Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Einzelplan 03 bietet die willkommene Gelegenheit, sich mit der Politik des Innenministeriums, des Polizei- und Feuerwehrministeriums, des Kommunalministeriums, des Aussiedlerministeriums, des Ministeriums für Asylbewerber, auseinander zu setzen.
Ich habe mich bemüht, den Versuch zu unternehmen, die verschiedenen Politikfelder gemeinsam zu charakterisieren. Was sind die Eigenschaften, die die verschiedenen Politikfelder von Herrn Schäuble miteinander verbinden? Gibt es ein Muster, das in all diesen verschiedenen Politikfeldern erkennbar ist?
Ich bin auf folgendes Muster gekommen: Die Lösungen, die Herr Schäuble und das von ihm geführte Ministerium anbieten, können alle unter folgendes Label gefasst werden: Die Lösungen sind zum Ersten bürokratisch, zum Zweiten technokratisch und zum Dritten, meine Damen und Herren, in der Regel kalt. Die menschliche Seite ist in der Regel unterbelichtet.
Meine Damen und Herren, der erste Bereich ist der Asylbereich. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Altfallregelung für geduldete Asylbewerber. Da kann ich nur sagen: Die Altfallregelung gilt in allen Bundesländern. Nur, die Art, wie sie in Baden-Württemberg praktiziert wird, ist für die Menschen, die davon betroffen sind, mehr als schikanös.
Lassen Sie mich das an zwei Beispielen belegen. Erstens: Asylbewerber mit Kindern haben in der Bundesrepublik ein Bleiberecht, wenn sie vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind. In Nordrhein-Westfalen werden aber beispielsweise auch Kinder berücksichtigt, die nach diesem Stichtag geboren sind, bei uns in Baden-Württemberg nicht. Man sucht auch in diesem Bereich immer wieder nach Möglichkeiten, den Menschen, die hier sind und die geduldet sind und seit zehn Jahren und länger bei uns leben, möglichst das Leben schwer zu machen und ihnen keine Perspektive für das zukünftige Leben in unserer Gesellschaft zu geben.
Zweitens: Eine weitere Voraussetzung dafür, dass sie eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung bei uns bekommen, ist, dass sie am 19. November 1999 im Besitz eines dauerhaften Arbeitsverhältnisses waren. In Nordrhein-Westfalen genügt eine feste Arbeitsplatzzusage an diesem Termin. Bei uns muss es ein entsprechendes festes Arbeitsverhältnis sein.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest: Die CDU redet in Papieren von Integration und praktiziert das Gegenteil davon, und sie verweigert damit Menschen, die nachweislich nicht abgeschoben werden können, eine Perspektive in unserem Land. Das ist eine Politik, die meiner Meinung nach von der menschlichen Seite aus unterbelichtet ist.
Zweites Beispiel: der Kommunalbereich. In dieser Legislaturperiode wurde die Gemeindeordnung mehrfach reformiert. Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden wurde neu geregelt. Zum Teil haben wir das auch mitgetragen, aber nicht alles, zum Beispiel nicht die Subsidiaritätsklausel. Ich denke, manche der Kommunalpolitiker der Union waren auch nicht sehr glücklich über diese Subsidiaritätsklausel. Das ist auch mehr dem Koalitionspartner geschuldet gewesen.
Wo man sich bei der Reform aber sehr stark zurückgehalten hat, war die Reform der Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger, der Menschen am Gemeinwesen. Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg ist bei der Bürgerbeteiligung und beim Bürgerentscheid inzwischen
das Schlusslicht aller Bundesländer. Alle anderen haben bessere Regelungen als wir. Inzwischen, meine Damen und Herren, nehmen Bürgerinnen und Bürger diese Angelegenheit selbst in die Hand. Sie haben die Hoffnung inzwischen aufgegeben, dass die CDU-FDP/DVP-Landesregierung eine fortschrittliche Regelung beschließt. Sie haben inzwischen ein landesweites Volksbegehren eingeleitet, und sie fordern mit diesem Volksbegehren, dass es mehr Möglichkeiten für Bürgerentscheide in Gemeinden bei Fragen gibt, bei denen sie bislang nicht möglich sind, nämlich zum Beispiel über Straßen, über Bebauungspläne oder über Haushaltsfragen. Sie fordern die Einführung von Bürgerentscheiden auch in Landkreisen, zum Beispiel über Müllfragen und über das Krankenhaus. Sie fordern die Abschaffung der bisher geforderten Mindestzustimmung bei Bürgerentscheiden.
Meine Damen und Herren, es ist doch absurd, dass ein Drittel aller Bürgerentscheide allein deshalb ungültig sind
Wenn bei Bürgermeisterwahlen die gleiche Regelung gelten würde, hätte die Hälfte der Gemeinden keinen Bürgermeister. Ich meine, diese Forderung der Bürger, die in diesem landesweiten Volksbegehren erhoben wird – demnächst werden ja dem Innenministerium die entsprechenden Unterschriften übergeben –, ist vernünftig. Ich möchte heute schon ankündigen, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Entwurf der Bürger hier im Parlament einbringen wird, und sie lädt alle anderen Fraktionen herzlich dazu ein, den Entwurf mit zu unterzeichnen und ihn in Baden-Württemberg zum Gesetz werden zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich denke, dass die Politik in diesem Bereich in Baden-Württemberg eine große Chance hat. Wer Bürgern die Möglichkeit gibt, Sachentscheidungen selbst zu treffen, stärkt die Verantwortung für unser Gemeinwesen und tut etwas gegen das weit verbreitete Gefühl, dass die da oben ja doch machen, was sie wollen, und gibt den Bürgern das Gefühl, dass sie selbst etwas zu sagen haben. Ich kann Sie nur dazu aufrufen, auf die Menschen zuzugehen, die sich in diesen Zeiten von der Politik in unserem Land abgewandt haben.
