Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Haasis CDU: Genau das findet doch statt!)

Meine Damen und Herren, ich habe noch keine Fachfrau und keinen Fachmann getroffen, die die von Ihnen vorgesehene Regelung nicht als eindeutige Schwächung der Naturschutzverwaltung eingestuft hätten.

(Abg. Haasis CDU: Das Gleiche habt ihr bei den Wasserwirtschaftsämtern gesagt, und jetzt lobt es jeder!)

Sie können jetzt reden, was Sie wollen. Sie wissen ganz genau, dass das zutrifft, was ich gesagt habe,

(Abg. Hehn CDU: Nein!)

dass Sie in diesen Fachkreisen nirgendwo Recht bekommen.

(Abg. Hehn CDU: Das ist eine andere Frage! – Abg. Haasis CDU: Bei den Betroffenen findet man nirgends Zustimmung!)

Aber ein weiterer Punkt: Die in § 61 vorgesehene Neuregelung, wonach die ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten bei einem Dissens mit der unteren Verwaltungsbehörde nur noch in Ausnahmefällen, wenn besonders schwerwiegende Beeinträchtigungen drohen, die höhere Naturschutzbehörde einschalten können, bedeutet – es wurde eben schon gesagt; das ist der Devolutiveffekt, der abgeschafft werden soll – im Klartext eine Schwächung der Stellung der Naturschutzbeauftragten und damit des Naturschutzes vor Ort insgesamt.

(Abg. Hehn CDU: Da kennen Sie sich aber nicht gut aus!)

Meine Damen und Herren, unter dem Vorwand von angeblichen Vereinfachungen, Beschleunigungen und Einsparungen wird eine Systemveränderung herbeigeführt, die nur ein Ziel hat, nämlich den Sachverstand der Fachbehörde teilweise auszuschalten, um damit die Schlagkraft des Naturschutzes zu schwächen.

(Abg. Haasis CDU: So ein Quatsch!)

Das Gleiche gilt für die Änderung des Denkmalschutzgesetzes. Auch hier handelt es sich um einen üblen Fall von Deregulierung. Wir wissen doch alle, dass in der bisherigen Praxis in der überwältigenden Mehrheit der Fälle untere Denkmalschutzbehörde und Landesdenkmalamt der gleichen Auffassung waren. Der Dissens bewegte sich im Promillebereich. Außerdem kann festgestellt werden, dass

sich das Denkmalschutzgesetz in seiner bisherigen Form voll und ganz bewährt hat.

(Beifall bei der SPD)

Bei der Vielfalt unterschiedlicher unterer Denkmalschutzbehörden – in einem Kreis, den ich jetzt nennen könnte, sind es allein neun – bedarf es eines funktionierenden Verfahrenskorrektivs, das die Belange der Denkmalpflege wahrt und Ungleichbehandlungen verhindert. Was Sie aber vorhaben, also Ihre geplante Änderung, führt dazu, dass in einem Ort das Kulturdenkmal abgebrochen werden darf und im Nachbarort an dem gleichen Kulturdenkmal nicht einmal die Klappläden entfernt werden dürfen.

(Abg. Haasis CDU: Vielleicht das vergleichbare, aber nicht das gleiche!)

Im Übrigen spricht es Bände, dass das Vorlagerecht des Präsidenten des Landesdenkmalamts auf eine drohende schwerwiegende Beeinträchtigung eines Kulturdenkmals beschränkt wird. Das heißt doch im Klartext, dass der Sachverstand der höheren Behörde damit regelrecht verhöhnt wird. Die angestrebte Systemveränderung zielt auf die Schwächung von Denkmalschutz und Denkmalpflege in Baden-Württemberg.

Meine Damen und Herren, mit der Gesetzesvorlage soll kurz vor dem Ende der Legislaturperiode die für die Landesregierung offenbar unwillkommene Qualität von Naturund Denkmalschutz beeinträchtigt werden. Die SPD-Landtagsfraktion verurteilt diesen beschämenden Vorgang und lehnt den Gesetzentwurf ab.

Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP/DVP, haben sich wider besseres Wissen dazu entschlossen, das Gesetz jetzt noch durchzupeitschen. Sie haben den Sachverstand aller Fachleute in den Wind geschlagen und sich jeglicher Aufklärung widersetzt.

