Renate Rastätter

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Sicherung der Unterrichtsversorgung ist eine originäre Landesaufgabe. Sie ist eine staatliche Pflichtaufgabe. Es gibt kaum einen
anderen Bereich der Politik, in dem die Verantwortlichkeit der Politik so klar erkennbar ist. Die Verantwortung für die immer schlechter werdende Unterrichtsversorgung und für den drohenden Lehrermangel in Baden-Württemberg trägt deshalb voll diese Landesregierung.
Gestern hat der Ministerpräsident in seiner Abschiedsrede vollmundig verkündet: Bildung ist unser wichtigster Rohstoff; Bildung ist unser Humankapital;
deshalb investieren wir in die Bildung.
Meine Damen und Herren, sagen Sie das den Hauptschülern, deren erweitertes Bildungsprogramm in den letzten Jahren zusammengestrichen wurde. Sagen Sie das den Berufsschülern, denen bis zu 10 % des Pflichtunterrichts nicht erteilt werden, und sagen Sie das den Kindern an Realschulen und an Gymnasien, die immer häufiger in Klassen mit einer Größe von 33 Kindern sitzen.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei den Lehrern und Lehrerinnen in Baden-Württemberg bedanken. Sie tun, auch bei zunehmender Belastung, ihr Bestes, um die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten.
Das zeigen auch die Umfragen zum Unterrichtsausfall. Ohne jegliche Krankheitsreserve haben die Lehrer und Lehrerinnen einen großen Teil des ausfallenden Unterrichts abgedeckt. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken.
Meine Damen und Herren, der drohende Lehrermangel ist nicht als Schicksalsschlag über uns hereingebrochen, sondern die Situation, dass sich junge Menschen in unserem Land immer weniger für den Lehrerberuf begeistern können, ist das Ergebnis Ihrer Politik. Tausende von jungen, ausgebildeten Lehrkräften sind in den letzten zwei Jahrzehnten in die Arbeitslosigkeit geschickt worden.
Bei Einstellungsquoten von zum Teil unter 10 % in den einzelnen Schularten kann man nicht einmal mehr von einem Einstellungskorridor sprechen, sondern nur noch von einem Nadelöhr.
In dieser Legislaturperiode sind 1997 überhaupt keine neuen Lehrerstellen geschaffen worden. Stattdessen wurde die Lehrerarbeitszeit – –
Also: 1997 sind überhaupt keine Lehrerstellen geschaffen worden. Stattdessen wurde die Arbeitszeit der Lehrkräfte am Gymnasium erhöht.
Dann wurde die Schwerbehindertenermäßigung gestrichen. 1998 haben Sie den Numerus clausus für Referendare eingeführt, also eine Warteschleife für junge Menschen. Sofort gingen die Einschreibungen für die Lehramtsstudiengänge an den Hochschulen zurück.
Ich möchte noch ein Beispiel aus dem Bereich der beruflichen Schulen nennen. Vor wenigen Jahren sind 15 ausgebildete Elektrotechniker mit Notendurchschnitten von 1,7 nicht in den Schuldienst übernommen worden. Als Folge haben sich sofort hundert Elektrotechnik-Studierende in den Studiengang Ingenieurwissenschaften umgeschrieben und sind den beruflichen Schulen damit für immer verloren gegangen. Heute würden wir sie am liebsten mit Gold aufwiegen.
Deshalb, meine Damen und Herren – das sage ich jetzt in aller Deutlichkeit –, hat die Entscheidung junger Menschen, sich nicht für ein Lehramtsstudium einzuschreiben, gar nichts damit zu tun – wie die Ministerin immer behauptet –, dass Schule hier schlecht geredet würde, sondern es hat etwas damit zu tun, dass den jungen Leuten durch Ihre personelle Fehlplanung systematisch die Lust auf Schule ausgetrieben wurde, dass sie systematisch davon abgeschreckt wurden.
Jetzt versprechen Sie 5 500 zusätzliche Stellen, nachdem Sie im letzten Doppelhaushalt noch die 2 000 zusätzlichen Stellen, die wir Grünen beantragt haben, abgelehnt haben. Einen Monat, bevor Sie in einer Panikreaktion eine Krankheitsreserve geschaffen haben, hatten Sie auch diese noch abgelehnt, und mit 660 Springern bleibt sie ohnehin weit hinter dem Bedarf zurück.
Immerhin denkt die Ministerin jetzt nach, nachdem wir vorgedacht haben, nämlich was die Gewinnung von Späteinsteigern für das Lehramt in den nächsten Jahren anbelangt und was die Bezahlung der Hauptschullehrkräfte anbelangt. Aber mit Nachdenken ist es nicht getan, wir müssen handeln.
Es geht auch nicht nur darum, Hauptschullehrkräfte, die an Schulen in sozialen Brennpunkten unterrichten, besser zu bezahlen. Uns geht es darum: Wenn wir die Bildungsgänge in der Sekundarstufe I öffentlich für gleichwertig erklären, dann müssen alle Lehrkräfte in der Sekundarstufe I, das heißt auch die Hauptschullehrkräfte, gleich gut bezahlt
werden, die gleiche Arbeitszeit bekommen und die gleiche Ausbildungszeit absolvieren. Dadurch können Sie zeigen, ob Sie die Hauptschule und die Gewinnung von Hauptschullehrkräften in diesem Land tatsächlich ernst nehmen.
Wir haben heute zusammen mit der SPD-Fraktion einen Entschließungsantrag vorgelegt. Er enthält wesentliche Vorschläge, wie man dem drohenden Lehrermangel begegnen kann, die wir Grünen bereits in unserem Aktionsprogramm haben. Wir brauchen mit Sicherheit 5 000, 6 000 zusätzliche Lehrkräfte in diesem Bundesland.
Herr Rau, eines möchte ich noch zur Halbtagsgrundschule sagen. Wir Grünen haben ein Konzept, nach dem die Halbtagsgrundschule von fünf Zeitstunden mit Erzieherinnen für einen offenen Anfang und ein offenes Ende ausgestattet wird. Das heißt, die Anzahl der Deputate wird in diesem Bereich nicht das Ausmaß annehmen, das Sie uns mit 3 500 vorgerechnet haben.
Ich komme zum Schluss. Die Sicherung der Unterrichtsversorgung in den nächsten Jahren erfordert eine Abkehr von diesem kurzfristigen Denken, das Sie bis jetzt an den Tag gelegt haben. Wir brauchen für die Sicherung der Unterrichtsversorgung eine langzeitorientierte Personalplanung. Wir brauchen massive Werbung an den Schulen, damit junge Menschen sich wieder für den Lehrerberuf interessieren. Wir brauchen mehr pädagogische Freiräume an den Schulen, damit sich junge Lehrkräfte dort entfalten können. Dafür wollen wir Grünen in der nächsten Legislaturperiode sorgen. Wir können schon heute ein Signal setzen, indem wir alle den Entschließungsantrag von der SPD und den Grünen annehmen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Auch auf die Gefahr hin, Herr Präsident, dass meine Frage vielleicht schon beantwortet ist, wage ich es, sie zu stellen.
Frau Ministerin Staiblin, ist Ihnen bekannt, dass das Brutvogelmonitoring Baden-Württemberg dringend notwendig ist und erhalten bleiben muss, weil es dabei um den Schutz der vom Aussterben bedrohten Vogelarten in Baden-Württemberg geht, gerade der Vogelarten, die auf der roten Liste der bedrohten Arten stehen?
Ist Ihnen bekannt, dass die Staatliche Vogelschutzwarte in Karlsruhe ein außerordentlich effizientes und kostengünstiges System entwickelt hat, bei dem nämlich bei nur zwei Personalstellen über 100 im Naturschutz engagierte Menschen in ganz Baden-Württemberg ehrenamtlich eingebunden sind, dass Sie somit, nachdem Sie noch nicht einmal wissen, wo dieses Projekt in Zukunft angesiedelt sein wird, ein außerordentlich effizientes, aus Naturschutzgründen wichtiges und für den Vogelschutz unverzichtbares System zerschlagen?
