Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Wir setzen auf Zahlen, die unabweisbar sind.

(Abg. Brinkmann SPD: Und auf Hochdeutsch!)

Nach dem Eildienst des Statistischen Landesamts nimmt die Zahl der Arbeitsplätze in Baden-Württemberg in einem Jahr um 48 000 zu. In Baden-Württemberg geht die Beschäftigung nach oben und die Arbeitslosigkeit nach unten. Die Arbeitslosenquote in Baden-Württemberg sinkt stärker als in jedem anderen Bundesland. Wir setzen darauf, dass Haushaltspolitik und unsere Maßnahmen zur Bildung und Beschäftigung, dass sparsames Wirtschaften im Umgang mit Geld und Finanzen und dass unsere Infrastruktur auch in Zukunft dafür sorgen, dass Baden-Württemberg der beste Standort mit Beschäftigungsperspektiven bleibt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Insoweit ist der Haushalt ein zeitgerechtes Zahlenwerk, ist der Haushalt eine Grundlage, mit der Baden-Württemberg ins nächste Jahrhundert geht. Wir verbinden mit diesem Haushalt, der eine hohe Aktualität für sich behaupten kann, die Zusage, dass es dort, wo Ergänzungen notwendig sind, im Nachtrag im Herbst dieses Jahres zu Ergänzungen kommen wird.

Diese Landesregierung, CDU und FDP/DVP als Mehrheitsfraktionen hier im Parlament, wir bleiben handlungsfähig. Das Arbeitsjahr 2000 wird für uns bis in den späten Herbst, während des ganzen Jahres ein Arbeitsjahr für den Standort Baden-Württemberg sein.

Trotzdem gestehe ich als Christdemokrat hier nachdenklich, zerknirscht und ärgerlich zu: Die Finanzaffäre der CDU Deutschlands und die Skandale, die in Wiesbaden offenbar geworden sind, belasten auch unsere Politik. Deswegen will ich deutlich machen: Im Rahmen unserer Funktionen, dort, wo wir Einblick und Mitwirkung möglich machen können, dort, wo wir in Gremien und öffentlich die Forderung nach Aufarbeitung verdeutlichen und verstärken können, werden wir, die Christdemokraten aus BadenWürttemberg, dies tun. Dabei gibt es nichts zu beschönigen. Dabei wird nötigenfalls auch ein sehr kritisches Urteil über führende Persönlichkeiten notwendig sein.

(Zurufe der Abg. Walter und Dr. Hildebrandt Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Aufarbeitung wird in der CDU Baden-Württembergs neben der Regierungsarbeit nüchtern und umfassend so angestellt, dass kein dauerhafter Vertrauensschaden für die Demokratie in Deutschland bleiben muss.

Aber auch wenn der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags diese Aufgabe ergänzt, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Pflicht tut und tun wird, wenn die Gremien der CDU Deutschlands zur Aufklärung aufgerufen sind und wenn die Medien eine nachweisbar gute Recherchearbeit leisten und auch weiter leisten werden, besteht kein Grund, dass ein generelles Misstrauen die parlamentarische Arbeit überzieht. Meine Bitte an die Kollegen der Opposition: Stellen Sie die Fragen, die Sie haben. Erwarten Sie die Antwort, die parlamentarisch geboten ist. Aber übersäen Sie uns nicht mit Verdächtigungen, Vermutungen und jeden Tag einem neuen Gerücht.

(Beifall bei der CDU)

Ich setze darauf, dass die Landespolitik in Baden-Württemberg von sich Rechtschaffenheit, Solidität und Einhaltung von Gesetzen behaupten kann. Jedenfalls legen wir in den nächsten Wochen darauf allergrößten Wert. Daraus, aus einem Arbeitsjahr 2000, aus einer Haushaltspolitik 2000/ 2001, aus einer intensiven Arbeit am Standort BadenWürttemberg, aus keiner Beschönigung der Finanzaffäre und aus der Beantwortung der notwendigen Fragen, aber der Zurückweisung von unhaltbaren Verdächtigungen,

(Abg. Mühlbeyer CDU: Sehr richtig!)

machen wir eine Arbeitsbilanz dieser Wahlperiode, mit der man gelassen, souverän und ehrgeizig ins Wahljahr 2001 treten kann.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Bei- fall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, heute hat Frau Kollegin Rudolf Geburtstag. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen, Frau Kollegin Rudolf, herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Maurer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der geschätzte Kollege Oettinger hat in weiten Bereichen

(Abg. Hauk CDU: Recht!)

über den Obermeisterbauch geredet – ein wichtiges Thema – und über Straßenbau bei einem Haushaltskapitel, bei dem die Aussprache in allen deutschen Parlamenten ja der Auseinandersetzung mit der politischen Linie des Regierungschefs und der grundsätzlichen politischen Auseinandersetzung dienen soll. Bis auf Ihre auf Dämpfung abzielenden Schlussbemerkungen haben Sie, Herr Kollege Oettinger, im Wesentlichen eine Rede zur Einbringung eines Haushalts gehalten. Ich denke, Sie haben gewusst, warum. Sie haben nach dem alten Wahlspruch des Herzogs von Alba gehandelt: „Es ist nichts.“

(Abg. Dr. Birk CDU: Albatros!)