Ich komme zum dritten Beispiel, zur Polizei. Hier möchte ich zunächst einmal mit einem Lob für die Landesregierung beginnen.
Mit dem Technikstrukturprogramm mit einem Volumen von 680 Millionen DM korrigiert sie die eigenen Versäumnisse der letzten 20 Jahre in diesem Bereich. Sie bringt der Polizei endlich das entsprechende Handwerkszeug, das sie in die Lage versetzt, ihre Aufgabe vernünftig zu erfüllen.
Jetzt komme ich allerdings zur Kritik. Die Landesregierung und die sie tragenden Parteien tun sehr viel für die Technik, aber wenig für die Menschen bei der Polizei.
Überall im Land redet man – und auch das Innenministerium tut das – ständig davon, wie wichtig die Präsenz der Polizei im Land ist, wie wichtig es ist, dass die Menschen in unserem Land in ihren Vierteln die Polizei als Ansprechpartner haben. Gleichzeitig lassen diese Landesregierung und die sie tragenden Parteien zu, dass inzwischen allein in Baden-Württemberg schon 200 Polizeistellen verwaist sind. Schon 200 Polizistinnen nehmen Erziehungsurlaub in Anspruch und können nicht ersetzt werden. Das Problem ist seit langem erkannt. Bündnis 90/Die Grünen und auch die SPD
weisen schon seit Jahren darauf hin und drängen auf Abhilfe. Jahre, nachdem die entsprechenden Zahlen aufgrund von Grünen-Anträgen auf dem Tisch liegen, tritt die CDU jetzt in die Sachaufklärung ein. Vor 13 Jahren wurden die ersten Polizistinnen bei der Schutzpolizei eingestellt, die dort einen wichtigen Beitrag leisten. 13 Jahre später entdeckt die CDU, dass die Polizeibeamtinnen auch Kinder bekommen können. Da kann ich nur sagen: Guten Morgen!
In diesem Zusammenhang finde ich es einfach unverschämt, dass die CDU in Pressemitteilungen davon spricht, dass die SPD und die Grünen mit ihren Anträgen populistische Schnellschüsse veranstalten. Ich kann dazu nur sagen: Die CDU hat die letzten 13 Jahre schlicht und ergreifend verschlafen.
Ich muss auch sagen, dass ich ein bisschen enttäuscht darüber bin, wie die CDU dieses Problem behandelt hat.
Insbesondere bin ich auch darüber enttäuscht, wie der CDU-Polizeisprecher dieses Problem behandelt hat. Vor eineinhalb Jahren haben wir bei einem Gespräch mit der Gewerkschaft der Polizei mit allen Polizeisprechern der demokratischen Parteien in diesem Hause
vereinbart, dass wir in diesem Doppelhaushalt dieses Problem in einer ersten Tranche angehen. Vor eineinhalb Jahren! Die CDU-Fraktion hätte eineinhalb Jahre Zeit gehabt, sich diesem Problem zu stellen. Eineinhalb Jahre ist in dieser CDU-Fraktion nichts passiert. Die entsprechende Zusage wurde nicht eingehalten. Ich finde das einen sehr, sehr schlechten Stil der CDU gegenüber den Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen in diesem Land, meine Damen und Herren.
Ich komme zum vierten Beispiel, und zwar zu den anlassunabhängigen Polizeikontrollen. Das ist nicht nur ein Beispiel dafür, dass bei der Landesregierung menschliches Verhalten ab und zu ausgeblendet wird, sondern auch dafür, dass man im populistischen Übereifer auch einmal im Vorbeigehen Verfassungsrecht verletzt.
Meine Damen und Herren, mit den anlassunabhängigen Polizeikontrollen muss jeder Mensch, der auf Durchgangsstraßen in unserem Land unterwegs ist, Polizeikontrollen dulden, egal, ob er durch sein Verhalten dazu Anlass gegeben hat oder nicht.
Schon bei der Einführung dieser Regelung hat unsere Fraktion die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bezweifelt, wie übrigens auch der Landesdatenschutzbeauftragte. Jetzt hat das Verfassungsgericht von Mecklenburg-Vorpommern eine vergleichbare Regelung kassiert. Ich zitiere:
Auf Durchgangsstraßen außerhalb des 30 Kilometer tiefen Grenzgebiets dürfen ereignis- und verdachtslose Identitätsfeststellungen von jedermann nicht stattfinden. Denn ein jeder hat das Recht zu selbstbestimmtem Verhalten. Das schließt die beliebige Vereinnahmung zu staatlicher Zweckverfolgung aus. Vielmehr ist verfassungsrechtlich ein hinreichender Grund dafür erforderlich, dass der Einzelne zur vorbeugenden Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität in die Verantwortung genommen wird. Dafür genügt nicht allein der Umstand,