Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

Das Wort hat Herr Abg. Schmiedel. In der Bibel steht: Gehe hin und tue desgleichen!

(Heiterkeit)

Herr Präsident, ich würde ja gerne das Gleiche tun. Sie haben auch Recht. Es macht eigentlich kaum noch Sinn; denn die Regierungszeit läuft ab. Eine Besserung in der Entwicklungszusammenarbeit ist nicht zu erkennen. Das Dokument zeigt – –

(Oh-Rufe bei der CDU – Abg. Wieser CDU: Jetzt muss ich doch noch einmal reden! – Zuruf des Abg. Göbel CDU)

Es tut mir Leid, aber ich kann das ja nicht schönreden.

Es zeigt den beispiellosen Niedergang einer einstmals vorbildlichen Entwicklungszusammenarbeit.

(Abg. Haas CDU: Reden Sie von der Bundesregie- rung?)

Aber da, wie gesagt, Ihre Regierungszeit zu Ende geht, möchte ich Folgendes sagen.

(Unruhe)

Das ist einer der letzten Redebeiträge in dieser Legislaturperiode. Sie haben fünf Jahre lang sehr viel Geduld bewiesen. Bewahren Sie jetzt auch noch eine halbe Stunde Ruhe!

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sehr gut! – Abg. Brechtken SPD: Aber keine Minute länger! – Abg. Fleischer CDU: Dann soll er mal ei- nen rechten Satz sagen und nicht nur einen solchen Bockmist!)

Ich will ganz kurz in elf Punkten sagen, wie es mit der Entwicklungspolitik in Baden-Württemberg nach der Landtagswahl weitergeht. Das zeigt gleichzeitig die Defizite der jetzigen Landesregierung.

Erstens: Wir werden nach der Landtagswahl die Ansätze für die Entwicklungszusammenarbeit im Landeshaushalt wieder deutlich erhöhen, damit überhaupt neue Ansätze möglich sind

(Abg. Haas CDU: Null! Nullverschuldung! Wo kommt das Geld her? – Unruhe)

und nicht sozusagen nur Altes abgewickelt wird.

(Anhaltende Unruhe)

Zweitens: Wir werden die Entwicklungshilfe im Land Baden-Württemberg auch über Lotteriespiele stärken.

(Abg. Haas CDU: Nichts als Pfusch!)

Drittens: Wir werden Public Private Partnership zwischen baden-württembergischen Unternehmen und Partnern in der Dritten Welt stärker fördern; denn wir sehen darin einen hervorragenden Ansatz, den die Bundesregierung praktiziert und den es im Land Baden-Württemberg zu stärken gilt.

Wir werden viertens die Eine-Welt-Politik als Querschnittsaufgabe der Landesregierung präzisieren und insbesondere auch im Bereich des interkulturellen und internationalen Dialogs verstärken.

Fünftens werden wir den Aufbau eines landesweiten Netzwerks der entwicklungspolitischen Gruppen in BadenWürttemberg unterstützen und damit die ehrenamtliche Arbeit aufwerten sowie das Engagement und den Dialog der Bürger in Baden-Württemberg fördern.

Sechstens werden wir einen Eine-Welt-Beirat einrichten,

(Abg. Fleischer CDU: Ein Masochist spricht! Ein ausgesprochener Masochist spricht!)

der insbesondere den Dialog zwischen den unterschiedlichen Gruppen und Verbänden fördert, die ansonsten wenig miteinander sprechen.

Siebtens werden wir lokale Informations- und Bildungsarbeit stärker unterstützen.

Achtens wollen wir die Transferstelle für die Lokale Agenda 21 unter Einbeziehung der Eine-Welt-Politik ausbauen.

Neuntens werden wir Eine-Welt-Begegnungen für die baden-württembergische Jugend als Teil der baden-württembergischen Bildungsarbeit unterstützen.

Zehntens werden wir ein Programm „Eine Mark für die Dritte Welt“ auflegen: 50 Pfennig vom Land werden ergänzt um 50 Pfennig von der Kommune.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Elftens werden wir Städte- und Gemeindepartnerschaften mit Entwicklungsländern wieder beleben, ausbauen und qualifizieren.

