Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Bilanz im Naturschutz ist absolut negativ. Sie haben nichts Positives vorzuweisen.

Herr Abg. Kretschmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Göbel?

Herr Kollege, glauben Sie, dass man Denkmalschutz von den Regierungspräsidien aus betreiben kann, oder glauben Sie nicht auch, dass hinsichtlich der Stadtbildgestaltung vor Ort sehr viel differenzierter, sehr viel realistischer darüber diskutiert und befunden werden kann, was erhaltenswert ist und was man tatsächlich auch einmal opfern muss?

Ganz genau so ist es, Herr Kollege. Der Devolutiveffekt ist genau deswegen unten angesiedelt, damit die Leute mit Kenntnissen vor Ort im Konfliktfall die höhere Behörde anrufen können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Ich kann Ihnen nur zustimmen. Das ist genau der Sinn des Effekts, den Sie nun abschaffen. Das heißt, Sie schwächen genau die, die die Kenntnisse vor Ort haben und diese im Konfliktfall nach oben weitergeben könnten.

(Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Es tut mir Leid – das ist genau der Punkt –, dass Sie zum Schluss noch ein solches Eigentor geschossen haben.

Die Bilanz im Naturschutz ist also absolut negativ. Sie haben noch nicht einmal Ihre selbst gesetzten Ziele erreicht. Ich habe schon bei der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs gesagt: Ihre eigenen Kabinettsbeschlüsse – sie liegen schwarz auf weiß vor –, bei denen Sie den Ansatz „mehr Schutz durch Nutzung“ propagiert haben, sind nicht in die Praxis umgesetzt worden. Die Koalitionsfraktionen haben dafür null Mark – ich betone: null Mark – im Haushalt ausgewiesen. Die Ministerin wollte zwischen 7 und 15 Millionen DM. Also, Geld für neue Projekte wird nicht ausgegeben, jedenfalls in keiner Weise im erforderlichen Maß. Aber die Verwaltung, die die vermehrten Aufgaben, die jetzt durch die Ausweisung der Natura-2000-Gebiete der EU kommen, lösen soll, wird halbiert und geschwächt. Im Prinzip sind die BNLs in dieser Stärke kaum noch funktionsfähig, wenn man weiß, dass schon bisher die roten Listen immer weiter gewachsen sind.

Wer ist dafür verantwortlich zu machen? In erster Linie ist der Ministerpräsident – das weiß jeder hier im Haus – persönlich für diese ganze Linie verantwortlich zu machen, weil er nicht begriffen hat, dass zum Beispiel bei der Wende in der Agrarpolitik – wo es darum geht, die Landwirtschaft naturnäher zu gestalten – genau die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz notwendig ist.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: So ist es!)

Wir brauchen neue Konzepte der Kooperation und des integrativen Naturschutzes.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Davon ver- steht der Erwin nichts!)

Davon hat er nichts verstanden. Er hat nichts davon verstanden, dass Ökologie bedeutet, kreative, gute Arbeitsplätze für unsere jungen Leute bereitzustellen, dass dies eine Perspektive für unsere ländlichen Räume bedeutet. Unsere Bevölkerung will – wir denken heute ja in diesen Fragen stärker vom Verbraucher her – schöne, artenreiche Naturund Kulturlandschaften. Dazu muss man die entsprechenden Konzepte haben, damit dies auch durchgesetzt werden kann.

Die Koalitionsfraktionen waren in diesem jahrelangen Gerangel nicht in der Lage, wenigstens die Schwächung der kleinsten Verwaltung – wohlgemerkt, der kleinsten Verwaltung –, die wir überhaupt im Lande haben, zu verhindern. Dies ist ein Armutszeugnis ersten Ranges.

(Abg. Drautz FDP/DVP: 22 Stellen mehr!)

Die ganze Art und Weise, wie Sie mit dem Naturschutz und jetzt auch mit dem Denkmalschutz in diesem Land umgegangen sind, ist einfach schlichtweg eine Schande für Baden-Württemberg.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Sehr gut! – Abg. Schmiedel SPD: Schande über die Re- gierung!)

