Richard Drautz
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Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Künast sagte, der Erfolg hänge davon ab, dass wir jetzt beginnen, entschlossen zu handeln, und dass möglichst viele mitmachen. Ich möchte jetzt meine Ausführungen anhand der Künast-Rede machen,
weil es heute auch um das Ergebnis geht.
Ich möchte bei den sechs Punkten, nachdem sie das magische Sechseck der Agrarwende angesprochen hat, zuerst zu den Verbrauchern kommen und eindeutig feststellen, dass man in dieser Krise, in der wir uns jetzt durch BSE befinden, klar sehen muss: Erstens ist es kein Wahlkampfthema.
Aber es ist so, Kollege Teßmer.
Zweitens muss man ganz klar sehen, dass in der BSE-Forschung die Wissenschaft nach wie vor im Dunkeln tappt.
Deshalb habe ich dies vorangestellt. Ich möchte aber jetzt auf die Agrarrede von Frau Ministerin Künast eingehen.
Zu den Verbrauchern möchte ich eines sagen: Wer jetzt von einer Agrarwende redet und davon, dass 20 % Ökoprodukte verfügbar sein sollen, den frage ich: Was passiert mit den 80 % der Landwirte, die nicht in diesem Bereich produzieren?
Man muss auch klar sehen, dass wir in Baden-Württemberg schon bei 5 % Ökolandwirtschaft liegen und dass Frau Künast seit ihrer Regierungserklärung jetzt öfters 10 % nennt – und schon gar nicht mehr 20 %.
Mir ist auch klar, Herr Teßmer, dass das schrittweise geht. Ich selbst weiß, wovon ich rede.
In meinem Betrieb gibt es 50 Ar Weinberge, die nach Naturland-Richtlinien bewirtschaftet werden. Herr Schäfer, eines sage ich Ihnen ganz klar, auch wenn Sie lachen: Es muss klar sein, dass Umweltschutz nicht länger aus dem Bauch heraus gemacht werden kann. Wir brauchen in Zukunft echte Ökobilanzen. Anhand von nachprüfbaren Ökobilanzen muss festgestellt werden, welche Maßnahmen tatsächlich mehr Umweltschutz und welche weniger Umweltschutz bedeuten.
Dies gilt natürlich als Schutz für die Verbraucher. Sie sollen sich darauf verlassen können,
dass es keinen Umweltschutz aus dem Bauch heraus gibt. Tatsache ist doch, dass zwei wissenschaftliche Institute festgestellt haben, dass sich im Bereich des Pflanzenbaus zum Beispiel Blattherbizide in CO2 und zum Teil in Nitrat auflösen. Dieses Round-up – ich nenne es auch beim Namen –, ein halber Liter als streifenförmige Behandlung als Blattherbizid, ist weniger umweltschädlich, als mit einer Maschine 40 Liter Diesel mehr in die Luft zu blasen.
Deshalb muss ich sagen: Es muss in verschiedenen Bereichen Ökobilanzen geben.
Ich möchte zur Rede von Frau Künast zurückkommen
und möchte auf den Einzelhandel und die Lebensmittelindustrie eingehen. Ich muss sagen: Was Frau Künast in diesem Punkt will, ist gut.
Aber das wollen alle.
Schon seit Jahrzehnten sprechen wir hier über gerechte Preise für die landwirtschaftlichen Produkte.
Aber Sie brauchen dazu natürlich die Lebensmittelindustrie und den großflächigen Einzelhandel; die müssen mitziehen. Mit Nischen läuft hier nichts. Auch wenn es die Bundesministerin sagt, läuft trotzdem noch nichts. Ich verstehe etwas vom Verkauf teurer Qualitätsprodukte, weil ich selbst am Markt bin.
Der Verbraucher entscheidet. Ich setze meine Produkte ab, weil ich in einer Nische anbiete. Aber in der Breite könnte man nie so teuer verkaufen.
Das müssen Sie ganz klar sehen, Frau Kipfer.
Was die Futtermittelindustrie anbelangt, muss ich klar sagen: Die Futtermittelindustrie ist zu wenig kontrolliert worden. Dazu stehen wir auch.
Die Futtermittelindustrie muss transparenter werden. Was wir hier in Baden-Württemberg mit einer gläsernen Produktion praktiziert haben, ist bei der Futtermittelindustrie nicht in diesem Ausmaß geschehen. Der Futtermittelindustrie muss mehr Klarheit und Wahrheit nahe gelegt werden.
Das Weitere werde ich in der zweiten Runde ausführen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu meinen Ausführungen über die Regierungserklärung von Frau Künast zurückkommen und möchte feststellen, dass Frau Künast zwei neue Labels einführen will, zum einen das Öko-Label – dazu sage ich: Okay, machen Sie das! – und zum anderen auch ein Label für die konventionelle Landwirtschaft. Ich bin gespannt, was da anders sein soll als beim MEKA. Da lasse ich mich überraschen; darauf bin ich wahnsinnig gespannt.
Entschuldigung! Ich habe mich versprochen; ich habe das HQZ gemeint. Beim HQZ gibt es Produktbeiräte, und Sie tun heute alle so, als wäre das seit der Einführung schon immer dasselbe.
In den Produktbeiräten wird das aber ständig fortentwickelt.
Man muss außer dem Fleischbereich auch die anderen Bereiche sehen.
Hier muss alles auf den Prüfstand, und man muss untersuchen, in welchem Bereich es nach dem jetzigen Erkennt
nisstand optimal ist und in welchen Bereichen man das HQZ noch ein Stück weiterentwickeln sollte. Ich bin auf jeden Fall dafür, das HQZ beizubehalten.