Frau Ministerin Staiblin, wie wollen Sie gewährleisten, dass sich nach der Auflösung der Vogelschutzwarte die ehrenamtlich Tätigen – über 100 Naturschützer – auch künftig für den Bestand der vom Aussterben bedrohten Vogelarten einsetzen, wenn Sie die Vogelschutzwarte jetzt faktisch zerschlagen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Grundschule ist heute die Schulart, die die größten pädagogischen Leistungen in unserem Bildungswesen erbringen muss, und sie erbringt diese Leistungen. Das haben wir vor allem den engagierten Lehrerinnen an der Grundschule zu verdanken. Es sind ja im Wesentlichen Lehrerinnen, die in Teilzeit arbeiten und die sich weit über ihre Verpflichtung hinaus en
gagieren, weil ihnen die individuelle Förderung jedes Kindes am Herzen liegt.
Dabei ist die pädagogische Arbeit an den Grundschulen immer anspruchsvoller, immer schwieriger geworden. Denn die Gesellschaft, die Kindheit haben sich in den letzten Jahrzehnten, ja in den letzten Jahren dramatisch verändert. Die Heterogenität der Kinder hat immer mehr zugenommen, und die kindlichen Lebenswelten sind immer weiter auseinander gedriftet.
Um sich pädagogisch entsprechend den neuen Anforderungen weiterentwickeln zu können, brauchen die Grundschulen in Baden-Württemberg mehr Unterstützung, als sie derzeit bekommen. Die Grundschulen brauchen mehr Zeit, sie brauchen mehr Ressourcen, und sie brauchen ein Gesamtkonzept. Denn, Frau Kultusministerin Schavan, es ist zwar richtig, dass Sie in den letzten Jahren auch an den Grundschulen sehr viele Baustellen eröffnet haben. Aber diese fügen sich noch lange nicht zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammen.
Erstens: Die Grundschulen brauchen mehr Zeit. Wir brauchen eine echte Halbtagsgrundschule statt einer so genannten verlässlichen Grundschule,
die nichts anderes als einen Etikettenschwindel darstellt. Sie sparen durch ein additives Modell. Bei einer rigorosen Trennung von Betreuung und Unterricht sparen Sie auf dem Rücken der Kinder, die dadurch nicht genügend Fördermöglichkeiten haben, die sie in einem durchgängig pädagogisch ausgestalteten Unterrichtsvormittag hätten.
Zweitens: Wir brauchen in Baden-Württemberg flächendeckend Ganztagsgrundschulen. Wir haben 2 500 Grundschulen in Baden-Württemberg. Davon sind nur vier Ganztagsgrundschulen. Meine Damen und Herren von der CDU, ich empfehle Ihnen, die Ganztagsgrundschule in Karlsruhe-Durlach zu besuchen. Dort können Sie erfahren, wie begeistert die Eltern, wie begeistert die Kinder und wie begeistert die Lehrkräfte von einer Ganztagsschule sind. Beispielsweise ist dort eine Lehrerin eines ehemaligen FDP/DVP-Landesvorsitzenden, die sagt: „An der bisherigen Grundschule hatte ich immer ein schlechtes Gewissen, weil ich in einer Klasse mit 31 Grundschulkindern nie genug Zeit hatte. Jetzt geht es mir als Lehrerin gut.
Ich habe endlich einmal genügend Zeit für die Kinder.“ Auch die Mütter sind begeistert, weil sie sagen: „Wenn mein Kind von der Schule nach Hause kommt, braucht es keine Hausaufgaben mehr zu machen. Dann ist Zeit in der Familie, und uns in der Familie geht es gut.“ Das ist doch
eine Herausforderung, entsprechend dem großen Bedarf im Grundschulbereich in Baden-Württemberg endlich ein familienfreundlich und pädagogisch ausgestaltetes Ganztagsangebot zu schaffen.
Ich füge noch hinzu: Sie haben sich in der Vergangenheit auch in dem Sinn geäußert, als wären die Ganztagsgrundschulen Verwahreinrichtungen oder als würden sie den Kindern sogar ihre Freiheit rauben. Das Gegenteil ist der Fall. Es handelt sich um Lern- und Lebensräume für Kinder, in denen sie sich wohl fühlen wie in einer Großfamilie. Gerade für Einzelkinder ist das doch ein Idealzustand.
Dritter Punkt. Herr Zeller hat es schon angesprochen. Ich möchte es wiederholen.
Herr Rau, Sie haben von den wunderbaren offenen Lernformen, von den modernen Unterrichtsformen an der Grundschule gesprochen.
Der Bildungsplan sieht diese vor. Die Lehrerinnen sind bereit, diese umzusetzen.
Aber reden Sie mit Grundschullehrerinnen, die in einer Klasse mit 31 Schülerinnen und Schülern unterrichten.
Die Durchschnittszahl ist doch völlig irrelevant.
Sie ist insofern irrelevant, als wir auf dem Land eine Reihe von Grundschulen mit kleinsten Klassen haben. In den Städten aber haben wir inzwischen Grundschulklassen mit 25 bis 31 Schülerinnen und Schülern. Dort einen offenen Unterricht zu halten, eine bewegte Schule durchzuführen, einen Sitzkreis zu bilden, einen Lernzirkel zu machen: Das können Sie vergessen. Deshalb brauchen wir Klassengrößen an der Grundschule, die nicht mehr als 25 Schülerinnen und Schüler umfassen.
Viertens: Es wurde schon die Krankheitsreserve angesprochen.
Ich muss sagen: Meine Ausführungen versetzen die CDU-Fraktion offensichtlich in große Unruhe, weil Sie endlich einmal wieder hören, welch großer Handlungsbedarf besteht, die Grundschulen in Baden-Württemberg weiterzuentwickeln.
Gehen Sie bitte an die Schulen, und erkundigen Sie sich dort.
Herr Rau, ich höre, dass Sie inzwischen vorhaben, die dringend notwendige Krankheitsreserve auch im nächsten Schuljahr wieder mit 660 Lehrerinnen und Lehrern zu realisieren. Meine Damen und Herren, diese Zahl ist aber nicht ausreichend. Sie bleibt sogar hinter dem zurück, was die Kultusministerin als notwendig erachtet, nämlich 1,5 % Krankheitsreserve in Baden-Württemberg. Deshalb fordern wir, dass die Krankheitsreserve im nächsten Schuljahr verdoppelt wird.
Vielen Dank für diesen Hinweis. Ich möchte Sie nur bitten, dass ich noch meinen Satz beenden darf.
Ich muss Ihnen allerdings sagen, Herr Präsident: Es ist hier kein Signal erschienen. Normalerweise signalisieren Sie mir das deutlich.
Deshalb, Herr Präsident, nutze ich noch die Gelegenheit, um einen abschließenden Satz vorzutragen.
Meine Damen und Herren, die Grundschule ist für unsere Kinder die wichtigste Schulart überhaupt, denn sie setzt die Maßstäbe, sie stellt die Weichen für die weitere Entwicklung.
Deshalb muss die Grundschule im Mittelpunkt unseres bildungspolitischen Interesses stehen und die notwendige Unterstützung bekommen. Die bekommt sie von Ihnen nicht. Wir werden uns dafür einsetzen, dass sie diese Unterstützung erhält.
Ich bedanke mich, allerdings nicht für die unqualifizierten Zwischenrufe.
Frau Schavan, trifft es zu, dass Sie, wie in Antworten auf entsprechende Anträge steht, diese Stunden für die LRS-Förderzentren von den Schulen eingesammelt haben, um sie effizienter in Zentren zu nutzen? Das heißt, dass es im Prinzip ein Nullsummenspiel ist: Es ist die gleiche Anzahl der Stunden, nur werden die gebündelt in diesen Zentren zur Verfügung gestellt.
Sind Sie bereit, dieses so anzuerkennen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann es heute kurz machen: Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.
