Protokoll der Sitzung vom 21.02.2001

(Abg. Zeller SPD: Das ist doch gelogen! Lügen haben kurze Beine!)

Hören Sie auf!

(Abg. Rech CDU zur SPD: Ihr seid leicht zu unter- halten!)

Damit haben wir unser Versprechen nicht nur erfüllt, sondern gemäß dem Bedarf, den wir erkannt haben, übererfüllt.

(Beifall der Abg. Ursula Kuri CDU – Abg. Zeller SPD: Gelogen!)

Weil wir das letzte Versprechen erfüllt haben, werden wir das nächste Versprechen mit 5 500 Stellen genauso erfüllen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erhält Frau Abg. Rastätter.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Sicherung der Unterrichtsversorgung ist eine originäre Landesaufgabe. Sie ist eine staatliche Pflichtaufgabe. Es gibt kaum einen

anderen Bereich der Politik, in dem die Verantwortlichkeit der Politik so klar erkennbar ist. Die Verantwortung für die immer schlechter werdende Unterrichtsversorgung und für den drohenden Lehrermangel in Baden-Württemberg trägt deshalb voll diese Landesregierung.

Gestern hat der Ministerpräsident in seiner Abschiedsrede vollmundig verkündet: Bildung ist unser wichtigster Rohstoff; Bildung ist unser Humankapital;

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

deshalb investieren wir in die Bildung.

Meine Damen und Herren, sagen Sie das den Hauptschülern, deren erweitertes Bildungsprogramm in den letzten Jahren zusammengestrichen wurde. Sagen Sie das den Berufsschülern, denen bis zu 10 % des Pflichtunterrichts nicht erteilt werden, und sagen Sie das den Kindern an Realschulen und an Gymnasien, die immer häufiger in Klassen mit einer Größe von 33 Kindern sitzen.

(Beifall der Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei den Lehrern und Lehrerinnen in Baden-Württemberg bedanken. Sie tun, auch bei zunehmender Belastung, ihr Bestes, um die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Das zeigen auch die Umfragen zum Unterrichtsausfall. Ohne jegliche Krankheitsreserve haben die Lehrer und Lehrerinnen einen großen Teil des ausfallenden Unterrichts abgedeckt. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und des Abg. Zeller SPD)

Meine Damen und Herren, der drohende Lehrermangel ist nicht als Schicksalsschlag über uns hereingebrochen, sondern die Situation, dass sich junge Menschen in unserem Land immer weniger für den Lehrerberuf begeistern können, ist das Ergebnis Ihrer Politik. Tausende von jungen, ausgebildeten Lehrkräften sind in den letzten zwei Jahrzehnten in die Arbeitslosigkeit geschickt worden.

(Oh-Rufe von der CDU – Abg. Rau CDU: In ande- re Berufe sind sie gegangen! – Abg. Wintruff SPD: Tausende? Zehntausende!)

Bei Einstellungsquoten von zum Teil unter 10 % in den einzelnen Schularten kann man nicht einmal mehr von einem Einstellungskorridor sprechen, sondern nur noch von einem Nadelöhr.

(Abg. Zeiher CDU: Wie war das in Niedersach- sen? – Gegenruf des Abg. Zeller SPD: Besser!)

In dieser Legislaturperiode sind 1997 überhaupt keine neuen Lehrerstellen geschaffen worden. Stattdessen wurde die Lehrerarbeitszeit – –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Querrufe zu unterlassen; sonst ist die Rednerin nicht zu verstehen.

(Abg. Kluck FDP/DVP: Sehr gut!)

Bitte schön, Frau Abgeordnete, fahren Sie fort.

Also: 1997 sind überhaupt keine Lehrerstellen geschaffen worden. Stattdessen wurde die Arbeitszeit der Lehrkräfte am Gymnasium erhöht.

(Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Dann wurde die Schwerbehindertenermäßigung gestrichen. 1998 haben Sie den Numerus clausus für Referendare eingeführt, also eine Warteschleife für junge Menschen. Sofort gingen die Einschreibungen für die Lehramtsstudiengänge an den Hochschulen zurück.

Ich möchte noch ein Beispiel aus dem Bereich der beruflichen Schulen nennen. Vor wenigen Jahren sind 15 ausgebildete Elektrotechniker mit Notendurchschnitten von 1,7 nicht in den Schuldienst übernommen worden. Als Folge haben sich sofort hundert Elektrotechnik-Studierende in den Studiengang Ingenieurwissenschaften umgeschrieben und sind den beruflichen Schulen damit für immer verloren gegangen. Heute würden wir sie am liebsten mit Gold aufwiegen.