Die Frau Ministerin Künast will ja auch etwas Ähnliches wie wir mit unserem MEKA machen. Dazu braucht sie aber „fresh money“.
Frisches Geld. – Ich sehe aber weit und breit kein Geld für ihre Vorstellungen. Sie braucht frisches Geld im Haushalt, damit sie ihre Vorstellungen auch umsetzen kann. Es ist ja gut, Dinge anzukündigen. Aber wenn man Dinge ankündigt, sollte man sie auch durchziehen.
Hier wäre es wichtig, dass ein Programm aufgelegt wird, wie wir es in Baden-Württemberg mit unserem Umweltprogramm, mit MEKA, haben.
Nicht bei BSE, Herr Schäfer, sondern im Produktionsbereich.
Ich muss noch eines sagen. Ich finde es ja gut, dass Sie ein Bundesamt für Verbraucherschutz machen. Aber wir in Baden-Württemberg haben die Lebensmittelüberwachung vor der BSE-Krise in einem Ministerium gebündelt. In der großen Koalition ist das nach einem großen Streit zwischen Harald B. Schäfer und Gerhard Weiser nicht gelungen. Sie sind ja nicht zusammengekommen. In dieser Legislaturperiode haben wir den Verbraucherschutz in einem Ministerium gebündelt. Wir haben vier integrierte Ämter eingeführt. Aus diesem Grund muss ich sagen: Die Bündelung, die jetzt im Bundesministerium erfolgt ist,
haben wir in Baden-Württemberg schon vor zwei Jahren vollzogen. Deshalb sage ich Ihnen eines: Bei der Entwicklung von neuen Zeichen müssen wir natürlich aufpassen, dass wir nicht zu viele Zeichen bekommen. Deshalb bin ich auch dankbar, wenn jetzt das Ökosiegel kommen soll, weil die AGÖL ja zerschlagen ist und man in diesen Bereich hineinproduziert. Ob von Naturland oder von Bioland, kann man im Endeffekt – – Vor lauter Wirrwarr mit Siegeln kann der Verbraucher dann
nichts mehr anfangen. Es ist wichtig, dass es ein standardisiertes Zeichen gibt.
Meine Damen und Herren, bei aller Hysterie möchte ich abschließend noch feststellen:
Herr Kollege Teßmer! – Wer jetzt aus ideologischen Gründen ökologische und konventionelle Landwirtschaft gegeneinander ausspielt, handelt grob fahrlässig.
Wir wollen den Dialog zwischen der Politik, der Landwirtschaft und dem Verbraucher.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist wirklich unüblich, über die Einsetzung von Mitgliedern der Landesregierung eine Diskussion zu führen.
Aber es ist dringend notwendig – das muss man ganz klar sehen –, über die Verunsicherung in der Bevölkerung, was BSE betrifft – das ist das Hauptthema heute –,
kompetent zu diskutieren. Dies werden wir unter Punkt 3 der Tagesordnung tun.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich feststellen: Das Thema BSE eignet sich nicht für Schuldzuweisungen und nicht dafür, Nebelkerzen zu werfen und Wahlkampf zu machen.
Dieses Thema ist viel zu ernst.
Die gesamte Wissenschaft tappt im Dunkeln, und die Erkenntnisse über BSE sind heute nicht größer als vor einem halben Jahr. Dies muss man klar sehen, und wer dies verkennt, macht mit diesem Thema nur billige Polemik und Politik
und verunsichert die Verbraucher immer weiter. Die Menschen wissen inzwischen nicht mehr, was sie essen sollen. Der Verbraucher ist verunsichert bis zum Gehtnichtmehr.
Dazu muss ich noch eines klar sagen: Schauen wir uns einmal das Krisenmanagement unserer Bundesregierung an. Der Schröder selbst, höchstpersönlich – –
Ich zähle nur Tatsachen auf, Herr Teßmer, auch wenn es Ihnen wehtut. An diesen Tatsachen kommen Sie nicht vorbei.
Schröder hat im Sommer eine verstärkte industrielle Landwirtschaft und eine Abkehr von Bauernhöfen mit Ökoschutzland darum herum gefordert.
Er hat größere Agrarfabriken gefordert. Doch dann ist Schröder so langsam zu Öko gewechselt, und im Dezember hat er nur noch von Ökolandwirtschaft gesprochen, und jetzt sagt Schröder: Wir sind Partner der Landwirte; wir müssen zusammenhalten. Das sind doch drei Positionen innerhalb eines halben Jahres!
Schauen wir nun einmal ins Land. Herr Teßmer, jetzt kommen die Tatsachen, auch wenn Sie sich aufregen. Da haben wir zum Beispiel eine Anfrage der Abg. Teßmer, Kipfer u. a. SPD, in der steht, die Landesregierung solle bitte schön stichprobenartig BSE-Tests durchführen. Dies war im November. Im Dezember haben wir die Tests flächendeckend durchgezogen. Liebe SPD, so haben wir entschieden.
Dann kommt die nächste Anfrage der SPD, und in dieser Anfrage geht es um unser HQZ. Es gibt einen Antrag vom Dezember, das HQZ solle überarbeitet werden, aber im Januar fordert die SPD, das HQZ solle abgeschafft werden. Das passt doch überhaupt nicht zusammen.
Das ist eine total orientierungslose Agrarpolitik bei der SPD. Meine Damen und Herren, so kann man keine Agrarpolitik machen.
