Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Wir haben es ausführlich diskutiert. Es ist eine Politik gegen den Mittelstand. Warum gehen Sie nicht einfach einmal hinaus und reden mit den mittelständischen Unternehmern?

(Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen: Was glauben Sie, was wir machen? – Abg. Capez- zuto SPD: Im Gegensatz zu Ihnen machen wir das! Sie gehen nur von Jahresempfang zu Jahresemp- fang!)

Ich habe hier den Eindruck, Sie wollen das Rad der Wirtschaft und des Mittelstands neu erfinden. Das Rad ist aber schon lange erfunden.

Ihre Worte von der Stärkung des Mittelstands sind nichts wert. Sie sind auch deswegen nichts wert, weil Sie den Kern des Mittelstands, nämlich den Unternehmer, die Unternehmerpersönlichkeit, beschädigen und nicht stärken und weil Sie den Manager wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Der persönlich haftende Unternehmer ist in Ihrem Konstrukt der Dumme, also derjenige, der 90 % der badenwürttembergischen Wirtschaft trägt.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: Das ist ein Kapitalist bei denen, ein Profiteur!)

Das Mittelstandsförderungsgesetz – das ist sein großes Verdienst – sorgt für Chancengleichheit der Großen und der Kleinen durch eine fortschrittsorientierte Forschungsund Technologiepolitik. Es weist Wege zum Technologietransfer zu den kleinen und mittleren Unternehmen.

(Abg. Schmiedel SPD: Papier ist geduldig, Frau Kollegin!)

In der Praxis müssen jetzt die Einzelprogramme, die auf dem Mittelstandsförderungsgesetz fußen, feinjustiert und aufeinander abgestimmt werden.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut! – Abg. Schmiedel SPD: Noch ein Papier!)

Wir von der CDU-Fraktion freuen uns auf diese Aufgabe und sehen darin nach dieser Initialzündung in Form des Mittelstandsförderungsgesetzes auch unsere eigentliche Aufgabe. Denn hier findet Mittelstandsförderung erst richtig statt.

Wir müssen darauf drängen, dass die Finanzierung des Mittelstands, die Stärkung der beruflichen Bildung, Existenzgründungen und der Anschluss des Mittelstands an moderne Technologien und Marketingwege wie das Internet gewährleistet werden. Das Mittelstandsförderungsgesetz ist dazu eine Voraussetzung. Es ist der erste Baustein einer Offensive für den Mittelstand, die wir uns auf unserem Parteitag vor zwei Wochen für die nächste Legislaturperiode bereits vorgenommen haben – von der Bündelung und Verzahnung der mittelstandspolitischen Maßnahmen bis zur weiteren Privatisierung öffentlicher Aufgaben.

(Abg. Schmiedel SPD: Wieso? Da seid ihr doch in der Opposition!)

Ihr habt gar nichts begriffen.

(Beifall der Abg. Rosely Schweizer und Wieser CDU – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Wir stehen bereit

(Abg. Schmiedel SPD: Aber die Wähler nicht!)

für eine fortschrittsorientierte Mittelstandspolitik. Wir stehen bereit, dieses Gesetz mit Leben zu erfüllen, und wir stehen auch bereit, dieses Gesetz zu dem zu machen, was es sein muss, eine wirkliche Basis. Wenn uns das nicht gelingt, waren die ganzen Bekenntnisse heute Nachmittag Lippenbekenntnisse, und dann ist dieses Gesetz das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Wir wollen einen starken Mittelstand.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort hat Herr Abg. Capezzuto.

(Abg. Wieser CDU: Schon wieder? Kann bei euch nur einer sprechen?)

Ja, mit einer Stimme. – Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, wer nächstes Jahr hier sitzt oder steht, überlassen Sie doch bitte am 25. März den Wählern.

(Beifall des Abg. Schmiedel SPD – Abg. Wieser CDU: Das ist wahr!)

In diesem Land herrscht immer noch Demokratie, und es gibt keine Alleinherrschaft einer Partei.

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Schwache Vorstel- lung!)

So viel zum Thema Opposition und Koalition.

(Abg. Wieser CDU: Deswegen haben wir doch die Mehrheit, weil Demokratie herrscht!)