Wir haben uns in der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass die zwei Standorte der bisherigen Landesbildstellen bei der Fusion dieser Landesbildstellen zur Landesmedienzentrale erhalten bleiben. Wir begrüßen es deshalb, dass das neue Landesmedienzentrum jetzt eine dezentrale Struktur erhält, und zwar begrüßen wir das nicht nur aus regionalen Gründen, sondern vor allem auch aus sachlichen Gründen. Denn wir leben in einem großen Flächenstaat. Künftig wird die Bedeutung von Multimedia und Medienerziehung an den Schulen noch mehr anwachsen, und damit wir zwei gute, große Dienstleistungszentren und Kompetenzzentren in unserem großen Flächenstaat bekommen, ist es sicher richtig, die bisherige dezentrale Struktur beizubehalten.
Bei dem Gesetzentwurf sind allerdings – sicher teilweise zu Recht – etliche Punkte offen geblieben, die noch vernünftiger Klärungen bedürfen. Ich will drei Punkte benennen.
Erstens: Die Netzbetreuung an den Schulen ist noch nicht geklärt, und bei der zunehmenden Vernetzung bis hin zu den Grundschulen muss ein vernünftiges Konzept für alle Schulen entwickelt werden. Ich möchte daran erinnern, dass meine Fraktion mit der von ihr vorgeschlagenen Multimediaoffensive im Umfang von 1 Milliarde DM ein Drittel dieser Mittel für eine Initialzündung „Netzbetreuung an den Schulen“ vorsieht. Denn eines ist ja klar: Die Netzbetreuung kann künftig nicht mehr ehrenamtlich von Lehrern übernommen werden, die das als Hobby betreiben, sondern muss auf professionelle Füße gestellt werden. Es ist also noch offen, inwieweit hier die Kreisbildstellen und die Landesmedienzentrale eingebunden werden.
Zweitens: Der Landesarbeitskreis Bildstellen und Medienzentren hat ebenfalls eine Reihe ungeklärter Fragen vorgelegt. Zum Beispiel steht eine neue Definition des Berufsbildes von Kreisstellenleitern aus. Es steht auch die Einbeziehung der Kreisbildstellen in die regionale Fortbildung für Lehrkräfte aus. Es steht aus, wie es für diese Bildstellenleiter künftig mit den Stundenanrechnungen aussieht.
Drittens – jetzt komme ich zu dem Punkt, den Sie, Frau Blank und Herr Wieser, gerade so heftig miteinander diskutiert haben – steht auch noch die definitive Entscheidung über den Sitz des künftigen Direktors aus
bzw. der künftigen Direktorin; es könnte ja durchaus auch eine Frau sein, Herr Wieser.
Ich gehe davon aus, dass die Ankündigungen der CDUFraktion
und die diskreten Hinweise der Kultusministerin umgesetzt werden. Ich bin sehr gespannt darauf, ob diese Ankündigungen umgesetzt sein werden, wenn wir uns am 1. März in Karlsruhe bei der Eröffnung des Landesmedienzentrums treffen. Ich hoffe jedenfalls, dass es so sein wird, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Elternprozess zur Wiederherstellung der Lernmittelfreiheit ist der Gipfel einer Reihe von Prozessen im Bildungsbereich, bei denen Eltern oder Betroffene sich gegen die hohen finanziellen Belastungen durch die Kultusbürokratie gewehrt haben. Die Landesregierung hat alle Prozesse verloren. Ich erinnere nur an die Verpflichtung zur Zurücknahme der hohen Rückmeldegebühren für Studierende oder an die Pflicht, die Zuschüsse für die Privatschulen zu erhöhen, damit das verfassungsrechtliche Gebot des freien Zugangs auch zu Privatschulen für alle Kinder gewährleistet wird.
Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP/ DVP, hier hätte Ihnen doch allmählich ein Licht aufgehen müssen,
bzw. es hätten Ihnen Alarmglocken läuten sollen, was an Zumutbarkeit für die Eltern gesetzlich nicht zulässig ist.
Mit dem jetzt vorliegenden Urteil wird endlich die schleichende Aushöhlung der Lernmittelfreiheit gestoppt, und das zu Recht. Wir Grünen begrüßen dieses Urteil. Denn die 1953 in unserer Landesverfassung verankerte Unentgeltlichkeit von Unterricht und Lernmitteln ist schließlich ein Grundpfeiler unseres Bildungswesens. In einem demokrati
schen Gemeinwesen darf die schulische Chancengleichheit von Kindern nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Aber gerade weil inzwischen – Sie wissen das – der private Bildungsmarkt boomt – Nachhilfeinstitute schießen wie Pilze aus dem Boden –, darf es nicht sein, dass Eltern, die sich keine teuren Nachhilfestunden für ihre Kinder leisten können, im staatlich verantworteten Bildungsbereich immer stärker zur Kasse gebeten werden.
Meine Damen und Herren, Studien belegen: Kinder sind in unserer Gesellschaft das Armutsrisiko Nummer 1. Nach 16 Jahren CDU-geführter Regierungszeit in Bonn hat das Bundesverfassungsgericht von der Politik einen umfassenden Lastenausgleich für Familien eingefordert. Im Gegensatz zur familienfeindlichen Politik der damaligen CDURegierung –
es gab ja genügend Lippenbekenntnisse, aber die Taten blieben dahinter zurück –
hat unsere rot-grüne Bundesregierung sofort erste Schritte zur Entlastung der Familien eingeleitet.
Ich nenne die steuerliche Entlastung, die Erhöhung des Kindergelds und des Bundeserziehungsgelds, meine liebe Kollegin Blank.
Deshalb sage ich, meine Damen und Herren: Unsere rotgrüne familienpolitische Bilanz nach nur zwei Jahren kann sich sehen lassen.
Sie dagegen ziehen den Eltern das Geld aus der Tasche.
Ich meine hier nicht nur die Lernmittel, sondern ich nenne als Beispiele auch die steigenden Schülerbeförderungskosten, das Geld für die verlässliche Grundschule, die Einführung von Schulgeld durch die Hintertür. Es ist abzusehen, dass auch in diesen Bereichen die Eltern vor die Gerichte ziehen werden.
Meine Damen und Herren, was die Lernmittelfreiheit anbelangt: Warnungen gab es ja genug, dass die Praxis in Baden-Württemberg verfassungswidrig ist. Auch das Gutachten des Justizministeriums von 1994, das ja das Kultusministerium selbst in Auftrag gegeben hat, hat eindeutig festgestellt, dass eine Bagatellgrenze selbst aus verfassungsrechtlicher Sicht bereits äußerst fragwürdig ist, und hat eine Heraufsetzung der Bagatellgrenze auf 15 DM radikal
abgelehnt. Aber Sie sind in diesem Punkt belehrungsresistent gewesen und sind es heute noch, wenn ich Herrn Rau höre, der von einem Einzelfall spricht, der von einer maßlosen Überinterpretation des Urteils spricht. Offensichtlich sind Sie immer noch nicht bereit, die notwendigen Konsequenzen aus diesen Urteilen zu ziehen.
„Wischiwaschi“ kann ich da nur sagen.
Mit der Wahl eines unbestimmten Rechtsbegriffs, den Sie dann gewählt haben – „Gegenstände geringen Werts“ müssen von den Eltern bezahlt werden; das war ein Griff in die Trickkiste –, haben Sie dann doch erreicht, dass Eltern und Kommunen stärker belastet wurden.
Damit jetzt endgültig Schluss ist mit der Aushöhlung der Lernmittelfreiheit, haben wir heute gemeinsam mit den Sozialdemokraten einen Entschließungsantrag vorgestellt, der fordert, dass diese verfassungswidrige Praxis sofort beendet wird und dass zweitens zusammen mit den Kommunen ein runder Tisch gebildet wird mit dem Ziel, eine seriöse und solide Einigung mit den Kommunen herbeizuführen, was die hohen finanziellen Kosten im Bildungsbereich angeht, und zwar unter Einbeziehung der Kosten für die Lernmittel, die Schülerbeförderung, die Computer an den Schulen und auch die verlässliche Grundschule. Schließlich muss natürlich das Schulgesetz geändert werden. Dieses werden wir hoffentlich in einer neuen Regierungsmehrheit in der nächsten Legislaturperiode tun können.
