Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

(Lebhafte Unruhe)

Aber ich stehe dazu und sage das ganz offen.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Die Reaktion der SPD spricht für sich! Primitiver geht es nicht!)

Nächster Punkt: Einen einzigen Teilbereich greift Herr Maurer heraus, um Vorwürfe gegen die Landesregierung zu erheben:

(Abg. Zeller SPD: Es gibt noch mehr Bereiche!)

(Ministerpräsident Teufel)

die Trennung von spezifischem so genanntem Risikomaterial.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Um die Tiermehlproduktion geht es!)

Herr Kollege Maurer, das war nicht isoliert die Landesregierung von Baden-Württemberg, sondern das waren sämtliche Landesregierungen, auch die von der SPD geführten, auch die, an denen die Grünen beteiligt sind. Alle Bundesländer und die Bundesregierung waren sich darüber einig, dass Deutschland aufgrund einer entsprechenden Einschätzung des internationalen Tierseuchenamtes als BSE-frei zu gelten habe und deshalb dieses Risikomaterial nicht beseitigt werden müsse.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Die EU hat uns als Risikoland eingestuft!)

Im Übrigen möchte ich sagen: Es ist ganz wichtig – Sie haben den Eindruck erweckt, als sei das in die Lebensmittelkette für Menschen eingegangen –, dass dieses Material natürlich nie in die Lebensmittelkette eingegangen ist. Es ging vielmehr immer nur um die Entsorgung dieses Risikomaterials, das Sie angesprochen haben, mittels des von der EU bis heute anerkannten sicheren Verfahrens der Tiermehlherstellung, wie es in Deutschland üblich war.

Dann möchte ich auf den Hauptpunkt kommen, der sowohl von Herrn Maurer als auch von Herrn Salomon angesprochen worden ist: Wir bräuchten eine neue Landwirtschaftspolitik. Diese notwendige neue Landwirtschaftspolitik – und daran kommen Sie nicht vorbei – versuchen wir wirklich seit Jahrzehnten in Baden-Württemberg zu betreiben. Ich sage noch einmal: Entgegen Ihrer Aussage, Herr Maurer, gibt es bei uns keine Agrarfabriken, sondern eine bäuerliche bodengebundene Landwirtschaft,

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Göbel CDU)

und unsere gesamte baden-württembergische Agrarpolitik ist darauf ausgerichtet. Wenn Sie bei der Förderung nicht an der Produktion, sondern an der Fläche anknüpfen, dann haben Sie diese Bodengebundenheit und vermeiden Agrarfabriken. Das ist schon beim allerersten Baden-Württemberg-spezifischen Förderprogramm der Fall gewesen – ich sage es noch einmal –, beim Bergbauernprogramm im Schwarzwald. Das war sogar noch unter Minister Brünner; so weit geht das zurück. Und das war die Politik von Minister Weiser, und zwar jeweils in enger Abstimmung mit unseren Bauernverbänden, die diese Politik mitgetragen haben: flächenbezogene Förderung in den von der Natur benachteiligten Gebieten, flächenbezogene Förderung in den Wasserschutzgebieten – zum Schutz des Grundwassers; Stichwort SchALVO –, flächengebundene Förderung und nicht mengensteigernde Förderung im MEKA.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Extensive Bewirtschaftung – nur dann bekommen Sie ja etwas aus dem MEKA –, und aus dem MEKA wird auch ökologische Landwirtschaft gefördert, mehr als in jedem anderen Bundesland.

(Abg. Göbel CDU: So ist es!)

Das ist doch baden-württembergische Agrarpolitik.

(Zuruf des Abg. Kiefl CDU)

Wenn man heute überhaupt über Perspektiven redet: Ich habe darzustellen versucht, dass nach meiner Meinung Vertrauen in einheimische Produkte, deren Erzeuger man kennt, eher gewährleistet ist. Die gläserne Produktion ist auch von Minister Weiser eingeführt worden.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Bürger und Verbraucher sollen sehen, und zwar nicht nur beim Erzeuger, sondern auch in der gesamten Verarbeitungskette, woher die Lebensmittel kommen. Ich glaube deshalb, dass am ehesten Vertrauen in das Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg gegeben ist. Das gibt zwar keine hundertprozentige Sicherheit, aber alle Betriebe, die dieses Herkunfts- und Qualitätszeichen führen, haben sich seit Jahren beispielsweise dazu verpflichtet, kein Tiermehl zu verfüttern. Anderenfalls dürfen sie das Herkunfts- und Qualitätszeichen Baden-Württemberg nicht führen.