Ich empfehle Ihnen, das zu lesen, was 33 Professoren, Ökonomen, erarbeitet haben.
Das stand in der FAZ unter der Überschrift „Wir leben nicht auf einer agrarpolitischen Insel in Deutschland“
und „Der Weg ‚klein und öko‘ führt in die Sackgasse“.
Das sollten Sie einmal lesen, Herr Teßmer, damit Sie in der Agrarpolitik einen globalen Überblick bekommen.
Ich sage Ihnen, was wir gemacht haben. Die FDP/DVPFraktion hat zum Beispiel von der Landesregierung gefordert, ein Liquiditätsprogramm aufzulegen, und die Landesregierung hat das durchgezogen. Das muss man klar sehen.
Es hat mich gefreut, dass der Koalitionspartner das genauso gesehen hat. Aber wir haben es bei unserer Klausurtagung gefordert, und kurz darauf hat die Landesregierung gehandelt.
In die Verbraucheraufklärung müssen wir wegen der Verunsicherung der Verbraucher noch stärker einsteigen; da gebe ich Frau Kipfer Recht.
Aber die Verbraucheraufklärung hat es schwer. Weil die Wissenschaft ihr bisher keine Ergebnisse liefern kann, kann sie die Verbraucher auch nicht entsprechend aufklären. Nach dem gegenwärtigen Wissensstand kann Muskelfleisch nach wie vor gefahrlos gegessen werden. Dazu stehen wir auch.
Nachdem jetzt meine Sprechzeit zu Ende ist, werde ich in der zweiten Runde auf weitere Maßnahmen der FDP/DVP eingehen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kipfer, ich möchte als Erstes auf die Verbraucherzentrale eingehen. Was Sie da erzählen, ist alles Schnee von gestern.
Wider besseres Wissen. Wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie mitbekommen, dass ich in meiner Rede gesagt habe: Wir wollen den Verbraucherschutz stärken.
Auch der Wirtschaftsminister hat gesagt, er wolle den Verbraucherschutz stärken, eindeutig und klar.
Da können Sie jetzt brüllen, wie Sie wollen, Frau Kipfer. Das nützt jetzt gar nichts.
Ich möchte aber, meine Damen und Herren, noch einmal auf die Hauptopfer der BSE-Krise zurückkommen, nämlich unsere Bauern. Unsere bäuerlichen Familienbetriebe in Baden-Württemberg sind so strukturiert, wie es sich eigentlich die Frau Künast wünscht.
Die Strukturen in unserem Land stimmen. Ich verbitte mir, dass Sie, Herr Schäfer, hier einen Keil zwischen Ökolandwirte und konventionelle Produktion treiben wollen.
Dies wird von Ihnen ständig und schon jahrelang versucht. Gehen Sie einmal in die Schweiz. Sie haben bis jetzt nur den Glücksfall, dass es auf einem Biohof in Deutschland keinen BSE-Fall gibt.
Aber in der Schweiz gibt es diese Fälle.
Einen gebe es jetzt auf einem Biohof, sagt Herr Kiefl. BSE ist nicht das Thema von Öko oder Nicht-Öko,
von Groß oder Klein.
Das ist nicht das Thema.
Herr Salomon, Ihnen als Fraktionsvorsitzendem ist das bekannt. Herr Schäfer hat etwas anderes erzählt.
Das muss man einmal klar sehen. Er sagt, nur in Öko liege das Heil!
Wenn jetzt Vergleiche angestellt werden und gesagt wird, in Nordrhein-Westfalen sei der Zuwachs bei Öko größer als bei uns in Baden-Württemberg, dann erwidere ich: Wenn ich von null ausgehe, komme ich leichter auf einen Zuwachs von 1 oder 2 %, als wenn ich schon 4 % habe.
Da muss man eines klar sehen: Wenn der Verbraucher bereit ist – darüber sind wir uns alle einig, und da kommen wir auch zu den Marketingstrategien der Frau Kipfer –, wieder mehr für Lebensmittel zu bezahlen,
dann ist es auch möglich, entsprechende Marketingstrategien aufzuziehen. Unsere Landwirte sind doch am Ende. Sie haben doch gar nicht das Geld, um auf der Grünen Woche aufzutreten wie Daimler-Chrysler als Aktiengesellschaft, die Milliardengewinne einfährt.
Für die ist es viel leichter, sich zu präsentieren, als für unsere Landwirte.
Sie sagen, das Ministerium habe zu wenig Geld dafür. Als wir den Doppelhaushalt beraten haben, hätten Sie gerne noch Kürzungen im Landwirtschaftsetat vorgenommen. Das muss man doch einmal klar sehen.
Wenn Sie erst kürzen, wo soll dann nachher das Geld herkommen? Was nicht im Haushalt steht, ist nicht da. Sie können die doppelzüngige Politik in diesem Bereich nicht weiterführen. Aber ich lasse mich jetzt wegen meiner restlichen Redezeit nicht weiter darauf ein, sondern mir ist entscheidend wichtig, zu sagen, die Forschung von Bund und – –
Sehen Sie, Herr Teßmer, ich war nicht in Berlin, aber Sie als Lehrer müssen nach Berlin, damit Sie sich erkundigen, was Landwirtschaft ist.
Ich bin selber Weinbauer und Landwirt. Das ist der große Unterschied zwischen Ihnen und mir.
Meine Damen und Herren, die wichtigsten Punkte sind für uns, dass die Forschung verstärkt wird. Hier hat das Land schon reagiert. Hier hat das Land schon zusätzliche Forschungsmittel beschlossen.
