoher Wahrscheinlichkeit immer eine Erkrankung des gesamten Organismus und nicht eines einzelnen Organs darstellt. Es müssen hier
also Wege gefunden werden, die eine ganzheitliche Sicht der Dinge ermöglichen. Dazu gehört meines Erachtens auch, dass die durch das Krebsgeschehen entmutigten und deprimierten Frauen durch geeignete psychologische Hilfe zur aktiven Mitarbeit am Gesundungsprozess gewonnen werden; denn der alte Spruch, dass gesund nur der wird, der auch gesund werden will, hat immer noch seine Gültigkeit.
Zu dem Entschließungsantrag der CDU und der FDP/DVP möchte ich Folgendes anmerken.
Herr Präsident, ich glaube, das ist ein so wichtiges Thema, dass man die Redezeit ruhig einmal ein bisschen überziehen kann.
Das nehme ich gerne zur Kenntnis, Herr Präsident.
Was die Union und die FDP/DVP angeht, muss ich sagen: Brustkrebs gibt es nicht erst, seit Rot-Grün an der Macht ist. Sie hatten 16 Jahre Zeit, etwas zu machen.
Und zum Retourkutschenantrag der rot-grünen Fraktionen möchte ich feststellen: Sie sind in Berlin an der Macht. Handeln Sie da, und unterlassen Sie diese Profilierungsspielchen auf dem Rücken unserer Frauen hier im Land.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung:
a) Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über den am 7. Mai 2000 gegen Leben, Gesundheit und Eigentum seiner Bewohner gerichteten Brandanschlag auf ein studentisches Wohnhaus in Heidelberg vor, bei dem es zu lebensbedrohlichen Lagen, Körperschäden und Sachschaden in sechsstelliger Höhe gekommen sein soll?
b) Inwieweit sind Aussagen von Bewohnern und Geschädigten des Anschlagobjekts berechtigt, wonach erst auf nachdrückliche Intervention beim Leiter der örtlichen Polizeidirektion die Ermittlungen zu dem Brandanschlag
als deliktische Gewalttat im Sinne schwerer Brandstiftung und versuchter Tötung aufgenommen worden sein sollen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ein wesentliches Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs der Landesregierung ist es, den Stadt- und Landkreisen über den 14. Juli 2000 hinaus zu ermöglichen, den ihnen zugewiesenen Spätaussiedlern einen vorläufigen Wohnort zuzuweisen. Damit soll im Interesse einer möglichst zügigen Eingliederung die gerechte Verteilung der Aussiedler über das ganze Land hinweg sichergestellt und in etwa auch eine gleichmäßige Belastung der Kreise gewährleistet werden.
Hintergrund ist das so genannte Wohnortzuweisungsgesetz, welches bis Ende 2009 verlängert wird. Vor einigen Tagen hat Innenminister Schäuble erklärt, dieses Bundesgesetz habe sich bewährt, und dies insbesondere deshalb, weil damit eine diesem Gesetz zuwiderlaufende Binnenwanderung unterbunden werde. Der Herr Minister sagte – ich zitiere –:
Soziale Brennpunkte konnten entschärft, die Eingliederung erleichtert, finanzielle Lasten bundes- und landesweit gerecht verteilt werden.
In der Tat kann niemand ein Interesse daran haben, dass einige wenige Orte im Land zu Sammelpunkten des Aussiedlerzuzugs werden, gerade dann nicht, wenn dadurch eine überproportional ansteigende Zahl zuziehender Aussiedler die Bevölkerungsstrukturen in diesen Gemeinden signifikant mit all ihren Auswirkungen auf die öffentlichen und sozialen Einrichtungen verändern würde. Insofern sind die Beweggründe für das Wohnortzuweisungsgesetz plausibel und begründet.
