Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

Dennoch sage ich: So erfreulich diese Zahlen sind, sehe ich es tatsächlich als Aufgabe des Landes und des Sozialministeriums an, ein Gesamtkonzept für die künftigen Strukturen der Selbsthilfeförderung in unserem Land zu entwickeln. Dies scheint mir umso dringlicher, als im Rahmen der unvermeidlich zu erwähnenden rot-grünen Rumpf-Gesundheitsreform den gesetzlichen Krankenkassen die Förderung von Selbsthilfearbeit mit bis zu 1 DM pro Versichertem ermöglicht werden soll. Wie viel Geld tatsächlich fließen wird, ist allerdings angesichts der Budgetproblematik und der Vorgabe der Beitragssatzstabilität schwierig zu prognostizieren.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Aber jetzt seid doch mal froh, dass es das wieder gibt, was Seehofer abgeschafft hatte! – Abg. Dr. Walter Müller SPD: Das Glas ist halb voll!)

Ja, ich begrüße es ja, dass Sie diese Möglichkeiten geschaffen haben. Aber wenn das Geld dafür aus den bestehenden Budgets herausgeschwitzt werden muss, dann, fürchte ich, wird es schwierig sein.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt kommen wieder die Ärzte! – Zuruf des Abg. Pfis- ter FDP/DVP)

Nicht Ärzte. Es gibt einen Originalton von Krankenkassenvertretern, die sagen: Keine einzige Mark werden wir für neue Aufgaben ausgeben, solange wir vor drohenden Beitragssatzsteigerungen stehen. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen. Man kann Wünsche äußern; aber wenn man nachher die Mittel und Möglichkeiten nicht gibt, dann ist das, denke ich, ein bisschen Augenwischerei.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Sol- len wir die Beiträge erhöhen?)

Ein weiteres Thema, bei dem wir auch innovativ Gelder im Landeshaushalt einsetzen, meine Damen und Herren, ist das Thema Hospizarbeit. Lange Zeit war in der Tat das Thema Tod, Sterben in unserer Gesellschaft ein Tabuthema. Auch die Medizin hat sich immer ein bisschen schwer damit getan, Menschen nicht mehr heilen, nicht mehr therapieren zu können, weil der Mediziner den Tod grundsätzlich als Niederlage begreift.

Hier hat sich, denke ich, Gott sei Dank ein Wandel vollzogen. Gerade die ehrenamtliche Hospizarbeit leistet hier wertvolle Hilfe,

(Beifall bei der FDP/DVP)

Hilfe im Umgang mit Sterbenden und deren Angehörigen. Deshalb begrüßen wir, Herr Müller, ausdrücklich den Einstieg in die Landesförderung der Hospizarbeit einschließlich Fortbildungsmaßnahmen mit jeweils 250 000 DM im Jahr. Gerade die ehrenamtlich in der Sterbebegleitung Tätigen sind in besonderem Maß auf Fortbildung und Begleitung ihrer Arbeit angewiesen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ein echtes Defizit besteht nach wie vor bei der schmerztherapeutischen Versorgung, zum Beispiel von Tumorpatienten im letzten Stadium, vor allem im ambulanten Bereich. Auch hier hat das Land modellhaft Sonderpflegedienste wie das Tübinger Modell gefördert, das natürlich nicht nur den schmerztherapeutischen Aspekt beinhaltet. Da sind Menschen, die die Klinik verlassen, um in ihrer häuslichen Umgebung zu sterben, von ihrem vertrauten Klinikpersonal mit spezieller schmerztherapeutischer Kompetenz weiter versorgt worden.

Diese Sonderdienste müssten, wenn sie allein aus Krankenkassen- und Pflegekassenbeiträgen finanziert würden, einen unzumutbar hohen Eigenanteil von den Patienten verlangen. Deshalb finden wir es richtig, dass die Förderung, die eigentlich, weil es ein Modell war, jetzt hätte auslaufen sollen, fortgesetzt wird, und zwar mit 450 000 DM pro Jahr.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich denke, Herr Müller, Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass wir hier durchaus Impulse im Sinne der betroffenen Menschen, im Sinne der ehrenamtlich Tätigen, im Sinne der Weiterentwicklung von bürgerschaftlichem Engagement gesetzt haben.

Im stationären Sektor – da beziehe ich mich jetzt auf einen Zeitungsbericht – gibt es wohl Probleme mit der Bereitstellung von Palliativbetten. Diese werden aufgrund der demographischen Entwicklung sicherlich an Bedeutung gewinnen. Im Rahmen dessen sollte auch das Stiefkind Schmerztherapie etwas mehr in den Blick genommen werden. Ich denke, es gehört auch verstärkte Aufklärung und Fortbildung der Ärzteschaft, der niedergelassenen Ärzte dazu, damit die wohl immer noch recht große Zurückhaltung beim Einsatz von hoch wirksamen Schmerz- und Betäubungsmitteln etwas gelockert wird. Denn die Frage des Suchtpotenzials dürfte bei Patienten im Endstadium nun wirklich keine Rolle mehr spielen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Ein kurzes Wort, Herr Müller, zum Kindergartengesetz. Wir haben in der Tat mit der Änderung und Umstellung auf die Pauschalförderung nach Gruppen flexible, vom Regelkindergarten abweichende Betreuungsformen gefördert.