Konsequente Futtermittelkontrolle muss europaweit verstärkt werden. Eines muss ich sagen: Was jetzt in Berlin im Künast-Ministerium gemacht worden ist, nämlich dass Kompetenzen zusammengefasst worden sind, das haben wir zu Beginn der Legislaturperiode hier in Baden-Württemberg schon gemacht. Wir haben praktisch die Lebensmittelüberwachung und auch die Veterinäre im Landwirtschaftsministerium zusammengefasst. Damit haben wir eine effektive Lebensmittelüberwachung.
Unsere Leute von Aulendorf fahren im Moment in andere Bundesländer und halten dort Schulungen ab, weil sie weiter sind als die Ärzte in den anderen Bundesländern. Wir haben in Aulendorf ein Kompetenzzentrum, wie es kein anderes Bundesland hat.
Dies muss auch einmal klar gesagt sein. Deshalb lassen wir in Baden-Württemberg uns das Ganze nicht herunterreden. Das bringt überhaupt nichts. Es ist wichtig, dass unsere Bauern, Schlachthöfe und Metzger überleben können. Wenn jetzt von der grünen Bundeslandwirtschaftsministerin die Abschlachtung beschlossen worden ist, dann muss ich eines dazu sagen – das ist mir wichtig –: Es wäre verheerend, wenn die geschlachteten Tiere alle verbrannt werden würden.
Jetzt haben wir die Tests, jetzt kann man die Tests durchführen. Es ist viel vernünftiger, das ganze Fleisch und die ganzen Wurstwaren, die ohne BSE-Tests noch in den Lagern sind, herauszunehmen und zu verbrennen. Dann das Fleisch der getesteten Tiere auf den Markt zu bringen, wäre wesentlich vernünftiger.
Das ist nicht Beschlusslage. Entschuldigung, Herr Kollege!
Meine Damen und Herren, ich sage abschließend noch einmal: Machen Sie BSE nicht zu stark zum Wahlkampfthema. Dieses Thema ist viel zu ernst, als dass wir gegenseitige Schuldzuweisungen betreiben sollten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Wettbewerbsfähigkeit des ländlichen Raumes konnte in dieser Legislaturperiode merklich verbessert werden. Dies wird deutlich, wenn man sich die Strukturdaten einmal genauer ansieht. Die Bevölkerungszunahme im Zeitraum von 1985 bis 1998 war im ländlichen Raum mit 16,1 % etwa doppelt so hoch wie in den Verdichtungsräumen.
Die Steuerkraftsumme, Herr Kollege Teßmer, hat sich im gleichen Zeitraum im ländlichen Raum mit 63,4 % stärker als im restlichen Land mit im Durchschnitt 47,3 % erhöht.
Entscheidend dabei sind die Beschäftigtenzahlen, die sich im ländlichen Raum sensationell positiv entwickelt haben.
Allein im Dienstleistungssektor konnten wir in den letzten 15 Jahren einen Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen von 40 % verzeichnen.
Seit 1995 hat das Land Baden-Württemberg im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum 740 Millionen DM für die Förderung bereitgestellt. Damit, meine Damen und Herren, sind Investitionen von 5 Milliarden DM ausgelöst
worden, die zur Schaffung von knapp 10 000 Arbeitsplätzen geführt haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Beispiele anhand meiner Heimatregion aufzählen. Wie keine andere Region im Land hat sich die Region Franken in den letzten Jahren besonders positiv entwickelt. In dieser Region ist es gelungen, den Anteil an der Wertschöpfung des Landes von 7 % auf 7,2 % zu steigern. Die Arbeitsmarktstatistik ist bei diesen Rahmendaten natürlich auch sensationell positiv ausgefallen, meine Damen und Herren.
Bei der verkehrlichen Entwicklung ist zum Beispiel der Hohenlohekreis im Land an der Spitze. Obwohl der ÖPNV in diesem Kreis vorbildlich ist und landesweit eine Spitzenposition einnimmt,
kommen dort durchschnittlich 621 Autos auf 1 000 Einwohner. Zum Vergleich: Der Landesschnitt liegt bei 497 Pkws pro 1 000 Einwohner.
Meine Damen und Herren, in Zeiten von BSE und des Verfalls
der Marktpreise für landwirtschaftliche Produkte
müssen wir die Situation unserer Landwirte sowie der gesamten Landwirtschaft besonders im Auge haben, wenn wir über die Zukunft des ländlichen Raums reden wollen.
Obwohl unsere Landwirtschaft stets leistungsfähiger geworden ist, ist sie von der allgemeinen Einkommenssituation, meine Damen und Herren, abgekoppelt. So verdient ein Landwirt heute rund 40 % weniger als eine Fachkraft in der freien Wirtschaft, und das bei durchschnittlich 60 Stunden in der Woche.
Aber das ist das Thema, das Sie noch nicht kapiert haben, Herr Teßmer.
Ich habe zuerst von der Erfolgsbilanz, der wirtschaftlichen Bilanz im ländlichen Raum gesprochen, spreche aber genauso von einem Wirtschaftszweig, der Landwirtschaft, wo durch außer-baden-württembergische Einflüsse riesige
Strukturprobleme bestehen und sich ein Riesenstrukturwandel vollzieht.
Trotz allem Fleiß ist der Anteil der Land- und Forstwirtschaft an der gesamten Bruttowertschöpfung in Franken – das sage ich hier auch offen – von 4,5 % auf 3 % gesunken. Die Tatsache, dass diese Wertschöpfung immer noch dreimal so hoch ist wie in anderen Regionen von BadenWürttemberg, darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass unsere Landwirtschaft im gesamten Land einem erheblichen Strukturwandel ausgesetzt ist.