Lassen Sie mich aber abschließend noch eines sagen, speziell Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU: Wer solche Windeier wie „Laptops für alle Schüler in BadenWürttemberg“
auf seinem Landesparteitag beschließt, mit 2 Milliarden DM Kosten, der ist wenig glaubwürdig, wenn er jetzt erklärt, er wolle die Lernmittelfreiheit verfassungsgemäß regeln. Machen Sie zuerst Ihre Hausaufgaben, und sorgen Sie bei Ihren Parteitagen für Beschlüsse, die auch praktisch umsetzbar sind und die vor allem auch pädagogisch sinnvoll sind.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Derzeit gibt es Ganztagsschulen in Baden-Württemberg für ca. 1 % der Schulkinder. 4 von 2 500 Grundschulen in Baden-Württemberg sind Ganztagsschulen. Die Stadt Karlsruhe zum Beispiel hat 15 Jahre lang beim Land darum gekämpft, eine Ganztagsgrundschule einrichten zu dürfen.
Für ein weiteres Prozent der Schulkinder gibt es Hortplätze am Nachmittag. – So viel zur Ausgangslage, so viel zur Familienfreundlichkeit, so viel zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Baden-Württemberg.
Nun hat die CDU die Ganztagsschule entdeckt und strebt einen zügigen Ausbau an. Glückwunsch zum ersten Schritt der ideologischen Abrüstung! Da Sie aber, Frau Ministerin Schavan, nicht einmal dazu bereit sind, die Grundschule
aufgrund der veränderten Lebenslage von Familien und aufgrund der veränderten Kindheit zu einer echten Halbtagsschule weiterzuentwickeln, stellen sich schon berechtigte Zweifel ein, wie diese Ganztagsschulen aussehen sollen.
Ein Wort noch zu Herrn Seimetz. Wir wollen auch nicht, dass die Schulen zu Reparaturwerkstätten der Gesellschaft werden. Auch wir wollen die Familie stärken.
Ich darf sagen, dass das auch das ausdrückliche Ziel der Bundesregierung ist.
Aber in einem Punkt wollen wir das Rad der gesellschaftlichen Entwicklung nicht zurückdrehen. Wir begrüßen die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen, und wir wollen alles tun, damit Frauen in der Arbeitswelt Beruf und Familie vereinbaren können und auch Karriere machen können.
Ganztagshauptschulen sollen nur an den so genannten Brennpunkthauptschulen eingerichtet werden – das hat Herr Seimetz noch einmal deutlich hervorgehoben –, also an ca. 10 % der Hauptschulen. Wir Grünen halten die Etikettierung „Brennpunkthauptschule“ für außerordentlich fragwürdig, denn sie lenkt davon ab, dass wir an allen Hauptschulen in Baden-Württemberg Kinder aus schwierigen sozialen Problemlagen haben und dass wir an allen Hauptschulen Kinder haben, die besonders viel schulische und soziale Unterstützung brauchen.
Hauptschulen, die nicht als Brennpunkthauptschulen ausgewiesen sind, bekommen heute schon keine Sozialstunden, haben kein erweitertes Bildungsangebot, kriegen keine Schulsozialarbeit,
haben kaum noch AG- und Förderstunden. Jetzt sollen sie auch nicht die Möglichkeit bekommen, sich zu Ganztagshauptschulen weiterzuentwickeln. Wir halten dies aufgrund der Problemlagen vieler Hauptschulkinder für nicht verantwortbar.
Nun zum pädagogischen Konzept der Ganztagsschulen. Das Hauptziel, meine Damen und Herren, ist doch nicht, die Kinder von der Straße oder aus dem Elternhaus zu holen. Der Hauptzweck besteht vielmehr darin, sie schulisch und sozial zu stützen, sie auf die Berufsausbildung vorzubereiten und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Deshalb darf eine Ganztagsschule keine Betreuungseinrichtung und keine Verwahranstalt für Schulkinder sein, sondern sie muss zu einem echten Lern- und Lebensort weiterentwickelt werden.
Nach Ihren Äußerungen, Frau Kultusministerin – ich habe Ihre Stellungnahme im „Focus“ gelesen –, besteht bei mir
die Befürchtung, dass wir wieder ein additives Modell bekommen, ein Sparmodell, das wir bereits von der verlässlichen Grundschule bestens kennen, bestehend aus einem traditionellen Unterrichtsvormittag, an den nachmittags Sport, Freizeit und Hausaufgabenbetreuung angehängt werden.
Aber, meine Damen und Herren, das wichtigste Merkmal einer Ganztagsschule ist die zeitliche Entzerrung des Unterrichts, ist die Rhythmisierung von Phasen der Anspannung und Phasen der Entspannung, von konzentrierter Arbeit, Bewegung, Spiel und attraktiven Freizeitangeboten. Eine Ganztagsschule muss so attraktiv sein,
dass Schulkinder dort gern den ganzen Tag bleiben. Ganztagsschulen brauchen die besten Angebote, die beste Pädagogik und die besten Lehrkräfte.
Damit wir gute Ganztagsschulen bekommen, brauchen wir vor allem gute Rahmenbedingungen an Ganztagsschulen. Wir haben Ihnen hierzu heute einen Entschließungsantrag vorgelegt. Ich will Ihnen die wichtigsten Punkte daraus nennen.
Wir wollen zum einen Ganztagsschulen an allen Hauptschulen, die ein solches Angebot einrichten möchten. Wir wollen aber auch, dass Realschulen und Gymnasien, die eine Ganztagsschule einrichten möchten, nicht ausgeschlossen werden.
Wir dürfen den Schulen aber die Einrichtung von Ganztagsschulen nicht wieder als weitere Aufgabe von oben überstülpen. Vielmehr kann ein gutes pädagogisches Ganztagsangebot an der Schule nur von innen heraus entwickelt werden. Dafür brauchen die Schulen – insbesondere die Hauptschulen, an denen die Lehrkräfte besonders hohe pädagogische Aufgaben zu leisten haben – Zeitkontingente, Entlastung und eine Schulentwicklungsbegleitung, damit dabei ein schlüssiges Ganztagsschulkonzept herauskommt.
Wir brauchen auch die Unterstützung der Schulträger, der Kommunen. Die Kommunen sind durch schulische Aufgaben bereits heute finanziell extrem stark belastet. Die Kommunen benötigen eine faire Lastenverteilung zwischen Land und Schulträgerschaft. Deshalb muss der Anteil des Landes erhöht werden.
Meine Damen und Herren, wir Grünen treten für Ganztagsschulen ein. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass dies gute Angebote werden –
im Interesse unserer Kinder und der Familien und als Bereicherung für unsere ganze Gesellschaft.
Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Danke schön, Herr Präsident.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antwort der Landesregierung auf die fraktionsübergreifende Große Anfrage der demokratischen Parteien des Landtags ist zwar sehr umfangreich, bleibt aber in weiten Teilen sehr unverbindlich. Es wird zwar, Frau Kollegin Blank, Bilanz gezogen; aber in dieser Bilanz fehlt vor allem die Rückmeldung der Betroffenen, nämlich derer, bei denen die Umsetzung der Empfehlungen hätte ankommen müssen.
In vielen Bereichen sind die Empfehlungen nur punktuell umgesetzt worden. Es werden einzelne Modellvorhaben genannt; aber es fehlt eine Gesamtplanung der Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission.
Ich glaube, meine Damen und Herren, wir alle sind sehr glücklich darüber, dass die Arbeitslosenquote der Jugendlichen in unserem Bundesland endlich rückläufig ist.