Ich sage Ihnen: Wir sollten hier eine Debatte führen, die der grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der Politik des Ministerpräsidenten dient. Und ich sage Ihnen: Die Messlatte dieser Auseinandersetzung ist, ob Baden-Württemberg nach seinen Möglichkeiten oder unter seinen Möglichkeiten regiert wird. Wir sagen: Baden-Württemberg, Herr Kollege Oettinger, wird unter seinen Möglichkeiten regiert.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. Hehn CDU)

Baden-Württemberg wird unter seinen Möglichkeiten regiert, weil es in diesem Land zum ersten Mal die Chance gäbe,

(Zuruf des Abg. Hehn CDU)

Schulden abzubauen. Es gäbe zum ersten Mal die reale Chance, aus den 60 Milliarden DM Schulden, die wir jetzt haben, weniger zu machen. Das ist belegt und unterlegt. Das wird nicht gemacht, sondern stattdessen wird Herr Ministerpräsident Teufel, wie das seiner alten Gewohnheit entspricht, die Schulden des Landes Baden-Württemberg erhöhen, und zwar auf 63 Milliarden DM. Das bedeutet, dass das Land von diesem Ministerpräsidenten, was Staatsverschuldung und Schuldenabbau angeht, unter seinen Möglichkeiten regiert wird.

(Beifall bei der SPD)

Das Land wird unter seinen Möglichkeiten regiert,

(Abg. Haas CDU: Was die Opposition angeht!)

was die Fähigkeit zu einer wirklichen Verwaltungsreform und zu einem Abbau staatlicher Ebenen angeht. Hier kreuzen sich die Interessen am Machterhalt Ihrer Partei mit den staatspolitischen Notwendigkeiten, und deswegen werden wir weiter in einem byzantinischen Staatsaufbau leben, anstatt staatliche Ebenen zu beseitigen und wirkliche Entbürokratisierung voranzutreiben. Das Land wird unter seinen Möglichkeiten regiert.

(Abg. Kiel FDP/DVP: Das siebte Mal!)

Dieser Haushalt böte die Chance,

(Abg. Haas CDU: Am Ende glauben Sie das noch!)

über die Reduzierung der Schulden so viel an Spielraum bei Zinsen und Tilgung zu gewinnen, dass wir große Anstrengungen zur Lösung der Bildungsmisere auch in diesem Land unternehmen könnten. Dieser Haushalt böte die Chance, mit der Entschuldung ein Engagement für die Einführung der verlässlichen Grundschule, und zwar die tatsächliche Einführung und nicht die Anwendung irgendeines Tricks, wie das hier geschieht, und für wirkliche Unterrichtsgarantie in Baden-Württemberg zu machen. Dies erfolgt nicht. Das wichtige Thema „verlässliche Grundschule“ wird auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt, mit Plattitüden belegt, und die Unterrichtsgarantie wird nicht durch die Einstellung von jungen Leuten gegeben, sondern durch ein komplexes System von Neben- und Aushilfslehrern. Baden-Württemberg wird in der Bildungspolitik von diesem Ministerpräsidenten unter seinen Möglichkeiten regiert.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dieser Haushalt böte die Chance, ein wirkliches Zeichen zur Bekämpfung der Dauerarbeitslosigkeit zu setzen. Das größte Problem bei der Arbeitslosigkeit sind die Menschen, die schon so lange in Arbeitslosigkeit sind, dass sie kaum mehr zurückfinden können.

Dieses Land Baden-Württemberg, dieser Ministerpräsident stellt nicht die Komplementärmittel für Angebote der Europäischen Union zur Verfügung.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Das stimmt doch nicht! Das ist doch nicht wahr!)

Dieser Ministerpräsident ist einer der Letzten, die sich weigern, in Baden-Württemberg Altersteilzeit einzuführen und damit jungen Menschen eine Chance zu geben. Dieses Land wird von diesem Ministerpräsidenten unter seinen Möglichkeiten regiert.

(Beifall bei der SPD – Abg. Haas CDU: In Fast- nachtsreden gibt es auch immer diese Wiederho- lungen! – Gegenruf des Abg. Haasis CDU: Es ist auch die Zeit dazu! – Abg. Haas CDU: Fastnacht ist erst im März, Herr Maurer!)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, genügen die Arbeit des Ministerpräsidenten und auch sein sonstiges Auftreten nicht den großen Herausforderungen, denen wir

gerade in diesen Tagen insgesamt in der Politik ausgesetzt sind. Der Kollege Oettinger hat das zum Schluss mit einigen etwas dürren Worten angesprochen.

Diese Haushaltsauseinandersetzung fällt in eine Zeit größter Gefährdungen für das Ansehen der deutschen Demokratie in den Augen unserer Bevölkerung.

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Es besteht der Grundverdacht, dass politische Systeme ihrem Machtausbau und dem Machtwillen ihrer Anführer dienen und nicht mehr der Gesellschaft und dem Staat.

(Abg. Deuschle REP: Das sagt man bei Herrn Rau auch!)

Ich glaube, dass wir noch keine Staatskrise haben, aber eine sich immer noch verschärfende Krise der Volkspartei CDU.

(Abg. Seimetz CDU: Und der SPD!)

Ich will Ihnen sagen, dass bei mir angesichts dieser beispiellosen Entgleisungen und auch Selbstzerstörungsprozesse nicht der Hauch parteitaktischer Freude aufkommt.

(Abg. Haasis CDU: Das sieht man Ihrem Gesicht an!)