Drei Bundesländer – Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin – haben das vor uns erkannt und Informationsfreiheitsgesetze geschaffen. Die Bundesregierung müht sich mit Vorbereitungen. Sie hat das in ihrem Koalitionsvertrag stehen. Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg war in politischen Dingen immer ein Vorreiter.
Wir waren immer Wegbereiter, Visionäre und Anstoßer. Baden-Württemberg hat die längste demokratische Kultur und Geschichte in Deutschland. Darauf sind wir stolz. Aber diese Geschichte und diese demokratische Vergangenheit Baden-Württembergs muss uns Verpflichtung sein.
Artikel 5 des Grundgesetzes, Herr Kollege Brechtken, besagt, jeder habe das Recht, sich frei zu äußern und ungehindert zu unterrichten.
Dieses Recht wird durch viele praktische, politische und verwaltungsrechtliche Schranken eingegrenzt. Dem muss zum Wohle unserer Demokratie begegnet werden. Das ist Sinn und Zweck dieses Gesetzentwurfs.
Jetzt mögen Sie im Einzelnen an dem Gesetzentwurf Kritik üben. Dazu sind die Ausschussberatungen da, um Änderungen oder Verbesserungen auch aus Ihrer Sicht vorzunehmen. Wer dieses Gesetz jedoch grundsätzlich ablehnt, der kritisiert nicht nur drei deutsche Bundesländer, der kritisiert nicht nur die Bundesregierung und deren Koalitionsvertrag, sondern der muss sich ernsthaft fragen lassen, wie er oder sie es denn mit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung hält. Ein Demokrat stimmt dem Gesetzentwurf zu.
(Beifall bei den Republikanern – Abg. Brechtken SPD: Ein Demokrat kann aber auch ablehnen! Auch Ablehnung ist demokratisch!)
(Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Der wird sich wieder drehen und wenden! – Gegenruf des Abg. Brechtken SPD: Nein, das glaube ich nicht!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch Ablehnung ist demokratisch. Diese Äußerung ist völlig richtig; denn es ist auch ein Freiheitsrecht, gegen etwas zu sein.
Das ist eine wichtige Errungenschaft. Sie liegt übrigens in der Grundrechtsthematik, Herr Kollege Krisch.
(Abg. Brechtken SPD: Sogar Vertagung ist zuläs- sig! Ob sie politisch sinnvoll ist, ist die andere Fra- ge!)
Insoweit ist das, was Sie hier wollen, eine Totalnormierung. Gerade der Verzicht auf eine Regelungswut hat auch mit Demokratie und mit Freiheitsrechten zu tun. Wir werden diesen Gesetzentwurf der Republikaner deshalb ablehnen.
(Abg. Rapp REP: Da sind wir ganz überrascht! – Abg. Wilhelm REP: Damit hätte ich jetzt nicht ge- rechnet!)
Wir sind auch in der Sache überzeugt davon – im Gegensatz zu den Ländern, die Sie erwähnt haben, und auch im Gegensatz zu dem Vorhaben von Rot-Grün –, dass unsere Verfassung ein solches Gesetz gerade nicht braucht. Zum einen widerspricht es unseren Vorstellungen von einem schlanken Staat. Wollen wir wirklich hergehen und alles normieren, wollen wir wirklich hergehen und die Bürokratie verstärken? Wollen wir Ämter aufblähen? Wollen wir zusätzliche Personalstellen schaffen, die notwendig werden würden? Ein solches Gesetz wäre ein Hemmnis auch für den mündigen Beamten, dem wir vertrauen.
Im Übrigen hat das auch etwas mit Kosten zu tun. Auch Kosten würden entstehen, sei es für einen Raum zur Durchsicht für die an der Information Interessierten, sei es für zusätzliche Kopien und vieles mehr.
Auch unter den Gesichtspunkten des Datenschutzes – dies gilt in den Ländern Brandenburg und Berlin – sieht die Wirtschaft dies ganz anders. Sie sieht es nämlich als Investitionshemmnis. Ansiedlungswillige Firmen befürchten, dass vertrauliche Daten öffentlich gemacht werden müssen. Auch von dieser Seite her sind wir gegen den Gesetzentwurf.
Zur öffentlichen Kritik: Gerade Deutschland und das Land Baden-Württemberg stehen in einer anderen Rechtstradition als die Vereinigten Staaten, wo es angelegt ist. Bei uns sind genügend Verfassungsgrundlagen wie Meinungs- und Pressefreiheit vorhanden; gerade auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung,
Und ein Letztes: Heute konnten Sie – entweder in der „Stuttgarter Zeitung“ oder in den „Stuttgarter Nachrichten“ – lesen, dass das Land Baden-Württemberg mustergültig ist, was wissenschaftliche Vorhaben – auch in Zusammenarbeit mit der Hochschule Speyer – hinsichtlich der Gesetzesfolgenabschätzung angeht. Hier liegt ein Instrument zur Vorschriftenbegrenzung vor. Denn man muss immer die Folgen ermitteln, und dazu gehören Abbau von Vorschriften, Normprüfung und vor allem die Fragen: Erforderlich? Zweckmäßig? Geeignet?