Nur – und darauf möchte ich an dieser Stelle doch einmal hinweisen –
wurde dies durch eine markante Einschränkung des Grundrechts auf Freizügigkeit gemäß Artikel 11 des Grundgesetzes erkauft. In dieses Grundrecht wird im Falle der Aussiedler pauschal eingegriffen, indem ihre Freizügigkeit eingeschränkt wird, um über eine Unterbindung der Binnenwanderung Gettoisierungstendenzen entgegenzuwirken.
Man kann daran zweifeln, dass die kollektive Beschränkung des Grundrechts auf Freizügigkeit angesichts solcher und anderer doch recht schwammiger Begründungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten würde,
und zwar nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, dass ein ähnliches gesetzliches Steuerungsinstrument, welches etwa die Gettoisierung von Ausländern in einzelnen Stadtteilen von Ballungszentren verhindern soll, nirgendwo in Deutschland existiert.
Dass aber solche Gettoisierungstendenzen gerade auch in den Großstädten Baden-Württembergs mit all ihren Problemen bestehen, daran kann wohl niemand Zweifel hegen.
Genau hierin besteht unseres Erachtens die Unehrlichkeit des Wohnortzuweisungsgesetzes. Man geht damit gegen diejenigen vor, von denen man den geringsten Widerstand erwartet. Mich würde schon interessieren, ob die progressive Linke hier im Haus einer solchen Beschneidung von Grundrechten auch dann zustimmen würde, wenn es sich nicht um Aussiedler, sondern um Ausländer handelte.
Letzte Bemerkung: Durch die landesweit flächendeckende Verteilung der Aussiedler soll auch deren Eingliederung erleichtert werden. Das will ich gar nicht bestreiten. Tatsache ist aber, dass das wichtigste Instrument für eine schnelle und wirklich dauerhafte Eingliederung gute Sprachkenntnisse sind. Anstatt dies zu berücksichtigen, wurden die Sprachförderungsmaßnahmen seit Beginn der Neunzigerjahre vonseiten des Bundes aus Kostengründen kontinuierlich zurückgefahren, während man für Kriegseinsätze von Kuwait bis Somalia und den Angriffskrieg gegen Serbien Milliarden in Hülle und Fülle zur Verfügung hat.
Wir Republikaner fordern die Landesregierung daher an dieser Stelle einmal nachdrücklich auf, sich über den Bun
desrat für eine Aufstockung der Mittel für die Sprachförderung von Aussiedlern im Interesse einer zügigen Integration einzusetzen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der ersten Lesung haben die Sprecher von CDU und FDP/DVP und auch wir auf die Problematik einer Inflationierung von Staatszielen hingewiesen. Verschiedentlich wurde der Verfassungsrechtler Professor Stern zitiert, der davor gewarnt hat, die Verfassung zum Instrument der Tagespolitik, des Zeitgeistes und der Schwärmerei zu machen. Denn kennzeichnend für unseren Verfassungsstaat ist, dass die Verfassungsnormen von Verfassungsgerichten ausgelegt werden, und dies birgt die Gefahr, dass sich die Politik dadurch immer mehr im Netz des Verfassungsrechts verfängt und an Flexibilität verliert.
Auch wenn ein Staatsziel dem Einzelnen kein subjektives Recht verleiht, das er einklagen kann, so verpflichtet es doch den Staat mit allen drei Staatsgewalten zu aktivem Handeln.
Aus diesen grundsätzlichen Erwägungen heraus hätten wir es begrüßt, wenn es bei der bisher restriktiven Handhabung bei der Installierung von Staatszielen geblieben wäre. Kompromisse nach der Devise „Unterstützt du mein Staatsziel, votiere ich für dein Staatsziel“ werden dem Ernst der Sache nicht gerecht und wecken beim Bürger Erwartungshorizonte, die letztlich kaum befriedigt werden können.