Die Zahl der aufgelassenen Höfe und der Anstieg der Betriebsgrößen machen dies überdeutlich.
Ich will es bei diesem Hinweis zur Landwirtschaft heute belassen, weil wir am morgigen Tage in der Plenardebatte diese ernste Thematik, Herr Kollege Oelmayer, vertieft diskutieren werden.
Meine Damen und Herren, uns allen ist hoffentlich klar, dass der ländliche Raum trotz aller positiven Strukturen nur dann eine Zukunft haben wird, wenn die Politik den richtigen Rahmen vorgibt,
um den erforderlichen Strukturwandel zu begleiten. Dabei werden der touristische Sektor und alles, was damit zusammenhängt, zukünftig von entscheidender Bedeutung sein. Die Entwicklung des touristischen Sektors im ländlichen Raum wird – das sage ich Ihnen heute auch ganz klar – nur mit den Landwirten erfolgreich sein.
Das ist die Garantie dafür, dass unsere Kulturlandschaften erhalten bleiben und der ländliche Raum fortentwickelt werden kann.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die aktuelle BSE-Krise ist für Verbraucher, Landwirte, Schlachtbetriebe und Metzger, kurzum für den gesamten landwirtschaftlichen Mittelstand, eine Katastrophe. Die Bürger fragen sich darüber hinaus zu Recht: Was können wir überhaupt noch essen?
Die BSE-Krise bedeutet aber auch eine Vertrauenskrise der Politik. Das Krisenmanagement der Bundesregierung,
das ständige „Hü!“ und „Hott!“ von Bundesagrarminister Funke war an Dilettantismus nicht zu übertreffen.
„Unter den Lahmen ist Karl-Heinz Funke der Langsamste.“ Diese Behauptung stammt nicht etwa aus Kreisen der FDP, sondern vom grünen Koalitionspartner des Bundesministers.
Meine Damen und Herren, hat sich die Bundesregierung in den letzten Wochen noch selbst blockiert und täglich sich widersprechende Verlautbarungen abgegeben, so sind heute auch der Aktionismus und die Schnellschüsse der rotgrünen Bundesregierung nicht mehr zu übertreffen.
Ich rufe die Bundesregierung auf,
stattdessen zu einer wissenschaftlich fundierten und schlüssigen Verbraucher- und Mittelstandspolitik zurückzukehren.
Ein vorsorgender Gesundheits- und Verbraucherschutz und die Verantwortung für die Produzenten und den Handel müssen im Mittelpunkt der Politik stehen.
Meine Damen und Herren, in Europa ist das Verfüttern von Tiermehl an Wiederkäuer seit 1994 verboten. Trotzdem gibt es in England 120 000 BSE-Fälle und in der Schweiz über 600;
in Deutschland wurde, wie Sie wissen, ein Fall nachgewiesen.
Nun können Sie sagen: Wo nicht getestet wird, wird auch nichts gefunden.
Ich möchte aber an dieser Stelle an die Maßnahmen des Landes Baden-Württemberg erinnern, Herr Kollege Brechtken. Alle auffälligen Rinder wurden schon bisher untersucht. Jährlich waren dies mehr als 6 000 Tiere. In keinem Fall konnte BSE festgestellt werden.
In Aulendorf und in Tübingen haben wir Kompetenzzentren, die bundesweit an der Spitze stehen. Baden-Württemberg ist eines der wenigen Bundesländer, in denen in eigens eingerichteten Labors einschlägiger Sachverstand vorhanden ist und in denen auch kurzfristig ausreichende Untersuchungskapazitäten zur Verfügung gestellt werden können. Damit ist Baden-Württemberg eines der ersten Bundesländer, die in der Lage sind, kompetent zu testen. Gleichzeitig muss jedoch erreicht werden, dass die Zertifi
zierung und die Zulassung von privaten Labors schneller erfolgt.
Dennoch können BSE-Tests dem Verbraucher keine hundertprozentige Sicherheit geben. Tests können deshalb nur ein indirektes Instrument zum Verbraucherschutz sein. Die Entscheidung der Landesregierung, auffällige Tiere testen zu lassen, war wichtig und richtig, und es ist auch richtig, die über 30 Monate alten Tiere zu testen. Herr Kollege Salomon, es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Tests an jüngeren Tieren überhaupt nichts bringen.
Warum sollte man Tests durchführen, die nichts bringen?
Unsere Bauern brauchen Planungssicherheit und keine halbherzigen Beschlüsse. Was die EU mit ihrer Entscheidung bietet, ist weder ein Signal für einen guten Verbraucherschutz noch für einen verstärkten Anbau pflanzlicher Futtermittel. Die EU wäre besser beraten gewesen, wenn sie entweder die strengen deutschen Richtlinien zur Herstellung von Tiermehl auf Europa insgesamt übertragen hätte oder ein unbefristetes Verbot von Tiermehl ausgesprochen und damit ein Zeichen für die Ackerbaubetriebe insgesamt gesetzt hätte. Vor allem aber muss in allen Staaten der EU unverzüglich die Pflicht zur Kennzeichnung von Rindfleisch und Rindfleischprodukten eingeführt werden, damit der Verbraucher den Weg des Rindfleischs von der Ladentheke bis zum Geburtsort des Rindes lückenlos zurückverfolgen kann.
Die vorhandenen Schnelltests müssen weiterentwickelt werden, damit sie auch bei Rindern unter 30 Monaten verlässliche Ergebnisse erzielen.