Noch ein Ratschlag an alle Kollegen, die sich hier im Raum befinden: Wir als Abgeordnete sollten uns immer im gleichen Umfang die Frage stellen, welche Gesetze wir abschaffen können,
Das ist eine Frage, die mit Gesetzesfolgenabschätzung zu tun hat, und auch deshalb müssen wir die Aufgabe sehen, dass wir solche unsinnigen Gesetze nicht erst erlassen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Reinhart, ganz so einfach ist es wahrscheinlich nicht, denn solche Informationsrechte für die Bürgerinnen und Bürger – also das Recht, von den Behörden Auskunft bekommen zu dürfen oder zu müssen – sind so einfach nicht abzulehnen. Es ist ein wichtiger Bestandteil in unserer Demokratie, dass die Bürger die Chance erhalten, das, was auf Verwaltungsebene alles veranstaltet wird, zu durchschauen, und es ist auch keine Geschichte, Herr Reinhart, die bisher etwa nur in den drei nördlichen Bundesländern geregelt worden wäre. Das ist seit vielen, vielen Jahren in den Vereinigten Staaten von Amerika geregelt;
dort sind die Behörden dazu übergegangen, wie selbstverständlich bestimmte Informationen, etwa Pläne für den Wohnungsbau, etwa Straßenverkehrsplanungen, also ins
besondere baurechtliche Unterlagen, von sich aus in das Internet zu stellen, damit jeder Bürger darauf Zugriff hat.
Man hat dann auch, da es ja dort ein solches Informationsfreiheitsgesetz gibt, schon in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die Zahl der Anträge der Bürger, seitdem man diese Informationen freiwillig ins Internet stellt, erheblich zurückgegangen ist. Das heißt, in diesen Bereichen besteht Informationsbedarf. Daher ist nicht einzusehen, weshalb die Behörden nicht von sich aus diese Informationen – ohne dass extra ein Antrag gestellt werden muss – öffentlich machen, also ins Internet stellen.
Aber da habe ich gleich die Kritik am Entwurf des RepsGesetzes: Diese Entwicklung wird in diesem Gesetzentwurf der Reps überhaupt nicht berücksichtigt. Das heißt, alles, was neue Kommunikationstechniken betrifft, ist überhaupt nicht berücksichtigt. Das ist etwas, was auch in den Gesetzen der drei nördlichen Bundesländer nicht mit berücksichtigt ist, was aber dort diskutiert wird, weil dort Novellierungen dieser Gesetze anstehen.
Im Übrigen: Diese grundsätzlich positive Einstellung zu freiem Informationszugang, Herr Reinhart, ist bisher nicht nur SPD-Angelegenheit gewesen, sondern das ist europaweit so. Die Europäische Kommission bemüht sich seit Jahren, in den einzelnen Mitgliedsländern eine solche bürgerfreundliche Informationspolitik zu betreiben. Das geht auf den Willen der einzelnen Regierungen in den Mitgliedsländern zurück. Das war damals noch die Kohl-Regierung, die das positiv gefunden hat und die Europäische Kommission damit beauftragt hat, aktiv zu werden.
Allerdings müssen wir sagen: Das, was in diesem Gesetzentwurf steht, enthält so viele Schwachstellen, dass wir den Gesetzentwurf nicht mittragen können. Das ist einmal die Frage der Kosten; Sie haben es selbst angesprochen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass durch solche Informationsansprüche der Bürger natürlich zusätzliche Kosten entstehen. Man kann diese auch nicht per Gebühren voll auf die Antragsteller umlegen. Das ist übrigens die Erfahrung, die man in Brandenburg gemacht hat, und entspricht der europäischen Grundhaltung, dass man die Bürger nicht durch hohe Gebühren von ihrem Informationsinteresse abschrecken soll.
Solche Informationsmöglichkeiten sind kostenträchtig. Wenn Sie sie an den Datenschutz anbinden wollen, brauchen Sie eine zusätzliche Stelle beim Datenschutz. Darum kommen Sie nicht herum.
Sie können im Übrigen auch dann keine Gebühren erheben, wenn die Auskunft die ist, dass keine Auskunft gegeben werden kann. Das ist eine EU-Richtlinie, die einzuhalten ist. Auch darum kommen Sie nicht herum. Das heißt, man muss sich darüber im Klaren sein, dass dann, wenn man ein solches Gesetz hat, Kosten entstehen.
Wir können auch folgende Passage in § 7 – Schutz überwiegender privater Interessen – im Gesetzentwurf nicht mittragen:
Akteneinsicht... kann gewährt werden, soweit... aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles das Informationsinteresse (§ 1) der antragstellenden Person das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an der Geheimhaltung der Information überwiegt;
Das ist das Einfallstor, um zum Nachteil des individuellen Schutzes Auskünfte erteilen zu können. So etwas können wir nicht mitmachen.