Protokoll der Sitzung vom 10.02.2000

und sich durch Herrn Palmer vertreten zu lassen. Auch das ist peinlich; das können Sie ihm ausdrücklich ausrichten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Haas CDU: Was ha- ben Sie denn zu sagen?)

Herr Kollege Oettinger, jetzt müssen wir uns einmal darüber unterhalten, ob wir dasselbe Verständnis bei der Frage haben, was die Europäische Union ist, und ob wir das gleiche Verständnis bei der Frage haben, worum es sich bei der FPÖ unter Herrn Haider handelt.

Fangen wir mit dem Letzteren an. Ich sage Ihnen – das haben Sie ja bei Herrn Schlierer und seinem Agieren deutlich gemerkt –: Bei der FPÖ unter Herrn Haider handelt es sich von der politischen Einordnung her ziemlich genau um dasselbe wie bei den Republikanern in Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Eigen- thaler REP: Danke, Herr Maurer! – Abg. Deuschle REP: Danke! Wir müssen bloß noch wachsen!)

Das ist ein ganz zentraler Ausgangspunkt. Es handelt sich nämlich bei der FPÖ um eine rechtsextremistische Partei, die geschickter agiert als beispielsweise die DVU oder die NPD. Das ist aber auch der einzige Unterschied.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Ingrid Blank CDU: Das tut euch Leid! – Abg. Dr. Schlie- rer REP: SPD und PDS ist ja auch fast dasselbe!)

Sie agieren wesentlich geschickter. Damit sind wir bei dem zentralen Punkt. Als Christdemokraten würde mich Folgendes strategisch sehr beschäftigen: Was in Österreich vor diesem Hintergrund passiert ist, ist das Gleiche, wie wenn Sie in Deutschland, was Sie – Gott sei Dank! – bisher nie getan haben, eine Regierung mit den so genannten Republikanern bilden würden.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Das ist das, was in Österreich passiert ist.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Deswegen sage ich Ihnen: Dass der ÖVP-Vorsitzende in Österreich eine Regierung mit den dortigen Reps gebildet hat, ist für seine eigene Partei existenziell bedrohend. Im Übrigen ist es, wenn es auf andere Länder übergreift, existenziell bedrohend für die Unionsparteien. Das müssen Sie sich klarmachen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Keitel CDU: Klima hätte es gemacht! – Abg. Dr. Schlie- rer REP: Aber sich dulden lassen! – Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie eine solche Koalitionsbildung in Deutschland – in diesem Fall mit den Reps – machen würden, wären die Reaktionen in Deutschland und im Ausland nicht zu vergleichen

(Abg. Fischer SPD: So ist es!)

mit den Reaktionen auf die österreichischen Ereignisse, zu denen es jetzt in Österreich und im Ausland gekommen ist. Ihnen fehlt, glaube ich, wirklich die Klarheit, strategisch richtig zu sehen, was das eigentlich heißt.

Herrn Schüssel werfe ich eines vor – und das wird allmählich überhaupt unser Trauma; von dieser Versuchung ist keiner in einer demokratischen Partei frei –: In dem Moment, in dem man anfängt, das persönliche Machtinteresse über grundsätzliche Erwägungen zu stellen, befindet man sich auf einer abschüssigen Bahn. Das sage ich Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Das aber hat der ÖVP-Vorsitzende gemacht. Das hat mitnichten etwas mit dem österreichischen Volk zu tun.

(Abg. Deuschle REP: Aha!)

Das ist ja allmählich irrwitzig. Ich weiß gar nicht, ob Sie überhaupt noch merken, was Sie hier sagen, Herr FDP/ DVP-Fraktionsvorsitzender. 27 % bei einer nicht hundertprozentigen Wahlbeteiligung jetzt auch noch durch die Hintertür zum österreichischen Volk zu erklären,

(Abg. Drexler SPD: Genau!)

was Sie de facto machen, ist eine Beleidigung für die Mehrheit der österreichischen Wähler, damit das einmal klar ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen – Abg. Pfister FDP/DVP: Sie müssen zuhören, Herr Maurer! Ich habe von einem Teil der Wähler gesprochen! Hören Sie doch zu! – Zurufe von der CDU und den Republi- kanern)

Nein, nein. Ich mache Ihnen klar, mit welchen Suggestionen Sie hier arbeiten.