Was das Staatsziel Kultur betrifft, so muss, wenn es lapidar heißt, dass der Staat und die Gemeinden das kulturelle Leben fördern, die Frage nach dem hier zugrunde liegenden Kulturverständnis erlaubt sein. Für uns ist Kultur der Inbegriff gemeinsam geteilter Lebensformen und der sich daraus ergebenden Lebenswerte, basierend auf unserer christlich-abendländischen Tradition.
Andererseits müssen wir feststellen, dass wir in einer Phase der so genannten Postmoderne leben. Postmoderne bedeutet das hierarchielose Nebeneinanderstehen von Weltanschauungen. Die Menschen glauben heute, dass sie nicht nur eine Möglichkeit, sondern im Prinzip unbegrenzt viele Möglichkeiten der Lebensführung haben. Eine solche Le
bensweise mag für Einzelne durchaus reizvoll sein. Für eine Kultur oder für eine Nationalkultur ist sie allerdings absolut tödlich.
Die bürgerliche Kultur und die bürgerliche Gesellschaft, welche die gesamte Neuzeit getragen und geprägt hat, befindet sich heute in einem Prozess der inneren Auflösung und des Übergangs, ohne dass wir heute bereits sagen könnten, welche Kultur dereinst imstande oder geeignet wäre, die alte abzulösen. Mit unserem Antrag, die Förderung der Familie zum Staatsziel zu erheben, wollten wir dem Zerfall der bürgerlichen Kultur entgegenwirken. Sie haben dies damals abgelehnt.
Ein weiteres Indiz für den Übergang der bürgerlichen Kultur in eine andere Kultur ist die Tatsache, dass aus dem Kulturbegriff, wie er im 19. Jahrhundert verstanden wurde, heute ein universaler, auf alles bezogener und beziehbarer Begriff geworden ist. Inzwischen gibt es kaum noch einen sozialen oder politischen Sachverhalt, der nicht mit dem Begriff Kultur verbunden ist. Man spricht von Unternehmenskultur, von politischer Kultur, von sozialer Kultur,
von Unkultur. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.
Diese fast schon als babylonische Sprachverwirrung zu bezeichnende Inflationierung des Kulturbegriffs macht eine Präzisierung des Staatsziels Kultur unumgänglich; dies umso mehr, als mittlerweile ganz unterschiedliche Kulturen in unserem Land anzutreffen sind.
Bei der vorliegenden Verfassungsänderung hat man den Eindruck, als reiche der angestrebte Förderungsbogen vom islamischen Kulturverein bis zum Staatstheater, was bei der unterschiedlichen politischen Couleur der Mitwirkenden natürlich nicht verwunderlich wäre.
Viele, die in unserem Staat Verantwortung tragen, wollen nicht wahrhaben, dass alle geschichtlichen Erfahrungen mit multikulturellen Gesellschaften zeigen, dass sich über kurz oder lang eine Kultur im Verhältnis zu den anderen Kulturen durchsetzt.
Ihre Ignoranz ist unglaublich, Herr Kollege.
Gegen den Islam – um die größte Fremdkultur in unserem Land einmal anzusprechen – werden wir nicht mit einem bisschen Ökonomie,
einem bisschen Zynismus, einem bisschen Nihilismus und einem bisschen Moralismus bestehen können. Einem Staatsziel Kultur könnten wir nur zustimmen, wenn es um
die explizite Förderung unserer Kultur als einer Art Leitkultur auf christlich-abendländischer Grundlage ginge.
Da dies offensichtlich nicht angestrebt wird – das merkt man ja an Ihren Zwischenrufen –, können wir diesem Staatsziel nicht zustimmen.
Die verfassungsrechtliche Beurteilung des Staatsziels Sport hat der Landessportverband in seinem Schreiben an den Herrn Landtagspräsidenten überzeugend dargestellt. Die in diesem Schreiben enthaltenen Argumente werden von uns geteilt. Ein Staatsziel Sport gäbe den Verantwortlichen in Vereinen und Verbänden in der Tat ein Mehr an Planungssicherheit und die Gewissheit, dass der Staat auch in Zeiten knapper Kassen bis an die Grenzen des für ihn Möglichen gehen wird. Was die finanzielle Förderung angeht, so muss sie dem Breitensport und dem Amateurbereich zugute kommen.