Unsinnig ist die Forderung der Bundesregierung nach einem Ende der industriellen Landwirtschaft. Die FDP/DVP in Baden-Württemberg hat sich immer für bäuerliche Familienbetriebe eingesetzt. BSE ist aber keine Folge einer großflächigen Agrarwirtschaft, sondern die Konsequenz der schlampigen Tiermehlherstellung in Großbritannien und einer nicht artgerechten Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer. Die Schweiz mit ihren kleinbäuerlichen Strukturen und ihrer großen Zahl von BSE-Fällen zeigt dies überdeutlich.
Eine pauschale Diskriminierung größerer Betriebe ist fachlich nicht gerechtfertigt und wird von uns abgelehnt. Qualitativ hochwertige Produkte werden unabhängig von der Größe landwirtschaftlicher Betriebe hergestellt. Sie sind das Ergebnis von Produktionsmethoden, der hohen Qualifikation des Landwirts und der eingesetzten Betriebsmittel.
Meine Damen und Herren, dem Verbraucher muss aber deutlich gemacht werden, dass hochwertige Lebensmittel ihren Preis haben. Gleichzeitig müssen die Chancen für die heimische Landwirtschaft, das Fleischerhandwerk, die Ernährungswirtschaft und die Gastronomie durch regionale Herkunftszeichen wie das HQZ genutzt und ausgebaut werden.
Meine Damen und Herren, technischer Fortschritt und Innovation müssen auch im Agrarsektor weiterhin genutzt werden. Gleichzeitig müssen wir die Forschungskapazitäten, insbesondere bei der BSE-Forschung, ausweiten. An der Universität Hohenheim bestehen hervorragende Voraussetzungen, die Forschung zukunftweisend zu betreiben.
Finanzielle Hilfen für Landwirte, Schlachthofbetriebe und den Fleischhandel sind für die Erhaltung dieser Betriebe lebensnotwendig. Wenn wir unsere regionalen Strukturen – kurze Anfahrtswege, artgerechte Tierhaltung, aber auch den kleinen Einzelhandel, kurz gesagt, den Metzger oder Lebensmittelladen vor unserer Haustür – erhalten wollen, müssen wir diese Betriebe in ihrer aktuellen Notlage unterstützen und ihnen eine Zukunftsperspektive geben.
Positiv festzustellen ist, dass die Landesregierung in Baden-Württemberg angesichts der schwierigen Situation nicht mit dem Bund um finanzielle Hilfeleistungen gefeilscht hat, sondern mit rund 72 Millionen DM in Vorleistung getreten ist.
Wir müssen uns aber auch um die der Landwirtschaft nachgelagerten Betriebe kümmern, die zurzeit um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen. Die vom Land in Aussicht gestellten 17 Millionen DM für Schlachthofbetriebe sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Letztlich hilft dies nur, wenn das Vertrauen der Bürger in die gute Qualität unserer Rindfleischprodukte zurückkehrt. Wir stehen dafür, das Vertrauen beim Verbraucher wieder zurückzugewinnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Ich möchte Ihnen, Herr Kollege Maurer – jetzt lachen Sie noch –,
und auch Ihnen, Herr Kollege Salomon, einmal sagen, nachdem Sie sich heute hier so oberlehrerhaft benehmen:
Auch Maurer liest nicht Zeitung. Denn Sie haben gefordert – das wurde durch den Kollegen Salomon noch verstärkt –, dass auch bei Rindern unter 30 Monaten Tests gemacht werden sollen.
Die von Ihnen getragene Bundesregierung hat heute Morgen beschlossen, Tests bei Rindern unter 30 Monaten wegen Verbrauchertäuschung zu verbieten. Dies ist eine Tatsache. Das ist heute Morgen im Fernsehen gebracht worden.
Herr Kollege Salomon, Sie liegen hier jetzt schräg im Acker.
Es war mir wichtig, dies zu sagen.
Herr Kollege Salomon, im Frühstücksfernsehen wurde es heute Morgen ganz klar gebracht, und auch in Tageszeitungen stand es, dass Tests bei Rindern unter 30 Monaten eine Verbrauchertäuschung bedeuteten, weil mit diesen Tests kein Nachweis möglich sei.
Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass dies so ist.
Im Übrigen möchte ich Ihnen sagen: Wenn Sie für die Landwirtschaft und die ihr nachgelagerten Betriebe, unsere Metzgereien, etwas tun wollen, dann essen Sie heute in der Mittagspause in der Landtagsgaststätte einen Rostbraten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt an der „Berliner Diskussion“ – Sie haben bei meinen Vorrednern einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie die Diskussion in der Enquetekommission am Schluss abgelaufen ist – nicht beteiligen. Herr Capezzuto, ich glaube, dass Sie aus Versehen Ihre Wahlkampfrede von heute Abend hier vorgelesen haben, statt von der Enquetekommission und von Fakten zu berichten.
Im März 1999 wurde die Enquetekommission Mittelstand ins Leben gerufen. Nun, eindreiviertel Jahre später, haben wir das Ergebnis vorliegen. Schon der Umfang des Werkes zeigt: Es war eine Fleißarbeit.
Die Enquetekommission hat insgesamt 39-mal getagt. Wir waren dazu im ganzen Land unterwegs, um vor Ort mit den Mittelständlern zu sprechen.
Herr Schmiedel, ich sage Ihnen einmal eines.
Sie wissen selbst heute noch nicht genau, worum es geht.