In der Antwort des Kultusministeriums wird dies aber vor allem auf die Spitzengespräche des Wirtschaftsministers mit den Betrieben, mit den Gewerkschaften, mit der Kultus- und mit der Arbeitsverwaltung zurückgeführt. Ich denke, meine Damen und Herren, Ihnen als Regierung hätte es gut angestanden, an dieser Stelle auch einmal ein Lob an die Adresse der Bundesregierung auszusprechen.
Denn das doppelt angelegte 2-Milliarden-Programm zur Förderung der beruflichen Integration von Benachteiligten und die Steuerentlastungen der Bundesregierung haben mit Sicherheit dazu beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen in Baden-Württemberg tendenziell rückläufig ist.
Entwarnung ist trotzdem fehl am Platz. Nicht umsonst hat die Enquete als wichtigstes Ergebnis erbracht, dass bis zu 20 % der Jugendlichen bis zu 25 Jahren nicht ohne zusätzliche Begleitung und Unterstützung in den Arbeitsmarkt integriert werden können.
Eine Arbeitslosenquote von 4,2 % heißt: Wir können damit nicht zufrieden sein. Sie bedeutet, dass immer noch jeder 20. Jugendliche ohne Perspektive auf der Straße steht.
Entscheidend für die Zukunftsperspektiven der schwächeren und benachteiligten Jugendlichen wird es sein, ihre Ausbildungsfähigkeit zu verbessern. Hier reichen die Maßnahmen, die bislang ergriffen wurden, bei weitem noch nicht aus.
Andererseits ist aber auch die Wirtschaft gefragt und muss in die Pflicht genommen werden, Arbeitsplätze für schwächere, für weniger leistungsstarke Jugendliche bereitzustellen. Eine humane Arbeitswelt, meine Damen und Herren, gebietet es, dass in den Betrieben auch einfache Tätigkeiten für geringer qualifizierbare junge Menschen angeboten werden.
Ich sage das auch im Hinblick auf die Integration behinderter junger Menschen, deren gesellschaftliche Integration entscheidend davon abhängt, ob sie in den regulären Arbeitsmarkt integriert werden können.
Zur Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit fehlt aber auch die Schulsozialarbeit an den Schulen. Ich halte Ihre Aussagen, die auch heute wieder gemacht wurden, dass es eine Aufgabe der Kommunen sei, die Verantwortung für die Schulsozialarbeit zu tragen, für falsch.
Ja, ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident.
Die Kommunen sind in diese Aufgabe hineingegangen, weil die Schulen um Hilfe bei der Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags gerufen haben. Für uns Grüne ist die Schulsozialarbeit eine Pflichtaufgabe des Landes,
weil ohne Schulsozialarbeit die Erfüllung des Bildungsund Erziehungsauftrags an Schulen, die unter erschwerten pädagogischen Bedingungen arbeiten, nicht mehr gewährleistet werden kann.
Deshalb treten wir für eine dauerhafte Beteiligung des Landes und eine faire Lastenverteilung zwischen Land und Kommunen in diesem Bereich ein.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir werden weiterhin beantragen, dass eine öffentliche Anhörung des Landtags über die Ergebnisse der Umsetzung der Empfehlungen der Jugendenquete durchgeführt wird. Wir wollen, dass diejenigen, die betroffen sind, ihre Rückmeldungen geben, damit wir weiterhin eine gute Entwicklung für Jugendliche in Baden-Württemberg im Hinblick auf die Empfehlungen der Enquete sichern können.
Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für ein positives Zusammenleben der Menschen in Europa ist es wichtig, dass junge Europäer künftig mehrere Fremdsprachen lernen. Der Schlüssel für die Mehrsprachigkeit ist dabei das frühe Fremdsprachenlernen in der Grundschule. Der frühe Fremdsprachenbeginn ist aber auch mit Blick auf die besonderen Lernfähigkeiten der Kinder im Grundschulalter ideal. Ihre Offenheit, ihre Bildsamkeit, ihre Sensibilität für Spracherwerb, auch für die Zweitsprache, ist seit langem bekannt.
Die gesellschaftliche Akzeptanz für die Einführung der Fremdsprache an der Grundschule ist groß. Bei Eltern, bei Kommunen, bei den Verbänden, bei der Wirtschaft, überall gibt es ungeteilte Zustimmung; denn über die kulturelle Bedeutung des Fremdsprachenlernens hinaus ist die Fremdsprachenkompetenz auch zu einer Schlüsselqualifikation geworden.
Trotz dieser geradezu einmaligen Voraussetzungen erleben wir derzeit in Baden-Württemberg das gleiche Fiasko wie bei fast allen bildungspolitischen Vorhaben unserer Kultusministerin: Ein schönes Konzept, aber die Umsetzung wird nicht im Dialog mit den Beteiligten erarbeitet, sondern findet hinter verschlossenen Ministeriumstüren statt. Folglich ist das Umsetzungskonzept unausgegoren und praxisuntauglich und führt im ganzen Land zu Recht zu Unruhe und Protest.
Seit der großspurigen Ankündigung des Ministerpräsidenten vor zweieinhalb Jahren, dass Fremdsprachen an der Grundschule flächendeckend eingeführt werden,
sind über zwei Jahre der Untätigkeit vergangen. Sie haben das Wichtigste, nämlich die umfassende Qualifizierung der Lehrkräfte, verschlafen. Jetzt bleibt nach den Weihnachtsferien – realistischerweise können Sie vorher gar nicht mehr richtig anfangen – nur noch ein halbes Jahr für eine systematische Weiterbildung der Lehrkräfte übrig, und dies in der Situation, dass Lehrkräfte gleichzeitig in diesem Schuljahr erstmals auch die verlässliche Grundschule garantieren müssen.
Das heißt, diese Einführung findet auf dem Rücken der Lehrkräfte, der Eltern und der Kinder statt,
wenn diese qualifizierte Weiterbildung in einem solchen verdichteten Zeitraum erfolgen muss.
Zweitens: Mit aller Gewalt soll die Fiktion der flächendeckenden Einführung aufrechterhalten werden, obwohl Sie nur mit 15 % der Grundschulen, nämlich mit 400 von 2 500 beginnen.
Faktisch werden wir dadurch über Jahre sehr unterschiedliche Lernvoraussetzungen in den weiterführenden Schulen haben, denn wir werden dort in den fünften Klassen Kinder haben, die vier Jahre qualifizierten Englischunterricht hatten, Kinder, die einmal eine AG hatten, und Kinder, die überhaupt kein Fremdsprachenangebot hatten.
Die Vorstellung, die blieben doch in den Verbünden, ist doch eine reine Legende, denn es gibt ja auch so etwas wie Mobilität. Eltern ziehen auch in Baden-Württemberg mit ihren Kindern um.
Drittens: Es wird deshalb in Baden-Württemberg in den nächsten Jahren Kommunen und Schulen erster und zweiter Klasse geben. Die Kommunen und die Eltern lassen sich dies nicht gefallen. Das beweisen die vielen Briefe, die Sie
und auch wir derzeit bekommen. Die Eltern haben Recht: Es ist ein Angriff auf die Chancengleichheit von Kindern in unserem Bundesland, wenn es von einem Zufallsprinzip, nämlich vom Wohnort abhängt, ob in den nächsten Jahren ein Kind Fremdsprachenunterricht an der Grundschule bekommt oder nicht.
Der Städtetag verlangt in seiner Verzweiflung jetzt sogar – offensichtlich ist es Ihnen nicht gelungen, die Ressourcen für die flächendeckende Einführung der Fremdsprachen bereitzustellen –,
dass die flächendeckende Einführung der Fremdsprachen aus den Privatisierungserlösen finanziert wird. Aber mit Ihrem Stiftungsmodell geht das ja überhaupt nicht, und zwar wegen der Gemeinnützigkeitsklausel. Fremdsprachenunterricht, meine Damen und Herren, ist aber keine Wohltätig
keitsveranstaltung, sondern gehört zu den bildungspolitischen Pflichtaufgaben dieses Landes.
Sie werden Ihrer Verpflichtung gegenüber Kindern, Eltern und Kommunen nicht gerecht, wenn Sie milliardenschwere Geschenke über das Land austeilen, aber Ihre Pflichtaufgaben im Bildungswesen nicht erfüllen.
