Protokoll der Sitzung vom 20.02.2001

Als Zweites möchte ich den von Ihnen, Frau Kipfer, benutzten Begriff „die Landwirte betrogen“ zurückweisen.

(Abg. Teßmer SPD: Na, na, na!)

Jawohl, Herr Teßmer.

Solange das Internationale Tierseuchenamt in Paris erklärt, die Bundesrepublik sei BSE-frei, möchte ich die Regierung sehen – egal, welcher Couleur –, die sagt: „Das glaube ich nicht.“

(Abg. Teßmer SPD: Das hat doch Frau Kipfer gar nicht gesagt!)

Ich müsste dann entgegen dieser Aussage behaupten, dass die Bundesrepublik BSE hat.

(Beifall der Abg. Dr. Inge Gräßle CDU – Abg. Ca- pezzuto SPD: Nein, die Tiere! Nicht die Bundesre- publik! – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Kiefl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Am Ende, wenn es nicht auf die Redezeit angerechnet wird.

Also jetzt nicht.

Jetzt nicht. – Ich möchte Sie von der Opposition fragen: Was würden Sie derzeit tun, wenn es die beiden Begriffe „BSE“ und „Wende“ nicht gäbe? Ich äußere jetzt vorweg eine Bitte; ich formuliere es als Bitte:

(Abg. Capezzuto SPD: Also!)

Bringen Sie den Begriff „Wende“ bitte nicht im Zusammenhang mit BSE. Oder – noch viel schlimmer –: Suggerieren Sie nicht oder unterstellen Sie nicht, als hätte die Agrarpolitik insgesamt etwas mit BSE zu tun.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Jawohl. Das werden Sie gleich sehen.

Die kleine, sauber und korrekt arbeitende Schweiz hat über alle Betriebe hinweg – Ökobetriebe, Bergbetriebe, Talbetriebe – 400 BSE-Fälle. Die FAO in Rom sagt in ihrem neuesten Bericht: Wenn man überall auf der Welt testen würde, käme man zu dem Ergebnis, dass in über 100 Staaten BSE-Fälle zu verzeichnen sind.

(Abg. Teßmer SPD: Was soll das heißen?)

Das heißt, meine Damen und Herren: Baden-Württemberg hat – nach dem Stand der Erkenntnisse – schnell reagiert

(Abg. Capezzuto SPD: Na ja!)

jawohl –, hat materiell reagiert, hat mit inzwischen wohl 55 000 Tests reagiert.

(Abg. Birgit Kipfer SPD meldet sich zu einer Zwi- schenfrage.)

Am Ende, Frau Kipfer.

Baden-Württemberg reagiert insbesondere auch mit der Forschung über die Entstehung, den Übertragungsweg und die Bekämpfung von BSE.

Ich bitte wirklich darum, diese Dinge aus dem Wahlkampf herauszuhalten, weil sie alle zunächst nichts mit der Agrarpolitik zu tun haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Jetzt sage ich Ihnen etwas zur Agrarpolitik. Vor dieser Wende, die Frau Künast angekündigt hat – es heißt im Tagesordnungspunkt 2: „Auswirkungen der Regierungserklärung der Bundesministerin Frau Künast auf die Landwirtschaft in Baden-Württemberg“ –, hat Baden-Württemberg keine Scheu. Seit Jahren betreiben wir eine Agrarpolitik für alle Betriebe – egal, ob Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetriebe –, seit Jahren arbeiten wir konzeptionell – das hat schon in den Siebzigerjahren mit Feuchtgebietskommissionen angefangen, reichte über Vertragsnaturschutz und, und, und –, konzeptionell im Gegensatz zur Bundesregierung, die bis zur Stunde rein reaktiv handelt und überhaupt kein Konzept hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Teßmer SPD)

Ich schildere Ihnen gleich unser Konzept.

Nur dieser Geisterfahrer Bundeskanzler Schröder hat bis vor etwa sechs Wochen erklärt: „Weltmarktpreise ohne Standards“. Dann hat er festgestellt: Vielleicht bin ich doch ein bisschen zu weit gefahren? Plötzlich durchbricht er die Leitschiene auf der Autobahn, fährt rückwärts und sagt jetzt bloß noch: schnuckelig und klein, ein bisschen Folklore – –

(Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Jawohl, so verhalten sich Geisterfahrer. Bis zur Stunde verunsichert das die Bauern nur. Es verwirrt sie. Dem einen oder anderen flößt das, was aus dieser Geschichte werden kann, sogar Angst ein. Keinesfalls ist es eine Perspektive.

(Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Wo stehen wir in Baden-Württemberg?

(Abg. Capezzuto SPD: Ja, wo?)

Da müssen Sie erst noch hinkommen.

Erstens: Wir haben bäuerliche Familienbetriebe. Die haben wir. Das können Sie nicht wegdiskutieren. Stärken Sie die durch Taten und nicht durch Worte. Greifen Sie die Mehr

wertsteuer auf. Ich kann Ihnen ausrechnen, was das ausmacht. Greifen Sie die alte Last auf. Ich kann Ihnen auch ausrechnen, was das ausmacht. Greifen Sie den Agrardiesel auf. Das haben Sie alles in der Zwischenzeit verschlechtert.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Greifen Sie das auf, dann kann ich Ihnen sagen, wie viel Tausend Mark pro Betrieb das ausmacht.

Wir haben bodengebundene, artgerechte Tierhaltung. Wir haben im Schnitt – da haben die in Berlin noch gar nicht gewusst, was das ist – 0,85 GV pro Hektar. Aber wir haben selbst im viehdichtesten Landkreis, nämlich bei mir in Ravensburg, 1,8 GV pro Hektar, also unter diesen berühmten 2 GV, wie es vorgesehen ist.

Wir haben Ökolandbau. Den werden wir auch weiterentwickeln,

(Abg. Birgit Kipfer SPD: 4 % der Fläche!)

nur nicht so, wie es von Ihnen bzw. von Frau Künast vorgesehen ist, sondern wir weiten die Produktion nicht an der Nachfrage, nicht am Marktplatz vorbei aus, sondern so, wie es die Bürger wünschen und brauchen.

Als nächsten Punkt: Die Vermarktung der Ökoprodukte professioneller gestalten. Jawohl, da ist viel zu tun.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Da müssten wir uns mit den großen Verarbeitungsbetrieben, zum Beispiel den Molkereien und Schlachthöfen, unterhalten. Da müssten wir uns auch mit den Handelsketten unterhalten. Hoffentlich ziehen wir da an einem Strang!

(Abg. Teßmer SPD: Auf einmal! – Abg. Capezzu- to SPD: Das wäre ein Angebot!)

Als Letztes noch: Tun Sie bitte etwas für die Standards, meine Damen und Herren, für das Gütezeichen.

(Abg. Teßmer SPD: Fangen Sie mal an!)