Dies, meine Damen und Herren, geht weit über das hinaus, dass wir nur sagten, wir wollten im Land Baden-Württemberg mehr Geld einsetzen, was auch dringend notwendig ist. Wir brauchen aber auch neue qualitative Ansätze. Die Entwicklungszusammenarbeit in Baden-Württemberg ist nur ein Stiefkind im Wirtschaftsministerium. In diesem Politikfeld ist kein Engagement der Führung des Hauses vorhanden. Wir werden das korrigieren und hoffen dann auf die tatkräftige Unterstützung auch der Opposition im Landtag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Flei- scher CDU: Begeisterter Beifall! – Abg. Wieser CDU: Das hat sich gelohnt!)

Meine Damen und Herren, ob die Opposition all das unterstützt, wird an Ihnen liegen und nicht an uns. Aber das ist jetzt kein Thema.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der SPD)

Bitte?

(Abg. Zeller SPD: Der Präsident kommentiert nicht! – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Dr. Birk CDU: Der Oberlehrer Zeller!)

Herr Zeller, wenn Sie keinen Humor haben, muss ich sagen: Ich habe noch Humor.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Buchter.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Jenseits der parteipolitischen Betrachtungen, die im Wahlkampf üblich sind, möchte ich ganz einfach und nüchtern eine kleine Bilanz für die Entwicklungszusammenarbeit des Landes aufmachen.

Entgegen den Versprechungen hat Dr. Döring kein neues Konzept vorgelegt.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Er ist ein Modernisierungshindernis!)

Während seiner Verantwortung als zuständiger Minister wurde der Etat der Entwicklungszusammenarbeit glatt halbiert.

(Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Aha!)

Meine Bitte an das künftige Parlament lautet ebenfalls, die Aufgabe der Entwicklungszusammenarbeit ernster zu nehmen und ihr mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, auch wenn das, zugegebenermaßen, eine Freiwilligkeitsleistung des Landes und ein weiches politisches Feld ist. Denn auch in weichen politischen Feldern können sich Versäumnisse aus der Vergangenheit bitter rächen.

Was meine ich damit? Wir in Baden-Württemberg als Exportland sind massiv auf Partnerschaften angewiesen. Ich meine damit Partnerschaften der Städte, der Gemeinden, aber auch des Landes mit Regionen der Dritten Welt,

(Abg. Deuschle REP: Zum Beispiel mit Bagdad!)

Partnerschaften der Nichtregierungsorganisationen, Partnerschaften zum Beispiel auch der Schulen. In all diesen Bereichen ist in der jetzt ablaufenden Legislaturperiode meines Erachtens zu wenig passiert. Die Servicestelle für kommunale Entwicklungsaufgaben, wie sie derzeit vom Bund gefördert und gefordert wird, könnte in all diesen Bereichen Wesentliches leisten. Wenn Sie diese Stelle nicht mitfinanzieren wollen – wofür es auch gute Gründe geben mag –, dann bitte ich Sie doch, sich Alternativen zu überlegen, wie wir die Partnerschaften, zum Beispiel die Partnerschaften zwischen Kommunen, künftig ausbauen können. Was spricht denn eigentlich für die Entwicklungszusammenarbeit auf der Ebene des Landes? Doch gerade, dass das Land an diesen einzelnen Partnern näher dran ist als

der Bund. Wir sind näher an den Schulen, wir sind näher an den kleinen Nichtregierungsorganisationen, und deswegen wäre es sehr gut, wenn das Land diese Organisationen unterstützen würde.

Es geht aber auch noch um andere Fragen. Ich habe als Referenz an dieses Haus in zwei Perioden wahrgenommen, wie groß das Bemühen um gerechte politische Lösungen ist, auch jenseits aller parteipolitisch unterschiedlichen Positionierungen. Wenn wir uns fragen, wie der internationale Handel heute abläuft, wie benachteiligten Regionen geholfen wird, dann müssen wir, glaube ich, nüchtern feststellen: Auf der globalen Ebene gibt es diese ausgleichende Gerechtigkeit noch nicht. Dafür sollten wir stärker eintreten, und wir sollten uns mehr um politische Lösungen bemühen.

(Glocke des Präsidenten)