Der an sich schon hohe Stellenwert, den der Sport genießt, wird durch die Anhebung in den Verfassungsrang noch erhöht. Sport ist gerade für junge Menschen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Er ist persönlichkeitsbildend, gesundheitsfördernd und erfüllt eine Reihe anderer wichtiger sozialer Funktionen. Allerdings darf man den Erwartungshorizont wiederum nicht so weit ausdehnen, dass jede gesellschaftliche Fehlentwicklung durch Sport behoben werden könnte. Dem Staatsziel Sport stimmen wir zu.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem die Union im Bundestag erneut einen tierschutzpolitischen Offenbarungseid geleistet hat, will sie nun im Ländle in dieser Angelegenheit Boden gutmachen. Wir hoffen für die gequälte Kreatur, dass dies nicht Teil einer Doppelstrategie ist nach der Devise: Im Lande dafür, solange die Ablehnung auf Bundesebene gesichert ist.
Wenn man über die Notwendigkeit eines besseren Tierschutzes spricht, kommt man nicht umhin, ein paar Worte über die Lage der Tiere bei uns und in der EU zu verlieren. Die Subventionspraxis der EU und die daraus resultierenden Betrugsmöglichkeiten sind Hauptverursacher vieler Tierquälereien.
Das Abschlachten der so genannten Herodeskälber – ca. 1 Million pro Jahr – wäre ohne Subvention völlig unrentabel und würde unterbleiben. Auch Tiertransporte wären in diesem Maße nicht rentabel, wenn es keine Subventionen gäbe. Manche Tiere durchleiden regelrechte Rundreisen: eingeführt in die EU als Zuchttiere, um Zoll zu sparen, anschließend als Schlachttiere wieder ausgeführt, um Subventionen zu kassieren.
30 000 Tiere sterben jedes Jahr in Spanien, die meisten davon in Stierkampfschulen. Da die EU keinen Unterschied macht zwischen einem Zucht- und einem Kampfstier, darf der deutsche Steuerzahler – und dürfen auch andere Steuerzahler in der EU – diese Quälerei mit 250 DM pro Tier subventionieren.
Aber auch in unserem Land gibt es Missstände. So fristen zum Beispiel Millionen von Legehennen ihr Dasein in Drahtgitterkäfigen ohne Sonnenlicht und natürliche Luftzufuhr. Wenn die Luftzufuhr einmal ausfällt, wie am Karfreitag dieses Jahres in Querfurt, Sachsen-Anhalt, ersticken auf einen Schlag 200 000 Legehennen.
Die Missstände im Tierschutzbereich sind offensichtlich, und die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. In unserer angeblich so zivilisierten und fortschrittlichen Industriegesellschaft werden aus kommerziellen Interessen mehr Tiere gequält als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte.
Was kann nun ein Staatsziel Tierschutz gegen diese Missstände bewirken? Fakt ist, dass Grundrechte, die von der Bundesverfassung gewährt werden, nicht durch die Landesverfassung eingeschränkt werden können. Nur der Bundesverfassungsgeber kann dem Missbrauch von Tieren wirksam entgegentreten, der unter anderem unter Berufung auf die Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Kunst stattfindet. Da ist ein Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz unverzichtbar, auch im Hinblick auf die Signalwirkung für Europa. Nur wer Tieren im eigenen Land einen höheren Stellenwert einräumt, kann ein Mehr an Tierschutz auf europäischer Ebene einfordern.