Den Vorschlag, der jetzt von einigen Verbänden, aber auch von den Kollegen der SPD in dieser verfahrenen Situation gemacht wird, erst in den Klassen 3 und 4 zu beginnen, halten wir Grünen wiederum nicht für richtig. Das wäre eine Zwischenlösung, die große Probleme nach sich zöge, wenn man später ohnehin ab Klasse 1 Englischunterricht einführen möchte. Das würde weiterhin Unruhe stiften und Umsetzungsprobleme sowie weitere Lehrplanrevisionen mit sich bringen. Deshalb sind wir dafür, ab Klasse 1 zu beginnen.
Wir Grünen beantragen folgende Maßnahmen zur Verbesserung dieser verfahrenen Situation:
Erstens: Alle Schulen, die ein Fremdsprachenangebot machen wollen, sollen die Stunden hierfür zugewiesen bekommen.
Zweitens: Alle Kommunen, die dies beantragen, müssen in die Pilotphase aufgenommen werden. Selbstverständlich muss die Pilotphase verkürzt werden.
Drittens: Auch wir Grünen verfolgen die Bilingualität, also das zweisprachige Lernen von Französisch und Deutsch, am Oberrhein. Aber wir können diese Bilingualität nicht gegen den Willen der Betroffenen als Zwangsmaßnahme von oben erreichen, sondern wir brauchen dazu positive Anreize. Herr Rau, wenn Sie sich so sehr für die flächendeckende Einführung von Französisch am Oberrhein verkämpfen, dann hätte ich mir von Ihnen den politischen Mut gewünscht, Französisch als erste Fremdsprache an der Grundschule flächendeckend für ganz Baden-Württemberg zu fordern. Das wäre konsequent gewesen und hätte Ihren politischen Mut bewiesen.
Viertens: Selbstverständlich müssen jetzt große finanzielle und organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, damit die Qualifizierung der Lehrkräfte schneller erfolgen kann. Wir fordern zusätzliche Vertretungslehrkräfte für eine Entlastung an den Grundschulen, wenn umfassende Weiterbildung durchgeführt wird.
Fünftens zum Gesamtkonzept: Da sind Sie uns eine Antwort schuldig geblieben. Es gibt bislang noch keine befriedigende Lösung für die Fortsetzung des Fremdsprachenunterrichts in den weiterführenden Schulen.
Für die Gymnasien haben Sie überhaupt nichts zu sagen, aber auch für die Hauptschüler ist die Lösung – zum Beispiel am Oberrhein –, vier Jahre an der Grundschule Französisch zu haben und hinterher Französisch in einer AG weiterzuführen und mit Englisch zu beginnen, absolut unbefriedigend. Hier fordern wir Sie auf, ein fundiertes Gesamtkonzept für Fremdsprachen auch für die weiterführenden Schulen zu entwickeln.
Ich komme zu einem weiteren Punkt. Sie berücksichtigen überhaupt nicht – das habe ich schon in der Vergangenheit angemahnt – die Sprachenvielfalt, die wir in Baden-Württemberg bereits haben. Wir haben Kinder aus verschiedenen Herkunftsländern, die bereits über eine große Sprachenvielfalt verfügen. Das ist doch eine Bereicherung für unser Bundesland.
Wir verlangen, dass diese Schüler und Schülerinnen in Baden-Württemberg endlich ihre Muttersprache bzw. Herkunftssprache als Fremdsprachenkompetenz zertifiziert bekommen. Es ist eine Bereicherung, wenn wir junge Menschen haben, die einen qualifizierten Abschluss in ihrer Herkunftssprache machen können.
Zum Schluss noch ein Wort zur Leistungsrückmeldung. Kinder wollen ihre Leistung bewertet wissen. Kinder wollen etwas leisten. Deshalb muss der Fremdsprachenunterricht ergebnisorientiert und an den individuellen Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten jedes Kindes orientiert sein. Noten sind hierbei kontraproduktiv. Wir fordern deshalb Lernentwicklungsberichte statt Noten. Damit befinden wir uns in guter Gesellschaft mit dem Landeselternbeirat und allen Verbänden einschließlich der Schulleiterverbände.
Wir wollen Kinder ermutigen. Kinder sollen ihre Freude an den Fremdsprachen behalten. Dass Sie, Frau Ministerin, jetzt Noten einführen wollen, übrigens auch gegen die Empfehlungen der Lehrplankommission, ist politisch und nicht pädagogisch begründet. Das wird zu einer Verschärfung der Auslese für das Gymnasium führen,
und das wollen wir nicht. Der Übergang für Kinder ins Gymnasium muss weiter chancengleich gewährleistet werden.
Ich komme zum Schluss. Noch ist es Zeit, die Weichen für die Einführung von Fremdsprachen in Baden-Württemberg so zu stellen, dass es ein Erfolgsmodell wird. Mit unserem Antrag wollen wir dazu beitragen, und deshalb fordere ich
Sie dazu auf, den fünf Punkten in unserem Fraktionsantrag heute zuzustimmen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Rau, sind Sie sich dessen bewusst, dass Sie genau mit Ihren Äußerungen den Glaubenskrieg „Englisch oder Französisch?“ und den betreffenden Konflikt am Oberrhein provozieren, indem Sie nicht sagen: „Wir unterbreiten beide Angebote, fördern dabei aber insbesondere Französisch, indem wir zum Beispiel auch im Kindergarten am Oberrhein verstärkt Französisch einführen, indem wir in allen Schularten anbieten, ab Klasse 5 mit Französisch weiterzumachen, auch mit Französisch zu beginnen“? Vielmehr provozieren Sie Widerstände und tragen damit letztlich zu einer Demotivation und zu großen Problemen am Oberrhein bei.
Ich habe eine Frage zu der Weiterführung des Fremdsprachenunterrichts in den weiterführenden Schulen. Haben Sie jetzt neue Erkenntnisse? Denn in Ihrer Stellungnahme vom 20. Oktober 2000 zu unserem Antrag schreiben Sie zum Punkt „Anschlüsse Gymnasium an die Grundschulfremdsprache“: „Über die Konsequenzen für die Fremdsprachenangebote des Gymnasiums wird insgesamt gesondert entschieden.“ Haben Sie darüber in der Zwischenzeit entschieden? Das ist die erste Frage.
Zweite Frage: Ist es zutreffend, dass es in Karlsruhe an fünf Grundschulen ein Französischangebot gibt, aber die Kriterien des Verbundes dabei nicht erfüllt werden? Denn diese fünf Grundschulen und auch die zugeordneten weiterführenden Schulen liegen verstreut im Stadtgebiet. Hier kann man nicht von einem geschlossenen Verbund sprechen.
Ist es zutreffend, dass dies nicht den Kriterien eines Verbundes entspricht, sondern an der Oberrheinschiene Französisch nur angeboten wird, um im Vorfeld schon vollendete Tatsachen zu schaffen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, Sie haben diese Große Anfrage mit Sicherheit ja nicht gestellt, um sich über das berufliche Schulwesen zu informieren, sondern um sich für das, was Sie in diesem Bereich tun, zu loben. Sie werden sicher verstehen, dass ich nun einige kritische Anmerkungen dazu machen werde, wobei ich hinzufügen muss – und das möchte ich am Anfang betonen –: In den letzten Jahren haben im Bereich des beruflichen Schulwesens durchaus überfällige Modernisierungen und Aktualisierungen stattgefunden. Dies möchte ich ausdrücklich begrüßen. Aber es gibt auch Defizite, und meine Aufgabe ist es, nun an einigen Punkten auf diese Defizite hinzuweisen.