Dazu fällt mir ein Vers von Erich Kästner zu den Grenzen der Aufklärung ein, den Sie übrigens bei der Unterführung am Staatstheater finden. Er heißt folgendermaßen:

Ob Sonnenschein, ob Sterngefunkel, im Tunnel bleibt es immer dunkel.

(Abg. Reddemann CDU: Wunderschön!)

Sollte Sie im Tunnel auch weiterhin kein Lichtstrahl der Weisheit treffen, dann vielleicht wenigstens die Quittung bei der Landtagswahl.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Das Wort hat Herr Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf halbiert die Landesregierung die Zahl der Bezirksstellen für Naturschutz und Landschaftspflege.

(Abg. Hehn CDU: Stärkt sie aber auf der Landes- ebene ganz enorm!)

Die mit ca. 50 Fachbeamten kleinste Fachbehörde des Landes soll halbiert werden. Zum Vergleich: In der Flurbereinigung arbeiten 1 300 Mitarbeiter, in der Landwirtschaftsverwaltung 1 000 und in der wichtigsten Eingriffsverwaltung des Landes, dem Straßenbau, 2 600 Fachbeamte. Obwohl wir schon jetzt enorme Defizite im Naturschutz haben, obwohl es für die Hälfte der Naturschutzgebiete keine Pflegepläne gibt oder sie nicht umgesetzt werden, wird die Mitarbeiterzahl der Behörde, die das realisieren soll, halbiert.

Man muss sich das noch einmal vor Augen halten: Pro Regierungsbezirk haben wir in den BNLs dann noch sieben bis acht Fachbeamte, einschließlich des Leiters dieser Behörde.

(Abg. Hehn CDU: Wie ist das mit der Landesan- stalt für Umweltschutz?)

Was soll diese Behörde eigentlich alles tun? Das kann man in diesem Gesetzentwurf nachlesen. Sie soll das Ministerium und die anderen Naturschutzbehörden fachlich beraten. Sie soll Öffentlichkeitsarbeit machen. Sie soll in konzeptionellen Naturschutzfragen bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten und Naturparken Schutzgebietskonzepte erarbeiten und den Vollzug der Verordnungen überwachen. Sie soll Raumordnungsverfahren oder Großvorhaben behandeln. Sie soll Regionalpläne und Landschaftsrahmenpläne kommentieren. Sie soll sich um das Vorkaufsrecht beim Landerwerb kümmern. Sie ist wichtig bei Fragen des Artenschutzes, bei der Befreiung nach § 62 und in Widerspruchsfragen.

Jetzt kommt das Entscheidende: Es kommen noch ganz enorme Aufgaben durch die Ausweisung der Natura-2000Gebiete, meistens unter dem Schlagwort FFH-Gebiete bekannt, hinzu. Sie soll sie betreuen, soll Pflege- und Entwicklungspläne sowie Managementpläne erarbeiten. Sie soll das auch organisieren, soll die Besucherlenkungsmaßnahmen durchführen. Sie soll Pflegemaßnahmen durchführen und sogar die Pflegetrupps organisieren. Sie soll das Artenschutzprogramm vollziehen und bei den Landschaftserhaltungsverbänden mitwirken. Sie soll bei den Naturschutzzentren mitwirken usw. Dann soll sie noch die ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragten unterstützen und beraten.

Das muss man sich einmal vorstellen – und das bei den Natura-2000-Gebieten, bei denen zum Beispiel ein sechsjähriges Monitoring und eine Evaluierung stattfinden sollen. Das ist eine Riesenarbeit, der die Behörde schon bisher nicht gewachsen war. Das sieht man an dem ganzen Desaster, das diese Landesregierung bei der Anmeldung der FFH-Gebiete erlebt hat.

(Abg. Hehn CDU: Oje! Ein bisschen ehrlicher!)

Dazu schaffen Sie noch das Devolutivrecht ab. Das heißt, das ehrenamtliche Engagement wird auch demotiviert und geschwächt, weil die Naturschutzbeauftragten schon jetzt gegen diese ganzen Eingriffsplanungen anrennen, fast nichts anderes mehr tun und das allermeiste von ihren Ein

wendungen überhaupt nicht berücksichtigt wird. Jetzt muss man sich vorstellen, was passiert, wenn ihnen auch noch das Devolutivrecht genommen wird.