Wir waren im Land unterwegs, um vor Ort mit den Mittelständlern zu sprechen und die regionalen Probleme kennen zu lernen, die viele Kolleginnen und Kollegen nicht gekannt haben. Wir haben eine lange Reihe von Experten gehört, die uns über die gesamte Bandbreite der Problematik mittelständischer Unternehmen berichtet haben.
Wir haben zahllose interne Sitzungen gehabt und uns um viele einzelne Formulierungen gestritten, aber das Ergebnis kann sich meines Erachtens sehen lassen.
Schon jetzt kann man mit Recht sagen, dass wir sehr viel für den Mittelstand erreicht und in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt haben.
Viele Punkte, die im Bericht der Enquetekommission stehen, sind bereits im Mittelstandsförderungsgesetz umgesetzt.
Das Gesetz steht ja als nächster Tagesordnungspunkt an. Man kann wirklich nicht behaupten, dass das Gesetz an der Enquetekommission vorbei entwickelt worden sei.
Die SPD behauptet das zwar immer wieder, aber es trifft trotzdem nicht zu. Die Ergebnisse der Beratungen der Enquetekommission sind vielmehr direkt in die Formulierung des Mittelstandsförderungsgesetzes eingegangen.
Schließlich haben wir keine Geheimverhandlungen geführt,
und das Wirtschaftsministerium hat die Verhandlungen der Enquetekommission immer begleitet.
Ein Kernpunkt im Mittelstandsförderungsgesetz stammt zweifellos direkt aus der Enquetekommission: Das Vergaberecht ist so geregelt, wie es die Enquetekommission in ihrem Zwischenbericht vorgeschlagen hat.
Wir haben unser Ziel erreicht und im Mittelstandsförderungsgesetz eine befriedigende Gesamtregelung des Vergaberechts für den Mittelstand verankert, und die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand wird eingegrenzt. Zukünftig müssen auch öffentliche Unternehmen in privater Rechtsform Aufträge ausschreiben. Dadurch wird verhindert, dass sie durch eine Änderung der Rechtsform den Bestimmungen für die öffentliche Vergabe ausweichen können.
Ich möchte nur noch drei weitere zentrale Forderungen der Enquetekommission, die im Mittelstandsförderungsgesetz umgesetzt werden, kurz nennen:
Erstens: Zum ersten Mal wurden Förderschwerpunkte wie zum Beispiel Existenzgründungen und Betriebsübernahmen festgelegt. Zweitens: Die Mittelstandsdefinition wurde
an die Definition der EU angepasst. Drittens: Die freien Berufe sind in die Förderung aufgenommen worden. All dies haben wir schon durchgesetzt, Herr Schmiedel.
Im vorliegenden 10-Punkte-Programm steht, was wir als Nächstes umsetzen werden. Als Berichterstatter möchte ich die Punkte Betriebsübernahme und Existenzgründung sowie Bürokratiebelastung herausgreifen.
Bisher wurde die Betriebsübernahme im Vergleich zur Existenzgründung deutlich weniger betont. Dies hat dazu geführt, dass vielen gar nicht bewusst war, dass die Übernahme eines Betriebes genauso gefördert wird wie die Gründung eines Betriebes. Dieser mangelnden Information sind wir bei unseren Anhörungen immer wieder begegnet, und zwar sowohl bei den Betroffenen, den Übernehmern und den Übergebern, als auch bei den Beratern. Hier muss die Politik ansetzen, denn wir wollen nicht nur neue Unternehmen. Wir wollen auch, dass die bereits bestehenden Unternehmen und die bestehenden Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Um Ihnen eine Vorstellung von der Dimension zu geben, möchte ich Ihnen eine Zahl nennen: Von den Betriebsübergaben in den kommenden Jahren sind in Baden-Württemberg bis zu 700 000 Arbeitsplätze betroffen.
Eine weitere Zahl, die mich bei den Anhörungen beeindruckt hat, betrifft den anderen Bereich, für den ich als Berichterstatter tätig war: die Bürokratiebelastung. 30 bis 35 % der Probleme mit der Bürokratie, meine Damen und Herren, sind auf fehlerhafte Anwendung oder Nichtausnutzung von Ermessensspielräumen der zuständigen Behörden vor Ort zurückzuführen.
Deshalb mein Appell an die Behörden: Legen Sie Ermessensspielräume großzügig aus. Geben Sie dem Mittelstand eine Chance. Damit wäre schon viel erreicht. Denn ganz abschaffen wird man die Bürokratie, wie wir alle wissen, nicht können.
Es muss – Herr Scheuermann! – ein gesundes Gleichgewicht gefunden werden zwischen den notwendigen Erhebungen und der tatsächlich bestehenden Überbelastung.
In den Anhörungen haben wir von vielen bürokratischen Hemmnissen gehört.
Jedem einzelnen davon wollen wir nachgehen. Aber Bürokratievermeidung und Entbürokratisierung müssen als Daueraufgabe betrachtet werden, Herr Scheuermann, und entsprechend in den einzelnen Behörden verankert werden.
Für die Umsetzung der zehn Punkte werden entsprechende Mittel benötigt, denn ohne finanzielle Ausstattung ist alles nur weiße Salbe.
Die FDP/DVP-Fraktion ist der Meinung, dass sich das gesamte Volumen der zehn Punkte auf mindestens 20 Millionen DM beläuft.