Zunächst aber noch eine kleine Vorbemerkung: Aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU geht hervor, dass sie die Perspektiven für die Jugendlichen in Baden-Württemberg als gut betrachtet. Sie verweist darauf, dass nur 4,5 % der Jugendlichen arbeitslos sind. Das ist der zweitgeringste Wert bundesweit. Das ist sicher positiv, aber ich möchte einfach sagen: Jeder einzelne Jugendliche, der ohne Perspektive in die Arbeitslosigkeit geschickt wird, ist einer zu viel. Wir können und dürfen erst richtig zufrieden sein, wenn alle Jugendlichen in unserem Bundesland beruflich und sozial integriert werden können.
Nun zu den kritischen Punkten. Herr Wintruff hat bereits darauf hingewiesen, dass wir in der Tat einen hohen Lehrermangel in Baden-Württemberg im Bereich der Berufsschulen haben. An den beruflichen Schulen fehlen – das hat die Ministerin selbst zugegeben – 1 000 Deputate. Nun ist es nicht damit getan, immer wieder zu betonen, dass wir im Vergleich zu den anderen Bundesländern eine hohe Messlatte haben – wir haben 13 Wochenstunden Berufsschulunterricht, während die anderen weniger haben –, sondern wenn Sie die Messlatte so hoch legen, wenn Sie 13 Wochenstunden ansetzen, dann müssen Sie sich an Ihren eigenen Ansprüchen messen lassen und nicht an den Ansprüchen anderer Bundesländer.
Wir müssen deshalb große Anstrengungen unternehmen, damit dieser strukturelle Lehrermangel, insbesondere was die Spezialisten an den beruflichen Schulen anbelangt, abgebaut werden kann. Wir brauchen dazu zusätzliche Lehrerstellen in Baden-Württemberg. Wir brauchen aber auch ein Konzept zur Gewinnung der Spezialisten, zum Beispiel zur Gewinnung von Informatikern und Elektroingenieuren. Dazu gehört vor allem, dass diese Spezialisten mit Lehraufträgen einige Stunden an den beruflichen Schulen unterrichten, denn wir werden bei der derzeitigen Konkurrenzsituation mit der Wirtschaft sicher nicht genügend Vollzeitlehrkräfte an die Schule bekommen.
Zweitens zur Multimediaausstattung der beruflichen Schulen: Hier besteht ein erheblicher Nachholbedarf. Die Schulen klagen darüber, dass sie die moderne Ausstattung, die sie brauchen, nicht haben. Sie müssen die gleiche Ausstattung wie die Betriebe haben, damit die Schüler und Schülerinnen nicht im Berufsschulunterricht demotiviert werden. Deshalb fordern wir Grünen eine Multimediaoffensive von 1 Milliarde DM.
Egal, ob Zukunftsoffensive, Multimediaoffensive: 1 Milliarde DM – diese Offensive haben wir bereits vorgestellt – für Hardware, für die Lehrerqualifizierung, aber auch für die Netzwerkbetreuung, damit die beruflichen Schulen die Ausstattung bekommen, die sie für eine fundierte Ausbildung in ihren Bereichen brauchen.
Drittens: Fremdsprachen an den beruflichen Schulen – immer noch ein düsteres Kapitel. Nur 11 500 Azubis bekommen Englischunterricht, 1 500 Französischunterricht. Bezogen auf die Gesamtzahl der Azubis sind das 6,4 %. Ich frage Sie: Sollen unsere Auszubildenden ihre Fremdsprachenkenntnisse aus den allgemein bildenden Schulen vergessen? Welchen Sinn macht es, wenn ein Hauptschüler fünf Jahre unter großen Mühen Englisch gelernt hat und es dann in der Berufsschule nicht weitergeht? Die Azubis müssen endlich Fremdsprachenunterricht in der Berufsschule bekommen.
Viertens ein Problem, das vor Ort immer noch auf den Nägeln brennt – Sie müssen es wissen, Herr Wieser –: Die Abschlussprüfung ist auf zwei Tage verdichtet. Warum mutet man den Berufsschülern zu, unter diesen hohen Belastungen ihre Abschlussprüfung zu machen?
Das mutet man einem Abiturienten nicht zu; dem werden drei Wochen zugestanden. Deshalb ist die Forderung richtig, die Abschlussprüfung wieder zu entzerren und den Berufsschülern, die ohnehin größere Schwierigkeiten haben, gute Chancen für ihre Abschlussprüfung zu geben.
Fünfter und letzter Punkt: In Baden-Württemberg ist es notwendig, doppelt qualifizierende Abschlüsse an den beruflichen Schulen zu ermöglichen. Bis jetzt gibt es kaum welche. Dann können Jugendliche gleichzeitig einen Berufsabschluss erzielen und die Fachhochschulreife machen. Das spart Ressourcen, aber auch Lebenszeit von Jugendlichen für die Ausbildung. Es gibt an den beruflichen Schulen motivierte und leistungsfähige Jugendliche, die dies tun wollen.
Ich komme zum Schluss: Wir alle betonen die Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung mit der Bildung an den allgemein bildenden Schulen. Wenn wir dieses Ziel ernst nehmen, müssen größere Anstrengungen im Bereich des beruflichen Schulwesens unternommen werden, damit die Jugendlichen gute Perspektiven in beruflicher, in sozialer und in persönlicher Beziehung bekommen.
Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir werden heute dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zustimmen, auch wenn wir Grünen weiter gehende Vorstellungen haben. Unser erklärtes Ziel ist es, in Baden-Württemberg die volle Halbtagsgrundschule mit einer Öffnungszeit von fünf Zeitstunden für alle Grundschulkinder von Klasse 1 bis 4 einzuführen.
Wir brauchen diese volle Halbtagsgrundschule aus familienpolitischen Gründen, wir brauchen sie wegen der Veränderungen in der Kindheit. Wir brauchen die volle Halbtagsgrundschule vor allem auch aus pädagogischen Gründen. Wir brauchen die Grundschule als einen Lern- und Lebensort für alle Kinder, für soziales Lernen der Kinder, für die Förderung von Kindern mit Teilleistungsschwächen, mit sozialen Auffälligkeiten und Problemen. Wir
brauchen die Halbtagsgrundschule für die Gesundheitserziehung. Wir haben anhand einer Studie gerade wieder gehört, welche Defizite hier bei vielen Kindern bestehen. Wir brauchen die volle Halbtagsgrundschule für Kinder aus unterschiedlichen Herkunftsländern, die Probleme mit der deutschen Sprache haben, und wir brauchen sie auch, um Spiel und Bewegung stärker integrieren zu können.
Sie, Frau Ministerin, brüsten sich jetzt damit – um ein Beispiel zu nennen –, Sie hätten die Stunden für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche verdreifacht. Aber Sie vergessen hinzuzufügen, dass dies um den Preis des Einsammelns der noch vorhandenen Förderstunden an der Grundschule erfolgt ist. Das heißt, diejenigen Kinder, die nicht das Glück haben, in eine solche zentrale Fördergruppe zu kommen, bleiben auf der Strecke. Das entspricht nicht unserer Vorstellung von Chancengleichheit und Förderung aller Kinder an den Grundschulen in unserem Land.
Ich gebe Ihnen Recht, Herr Rau: Was den Bildungsplan betrifft, braucht man die Grundschule in Baden-Württemberg nicht neu zu erfinden. Aber wenn Sie an die Schulen gehen, wenn Sie mit Eltern, mit Lehrern und Lehrerinnen sprechen, werden Sie hören, dass in der Grundschule einfach mehr Zeit gebraucht wird. Wir haben nur diesen verdichteten Unterrichtszeitraum – Herr Zeller hat es schon gesagt – mit 20 Unterrichtsstunden à 45 Minuten in der ersten Klasse. Damit sind wir bundesweit Schlusslicht. Wir brauchen mehr Zeit für die Förderung, aber auch für einen pädagogisch ausgestalteten Unterrichtsvormittag.
Wenn ich unser Konzept, unsere Vorstellung von einer echten Halbtagsgrundschule mit Ihrer verlässlichen Grundschule vergleiche, dann ist letztere in der Tat ein Etikettenschwindel oder eine Mogelpackung. Mit Ihrem Konzept geben Sie lediglich dem stärksten Druck aus der Gesellschaft nach. Der Druck ist vorhanden. Ich erinnere Sie daran: Vor zwei Jahren haben selbst die katholischen Landfrauen die Einführung der Halbtagsgrundschule massiv eingefordert.