Herr Wieser, jetzt würde ich gerne beginnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der heute in zweiter Lesung zur Beratung anstehende Gesetzentwurf der Landesregierung zur Mittelstandsförderung soll ein, wie wir alle wissen, inzwischen rund 25 Jahre altes Gesetz in Baden-Württemberg ablösen und damit auch ein längst überholtes Förderinstrumentarium für den Mittelstand im Land an den Strukturwandel anpassen, der zwischenzeitlich stattgefunden hat. Gott sei Dank haben Sie sich dazu durchgerungen, es noch in dieser Legislaturperiode zu tun.

Man möchte glauben: Was lange währt, wird endlich gut. Aber dem ist nicht so. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf ist unserer Meinung nach mit Lücken und Unzulänglichkeiten nur so gespickt. So hat die Mittelstandsenquete des Landtags, über die wir vorhin gesprochen haben, in den letzten Tagen seitenweise aufgezeigt, was in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg für den Mittelstand alles nicht getan worden ist, Frau Kollegin. Leider sind von diesen Anregungen und Empfehlungen, von diesen von allen demokratischen Fraktionen erarbeiteten und verabschiedeten Empfehlungen nur die wenigsten in diesen Gesetzentwurf übernommen worden.

(Beifall des Abg. Dr. Caroli SPD)

Man muss sich auch fragen, warum ein solcher Gesetzentwurf eigentlich nicht am Anfang einer Legislaturperiode oder gar einer Regierungszeit vorgelegt wurde.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Ja! – Abg. Wieser CDU: Warum habt ihr es nicht in der großen Koalition eingebracht? Da habt ihr doch den zuständigen Mi- nister gestellt!)

Es besteht einfach der für uns hinreichend begründete Verdacht, dass diese Landesregierung erst jetzt ihr massives Versäumnis, ja vielleicht auch Versagen im Bereich der Mittelstandsförderung in Baden-Württemberg entdeckt hat

(Unruhe)

und nun in den hektischen Aufräumungsarbeiten vor der anstehenden Landtagswahl schnell zur Tat schreiten will.

(Beifall des Abg. Dr. Caroli SPD – Zuruf des Abg. Haas CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nur, wenn es nicht auf meine Redezeit angerechnet wird.

Ich lasse eine etwas längere Redezeit zu. Herr Abg. Drautz fasst sich kurz. Sie können dann auch kurz antworten.

Danke schön.

Herr Kollege Capezzuto, ich frage Sie: Sind Sie also der Meinung, dass Herr Wirtschaftsminister Spöri dies verschlafen hatte?

(Widerspruch bei der SPD – Abg. Wieser CDU: Natürlich!)

Nein, Herr Kollege Drautz, ich rede von dieser Legislaturperiode.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Wieser CDU: Das war doch vorher!)

Jetzt komme ich zu den einzelnen Punkten, meine Damen und Herren. Quasi vergessen wurden in der Novelle die Dienstleistungsunternehmen. Wir sind der Meinung, dass die formelle Argumentation, wonach diese Teil der gewerblichen Wirtschaft seien, in keinster Weise einer ausdrücklichen Erwähnung der Dienstleistung entgegensteht. Jemand, der nicht unmittelbar genannt wird, sondern sozusagen mittelbar aus anderen Quellen als Eingeladener quasi herbeiinterpretiert werden muss, fühlt sich zu Recht nicht ernst genommen.

Zu der in § 1 Abs. 2 postulierten vorbehaltlosen Privatisierung von Leistungen und Unternehmen der öffentlichen Hand habe ich bereits in der ersten Lesung gesprochen; dahinter verbirgt sich unserer Meinung nach nur eine parteidogmatische Privatisierungsideologie. Wir werden das so auch nicht hinnehmen, sondern ablehnen.

(Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Totengräber des Mit- telstands sind Sie!)

An gleicher Stelle ist die Forderung von uns enthalten, alles zu vermeiden, was Investitionen hemmt. Wir Sozialdemokraten beantragen deshalb, die jährlichen Ausgaben im Landeshaushalt zunächst einmal zu erhöhen und dann auf einem hohen Niveau weiterzuführen. Wir fordern auch, die Bürokratiekosten für den baden-württembergischen Mittelstand rasch und spürbar abzubauen; denn wir sind der Meinung, dass die Belastungen von etwa 7 000 DM pro Arbeitsplatz nicht einfach weiter hingenommen werden können.