Ich möchte Ihnen hier beispielhaft fünf Punkte beziffern: Erstens 1 Million DM für die Förderung von Gemeinschaftsständen auf Messen im In- und Ausland, zweitens 1 Million DM für die Etablierung der ifex als ständige Einrichtung, drittens 3 Millionen DM für den Ausbau des Landesgewerbeamts, viertens 2 Millionen DM zusätzlich für die Förderung der Beratung als Mittel der Unternehmenssicherung und fünftens 1 Million DM für die Aufstellung des CI-Programms. Dafür sind sicher auch Sie, Herr Schmiedel.
Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass wir mit der Arbeit der Enquetekommission dazu beigetragen haben, dass sich der Mittelstand in Baden-Württemberg auch in Zukunft wohl fühlen wird. Wir haben das Thema Mittelstand so umfassend bearbeitet, dass wir noch lange von den Erkenntnissen zehren werden.
Zum Abschluss möchte ich mich nochmals für die gute Zusammenarbeit bedanken. Besonders bedanke ich mich auch bei Frau Dr. Buschmann für ihren unermüdlichen Einsatz.
Dass wir und die Opposition unterschiedliche Auffassungen und Positionen zum Thema Rahmenbedingungen vertreten, ist logisch.
Aber eines möchte ich hier heute auch klar feststellen: dass wir uns bei vielen anderen Punkten einig waren. Wir haben uns alle zusammen für den Mittelstand eingesetzt.
Herr Kollege Capezzuto, ich frage Sie: Sind Sie also der Meinung, dass Herr Wirtschaftsminister Spöri dies verschlafen hatte?
Herr Schmid, ich frage Sie: Ist Ihnen überhaupt bewusst, was im Moment bei Fast-Vollbeschäftigung in Baden-Württemberg für Probleme für unsere Betriebe entstehen, wenn Bürgerkriegsflüchtlinge zurückgeschoben werden und auf der anderen Seite mit der Greencard Leute aus dem Ausland hereingeholt werden?
Können Sie unseren Betrieben dies erklären?
Herr Schmid, Sie haben uns die Frage noch nicht beantwortet,
wie Sie das dem kleinen Handwerker und Mittelständler erklären wollen, dessen Betrieb gefährdet ist, weil seine Mitarbeiter abgeschoben werden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Zentrum liberaler Wirtschaftspolitik steht der Mittelstand.
Besonders wichtig war es uns deshalb, dass das Mittelstandsförderungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode novelliert wird.
Das Mittelstandsförderungsgesetz wurde 1975
als eines der ersten Gesetze dieser Art in der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet, und es hat sich bewährt. 25 Jahre nach dem Inkrafttreten des Mittelstandsförderungsgesetzes gilt es nun aber, die Grundsätze der Mittelstandsförderung zu aktualisieren
und die Förderung dem wirtschaftlichen Strukturwandel anzupassen.
Der Mittelstand ist ein Garant für die Stabilität der Wirtschaft,
ein Garant für Arbeitsplätze. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Voraussetzung dafür sind entsprechende Rahmenbedingungen und gezielte Fördermaßnahmen. Zu den Rahmenbedingungen zählen aus unserer Sicht vor allem die Privatisierung von Leistungen und Unternehmen der öffentlichen Hand und der Abbau von Bürokratie und die Deregulierung. Die Fördermaßnahmen sind notwendig, um die mittelständischen Unternehmen in die Lage zu versetzen, ihre Stärken zu nutzen und ihre größenbedingten Nachteile zu minimieren.
Bei der Ihnen jetzt vorliegenden Gesetzesnovelle wurden viele Anregungen des Initiativkreises „Handwerk und Mittelstand 2000“ aufgenommen. So soll die finanzielle Ausstattung der Mittelstandsförderung verstetigt werden. Dadurch ist die Förderung von der jeweiligen Situation unseres Landeshaushalts unabhängiger.
Ebenfalls auf Anregung des Initiativkreises wurden erstmals Kernbereiche für die Förderung festgelegt. Dies sind beispielsweise Existenzgründungen und Betriebsübernah
men, was mir als Berichterstatter für diesen Bereich in der Enquetekommission besonders wichtig ist. Bisher hat das Thema Betriebsübernahme vor allem in den Köpfen der Betroffenen nur eine nachgeordnete Rolle gespielt. Aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache, meine Damen und Herren.
In Baden-Württemberg stehen bis 2004 55 400 Unternehmen zur Übernahme an. Betroffen davon sind 700 000 Arbeitsplätze. Wir müssen das Bewusstsein der Menschen schärfen und sie beraten, denn die notwendigen Fördermittel stehen genau wie bei der Existenzgründung bereits jetzt zur Verfügung.
Ein weiterer Kernbereich und von zentraler Bedeutung ist aus unserer Sicht die Außenwirtschaftsförderung. Gerade mittelständische Unternehmen brauchen oft einen politischen Türöffner, der die wichtigen Kontakte im Ausland vermittelt.
Bei der Anhörung zum Gesetz war insbesondere die Neuregelung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge umstritten. Dieses Thema haben wir in der letzten Plenardebatte bei der Beratung des Zwischenberichts der Enquetekommission, Frau Vorsitzende Netzhammer, ausführlich besprochen. Deshalb möchte ich heute nur so viel sagen: Ich bin froh über die erreichte Lösung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Es hat zwar lange gedauert, viel Zeit und Kraft gekostet, aber mit dem Ergebnis sind wir zufrieden.
Wir sind davon überzeugt, dass der Mittelstand auf faire, transparente und mittelstandsgerechte Bedingungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge angewiesen ist. Ich finde, die Mittelstandsenquete hat hier ganze Arbeit geleistet.
Herr Capezzuto, Sie waren doch dabei.