Das wollte ich damals schon erklären; ich erkläre es Ihnen aber gerne heute. Dort herrscht tatsächlich noch die traditionelle Vorstellung vom Hort der Familie vor. Selbst diese Frauen fordern inzwischen die Einführung einer vollen Halbtagsgrundschule für alle Kinder.
Ihr Modell ist noch immer bedarfsorientiert.
Im Übrigen, wenn man sich vor Ort informiert – zurzeit bin ich viel in den Regionen Baden-Württembergs unterwegs –, erfährt man, dass Eltern es nicht nachvollziehen können, wenn in einem Ort die Kernzeitenbetreuung 100 DM monatlich kostet, während sie an der Grundschule im Nachbarort 50 DM und in einer dritten Kommune überhaupt
nichts kostet. Das ist keine Vielfalt, sondern einfach ein Schlamassel, der auf dem Rücken der Eltern und Kinder in unserem Land ausgetragen wird.
Sie sprechen von einem Erfolgsmodell. Ich kann Ihnen sagen, die Betreuung, die Sie anbieten, wird nicht gut angenommen, weil Eltern mit dieser Form der Betreuung etwas verbinden, was sie gezwungenermaßen in Anspruch nehmen müssen, aber nicht als pädagogisches Angebot wahrnehmen. Im letzten Schuljahr haben ein Drittel der Grundschulen Kernzeitenbetreuung angeboten. Jetzt sind es 70 % der Grundschulen.
Sie müssen aber berücksichtigen, um wie viele Kinder es sich handelt. Während im letzten Schuljahr etwa 3,5 % der Grundschulkinder betreut wurden, hat sich inzwischen in vielen Regionen die Anzahl der Kinder verdoppelt. Wir werden nachfragen. Es wird sich herausstellen, dass maximal 7, 8 oder 9 % der Kinder tatsächlich betreut werden. Das heißt, das Angebot wird nicht angenommen.
Die Familien würden eine zuverlässige Halbtagsgrundschule begrüßen. Aber eine Betreuung, die Geld kostet und für die man das Kind extra anmelden muss, wird in BadenWürttemberg nicht in dieser Form angenommen. Deshalb hat auch der Landeselternbeirat Kritik geäußert. Frau Picker, die Vorsitzende des Landeselternbeirats, fordert im Rahmen dieses Modells zumindest einen Rechtsanspruch auf Betreuung. Sie fordert, dass das Unterrichtsvolumen ausgeweitet wird; sie spricht von mindestens zehn zusätzlichen Wochenstunden in der Grundschule.
Diejenigen, die etwas Positives über die verlässliche Grundschule sagen, äußern, es sei ein erster Schritt. Aber, meine Damen und Herren, die Gesellschaft und die Schulen haben sich so weit entwickelt, dass wir mit ersten Schritten nicht mehr leben können und leben wollen. Wir müssen jetzt das tun, was gesellschaftlich und was für die Familien und die Kinder erforderlich ist. Dazu müssen wir Prioritäten setzen.
Herr Rau, ich sage Ihnen: Wir haben in den letzten Haushaltsberatungen die Mittel beantragt. Wir haben 70 Millionen DM für die Beschäftigung von Erzieherinnen und 2 000 zusätzliche Lehrerstellen beantragt.
Für unsere Fraktion hat die Halbtagsgrundschule Priorität. Wir werden sie weiter einfordern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rau, auch wenn es Ihnen, auch wenn es der Kultusministerin, auch wenn es den Regierungsfraktionen nicht passt: Das Thema Halbtagsgrundschule wird dieses Haus weiter beschäftigen. Es wird dieses Haus so lange weiter beschäftigen, bis Sie Ihre Hausaufgaben gemacht haben und die Grundschule endlich in einer Weise entwickelt wird, wie es den pädagogischen und familienpolitischen Anforderungen unserer heutigen Zeit entspricht.
Als Schule für alle Kinder in unserer Gesellschaft – ich betone: auch für die behinderten Kinder, deren Eltern einen gemeinsamen Unterricht mit nicht behinderten Kindern in der Schule wünschen – hat die Grundschule die Aufgabe, alle Kinder entsprechend ihren individuellen Anlagen und Fähigkeiten zu bilden und zu erziehen.
Die Grundschule hat aber auch die Aufgabe der sozialen Integration aller Kinder unserer Gesellschaft, der Kinder unterschiedlichster sozialer und kultureller Herkunft. Dazu braucht die Grundschule – das hören wir draußen immer wieder – vor allem eines: Sie braucht mehr Zeit. Ich muss es immer wieder wiederholen, Herr Rau: Baden-Württemberg liegt, was die Zeit für die Kinder an der Grundschule anbelangt, auf Platz 16 und ist damit im bundesweiten Vergleich das Schlusslicht.
Nun zum Thema Schulgeld. Wenn in der Zeit, in der andere Bundesländer Unterricht, Bildung und Erziehung bieten, in unserem Bundesland Betreuung stattfindet und diese Betreuung Geld kostet, dann trifft das den Sachverhalt von Schulgeld in Baden-Württemberg. Das deutlich zu machen ist auf keinen Fall eine Verleumdung.
Wir brauchen in Baden-Württemberg eine echte Halbtagsgrundschule und kein überkommenes Kernzeitenmodell, wir brauchen die echte Halbtagsgrundschule in der pädagogischen und finanziellen Verantwortung des Landes. Wir Grünen haben dazu in der Vergangenheit Anträge eingebracht; wir werden wieder Anträge einbringen, vor allem zu den nächsten Haushalten.
Die Kernzeitenbetreuung in Baden-Württemberg, die Sie als verlässliche Grundschule bezeichnen, sieht doch so aus: Der Unterricht bleibt verdichtet, die Betreuung ist vor und
nach dem Unterricht angeklebt, die Kommunen haben den schwarzen Peter der organisatorischen Durchführung und die Hauptlast der Finanzierung, und die Eltern werden zur Kasse gebeten.
Herr Rau, hören Sie sich um: Es gibt Gebühren. Es gibt – das stimmt – Kommunen, die keine Gebühren verlangen, zum Beispiel Ravensburg, aber die Stadt wird dabei über die Maßen belastet. Es gibt Kommunen, die 120 und 130 DM verlangen, und das ist kein Beitrag zu einer besseren Familienpolitik in Baden-Württemberg.
Konkret mit Blick auf das kommende Schuljahr sieht es so aus: Erstens: Momentan gibt es Kernzeitenbetreuung für ca. 4 % der Kinder. Wie ich jetzt überall im Lande mitbekomme, wird die Kernzeitenbetreuung lediglich so ausgeweitet, dass weitere ca. 5 bis 6 % der Kinder betreut werden können. Das muss man sich einmal vorstellen, nachdem die Ministerin vor eineinhalb Jahren gesagt hatte: Ich garantiere ein Zeitvolumen von fünfeinhalb Stunden.
Zweitens: Auch künftig wird es in Baden-Württemberg Kinder geben, die außen vor bleiben mit dem Schlüssel um den Hals, weil ihre Eltern die Gebühren für die wenigen Randstunden nicht bezahlen können. Auch das ist kein Beitrag zu einer familienfreundlichen Politik in Baden-Württemberg.
Drittens: In den Großstädten wird sich die Betreuung verschlechtern. In den Großstädten haben wir heute sehr gute Modelle, bei denen die Betreuung mit dem Unterricht pädagogisch verzahnt ist, wie das zum Beispiel in Karlsruhe der Fall ist. Konsequenterweise hat der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe einstimmig, das heißt auch mit den Stimmen der CDU-Stadträte, beschlossen, das Modell der verlässlichen Grundschule zum kommenden Schuljahr nicht einzuführen.
Denn für die Großstädte bedeutet es eine Absenkung der bereits erreichten Qualitätsstandards.