Das Wort hat Herr Abg. Kiel.

(Abg. Schmiedel SPD: Der versteht doch vom Na- turschutz gar nichts!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist auch für mich die letzte Rede, die ich als Abgeordneter im Landtag von Baden-Württemberg halten kann. Als Liberaler freue ich mich darüber, noch einmal

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Noch ein- mal etwas kaputtzumachen!)

zu einem Gesetz reden zu dürfen, das Chancen und Risiken für Naturschutz und Denkmalpflege in sich birgt.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Endlich ist der Naturschutz fertig!)

Dabei gilt auch hier: Nur wer Risiken eingeht, kann auch Chancen eröffnen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Brechtken SPD: Das ist ein Satz, ein Satz wie gemeißelt! – Zuruf des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen)

Aufgrund der Aussagen von SPD und Grünen möchte ich einmal den liberalen Philosophen Karl Popper zu Wort kommen lassen. Er hat nämlich gesagt:

Der Staat ist ein notwendiges Übel.

Man muss sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Dass ihr überhaupt regiert!)

Denn damit hat er schlaglichtartig deutlich gemacht: Selbstverständlich brauchen wir den Staat.

(Abg. Brechtken SPD: Das sagen die allzuständi- gen Oberbürgermeister, aber erst, wenn sie ausge- schieden sind!)

Ach, hören Sie doch einmal zu, Herr Brechtken. Ich glaube ja, dass es für Sie vielleicht ein bisschen zu hoch ist, sich einmal mit einem Philosophen auseinander zu setzen.

(Abg. Brechtken SPD: Jawohl, Herr Oberlehrer!)

Aber ich meine, man sollte sich vielleicht das eine oder andere doch einmal vom Grundsätzlichen her durch den Kopf gehen lassen und fragen, warum ein solches Gesetz notwendig ist.

Warum solch ein Gesetz notwendig ist – Herr Kretschmann hat zu Recht gesagt: „Begründet das doch bitte einmal“ –, will ich zu begründen versuchen.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Das ist schwierig!)

Das mag ja sein. Ich behaupte ja nicht, dass es leicht ist.

Aber Popper sagt natürlich einwandfrei auch: Wir brauchen einen schlanken Staat, und wir brauchen einen Staat, der den Bürgerinnen und Bürgern eigene Entscheidungen belässt, sie auswählen lässt, nicht gängelt und sie nicht überversorgt, nur weil die, die die Gesetze verabschieden, meinen, sie wüssten besser als die Bürgerinnen und Bürger selbst, was einem nutzt und frommt.

(Abg. Brechtken SPD: Das ist ja unglaublich!)

Wir brauchen einen Staat, der notwendige Entscheidungen im Sinne richtig verstandener Subsidiarität möglichst nahe bei den Bürgerinnen und Bürgern fällen lässt,

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Göbel CDU)

möglichst also bei den Städten und Gemeinden,

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU geht in einem Faschingskostüm durch den Plenarsaal. – Abg. Schmiedel SPD: Herr Präsident, was ist denn da los? – Weitere Zurufe von der SPD)

und wir brauchen einen Staat, der die gesellschaftlichen Kräfte stärkt, Hilfe zur Selbsthilfe praktiziert und auch den Hilfsbedürftigen in unserer Gesellschaft ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Ich meine, alles, was darüber hinausgeht, ist ein Zuviel. Popper sagt: Es ist letztendlich von Übel.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Der Gesetzentwurf, der den Naturschutz und die Denkmalpflege neu regelt, will doch, dass Entscheidungen näher an den Bürgerinnen und Bürgern getroffen werden. Wir Liberalen erwarten durch dieses Gesetz eine größere Effizienz und vor allem eine größere Partizipation engagierter Menschen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Schmiedel SPD: Das ist aber weit hergeholt! – Zuruf des Abg. Wal- ter Bündnis 90/Die Grünen)

Ich komme schon zu den Punkten. Glauben Sie nur nicht, dass ich mich davor drücke.