Bei den entsprechenden Entscheidungen des Staatsgerichtshofs konnte das bayerische Innenministerium keinen einzigen Fall zitieren, in dem das Gemeindeleben zum Stillstand gekommen wäre.
Herr Heinz, wenn Sie diese Entscheidung des Innenministeriums nachvollziehen wollen, müssen Sie den Menschen verbieten, morgens auf die Straße zu gehen, denn dort könnten sie von Dachziegeln getroffen werden. Das ist genauso wahrscheinlich wie die Lähmung der Gemeinden in diesen Fällen.
Meine Damen und Herren, schließlich wendet sich das Innenministerium gegen die Abschaffung des Zustimmungsquorums bei Bürgerentscheiden. Es meint, dass ein Zustimmungsquorum wegen der demokratischen Legitimation notwendig sei. Wir meinen andersherum, dass ein Zustimmungsquorum gerade aus demokratischen Gründen fragwürdig ist. Warum?
Zum einen begünstigt ein Zustimmungsquorum immer Diskussionsverweigerer. Solange es ein Zustimmungsquorum gibt, brauche ich ein Anliegen nur totzuschweigen, muss nur darauf vertrauen, dass wenig Leute zur Abstimmung gehen. Dann werden sich immer diejenigen durchsetzen, die gegen das Bürgerbegehren sind.
Wenn wir bei Oberbürgermeisterwahlen das gleiche Quorum wie bei Bürgerentscheiden ansetzen würden, dann hätte Stuttgart keinen Oberbürgermeister.
Herr Schuster wäre nicht OB, weil er nur eine Zustimmung von 28 % der Stimmberechtigten erhalten hat.
Schließlich führt ein Zustimmungsquorum auch dazu, dass sich im Ergebnis sogar kleine Minderheiten gegen Mehrheiten durchsetzen.
Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern: In AlbstadtEbingen gab es eine Abstimmung über einen Stadttunnel. Dabei haben sich 11 000 Bürger gegen den Stadttunnel ausgesprochen und 3 000 dafür. Der Stadttunnel wurde trotzdem gebaut. Warum? Weil die 11 000 Bürger, die dagegen waren, eben nur etwas über 28 % waren, und damit war der Bürgerentscheid nicht bindend.
(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Ich denke, wir müssen die Politik für alle Bürger in diesem Land gestalten und nicht nur für irgendeine fiktive Mehrheit!)
Ich glaube, an diesem Beispiel wird deutlich, dass es sogar zu einer Diktatur einer ganz kleinen Minderheit über eine große Mehrheit der Leute kommen kann, die zur Abstimmung gehen.
(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Dafür ist doch der Gemeinderat da, dass er solche Dinge regelt!)
Ich meine, dass diese Entscheidung der Landesregierung sehr angreifbar ist. Sie muss sich fragen lassen, wie sie mit den Menschen in unserem Land umgeht.
18 000 Menschen in unserem Land haben sich sehr viel Mühe gemacht, um mehr Möglichkeiten für die Demokratie zu schaffen. Aber diese Landesregierung lässt sie einfach auflaufen. Ich meine, hier fehlt der politische Wille, mehr Demokratie in unserem Land zu schaffen.
Meine Damen und Herren, gerade in der Zeit der CDUParteispendenaffäre wäre, um eine Identifikation der Bürger mit dem Gemeinwesen zu fördern, ein Mehr an Demokratie notwendig und keine kleinlichen Abwehrstrategien.
Noch ein Satz zu den Strategen der repräsentativen Demokratie. Auch wir sind nicht dafür, die repräsentative Demokratie durch eine direkte zu ersetzen.
Unser Gesetzentwurf will die repräsentative Demokratie sinnvoll durch Elemente der direkten Demokratie ergänzen. Wenn Sie sich anschauen, wie das in Bayern gelaufen ist...
... dann sehen Sie, dass es in Bayern in der Zeit, in der Regelungen, wie sie hier vorgeschlagen werden, Gültigkeit hatten, in einer Gemeinde im Durchschnitt alle 16 Jahre zu einem Bürgerentscheid kam. Das war aber immerhin zehnmal mehr, als es in Baden-Württemberg gegenwärtig der Fall ist.
Das heißt, dass es wesentlich mehr Möglichkeiten gibt, Herr Hauk. Die Bürger haben zehnmal mehr Möglichkeiten als in Baden-Württemberg. Damit können sie sinnvoll intervenieren und haben eine höhere Identifikation mit unserem Gemeinwesen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Gemeindeordnung ist das Grundgesetz, ist die Verfassung der Kommunen. Wir haben das Kommunalverfassungsrecht vor eineinhalb Jahren geändert und dabei unter anderem das Quorum für ein Bürgerbegehren gesenkt. Ich denke, es ist ähnlich wie beim Grundgesetz und bei der Landesverfassung: Man debattiert nicht alle Jahre über denselben Gegenstand und über die Frage, ob man die Verfassung ändert.
Wir haben damals auch grundsätzliche Überlegungen diskutiert. Sie haben eben ein anderes Verständnis von Kommunalverfassung, repräsentativer Demokratie und übertragenen Verantwortlichkeiten für gewählte Bürgerschaftsvertreter einer Kommune. Herr Hackl, man hat fast den Eindruck, Sie meinten, die Gemeinderäte seien gar keine Bürger mehr. Den Eindruck hat man,