(Abg. Dr. Eva Stanienda CDU: Qualitätsverbesse- rung!)

Ihre vehementen Attacken im Vorfeld dieser Neuordnung der Kindergartenförderung sind wirklich ins Leere gelaufen.

(Abg. Haas CDU: Absolut!)

Deshalb haben Sie darauf auch nicht viel Worte verwendet.

(Abg. Dr. Walter Müller SPD: Auch bei den Kos- ten?)

Herr Müller, Sie beklagen, dass wir mehr Geld für Kinderbetreuung ausgeben.

(Abg. Dr. Walter Müller SPD: Nein, wir haben es damals gesagt! – Gegenruf des Abg. Haas CDU: Stimmt doch gar nicht! Sie haben etwas anderes gesagt!)

Es waren Prognosen. Wenn Sie ein neues Modell einführen, ist es doch klar, dass man sich prognostisch immer ein bisschen auf unsicherem Boden bewegt.

(Abg. Haas CDU zu Abg. Dr. Walter Müller SPD: Sagen Sie doch einmal, was Sie wollen!)

Jedenfalls dürfen wir resümieren: Wir haben in BadenWürttemberg praktisch eine vollständige Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz. Ich denke, dafür schulden wir auch den Kommunen noch einmal herzlichen Dank, die nämlich Investitionen in erheblichem Umfang zu tätigen hatten.

Eine sehr flexible Form der Kinderbetreuung wird von den Tagesmüttern angeboten.

(Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP: Richtig!)

Deshalb war der flächendeckende Aufbau von Tagesmüttervereinen eine zentrale Aufgabe des Landesverbandes der Tagesmütter.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Obwohl hier wie bei der Sonderpflege ein Auslaufen der Förderung des Landesverbandes mit Erreichen der Flächendeckung geplant war, sind wir der Meinung, dass der mit großem ehrenamtlichem Engagement geführte Landesverband – Sie alle wissen, wen ich da in erster Linie meine – unverzichtbar ist, um die noch nicht überall stabil funktionierenden Vereine zu unterstützen.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Da sind wir uns einig!)

Darüber hinaus sehe ich eine Aufgabe dieses Landesverbands durchaus darin, Aus- und Fortbildung zu organisieren, Curricula zu entwickeln und die Qualität der Tagesmütterbetreuung zu sichern.

Im Übrigen sehen wir den Beruf der Tagesmutter auch unter frauenpolitischen Aspekten als äußerst wertvoll und wichtig an. Denn der Beruf Mutter wird als Beruf anerkannt und lässt sich dann auch sehr gut mit der eigenen Familienversorgung vereinbaren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Dr. Eva Stanienda CDU)

Deshalb sind wir froh, dass es gelungen ist – wir machen nicht nur schöne Worte –, eine weitere Förderung des Landesverbands der Tagesmütter in Höhe von jährlich 120 000 DM zu erreichen. Ich denke, damit kann die ehrenamtliche Arbeit mit Sicherheit fortgeführt werden.

Ein doppelt unerfreuliches Thema – das ist, glaube ich, noch gar nicht angesprochen worden – ist der Haushaltsansatz bei den Unterhaltsvorschussleistungen.

(Abg. Dr. Eva Stanienda CDU: Jetzt kommen wir zum Thema! – Abg. Mühlbeyer CDU: 22 Millio- nen DM müssen wir dafür zusätzlich aufbringen!)

Das Thema ist einerseits deshalb unerfreulich, weil der Bund, der bisher die Hälfte der Kosten übernommen hat, seine Beteiligung auf ein Drittel reduziert hat und den Rest der bisher übernommenen Kosten auf das Land übertragen hat – auch im Rahmen des Eichel’schen Sparpakets, das kein Sparen, sondern ein Verschieben von Kosten auf das Land und die Kommunen darstellt.

(Zuruf der Abg. Ingrid Blank CDU)

Ich habe einmal nachgerechnet: Die Mehrbelastung für das Land beträgt, wenn man die Rückgriffsquote berücksichtigt, jährlich mindestens 18 Millionen DM.

(Abg. Ingrid Blank CDU: Was könnten wir mit dem Geld alles machen! – Abg. Dr. Birk CDU: Das ist ein Skandal!)

Diese Kosten werden wir im Übrigen nicht an die Kommunen weitergeben, sondern aus dem Sozialhaushalt finanzieren. Das ist die eine unerfreuliche Seite.

Das Thema ist andererseits auch deswegen unerfreulich, weil das Land ja nicht nur für zahlungsunfähige, sondern auch für zahlungsunwillige Elternteile eintritt, und zwar in erheblichem Maß. Hier unterstützen wir alle Maßnahmen, die zu einer Verbesserung der Rückgriffsquote führen, um diejenigen, die sich vor ihrer Verantwortung drücken – das sind leider meistens Männer –, in die Pflicht zu nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Von den pflichtvergessenen Männern nun zu den Frauen. Frauenpolitik ist eine Querschnittsaufgabe.

(Zurufe der Abg. Birgitt Bender und Renate Thon Bündnis 90/Die Grünen)

Es freut mich, Frau Thon, dass Ihnen das gefällt.

(Abg. Dr. Walter Müller SPD: Noch einmal!)