Man muss sehen, was die BNLs als ganz winzige Behörden des Landes geleistet haben. Dies ist beachtlich und verdient unseren Respekt. Wenn Sie sie noch weiter schwächen und, was Sie selbst kritisiert haben, Herr Kollege Göbel, irgendwelche Spezialisten in die Landratsämter schicken, sodass der Krötenspezialist gegen allgemeine Eingriffspläne in irgendeinem Landratsamt Stellungnahmen abgeben soll, dann ist das ein absurder Vorgang. Wer in den Veröffentlichungen des Ministeriums liest, wie die Delegation dieser Beamten nach unten umgesetzt werden soll, der kann sich nur die Haare raufen. Das ist ein völlig undurchführbares Manöver.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Deuschle REP: Eben!)

Aber auch Ihre sonstigen Konzeptionen im Naturschutz geben nicht viel her. Bei der Ausweisung der PLENUM-Gebiete, die die Regierung vorletztes Jahr im November im Kabinett beschlossen hat, hat die Ministerin einen Finanzierungsbedarf von 7 bis 15 Millionen DM gesehen. Davon ist gerade einmal das PLENUM-Gebiet, das bei ihrem Antritt als Naturschutzministerin schon vorlag – das in Isny/ Leutkirch –, das einzige, das mit 850 000 DM überhaupt gesichert und auf den vorgesehenen Bereich von 32 Gemeinden ausgeweitet wurde. Ansonsten haben wir bei den restlichen geplanten PLENUM-Gebieten Fehlanzeige.

Jetzt sind Sie auf die grandiose Idee gekommen, Naturparke auszuweisen. Der Naturpark Südschwarzwald ist dreimal so groß wie alle schon existierenden Naturparke zusammen. Kommen die Schwäbische Alb und der Nordschwarzwald hinzu, sind 45 % des Landes Baden-Württemberg Naturparke. Dafür, glauben Sie, bekommen Sie dann ein paar Mark von der EU. Was weisen Sie dafür im Haushalt aus? 1 Million DM mehr. Das muss man sich einmal vorstellen.

Was kann man da ganz nüchtern resümieren? Es ist eine absolut negative Bilanz, die Sie im Naturschutz vorzuweisen haben. Wer ist dafür verantwortlich zu machen? Ministerpräsident Teufel ganz persönlich. Jedem hier im Hause sind seine Aversionen gegen den Naturschutz bekannt, woher sie auch immer kommen mögen.

(Abg. Haasis CDU: Herr Kretschmann, das stimmt doch gar nicht, was Sie da sagen!)

Es ist den Koalitionsfraktionen leider nicht gelungen, wenigstens an einem Punkt zu zeigen, dass man auch als Regierungsfraktion die Regierung zu kontrollieren hat.

(Abg. Göbel CDU: Das tun wir!)

Als Teufel selbst noch Fraktionschef war, hat er durchaus ab und zu gezeigt, dass er auch etwas zu melden und zu sagen hat. Noch nicht einmal an dieser Stelle waren Sie als Regierungsfraktion in der Lage, zu sagen: Jetzt ist aber Schluss! Stopp!

Das Ganze wird in den beiden allerletzten Plenarsitzungen dieser Legislaturperiode durchgepaukt, und der zuständige

Ausschuss wird noch nicht einmal die Möglichkeit haben, eine Anhörung dazu durchzuführen. Dies ist ein Armutszeugnis ersten Ranges.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Hehn CDU: Herr Kollege Kretschmann, wir haben auch immer unsere Stimme erhoben!)

Ich glaube, das ist ganz unverantwortlich. Warum? Weil allein von den Wirbeltierarten in Baden-Württemberg 61 % gefährdet oder extrem gefährdet sind, von den Brutvögeln 50 %, von den Lurchen und Kriechtieren 71 %, von den Fischen 64 %, obwohl die Regierung verpflichtet ist, so viel Lebensräume zu schaffen, dass diese Tierarten überleben können. Das ist eine Verpflichtung des Naturschutzgesetzes. Es kann also keine Rede davon sein, dass dies erfolgreich geschehen ist.

Sie sollten endlich einmal aufwachen, wenn Ihr eigener Umweltminister in seinem Umweltplan eine Bilanz darlegt, die besagt: Der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg ist dramatisch. Pro Tag werden 11 Hektar versiegelt. Das sind jeden Tag 22 Fußballfelder.