Die Beschlüsse der Europäischen Union und der Staatschefs der Europäischen Union richten sich mitnichten gegen Österreich oder das österreichische Volk. Wenn man Ihnen zuhört, könnte man gerade meinen, da seien ein Embargo oder irgendwelche wirtschaftlichen Sanktionen oder der Abbruch der diplomatischen Beziehungen oder sonst etwas beschlossen worden.

(Unruhe)

Alles nichts, sondern die Staatschefs, und zwar auch die konservativen Staatschefs – diese übrigens vorweg, und zwar aus der Erwägung heraus, die ich Ihnen nahe zu bringen versucht habe – haben gesagt: Wir frieren unsere Kon

takte auf der diplomatischen Ebene auf das notwendige Maß ein. Und das suggerieren Sie hier zu einer gigantischen Bestrafung des österreichischen Volks.

(Abg. Rapp REP: So ist es!)

Dies ist eine Warnmaßnahme gegenüber Haider und seinen Anhängern und nicht gegenüber dem österreichischen Volk. Bei Ihnen sind ja in diesem Zusammenhang nicht mehr alle Tassen im Schrank.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe der Abg. Deuschle und Herbricht REP)

Zum Schluss, Herr Präsident, komme ich zum Verständnis der EU. Da haben wir möglicherweise einen Dissens, Herr Kollege Oettinger. Aber es lohnt sich, sich darüber zu unterhalten.

(Zuruf des Abg. Dagenbach REP)

Das Verständnis von der Europäischen Union, das hinter diesem einstimmigen Beschluss der 14 steht – – Ich will Sie schon einmal daran erinnern, dass Herr Chirac kein Sozialdemokrat ist. Ich will Sie daran erinnern, dass Herr Aznar kein Sozialdemokrat ist. Ich will Sie daran erinnern, dass an dem Beschluss Regierungen beteiligt sind, die mitnichten unter sozialdemokratischer Führung stehen. Im Übrigen sollten Sie der Versuchung widerstehen, so zu tun, als ob das Ganze eine Erfindung von Schröder und Fischer gewesen wäre. Dies ist maßgeblich in Paris und in Madrid erbracht worden, damit jetzt einmal Klartext geredet wird.

(Zurufe der Abg. Dr. Schlierer und König REP so- wie des Abg. Bloemecke CDU und der Abg. Hei- derose Berroth FDP/DVP)

Durch die tiefe Sorge konservativer Staatsführer in Europa, die aus der Geschichte etwas gelernt haben und diese Bedrohungen sehen, ist das zustande gekommen. Lassen Sie doch deswegen diese parteitaktischen Manöver in diesem Zusammenhang. Es wäre mir viel lieber, wir würden wieder zu dem Grundkonsens zurückkehren,

(Zuruf des Abg. Kiel FDP/DVP)

der da heißt: Mit solchen Parteien wie den Reps und der FPÖ gibt es keine Koalition in europäischen Regierungen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Ge- nauso wenig wie mit der PDS! – Abg. Dr. Schlie- rer REP: Aber mit der PDS machen Sie eine Koali- tion! – Weitere Zurufe von der CDU und den Re- publikanern)

Es ist in der Tat das Verständnis von Europa, das hinter diesem Beschluss steht.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Ich komme zum Ende, Herr Präsident.

Das Verständnis von Europa, das hinter diesem Beschluss steht, ist, dass es sich um europäische Innenpolitik handelt. Das ist das, was der Kollege Pfister überhaupt nicht begreift.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Wirklich, Herr Kollege: Ich halte normalerweise viel von Ihnen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das war eine hervorragen- de Rede!)

Aber hier eine Emotion gegen den Bundesaußenminister loszutreten,

(Zuruf der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP)

und zwar in einem x-fachen Umfang wie die Emotionen, die Sie beispielsweise gegenüber Herrn Haider erkennen lassen, das ist so was von dummdreist. Ich weiß gar nicht, was bei Ihnen im Kopf abgeht, solche Entgleisungen hier abzuliefern.