Was kann die Aufnahme des Tierschutzes in die Landesverfassung bewirken? Zum einen wird durch die Tatsache, dass immer mehr Bundesländer den Tierschutz in die Verfassung aufnehmen, eine deutliche Werteverschiebung zum Ausdruck gebracht, welche der Bund, der ja gemäß Artikel 72 des Grundgesetzes zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse verpflichtet ist, auf Dauer nicht wird ignorieren können. Zum anderen können, wenn es um die Genehmigung von Tierversuchen geht, die Ermessensspielräume konsequenter zugunsten der Tiere genutzt werden, und das Land wäre auch in der Pflicht, die Entwicklung von Ersatzmethoden zu Tierversuchen entsprechend zu fördern.
Gleiches gilt für die Rechtsprechung. Hier sind in der Vergangenheit selbst bei spektakulärsten Fällen von Tierquälerei unverhältnismäßig geringe Geldbußen verhängt worden. Durch die Aufnahme des Tierschutzes in die Landesverfassung könnten auch hier die Ermessensspielräume von Staatsanwaltschaften und Gerichten zugunsten eines konsequenteren Tierschutzes verschoben werden. Entsprechend könnten auch die Aufsichtsbehörden und die Amtstierärzte bei tierschutzrechtlichen Missständen effektiver einschreiten. Auswirkung kann die Novellierung auch auf die Bereiche haben, die in der Gesetzgebungskompetenz des Landes sind, wie das Jagd-, das Fischerei- und das Naturschutzrecht. Da diese Bereiche im Großen und Ganzen zufriedenstellend geregelt sind, werden hier keine spektakulären Änderungen zu erwarten sein. Wir halten es dagegen für sinnvoll, bei der Ausgestaltung der Lehrpläne auf eine Sensibilisierung unserer Jugend für die Belange des Tierschutzes Wert zu legen.
Der von vier Fraktionen mitgetragene Zusatz „im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung“ wird von uns abgelehnt. Als Begründung für diesen Zusatz hat die Landesregierung ausgeführt, dass damit für den Bürger der Vorrang des Europa- und des Bundesrechts klar ersichtlich sei. Dies vermag nicht zu überzeugen, denn Verfassungserläuterungen gehören in die einschlägigen Kommentare und nicht in die Gesetzestexte.
Da alle Grundrechte und Staatsziele sich stets nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegen, ist dieser Zusatz systemwidrig und völlig überflüssig. Ja, man hat geradezu den Eindruck, dass der tiefere Sinn dieses Zusatzes der ist, Staatszielkritiker nach der Devise „Es wird ja nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird“ ruhig zu stellen. Wir halten unseren Änderungsantrag, der den Lan
desverfassungen von Bremen und Thüringen entlehnt ist, für gelungener als dieses vorgeschlagene Novum.
Wir werden aber trotz unserer Kritik an dieser Formulierung einer Verankerung des Tierschutzes in der Verfassung zustimmen.
Ich habe in den vorigen Ausführungen dargelegt, dass wir das Staatsziel Sport unterstützen, nicht aber das Staatsziel Kultur. Sollte nun beides geschlossen zur Abstimmung kommen, müssten wir uns bei dieser Abstimmung leider der Stimme enthalten. Das ändert aber nichts an unserer Wertschätzung für den Sport.
Durch den Änderungsantrag neu formuliert!
Herr Minister, ich komme jetzt mit meiner Zwischenfrage etwas spät, weil ich hier im toten Winkel sitze.
Sie haben vorhin wiederholt das Wort „Totschlagargument“ benutzt und gemeint, wer beispielsweise nicht für das Staatsziel Tierschutz sei, der müsse nicht unbedingt ge
gen den Tierschutz sein. Frage: Machen Sie es sich da nicht etwas zu einfach? Denn wenn man die Stellungnahmen der Verbände liest, dann kann man doch ganz klar feststellen, dass es auch Interessenkonflikte gibt, warum man dafür oder warum man dagegen ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Politik ist dem Auftrag von Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung zu stellen, in den letzten 30 Jahren nicht gerecht geworden. Wenn wir den Zustand der bundesdeutschen Familien mit über 180 000 Scheidungen pro Jahr zuzüglich der 150 000 unmündigen Kinder,
die dadurch zu Scheidungswaisen werden, betrachten, dann besteht kein Zweifel daran, dass wir Zeugen einer der größten Kulturrevolutionen in unserer christlich-abendländischen Geschichte sind.