Jetzt muss ich einfach sagen: Diese baden-württembergische Landwirtschaftspolitik versucht nun Agrarkommissar Fischler – nicht seine Vorgänger – auch EU-weit durchzuführen. Deswegen kommen wir im Augenblick mit unseren Programmen, auch mit der Kofinanzierung, in Brüssel so gut an. Aber genau diese Agrarpolitik haben andere deutsche Länder abgelehnt.

(Abg. Kiefl CDU: Belächelt haben sie uns!)

Ich könnte Ihnen Fakten über die dortigen Größenverhältnisse nennen. Da kann man wirklich partiell von Agrarfabriken sprechen.

(Abg. Zeller SPD: Tun Sie es lieber nicht, sonst wird es wieder eine Unwahrheit!)

Um das zu belegen – wirklich nur, um das zu belegen –, möchte ich aus einem gestrigen Bericht des Brüsseler Korrespondenten des „Handelsblatts“ zitieren:

Die von Bundeskanzler Gerhard Schröder geäußerte Forderung nach einer „neuen Agrarpolitik“ in Europa stößt in Brüssel auf Empörung. Aus dem Umfeld von EU-Agrarkommissar Franz Fischler hieß es gestern, der Vorschlag des Kanzlers, die EU müsse auf die BSE-Krise mit einem Umsteuern in der Landwirtschaft reagieren, sei „abenteuerlich“.

(Abg. Kiefl CDU: Ja, genau!)

Deutschland habe sich während der Verhandlungen zur Agenda 2000 dagegen gesträubt, dass die EU mehr Beihilfen für Kleinbauern zahlt.

(Abg. Hauk und Abg. Kiefl CDU: So ist es! – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Hört, hört!)

„Es war die heutige rot-grüne Regierung, die im letzten Jahr auf dem Berliner EU-Gipfel die von der Kommission gewünschten neuen Akzente abgelehnt hat“, sagte der Sprecher Fischlers dem Handelsblatt.

(Ministerpräsident Teufel)

Deutschland sei, anders als Frankreich, bis heute nicht bereit, Direktbeihilfen für Großbetriebe zu kappen,

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

um die gesparten Mittel für Umweltprojekte im Agrarbereich auszugeben.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört! – Abg. Hauk CDU: Das ist die Wahrheit!)

Die Bundesregierung habe auch verhindert, dass die Fütterung von Gras aus dem EU-Haushalt gefördert wird.

(Abg. Kiefl CDU: So ist es!)

Nicht zuletzt habe Deutschland darauf bestanden, dass keine überschüssigen Haushaltsmittel aus den klassischen Marktordnungen in den Budgetbereich ländliche Entwicklung übertragen werden können,

(Abg. Kiefl CDU: Unglaublich! Unglaublich!)

kritisierte Fischlers Sprecher. Nicht Brüssel sei für die Vertrauensverluste beim Verbraucher verantwortlich, sondern jene Mitgliedsländer, die 1999 die Reformvorhaben „ausgebremst“ hätten. „Wenn allerdings jetzt der politische Wille zur Extensivierung der Landwirtschaft vorhanden ist, sind wir bereit, die Initiative zu ergreifen.“

Der Sprecher bedauerte, dass die Kommission bislang kein „Mandat“ des Ministerrats besitze, um eine entsprechende Revision der Agenda vorzubereiten.

(Abg. Reddemann CDU: Hört, hört! – Abg. Rech CDU: Da braucht man nichts mehr zu sagen!)

Wenn Sie also – das gilt für den Fraktionsvorsitzenden der SPD wie für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen –

(Abg. Deuschle REP: Die können Sie vergessen!)

eine neue Agrarpolitik mit einer extensiven Bewirtschaftung, mit einer Bodengebundenheit der Produktion und keine Agrarfabriken haben wollen, dann brauchen Sie nicht die Landesregierung von Baden-Württemberg zu überzeugen,

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Sondern ihre eigene Regierung!)

denn das ist seit 20 und mehr Jahren unsere Politik,

(Abg. Buchter Bündnis 90/Die Grünen: Sie haben doch der Agenda zugestimmt!)

dann brauchen Sie nicht mehr den zuständigen EU-Kommissar und die gesamte Kommission zu überzeugen, sondern dann müssen Sie Ihre rot-grüne Bundesregierung überzeugen. Dann bekommen Sie eine andere Agrarpolitik.