Deshalb, meine Damen und Herren – das sage ich jetzt in aller Deutlichkeit –, hat die Entscheidung junger Menschen, sich nicht für ein Lehramtsstudium einzuschreiben, gar nichts damit zu tun – wie die Ministerin immer behauptet –, dass Schule hier schlecht geredet würde, sondern es hat etwas damit zu tun, dass den jungen Leuten durch Ihre personelle Fehlplanung systematisch die Lust auf Schule ausgetrieben wurde, dass sie systematisch davon abgeschreckt wurden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Jetzt versprechen Sie 5 500 zusätzliche Stellen, nachdem Sie im letzten Doppelhaushalt noch die 2 000 zusätzlichen Stellen, die wir Grünen beantragt haben, abgelehnt haben. Einen Monat, bevor Sie in einer Panikreaktion eine Krankheitsreserve geschaffen haben, hatten Sie auch diese noch abgelehnt, und mit 660 Springern bleibt sie ohnehin weit hinter dem Bedarf zurück.

Immerhin denkt die Ministerin jetzt nach, nachdem wir vorgedacht haben, nämlich was die Gewinnung von Späteinsteigern für das Lehramt in den nächsten Jahren anbelangt und was die Bezahlung der Hauptschullehrkräfte anbelangt. Aber mit Nachdenken ist es nicht getan, wir müssen handeln.

Es geht auch nicht nur darum, Hauptschullehrkräfte, die an Schulen in sozialen Brennpunkten unterrichten, besser zu bezahlen. Uns geht es darum: Wenn wir die Bildungsgänge in der Sekundarstufe I öffentlich für gleichwertig erklären, dann müssen alle Lehrkräfte in der Sekundarstufe I, das heißt auch die Hauptschullehrkräfte, gleich gut bezahlt

werden, die gleiche Arbeitszeit bekommen und die gleiche Ausbildungszeit absolvieren. Dadurch können Sie zeigen, ob Sie die Hauptschule und die Gewinnung von Hauptschullehrkräften in diesem Land tatsächlich ernst nehmen.

Wir haben heute zusammen mit der SPD-Fraktion einen Entschließungsantrag vorgelegt. Er enthält wesentliche Vorschläge, wie man dem drohenden Lehrermangel begegnen kann, die wir Grünen bereits in unserem Aktionsprogramm haben. Wir brauchen mit Sicherheit 5 000, 6 000 zusätzliche Lehrkräfte in diesem Bundesland.

Herr Rau, eines möchte ich noch zur Halbtagsgrundschule sagen. Wir Grünen haben ein Konzept, nach dem die Halbtagsgrundschule von fünf Zeitstunden mit Erzieherinnen für einen offenen Anfang und ein offenes Ende ausgestattet wird. Das heißt, die Anzahl der Deputate wird in diesem Bereich nicht das Ausmaß annehmen, das Sie uns mit 3 500 vorgerechnet haben.

(Abg. Rau CDU: Ich habe die SPD zitiert, und da steht es genau so drin!)

Ich komme zum Schluss. Die Sicherung der Unterrichtsversorgung in den nächsten Jahren erfordert eine Abkehr von diesem kurzfristigen Denken, das Sie bis jetzt an den Tag gelegt haben. Wir brauchen für die Sicherung der Unterrichtsversorgung eine langzeitorientierte Personalplanung. Wir brauchen massive Werbung an den Schulen, damit junge Menschen sich wieder für den Lehrerberuf interessieren. Wir brauchen mehr pädagogische Freiräume an den Schulen, damit sich junge Lehrkräfte dort entfalten können. Dafür wollen wir Grünen in der nächsten Legislaturperiode sorgen. Wir können schon heute ein Signal setzen, indem wir alle den Entschließungsantrag von der SPD und den Grünen annehmen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Das Wort erhält Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine stabile und solide Unterrichtsversorgung ist eine wesentliche Grundlage für Bildungsqualität. Schließlich erfahren Schüler hierdurch Wertevermittlung in puncto Zuverlässigkeit und Wichtigkeit des Schulbesuchs.

Deshalb haben wir schon in dieser Legislaturperiode trotz schwieriger Finanzsituation bei der Lehrereinstellung und -ausbildung konsequent zugelegt. Eine Einstellung auf Vorrat allerdings, wie sie gerade vorgeschlagen wurde, wäre finanzpolitisch wirklich nicht zu vertreten gewesen.

(Zuruf der Abg. Birgit Kipfer SPD)

Immerhin haben wir aber so gearbeitet, dass uns am 16. Februar auch der „Mannheimer Morgen“ bestätigt hat, dass Baden-Württemberg bei den Perspektiven zur Unterrichtsversorgung im Ländervergleich relativ gut dasteht.

Nun hat die aktuelle Entwicklung teilweise auch uns Liberale überrascht,