Wir erleben die innere Auflösung der bürgerlichen Familie. In den städtischen Ballungsgebieten ist heute fast jeder zweite Haushalt ein so genannter Singlehaushalt. Wohngemeinschaften, nicht eheliche Lebensgemeinschaften, gleichgeschlechtliche Partnerschaften treten in Konkurrenz zur traditionellen Familie – ein Umstand, der uns aus unserem nationalkonservativen Selbstverständnis heraus zum politischen Handeln zwingt.
Nationalkonservatives Selbstverständnis, Herr Kollege.
Aber das haben sie abgelegt, das ist richtig.
Die Auflösung und das Zerbrechen der Familien bedeutet letztlich die innere Auflösung des Staates sowie der ganzen Gesellschaft und damit all dessen, was unsere christliche Kultur ausmacht, eine Kultur, auf der die Wertordnung des Grundgesetzes basiert und aus der unser ganzes Sozialsystem abgeleitet wird.
Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf geht es darum, die Familie sowie deren Schutz und Förderung wieder zum Mittelpunkt der Gesellschaftspolitik zu machen. Zwar schützt bereits der Artikel 6 des Grundgesetzes die Familie; aber da der Staat das Recht zur Privilegierung bestimmter Lebensformen hat, spricht nichts dagegen, dass sich das Land in Form eines Staatszieles zur vorrangigen Förderung der Familie verpflichtet.
Dabei ist es allerdings unerlässlich, dass der schleichenden Aushöhlung des Familienbegriffes endlich Einhalt geboten wird.
Eine Politik darf nicht nur individuelle Lebensverwirklichungen respektieren, sondern muss auch den Mut haben, Leitbilder zu vermitteln und Grenzen zu setzen.
Die Koalition aus SPD und Grünen hat in Abschnitt VII Ziffer 3 ihrer Koalitionsvereinbarung definiert: „Familie ist, wo Kinder sind.“ Daraufhin hat die CDU im Rahmen ihrer immer rascheren Versozialdemokratisierung mit dem Familienbegriff „Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen“ gleichgezogen. Da aber bekanntlich das Verantwortungübernehmen bereits zwingend im Sozialgesetzbuch geregelt ist, unterscheidet sich die CDU-Definition letztlich nicht von der von Rot-Grün.
Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die aggressiven Feministinnen von Rot-Grün
die Familie schon immer als „Bollwerk des Patriarchats“ definierten, welches es zu schleifen gelte, so ergibt es einen Sinn, wenn man den Familienbegriff so weit fasst, dass alles darunter fällt. Denn wenn alles Familie ist, ist nichts mehr Familie.
Die CDU ist hierbei ihren schärfsten politischen Gegnern nicht nur auf den Leim gegangen, sondern bedient mit dem Slogan „Lust auf Familie“ sogar noch in der Wortwahl das liberale Spektrum.
Nach der rot-grünen Spaßschule kommt nun die schwarze Lustfamilie. Bei so viel ideologischem Gleichklang titelt selbst die linke FAZ indigniert:
Merkel kopiert SPD-Wunschzettel. Die SPDisierung der CDU schreitet voran, nun auch in der Familienpolitik.
Für Kenner der Materie ist dies allerdings schon lange keine Überraschung mehr. Lässt man 16 Jahre Kohl’scher Sozial- und Familienpolitik vor dem geistigen Auge Revue passieren, so muss man feststellen, dass diese genauso gut aus dem Erich-Ollenhauer-Haus hätte stammen können. Mittlerweile ist es für einen konservativ denkenden Deutschen verhältnismäßig egal, ob Rot oder Schwarz in Berlin regiert.
Wir Republikaner werden diesem unterwürfigen Katzbuckeln vor dem Zeitgeist nicht Folge leisten.
Wir werden dies schon deshalb nicht tun, weil die Familie einen naturrechtlichen Wesensgehalt besitzt. Die Familie ist vorstaatlich und existiert aus sich selbst heraus. Es kann staatlich und naturrechtlich keinen Staat geben, ohne dass die Familie existiert. Aus rechtlicher Sicht ist dies wesentlich, weil sich daraus die Grenzen staatlichen Handelns bestimmen. Ohne Verletzung des Naturrechts darf der Staat die Familie nicht umdefinieren, er hat sie vielmehr uneingeschränkt und unideologisch zu fördern und zu stützen.
Die Umdefinition der Familie, wie sie von den Altparteien vertreten wird, entspringt einem Liberalismus, der sich aus jeder Allgemeinwohlorientierung verabschiedet hat und der die Frage der so genannten Werte und Normen jedem Einzelnen und seiner Willkür überantwortet. Wenn aber jeder Einzelne für sich die Frage der Weltanschauung der Werte und Normen entscheidet, ist das Resultat die atomisierte Gesellschaft, eine Gesellschaft, die sich in ihre Bestandteile auflöst und den Individualismus absolut setzt mit der Folge, dass auch der Staat letztlich seine Handlungsfähigkeit verliert.
Eine solche Politik der Altparteien können wir als Nationalkonservative nicht mittragen,
da die Erhaltung der bürgerlichen Familie ein grundkonservatives Anliegen ist.
Konservatismus ist der Spagat, der das Gestern mit dem Heute verbindet. Das heißt, Werte, die sich über Generationen bewährt haben, sollen auch in Zukunft gültig sein. Die traditionelle Familie hat sich bewährt. Ihre Leistungen auf dem Gebiet der Sozialisation, der Erziehung, der Reproduktion können von keiner anderen Institution erbracht werden.
Die Vitalität der Familie hat unser Volk nach den Katastrophen des Dreißigjährigen Kriegs und des Zweiten Weltkriegs gerettet, und sie erfreut sich bei jungen Menschen, wie die neueste „Focus“-Umfrage zeigt, wieder steigender Beliebtheit. Daher vertrauen wir darauf, dass die Geschichte letztlich klüger sein wird als die gesamte gegenwärtige Familienpolitik in diesem Land.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Noll, wir wollen uns keineswegs zum Zensor aufspielen. Das habe ich in meinen Ausführungen anfangs auch nicht gesagt. Aber dem Staat darf es doch unbenommen bleiben, Familienkonstrukte zu fördern, die ihm mehr förderungswürdig erscheinen als, sagen wir mal, gleichgeschlechtliche Partnerschaften.
Noch ein Wort zu den Ausführungen von Herrn Blank und Herrn Birzele.
Frau Blank, natürlich. Entschuldigung. – Sie haben sich daran gestoßen, dass wir in unserem Entwurf stehen haben: Familien mit Kindern. Wenn Sie einen Blick in den Familienbericht der Landesregierung geworfen hätten, hätten Sie feststellen können, dass es sich dabei um einen Terminus technicus handelt, und er meint Familien mit Mutter, Vater und Kind, also die normale Familie, und die Alleinerziehenden mit Kind.
Nein. Das ist die traditionelle Familie. Das andere sind die Alleinerziehenden mit Kindern. Das ist in diesem Gesamtbegriff „Familien mit Kindern“ umfasst. Wenn man den Familienbericht der Landesregierung nicht mehr zitieren darf, bewegen wir uns natürlich etwas auf schwankendem Boden.
Bei den neuen Leitbildern, die jetzt SPD, Grüne und auch die CDU entworfen haben, empfinden wir die stärkere Hinwendung zum Kind als positiv. Das wird ja von uns gar nicht als negativ gesehen. Wir kommen aber nicht umhin, festzustellen, dass der Trend der Siebzigerjahre hin zur Berufstätigkeit der Frauen und zum Ausbau professioneller Kinderbetreuung – Kinderkrippen, Tagesmütter, Ganztagsschulen – doch auffällig korreliert mit dem hohen Anstieg der Zahl verhaltensgestörter Kinder sowie des Rauschgiftkonsums und der Jugendkriminalität.
Wenn wir heute feststellen müssen, dass wir Probleme mit einem Teil unserer Jugendlichen haben, müssen wir uns aber auch eingestehen, dass wir diese vernachlässigt haben, als sie noch Kinder waren. Die frühkindliche Hirnforschung in den USA, beispielsweise von Stanley Greenspan, hat zweifelsfrei belegt, wie wichtig die mütterliche Hinwendung zum Kind in den ersten drei Jahren ist. Ein Kind braucht eine phasenspezifische Betreuung, eine Anpassung der Eltern an den jeweiligen Reifegrad des Kindes – welcher individuell verschieden sein mag –, was von keiner Kinderkrippe geleistet werden kann.
Eine solche umfassende Betreuung ist eben nur möglich, wenn die Mutter nicht aus finanziellen Gründen genötigt ist, noch berufstätig zu sein. Mutterschaft muss daher in unseren Augen ein bezahlter Beruf mit Rentenanspruch werden.
Alles andere ist unseres Erachtens Flickschusterei.
Zu einer gesunden Entwicklung eines Kindes gehört aber nicht nur die Mutter, wie Frau Blank eben gesagt hat, son
dern auch der Vater. Da greift die These meines Erachtens zu kurz, wenn man nur dort von Familie spricht, wo Kinder sind. Das ist nicht ausreichend. Der allein erziehenden Mutter gehört unser aller Respekt und auch alle erdenkliche Hilfe.
Wir dürfen aber doch nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass beispielsweise in den USA – bei uns wird es nicht viel anders aussehen – 63 % der jugendlichen Selbstmörder, 71 % der schwangeren Teenager, 90 % aller Ausreißer und obdachlosen Kinder, 70 % der Jugendlichen in staatlichen Einrichtungen, 85 % aller jugendlichen Häftlinge, 71 % aller Schulabbrecher und 75 % aller Heranwachsenden in Drogenzentren aus vaterlosen Familien stammen.
Auch diese Zahlen zeigen uns ja, dass wir gut beraten sind, wenn wir der traditionellen Familie eine besondere Förderung angedeihen lassen.
Wir müssen diese Förderung auch deswegen diesen Familien angedeihen lassen, weil wir vielen Kindern den Schock einer Scheidung ersparen müssen. Durch die Scheidung wird bei einem Kind zum Beispiel das Urvertrauen in die schützende Funktion der Eltern untergraben. Wechselnde Bezugspersonen und Umgebungsverhältnisse erschweren einem Kind die Entwicklung und seine Erziehungsfähigkeit. Wir schaffen hier Kinder, die später nicht bindungsfähig sind und meinen, sie kämen als Einzelkämpfer besser durchs Leben.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eines ansprechen. Wenn wir in Deutschland rund 1 Million Kinder haben, die von Sozialhilfe leben, sind davon 40 % Kinder von allein erziehenden Frauen und 35 % aus Familien mit drei und mehr Kindern. Es darf doch nicht sein, dass wir Kinder, die wir so nötig brauchen, aufgrund dieser Tatsache in unserem Land zum Armutsrisiko umgestalten.
Der trägt deswegen dazu bei, weil wir mit dem Gesetzentwurf eine spezielle und stärkere Förderung der Familie erreichen wollen.
Danke.